In eigener Sache

12. März 2012 4 Kommentare

Die Frau hat ein Buch geschrieben, und weil es gut ist und viel Arbeit gemacht hat, empfehle ich es allen meinen Lesern: „Wir müssen leider draußen bleiben: Die neue Armut in der Konsumgesellschaft“ von Kathrin Hartmann! Heute erschienen! Zu wenige Witze drin für meinen Geschmack, aber hey, man kann nicht alles haben.

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Motivation, Motivation, Motivation

11. März 2012 4 Kommentare

Kurz war meine Freude an der neuen, jungen BBC3-Sitcom „Pramface“: Kaum zwei Folgen lang. Schon die dritte ließ mich deutlich weniger lachen. Warum nur?

Die Voraussetzungen waren jedenfalls gut: Ein eher schüchterner Sechzehnjähriger ohne große Erfahrung mit Frauen, der die Gelegenheit bei einer feuchtfröhlichen Party nutzt und mit einem (ziemlich betrunkenen) Mädchen ins Bett geht. Leider klappt das mit dem Kondom nicht so gut, und prompt ist sie schwanger. Kleine Komplikation: Sie ist schon achtzehn — und kein Altersunterschied könnte größer sein als der zwischen einem achtzehnjährigen Mädchen und einem sechzehnjährigen Jungen. Sehr schön demonstriert in einer Szene, als sie ihn zum ersten Mal nüchtern trifft und ihn anraunzt, er könne sich gleich wieder davonmachen auf seinem BMX-Rad. Er antwortet entrüstet: Er sei ja gar nicht mit einem BMX-Rad da! Seine Mama hätte ihn mit dem Auto gebracht!

Ein prima Konflikt also, von den diversen kleineren Konflikten ergänzt: Natürlich kommt Laura (Scarlett Alice Johnson) aus einer poshen Oberschichtsfamilie und Jamie (Sean Michael Verey) aus eher tiefer angesiedelten Verhältnissen; natürlich gibt es die üblichen Dramen à la „Wie sage ich es Mami und Papi“; und natürlich kommen da etliche Nebenfiguren ins Spiel, die der Story Würze geben: Er hat eine beste Freundin, die in ihn verliebt ist, von der er aber nicht mehr will als von einem guten Kumpel, und einen treudoofen besten Freund, der mehr doof ist als treu und in dieser Entourage die Figur, die am durchschaubarsten eingesetzt ist als Witzemagnet.

https://www.youtube.com/watch?v=6e9dPoBXnzE?version=3&hl=de_DE

Während die zweite Folge (per Einblendung) erklärte sechs Wochen nach der ersten spielt, findet die dritte (abermals per Einblendung ausgewiesene) zwölf Wochen später statt. Sie ist gerade nach Edinburgh zum Studieren gegangen, und er reist ihr nach, um sie davon zu überzeugen, dass… ja, was? Zwar will er ihr einen Heiratsantrag machen, aber mit dem Ziel, dass sie nein sagt, so dass er aus der Nummer guten Gewissens herauskommt. Diese Motivation könnte man mit etwas gutem Willen noch einsehen, und sie bietet abermals genügend Konfliktpotential, um hübsche Dialoge und Szenen zu bewerkstelligen: Was, wenn sie ja sagt? Und den teuren Ring behält, den er mit der elterlichen Kreditkarte online bestellt hat (in der Hoffnung, ihn dann einfach zurückschicken zu können)?

Vollkommen unklar wird aber in dieser Folge ihre Motivation, das Baby zu behalten. Bei einer Aussprache zwischen ihr und ihrer Mutter erklärt letztere sympathischer- und richtigerweise, dass an beruflichen Erfolg mit einem Baby nicht zu denken ist. Tochter: Aber es gibt Frauen mit einer Karriere und einem Baby! Mutter: Nein, es gibt Frauen mit einer Karriere und einer Nanny. Abtreibung steht also im Raum, als eine mehr als naheliegende Option.

Warum aber entscheidet sie sich dagegen? Welche Motivation gibt es, dieses Baby zu bekommen? Sie ist angewidert von dem Gedanken, sich mit einem zwei Jahre jüngeren Burschen einzulassen, sie will zur Uni gehen, sie hat eine beste Freundin, die ihr ebenfalls zu diesem Schritt rät — nichts, aber auch gar nichts spricht für dieses Kind. Außer dass es ohne keine Serie gäbe.

Das aber hinterlässt mich als Zuschauer ratlos. Und nichts ist tödlicher für Comedy, als wenn man die Motivation der Hauptfigur nicht erkennt. Das Ziel der Hauptfigur, das nur erreicht werden kann, wenn Hindernisse dafür überwunden werden, ist entscheidend dafür, wie eine Figur handelt und warum sie sich zum Deppen macht: Ist es das Ziel, berühmt zu werden und gesellschaftlicher Mittelpunkt zu sein wie bei Frasier, oder sein Gewissen zu erleichtern und mit sich ins Reine zu kommen wie bei „My Name is Earl“, ist es das Ziel, im eigenen Buchladen von Kunden unbehelligt zu bleiben, wie im Falle Bernard Blacks in „Black Books“, oder auch nur Zucht und Ordnung durchzusetzen wie bei „Hausmeister Krause“ — die Motivation ist grundlegend, und sie muss klar erkennbar sein, am Besten in jeder Folge wieder. Etwa wie bei „White Van Man“, wo im Vorspann das Foto eines neuen, weißen Transporters gezeigt wird und dann Ollies alter, rostiger Van, so dass die Motivation gar nicht offensichtlicher sein könnte: Er will einen neuen, weißen Transporter, so einen wie auf dem Foto.

Warum aber will Laura dieses Baby? Wenn ihr Antrieb klar dargelegt würde, wenn man einsehen könnte, was sie bewegt: Dann wäre „Pramface“ eine ganz gute Sitcom.

Die Kulturflatrate der BBC

7. März 2012 2 Kommentare

Um es gleich im Vorhinein offenzulegen: Wenn nicht jemand auf mich zugekommen wäre und mir die BBC-iPlayer-App für mein Smartphone einen Monat lang zum kostenlosen Test angeboten hätte, hätte ich sie mir vermutlich nicht geholt. Ich gucke eher nicht gewohnheitsmäßig Fernsehkrempel auf meinem Handy, das ist mir einfach zu klein, und Tablet habe ich keines.

Andererseits hätte ich doch etwas verpasst, das muss ich einräumen: Denn für knappe sieben Euro im Monat kommt dieser Zugang zu (ich weiß nicht wie) weiten Teilen des BBC-Fernseharchivs schon ziemlich nahe an eine Kulturflatrate ran, jedenfalls für mich. Zwar hab ich im Laufe der Jahre schon viel davon gesehen, was da speziell in der Kategorie Modern Comedy angeboten wird, „Rev“ und „Saxondale“, „I Am Not an Animal“, „Nighty Night“, „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“, „How Not To Live Your Life“, „The Office“, „Extras“, „Little Britain“, „IDEAL“, „Lead Balloon“, „The Mighty Boosh“, „Black Books“, „Peep Show“, „The Thick of It“ usw. usw. usw. — aber vieles eben auch noch nicht. Zum Beispiel „Keeping Up Appearances“ oder die Kinderserie „Rentaghost“. Beides sehr gute Serien, wie ich mich überzeugen konnte. Und es gibt ja noch viele Kategorien neben Comedy, so dass ich mir auf diesem Wege immerhin eine Vorstellung davon verschaffen konnte, was Michael Palin, dessen Tagebücher ich gerade lese, so über die Jahre an Reisedokumentationen gemacht hat. Viele nämlich. Sehr, sehr viele.

Und die iPlayer-App hat mir zu einem lustigen Wiedersehen mit einem ehemaligen Titanic-Kollegen verholfen: Denn Jeremy „Shoot them in front of their families“ Clarkson hat in seiner Serie „Jeremy Clarkson Meets the Neighbours“ (BBC2, 2002) in der Folge „The Germans“ den ehemaligen Titanic-Chefredakteur Oliver (damals noch ohne Maria) Schmitt getroffen und interviewt. Rätselhafterweise in Köln. Und musste anschließend (und nachdem die Kameras abgeschaltet waren) zugeben, dass der fast lustiger war als er selbst, was für einen Mann wie Clarkson, der über ausgeprägte Vorurteile gegenüber Aus-, sprich: Nichtengländern im Allgemeinen und Deutsche im Besonderen verfügt, doch recht überraschend zu sein schien.

Hier also der Tipp von jemandem, der mit 6,99 Euro dazu verführt worden ist, das zu sagen: Holt euch die BBC-iPlayer-App! Sie ist gut!!

Charlie Brooker verkauft sich!

29. Februar 2012 Keine Kommentare

Bzw. seine neue DVD „Charlie Brooker’s Black Mirror“: die steht seit Montag in den Online-Regalen Ihres Internets. Wer wissen möchte, worauf er sich da einlässt, ist gut beraten, die Blogeinträge von kürzlich nachzulesen: Da sind alle drei Folgen besprochen. Wer bei Amazon.uk shoppen kann: dort ist es etwas günstiger.

Dirk Gently

28. Februar 2012 2 Kommentare

Douglas Adams‘ Figuren, Howard „Misfits“ Overmans Buch, Stephen Mangan und Darren Boyd — da wird auch die ganze Staffel ein Knaller, schätze ich. Und freu mich schon drauf: „Dirk Gently“, Series 2, BBC4, ab dem 19. März 5. März.

https://www.youtube.com/watch?v=H5FLwkNX264?version=3&hl=de_DE

UPDATE: Ich hatte mich etwas verwirren lassen von der Zählung der BBC, die den Piloten von 2010 als „Episode 0“ zählt und die nächsten drei Folgen als erste Staffel deklariert. Darum stimmte natürlich auch der Titel dieses Eintrags nicht mehr, der von einer 2. Staffel ausging. Klar, eine einzige Folge macht noch keine Serie…

Alex Polizzi

26. Februar 2012 3 Kommentare

Es gibt Fernsehshows, die sind wie Popcorn: Man wird nicht richtig satt davon, aber sie machen Spaß. Sie setzen auf schlichte Effekte, aber die können sie dafür perfekt. Makeover-Shows gehören in diese Kategorie. Damit man sich nicht allzu schnell daran den Magen verdirbt, müssen sie gut gemacht sein. Meine Lieblings-Show dieser Art im englischen TV ist „The Hotel Inspector“ (Channel 5).

Der „Hotel Inspector“ ist Alex Polizzi, Anfang 40, eigentlich Alessandra Maria-Luigia O Polizzi Di Sorrentino, selbst aus einer Dynastie erfolgreicher Hoteliers stammend und eine Mischung aus Domina und Ehetherapeutin — man weiß nie, ob sie einen gleich übers Knie legt oder einem den Kopf streichelt. Was schon einen nicht unbeträchtlichen Teil des Appeals ihrer Show ausmacht: Sie ist streng, aber charmant, resolut, aber mit Einfühlungsvermögen. Sie ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Tine Wittler.

Und auch ihre Show ist das Gegenteil von „Einmarsch in vier Wänden“. Das geht schon mal damit los, dass „The Hotel Inspector“ weniger Privatmenschen beim Makeover unterstützen als Geschäftsleute, nämlich Hoteliers, und in ihrer neuen BBC2-Show „The Fixer“ Familienunternehmen, Christian Rach und seiner Restauranttesterei also nicht ganz unähnlich. Wie Rach ist sie vom Fach, wie er erkennt sie die Zusammenhänge von persönlichen und geschäftlichen Problemen, und wie Rach geht sie auf die Menschen individuell ein, statt einfach alles mit dem gleichen Kreativ-Schmu von der Ikea-Stange zuzukleistern.

Die Fälle allerdings sind ein bisschen bunter. Womöglich, weil die Protagonisten etwas ungewöhnlicher sind: Klarerweise zunächst einmal Hoteliers, die sich selbst überfordern, nicht genügend geschäftliche Ahnung haben oder so sympathisch rüberkommen wie Basil Fawlty. Aber auch Hoteliers, die Spinnweben aus drei Jahrzehnten für Flair halten, knall-rosa Badezimmer „für Schwule“ anbieten und ihren persönlichen Porzellankitsch großzügig über alle Zimmer verstreut haben; Hoteliers also mit mittleren und großen Persönlichkeitsschaden, Menschen, bei denen Selbst- und Außenwahrnehmung überhaupt nicht mehr übereinstimmen und die die Grenze zwischen liebenswert exzentrisch und komplett spinnert vor langer Zeit schon hinter sich gelassen haben.

Das angenehme aber: Genau diese durchgeknallten Charaktere werden von Alex Polizzi nicht gestutzt, auf Normalmaß zurückgeschnitten und gleichgemacht, sondern in ihren Eigenheiten aufgefangen. Mit größtmöglicher Verbindlichkeit, unzähligen „Darlings“ und viel Kompromissbereitschaft entstehen in jeder Folge neue, praktische Lösungen, und immer hat man als Zuschauer das Gefühl, dass da fair gespielt wird, dass die englische Trias aus (Selbst-) Disziplin, Individualismus und Freiheitsliebe zu einem Ende führt, das für alle Seiten zufriedenstellend ist: Für den Hotelier, den Hotel Inspector — und den Zuschauer, der ja immer auch potentieller Gast ist, sei es in den Hotels, die Alex Polizzi auf Vordermann gebracht hat, oder in den von Christian Rach aufs Gleis gesetzten Restaurants. Dass die Hotels in den schönsten (oder auch mal nicht so schönen) englischen Flecken liegen und ein Quentchen Komik wie das Salz im Essen immer dazugehört, macht „The Hotel Inspector“ zum perfekten Vorabendfernsehen, zum Appetithappen, bevor man sich wieder Nahrhafterem zuwendet.

Hier ist eine ganze Folge „Hotel Inspector“:

… gewesen