Drüben im Britcoms-Facebookstrang stellte gestern jemand eine Frage, die ich so interessant finde, daß sie mir hier einen kleinen Eintrag wert ist:
Weiß jemand, wieso die meisten Filme (z.B. alle von Judd Apatow) im Deutschen stets solch dämliche Titel verpaßt bekommen? Ernsthaft, gibt’s dafür nen Grund?
Das Phänomen kennt ja nun jeder, der sich länger als zwei Sekunden mit Filmen beschäftigt hat (obwohl es mir jetzt bei Apatow-Filmen nicht aufgefallen ist): Komödien und Sitcoms kriegen in deutscher Übersetzung einen albernen Titel, der nicht selten auf Klamauk gebürstet ist und den Charakter der Serie oder des Films gar nicht richtig wiedergibt. Besonders Adam Sandler und Ben Stiller scheint es immer hart zu treffen: Aus „Waterboy“ wird „Der Typ mit dem Wasserschaden“, „Billy Madison“ heißt „Ein Chaot zum Verlieben“, „Cable Guy“ transformiert zu „Die Nervensäge“, „Duplex“ zu „Der Appartement-Schreck“, und „Dodge Ball“, o Gott: „Voll auf die Nüsse“. Aber auch Sitcoms bleibt es nicht erspart: „Fawlty Towers“ firmierte im Deutschen als „Ein verrücktes Hotel“ (ich hatte sogar „Ein total verrücktes Hotel“ in Erinnerung), und „Curb Your Enthusiasm“ als „Laß es, Larry“.
Aber warum? Zwingt jemand die Verleiher oder Fernsehsender dazu? Nein, natürlich nicht. Also muß es einen anderen, womöglich kulturellen, soziologisch erfaßbaren, humortheoretischen Grund geben.
Betrachtet man die Signale, mit denen bedeutet wird, daß man es mit Humor zu tun bekommen wird, also nicht nur die Titel selbst, sondern auch CDs, DVDs, Filmplakate und überhaupt Plakate für Comedy-Veranstaltungen, so wird man feststellen: der Deutsche kündigt seine Humor-Verrichtung gerne explizit an. Da gibt es viele lachende Gesichter, groteske Verkleidungen, überschminkte Frauen — grelle Farben, laute Töne. Besonders Filmaushänge aus der Zeit, als deutscher Humor noch weniger angelsächsisch geprägt war, wenn man etwa an die Filmkomödien der fünfziger und sechziger Jahre denkt, arbeiteten sogar ganz direkt mit Slogans wie „Es darf gelacht werden!“. Alles, was mit Karneval zu tun hat, der deutschesten Humoreinrichtung, läuft bis heute unter „jeck“, „verrückt“, wird mit lachenden Narren verbunden und, besonders wichtig: mit Gemütlichkeit. Die spannungsfreie Gemeinsamkeit, die gemütliche Fröhlichkeit ist die Basis, auf der der Deutsche Komik und Humor zulassen und verstehen kann.
Das wäre sagenwirmal dem Engländer nun äußerst fremd. Nicht nur braucht der keine Einladung, geschweige denn Erlaubnis zum Lustigsein, er zeigt auch nicht via breitem Grinsen, daß er gerade etwas Komisches sagt oder tut. Im Gegenteil: Er ist gerne mit todernstem Gesicht komisch, Stichwort: deadpan. Bei Monty Python wird nicht gelacht, Mario Barth aber ist ohne debiles Grinsen gar nicht vorzustellen. Das typisch deutsche Amalgam von Komik und Gemütlichkeit, das zeitlich und räumlich genau begrenzt ist, kennt der Engländer nicht. Dafür aber ist Humor und Komik bei ihm fester Bestandteil des Alltags, ja geradezu obligat im Umgang mit Mitbürgern. Durch Witz und Schlagfertigkeit kann er Spannungen abbauen, Konflikte entschärfen bzw. austragen, ohne dabei gewalttätig zu werden oder autoritär, was ja auch eine Form der Gewalt ist.
Diese Möglichkeit fehlt dem Deutschen weitgehend. Für ihn ist Komik immer eine Ausnahme, ihm sind in sehr vielen gesellschaftlichen Situationen Humor und Komik schlicht verboten. Vor allem in Situationen, die von starken Hierarchien geprägt sind: im Umgang mit der Polizei etwa (englische Polizisten sind, wenn sie einen nicht gerade verprügeln, unglaublich entspannt), vor Gericht, beim Militär, in der Kirche, auf dem Arbeitsamt, manchmal auch noch auf der Schule oder vor Ärzten. Überall, wo das Machtgefälle groß ist, sind Witze tabu. Umgekehrt muß, wo Komik und Humor erlaubt sind, dort eine entsprechende Beschilderung aufgestellt werden: „Es darf gelacht werden!“ „Jetzt wird’s lustig!“ Und am Besten weiß man auch, von wann bis wann gelacht werden darf („fünfte Jahreszeit“). „Heut‘ sind wir lustig“, so könnte ohne weiteres eine fröhliche Volksmusiksendung in der ARD heißen, von der alle Beteiligten schwören würden, sie wäre wirklich superlustig.
Diese Charakterisierungen von deutschem und englischem Humor sind überzeichnet, klar, und nicht nur hat sich der deutsche Humor seit dem Zweiten Weltkrieg stark verändert und mit dem angelsächsischen Humor vermischt (je jünger das Publikum, desto mehr), auch der englische Humor ist nicht mehr so englisch wie früher. Und natürlich gilt das Beschilderungsgebot für deutschen Humor auch nur für den viel geschmähten sog. „Nonsens“-Humor, der mit Verdikten wie „ist das schlecht“ belegt werden kann (im Gegensatz zu moralischem Humor, also Kabarett und Satire). Gerade deswegen fallen uns deutsche Filmtitel für amerikanische Filmkomödien so auf, die ein möglichst großes Publikum erreichen wollen und deshalb möglichst deutlich sagen wollen: Es wird lustig! Es darf gelacht werden! HAHAHA!! Aber sie werden weniger. Gut so.
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