„Beyond the Sea“ in einer einfachen, zeitgenössischen Version, die Strandpromenade von Weston-Super Mare, auf richtigem Film gedreht, als wäre die Zeit stehengeblieben. Ein Hauch von Melancholie über der hellen Häuserfront zum Meer, und davor in dem kleinen Strandcafé kein Gast, nur das Besitzertrio Mary, Carol, Sarah, nämlich Großmutter, Mutter, Tochter. Noch während Mary dreimal die Geschichte erzählt, wie gerade am Morgen der Müllmann über eine Tonne gefallen ist und dann wieder aufgestanden, ohne sich auch nur im geringsten verletzt zu haben, entsteht der dringende Wunsch, dort in diesem Café zu sitzen, als Gast, und bei einer Tasse Tee und buttered scones so zu tun, als läse man Zeitung, um tatsächlich heimlich dem chitchat der Kommenden und Gehenden zuzuhören.
https://www.youtube.com/watch?v=LkguZy_J18c?version=3&hl=de_DE
Diesen Gefallen tun uns nun Ralf Little, Michelle Terry und Craig Cash mit „The Café“ (Sky 1). Vorbei schauen Richard (Little), ein eher unmotivierter Pfleger, der es nie aus Weston-Super Nightmare hinausgeschafft hat, John (Daniel Ings), der nur kurz aus London zurückgekommen ist, um seine Mutter im Heim zu besuchen, Chloe (Phoebe Waller-Bridge), die leicht überdrehte Friseurin, die „lebende Statue“ Keiran (Kevin Trainor) und noch eine Handvoll anderer regulärer Gäste. Vor allem aber das Trio der Caféeigentümerinnen, insbesondere Sarah (Terry), ebenfalls zurück aus London, allerdings für immer, nachdem sie in der großen Stadt gescheitert ist. Sie schreibt Kinderbücher, oder würde gerne Kinderbücher schreiben, hat allerdings noch keinen Verlag gefunden. Und keinen Mann.
Es sind vor allem die Dialoge, die gleichzeitig absolut realistisch klingen (und zu einem gewissen Teil auch tatsächlich von Familienmitgliedern abgelauscht sind, wie Ralf Little in einem Interview verraten hat) und doch so brillant lustig sind, daß am Ende der zweiten Folge schon ein halbes Dutzend Standardwendungen eingeführt sind, die für Gags genutzt werden können. Nur einer davon ist, daß Carol (Ellie Haddington) jeden Gast mit den Worten „talk of the devil“ begrüßt, und schon in der zweiten Folge kommt tatsächlich die „lebende Statue“ Keiran als Teufel verkleidet herein, bzw. natürlich als Hellboy, wie er zunehmend irritiert immer wieder erklären muß. Aber auch der running gag des „fastest cake in the world“ („only a second and it’s scone“) wird so schön oft kaputterzählt, daß er immer lustiger wird, je öfter er wiederholt wird.
Ein Glücksfall für Sky 1 und die Britcom, daß Ralf Little wieder mit Craig Cash (als Regisseur und Produzent) zusammenarbeiten durfte. „The Café“ lebt abermals von Cashs realistischem Ansatz (single camera, kein laugh track, auf Film gedreht), seiner Vorliebe für äußerst beschränkte Schauplätze und minimaler Handlung, die sich statt auf Action auf sprachverliebten Witz und trockene Dialoge verläßt. Genau das also, was schon „The Royle Family“ (BBC1, 1998 – 2000, schon damals mit Ralf Little) und „Early Doors“ (BBC2, 2003 – ’04) ausgezeichnet hat.
Dankbar sein muß man offenbar auch dem Sender Sky, der richtig Geld in die Hand genommen hat, um mit neuen Sitcoms („Trollied“, „Mount Pleasant“) auf sich aufmerksam zu machen. Das Café etwa, in dem hier gedreht wird, ist komplett neu entstanden, wo vorher nur Parkplätze waren — sehr ungewöhnlich für ein Erstlingswerk, und weder Little noch Terry haben zuvor Sitcoms geschrieben.
Das Vertrauen in Autoren und Produktion/Regie hat sich allerdings schon bezahlt gemacht: Die Figuren sind alle so sympathisch und glaubwürdig, daß sie mir, sehr ungewöhnlich nach nur einer Folge, gleich ans Herz gewachsen sind; nach zweien mochte ich schon fast an einen späten Überraschungshit dieses insgesamt doch eher mediokren Comedy-Jahres glauben. Allerdings sind meine allzu hohen Erwartungen an „Fresh Meat“ (Channel 4) dann doch peu à peu enttäuscht worden, also halte ich mich mit meinem Enthusiasmus nun mal ein bißchen zurück.
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