Spät-edwardianische „Mad Men“

29. Oktober 2011 3 Kommentare

Wenn es irgend ein Fernsehgenre gibt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann, dann das des Kostümdramas. Pompös, gestelzt, langatmig, rührselig — das sind nur die ersten vier Adverbien, die mir dazu einfallen. Kostümdrama ist das genaue Gegenteil von Comedy, das Gegenteil von schnell, böse, subversiv.

Soweit die Vorurteile. Die hielten bei mir genau bis „Downton Abbey“.

Natürlich ist auch „Downton Abbey“ (ITV, zwei Staffeln seit 2010) weder schnell noch subversiv. Und doch hat es mich gekriegt — da, wo mich auch „Mad Men“ gekriegt haben.

„Downton Abbey“ spielt zu Beginn der ersten Staffel im Jahre 1912 in einem (fiktionalen) englischen Anwesen in Yorkshire. Earl Grantham (Hugh Bonneville, „Twenty Twelve“) und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) haben drei Töchter, jedoch keinen Sohn, der jedoch als einziger erbberechtigt wäre. Ihr Plan, die älteste Tochter Mary (Michelle Dockery) mit einem entfernten (aber in der Erbfolge nun oben stehenden) Cousin zu verheiraten, wird jäh hinfällig, als zu Beginn der ersten Folge die Nachricht vom Untergang der Titanic eintrifft, auf der auch dieser Cousin unterwegs war. Nun fällt das Erbe an Matthew Crawley (Dan Stevens), einen jungen und bürgerlichen Advokaten aus Manchester, der zu Beginn der zweiten Folge auf Downton Abbey eintrifft — und mit der ganzen altmodisch-edwardianischen Aristokratie rein gar nichts anfangen kann und will.

Doch so wichtig die Ereignisse im Leben der Hochwohlgeborenen sind, so wichtig sind auch die der vielköpfigen Dienerschaft. Auch downstairs spielen sich Dramen ab; auch hier gibt es innerhalb der Kaste strenge Hierarchien, Ambitionen auf ein besseres Leben, Geheimnisse genau wie upstairs. Nur daß die Dienerschaft in der Regel mehr über die Geheimnisse der Herrschaft weiß als umgekehrt.

Es ist, und hier liegen die Parallelen zu „Mad Men“, eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in Großbritannien. Elektrizität und Telefon halten Einzug, erste Automobile beginnen Kutschen abzulösen; nicht mehr alle Frauen sind mit den ihnen zugewiesenen Rollen zufrieden, und auch nicht alle Bediensteten. Vor allem die Bürgerlichen Matthew und seine Mutter Penelope Wilton bringen Unruhe nach Downton: Penelope, Krankenschwester und Witwe eines Arztes, bringt bald frischen Wind in das örtliche Krankenhaus, und Matthew würde am liebsten sofort alle Angestellten in die Freiheit entlassen. Später werden sich der Erste Weltkrieg (der in der zweiten Staffel viel Raum einnimmt) und die Revolution in Rußland ankündigen und Schatten bis ins beschauliche Downton werfen.

Es sind die großen gesellschaftlichen Verwerfungen, die hier im Kleinen reflektiert werden, und Mittel zum Zweck sind dem Autor Julian Fellowes (selbst Aristokrat)  — für eine TV-Serie vergleichsweise große — Sprünge von ein paar Monaten zwischen den einzelnen Folgen. Wie im Zeitraffer sehen wir so Veränderungen im Gefüge, insbesondere in der zweiten Staffel etwa die Folgen des Krieges: Downton wird zu einem behelfsmäßigen Lazarett, sowohl Mitglieder der Herrschaft als auch der Dienerschaft ziehen in den Krieg und kommen nur zum Teil unbeschadet wieder.

Nie aber wird „Downton Abbey“ über derart großen Themen zum Schinken, nie werden Verrat, Intrigen, Betrug und Mißgunst um ihrer selbst willen erzählt, sondern immer, um im Porträt einer vergangenen Epoche diese mit unserer Zeit vergleichbar zu machen: Wo gesellschaftliche Verantwortungen von denen oben für die weiter unten liegen, wer wen braucht, wie sich das Fließgleichgewicht mit der Zeit ändert. Die Gleichheit, die hier gesellschaftlich so erkennbar nicht vorhanden ist, ist in der Erzählung immer gegeben: Sie nimmt die Sorgen des Earl Grantham genauso ernst wie die der Küchenhilfe Daisy, stellt niemanden bloß, zeigt die Fehltritte von höheren Töchtern wie von Laufburschen und wird dabei nie geschwätzig, sondern bleibt in der Narration, in den Dialogen immer zurückhaltend, während die Kamera dafür umso opulentere Bilder einfangen darf. Pro Folge, heißt es, hat „Downton Abbey“ etwa eine Million Pfund gekostet.

Die waren gut angelegt: „Downton Abbey“ feiert international große Erfolge, darunter elf Emmy-Nominierungen 2011 und 92 Prozent Zustimmung bei Metacritic, was einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde als „von Kritikern am besten bewertete Fernsehsendung des Jahres“ mit sich brachte. „Downton Abbey“ ist die erste britische Show, die diesen Rekord aufgestellt hat.

Die erste Staffel „Downton Abbey“ ist auf DVD erhältlich, die zweite demnächst, nach dem Ende der diesjährigen Staffel wird es ein Weihnachts-Special geben, und für nächstes Jahr ist eine weitere Staffel geplant, die dann im Jahr 1920 beginnen wird.

Holy F***ing Circus

21. Oktober 2011 13 Kommentare

Hier ist der ganze Film: „Holy Flying Circus“ (BBC 4), über den ich in Erwartung großer Dinge schon mal berichtet habe: die filmische, aber betont fiktionale Aufarbeitung der Kontroversen rund um „Monty Python’s Life of Brian“ (1979), die in einer Fernsehdiskussion zwischen John Cleese und Michael Palin hie, Malcolm Muggeridge und dem Bischof von Southwark Mervyn Stockwood auf der anderen Seite gipfelte.

Leider ist „Holy Flying Circus“ überhaupt nicht meins, gleichwohl ich das Restwerk des Autors Tony Roche sehr schätze, der nicht nur Teil des Autorenteams von „The Thick Of It“ und „In The Loop“ ist, sondern auch schon für das gerade laufende und recht schöne Comedydrama „Fresh Meat“ (Channel 4) geschrieben hat. Abgesehen von der wirklich verblüffenden Ähnlichkeit des Casts mit den Originalfiguren mochte ich überhaupt nichts an diesem Film, genauso wenig wie ich Leute mag, die minutenlang Python-Szenen (oder irgendwelche anderen Höhepunkte der Comedy) aufführen. Denn das war es im Wesentlichen: Eine Imitation. Ein Versuch, Comedy im Ton der Pythons zu machen. Ranwanzerei also, Fantum, genauso schlimm, wie wenn man einen Film über die „Simpsons“ im Stil der „Simpsons“ machen würde.

Eventuell ist es die fehlende Fallhöhe, die zu solcher Epigonie führt — da soll ja kein Denkmal gestürzt werden. Das ginge auch gar nicht, oder nur mit größten Schwierigkeiten, weil man sich nicht über Menschen lustig machen kann, die sich ihrerseits seit je über Denkmäler lustig gemacht haben. Das geht dann auf der anderen Seite zu einfach, wenn man empörte Christen als komplette Hanswurste inklusive einem Tourette-Trottel, einem Stotterer und einem Mark Heap-Creep zeigt: da stimmt dann zwar theoretisch die Fallhöhe (aufgeblasene, bigotte Christen), praktisch liegen dieses Opfer (heutzutage) aber schon so am Boden, daß man als Satiriker eigentlich Beißhemmungen kriegen sollte.

Dazu kommt ein Skript, das ziellos herumeiert (jaja, schon klar, die Mäander der Pythons), Darren Boyd, der Basil Fawlty spielt statt John Cleese, ein Terry Jones, der gleichzeitig die Ehefrau von Michael Palin ist, ach Gott. Es nimmt mich nicht wunder, daß die überlebenden Pythons sich von „Holy Flying Circus“ distanziert haben (allerdings weniger aus künstlerischen Gründen als aus solchen der historischen Genauigkeit) und John Cleese die BBC als „talentfreie Zone“ beschimpft hat. Dieses Experiment, diese Hommage (falls es als solche gedacht war) ist nicht gelungen, und ich bin da offenbar eher auf Seiten der Zuschauer, deren Twittereinträge deutlich kritischer sind als die Pressestimmen: Die finden „Holy Flying Circus“ zu meiner Überraschung nämlich tatsächlich eher gut.

„Free Agents“ (US) eingestellt. „Simpsons“ gehen weiter

8. Oktober 2011 Keine Kommentare

Schlechte Nachricht für Hank Azaria: Sein US-Remake der britischen Sitcom „Free Agents“ (NBC, Britcoms berichtete) ist nach nur drei Wochen abgesetzt worden — zu miese Quoten.

Gute Nachricht für Hank Azaria: Die „Simpsons“ werden um weitere zwei Staffeln verlängert, die Darsteller haben sich mit Fox geeinigt, ohne daß bekannt geworden wäre, wie viel weniger nun in den Taschen der Synchronsprecher landet. Bislang erhielten sie 440.000.- Dollar pro Folge, das war Fox, die mit schlechten „Simpsons“-Quoten zu kämpfen haben, allerdings dramatisch zu viel. Daß die Honorare tatsächlich um 45 Prozent gekürzt worden sind, wie der Sender das verlangt hatte, gilt aber als unwahrscheinlich.

„The Simpsons“: Aus nach 23 Jahren?

5. Oktober 2011 6 Kommentare

Die „Simpsons“ könnten am Ende dieser, der 23. Staffel, wegen finanzieller Differenzen eingestellt werden. Das berichtet Chortle.

Fox, Heimatsender der „Simpsons“, droht damit, die Serie abzusetzen, falls die sechs Haupt-Synchronsprecher nicht bereit sind, einer Kürzung ihrer Honorare um 45 Prozent (!) zuzustimmen. Laut Chortle erhalten sie derzeit acht Millionen Dollar pro Staffel. Das Gegenangebot der Darsteller lautet: Honorarkürzung um 30 Prozent, dafür eine minimale Beteiligung an Merchandising und internationalen Rechten der Show. Das hat Fox seinerseits bereits abgelehnt.

Die Schauspieler Dan Castallaneta (Homer), Julie Kavner (Marge), Nancy Cartwright (Bart) und Yeardley Smith (Lisa) sowie Hank Azaria und Harry Shearer verlangen seit Jahren eine Beteiligung an den Millionenumsätzen des „Simpsons“-Imperiums.

UPDATE Wie DWDL berichtet, haben sich Schauspieler und Studio mittlerweile geeinigt (ohne Details bekanntzugeben); die „Simpsons“ sind um weitere zwei Staffeln verlängert worden.

Endlich Frischfleisch

30. September 2011 1 Kommentar

Sechs Erstsemester ohne Gemeinsamkeiten ziehen in ein Studentenhaus — das ist die Prämisse von „Fresh Meat“ (Channel 4, bislang zwei Folgen ausgestrahlt). Da wäre die niedliche Josie (Kimberley Nixon) aus Wales, die etwas furchterregende Vod (Zawe Ashton) sowie Oregon (Charlotte Ritchie), mittelste Mittelklasse, gute Studentin und stets von der Befürchtung geplagt, langweilig zu sein. Und die Jungs: der sympathische Kingsley („Inbetweener“ Joe Thomas), ein schnöseliger Oberschichts-Affe namens JP (Jack Whitehall) und Howard (Greg McHugh), ein merkwürdiger schottischer Nerd (der einzige, der schon seit Längerem im Haus wohnt). Einen siebten Mitbewohner namens Paul gibt es zwar — zu sehen kriegt man ihn aber nie.

https://www.youtube.com/watch?v=QsDnApqgREw?version=3&hl=de_DE

Eine Ensemble-Comedy also, mit Charakteren, die schon in der ersten Episode zum Leben erwachen: Nach einem sehr unbehaglichen ersten Kennenlernen von fünf der Mitbewohner trifft Kingsley im Pub auf das rich kid JP. Der spricht ihn auf der Toilette an und lädt ihn auf ein Näschen Koks ein — allerdings nicht, weil er so großzügig wäre, sondern weil er das Zeug geschenkt bekommen hat und jemanden braucht, der für ihn testet, ob es wirklich Koks ist. Und ob es nicht am Ende vergiftet ist. Kingsley kann wenig später bei einem gutaussehenden Mädel landen, was die aus der Ferne ein bißchen in ihn verknallte Josie so enttäuscht, daß sie sich JP an den Hals wirft und später mit ihm im Bett landet — nur um am nächsten Morgen festzustellen, daß sie ihn a) nie wiedersehen möchte und b) jeden Tag wiedersehen wird, weil er nämlich der letzte noch fehlende Mitbewohner ist.

Wenig davon scheint neu zu sein, weder Setting noch Stil, aber bevor ich erkläre, warum „Fresh Meat“ trotzdem die wichtigste neue Comedy des Jahres werden könnte, hier die beiden wichtigsten Referenzen:

„Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001). Nicht nur das Studentenhaus aus „Fresh Meat“ sieht wie eine verlotterte Version des „Spaced“-Hauses aus, auch Howard ist eine Version von Mike (Nick Frost), und Oregon hat mich mehr als einmal an Daisy (Jessica Stevenson bzw. mittlerweile Hynes) erinnert. Die Situation selbst ist ebenfalls nicht ganz unähnlich: Tim (Simon Pegg) und Daisy kannten sich schließlich ebenfalls kein bißchen, als sie zusammengezogen sind. Die zweite Folge in beiden Serien drehte sich um eine Housewarming-Party (da hören die Gemeinsamkeiten der Partys aber auch schon wieder auf). Die Wärme, mit der die Charaktere in „Spaced“ gezeigt werden, ist in „Fresh Meat“ auch da — Josie und Kingsley jedenfalls sind mit genügend Charme gesegnet.

„Skins“ (E4, seit 2007). „Skins“ hat Maßstäbe gesetzt, was authentische Jugendliche in Serien angeht, die an ebendiese Zielgruppe adressiert sind. Wie „Skins“ kommt auch „Fresh Meat“ in Comedy-Drama-Episodenlänge (45 Minuten) daher, beides spielt im Norden Englands (Bristol/Manchester), hie wie da gibt es Regie-Mätzchen, die ambitioniert sind, aber nicht überambitioniert. Die Idee, SMS-Texte einzublenden, hat sich „Fresh Meat“ von „Sherlock“ geborgt.

Sam Bain und Jesse Armstrong („Peep Show“, „The Thick of It“) machen alles richtig: Sie verzichten auf allzu hassenswerte und larger than life-Figuren (wie etwa Andy Nymans Jonty de Wolfe in „Campus“, der mißratenen anderen Universitäts-Comedy des Jahres vom „Green Wing“-Team, ebenfalls Channel 4), stattdessen gibt es realistischere Situationen und Stories sowie Charaktere, zu denen man als Zuschauer unmittelbar Anschluß findet. Dafür wählen sie einen Regie-Stil, der auf allzu großen Realismus verzichtet, weggeht von allem Dokumentarischen und Semidokumentarischen, und hin (bzw. zurück) zu den elaborierteren Erzählformen gerade aktueller Drama- und ComedyDrama-Serien. Kurz: Weniger „The Office“, mehr „Spaced“.

Das aber halte ich für die Comedyform der Zukunft: Keine Wackelkamera und Riesenarschlöcher mehr, dafür kunstvollere Erzählweisen und familienkompatiblere Geschichten. Mag sein, man muß sich daran erst wieder gewöhnen — die zweite Folge „Fresh Meat“, vom „The Thick of It“-Autor Tony Roche, hatte zwar einen guten bis sehr guten Plot, allerdings fehlten ihr für die volle Punktzahl dann doch ein, zwei Knaller-Pointen. (Abgesehen davon, daß Robert Webb in seiner Gastrolle als Uni-Prof mich nicht nur schmerzlich an mein eigenes Alter erinnert hat [ich meine: Robert Webb! Als Uni-Prof!!], sondern auch die allzu platte Karikatur eines anbieternden Dozenten war.)

Größtes Manko von „Fresh Meat“ dürfte die dreiviertelstündige Form sein. Auf eine halbe Stunde eingedampft wäre die Show ohne weiteres die beste Sitcom der Saison. So aber könnte es sein, daß die Autoren noch ein, zwei Folgen brauchen, bis die Serie völlig ausbalanciert ist. Die Chancen dafür aber stehen gut, und vielleicht markiert „Fresh Meat“ ja in der Rückschau in ein paar Jahren den Wendepunkt der Comedy in den Zehnerjahren. Schaumermal.

Peng! Ptaff! Dong! Zack! Patschpatschpatsch! Klonk!

29. September 2011 2 Kommentare

Über die letzten Abende habe ich, im Anschluß an ein paar Benny Hill-Shows, die alten „Bottom“-DVDs rausgeholt, weil mir Ade Edmondson und Rik Mayall die legitimen Enkel des Slapstick-Großmeisters Hill schienen. „Bottom“ (BBC2, 1991 – ’95) war die Fortsetzung der „Young Ones“ (BBC2, 1982 – ’84) mit anderen Mitteln — nämlich mit noch gewalttätigeren, noch alberneren, noch pubertäreren. Schon bei Benny Hill waren stets die lustigsten Szenen die, in denen auf Henry McGees Glatze herumgepatscht wurde, aber Edmondson und Mayall haben die fein durchchoreographierten Kämpfchen unter Freunden auf eine neue Stufe gebracht.

Es ist glaube ich ein sehr alter Teil unseres Gehirns, der Gewalttätigkeit dieser Sorte lustig findet (und es ist sehr leicht, den jüngeren Teilen unseres  Gehirns den Vortritt zu lassen und zu sagen: Oh, DAS findest DU also lustig?). Soziologisch betrachtet stammt die Bereitschaft, über den Schaden Dritter zu lachen (weil man selbst heil davongekommen ist?), vermutlich aus bäurisch geprägten Zeiten und Gesellschaften: So wie man im Mittelalter während des Karnevals ungestraft mit Scheiße werfen und sich über die Getroffenen kaputtlachen konnte, so lacht z.B. der Chinese heute noch gerne mal, wenn er jemanden vom Fahrrad fallen sieht oder eine Langnase; am meisten vermutlich, wenn eine Langnase vom Fahrrad fällt. Dann bleibt er stehen, der Chines, gafft ganz ungeniert — und lacht und lacht und lacht.

Wir eher städtisch geprägten Mitteleuropäer tun das nicht, in der Regel jedenfalls nicht. Wir sehen eher diskret zur Seite und gehen vorbei oder fragen gar, ob wir helfen können. (Ich z.B. lache nur über behelmte und sonnenbebrillte Alphamännchen, die den Isaruferweg für einen Wald halten und mit ihrem Mountainbike so rücksichtslos rumrasen, daß es sie irgendwann auf die Fresse legt. Da lache ich allerdings. Und wie!) Aber sobald Gewalttätigkeit nicht wirklich ist, sondern gespielt, gefilmt und im TV zu sehen, oder auch nur im Kasperletheater, gehört sie zu den ältesten Vergnügen der Welt. (Nebenbei: Selbst wenn sich Menschen wirklich oder zumindest potentiell wehtun, lacht man sich ja auf eine beinah beängstigende Weise kaputt, siehe „America’s Funniest Home Videos“.)

Vielleicht haben die ewigen Nachrichten von Kriegen, Bürgerkriegen, blutig niedergeschlagenen Aufständen, Hungersnöten und was nicht alles ja den Spaß an der reinen Gewalt für alle ein bißchen ruiniert. Möglicherweise ist zeitgenössische Comedy deswegen so blutleer, weil heute die Gewalt (plus Sex und Drogen) hinter den Kulissen stattfindet und vor den Kulissen die familienfreundliche gequirlte Kacke (naming no names, Charlie Sheen!). Andererseits war Slapstick vermutlich schon immer (und insbesondere für Kinder) eine Möglichkeit, mit realer Gewalt in der Welt zurechtzukommen, indem man sie sich aneignet und ihr so die Bedrohlichkeit nimmt, wie Kinder eben auch gerne mit Spielzeugwaffen spielen.

Keine Ahnung. Ich jedenfalls will gerne mehr Gewalt im Fernsehen sehen. Gewalt gegen Omas, Kinder und flauschige Tiere! Es muß viel mehr geprügelt, geschlägert, verdroschen, mit Pfannen auf den Kopf gehauen werden! Jetzt sofort!!