Jahresendabstimmung

9. Dezember 2015 16 Kommentare

Zwei Polls zum Jahresausklang: die alljährliche Leserabstimmung über die britischen Sitcoms des Jahres, heuer ergänzt durch eine Abstimmung über US-amerikanische Serien, hier allerdings ComedyDramas und reine Sitcoms in einem Poll zusammengefasst.

Jeder hat drei Stimmen pro Poll, die bis nächsten Mittwoch, 16.12., um Mitternacht mindestens Samstag, den 19.12., abgegeben werden können, und wie immer bitte ich um Hinweise auf fehlende Serien, zumindest auf fehlende britische Serien — denn aus den USA dürften so viele Serien fehlen, dass die Liste relativ beliebig erweiterbar wäre.

UPDATE (21:25 Uhr): Ich hatte tatsächlich Peter Kay’s „Car Share“ vergessen, jetzt ist es nachgetragen.

UPDATE 2 (10.12., 15 Uhr): Ich habe bei den US-Serien „Another Period“, „Black-ish“ und „Veep“ ergänzt, m.a.W.: Serien, die ich zumindest schon mal auf dem Schirm hatte.

UPDATE 3 (17:45 Uhr): „Peep Show“ bei den Britcoms nachgetragen.

UPDATE 4 (13.12.): Gerade stelle ich fest, dass ich nicht vor Samstag nächster Woche dazu kommen werde, die Polls auszuwerten, insofern ergibt es auch keinen Sinn, sie vorher zu schließen. Also bleiben sie offen, schätzungsweise bis Samstag.

UPDATE 5 (20.12.): Jetzt sind sie zu, die Polls, und ich hoffe, ich komme die Tage dazu, was dazu zu sagen.

Beste Britcom 2015

  • W1A (Series 2) (17%, 34 Votes)
  • Episodes (Series 4) (13%, 26 Votes)
  • Catastrophe (Series 2) (12%, 24 Votes)
  • Detectorists (Series 2) (9%, 19 Votes)
  • Moone Boy (Series 3) (7%, 15 Votes)
  • Peep Show (Series 9) (5%, 11 Votes)
  • Ballott Monkeys (5%, 10 Votes)
  • Boy Meets Girl (4%, 9 Votes)
  • Toast of London (Series 3) (4%, 8 Votes)
  • You, Me And The Apocalypse (3%, 7 Votes)
  • Uncle (Series 2) (3%, 6 Votes)
  • Count Arthur Strong (Series 2) (2%, 5 Votes)
  • Inside No. 9 (Series 2) (2%, 5 Votes)
  • Cucumber (2%, 4 Votes)
  • Car Share (1%, 3 Votes)
  • Chewing Gum (1%, 3 Votes)
  • Raised By Wolves (1%, 3 Votes)
  • The Kennedys (1%, 2 Votes)
  • SunTrap (1%, 2 Votes)
  • Cradle to Grave (1%, 2 Votes)
  • Asylum (1%, 2 Votes)
  • Benidorm (Series 7) (0%, 1 Votes)
  • Pompidou (0%, 1 Votes)
  • Not Safe For Work (0%, 1 Votes)
  • Mountain Goats (0%, 1 Votes)
  • Bluestone 42 (Series 3) (0%, 0 Votes)
  • Cockroaches (0%, 0 Votes)
  • Vicious (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Top Coppers (0%, 0 Votes)
  • Together (0%, 0 Votes)
  • Nurse (0%, 0 Votes)
  • Murder in Successville (0%, 0 Votes)
  • People Just Do Nothing (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • No Offence (0%, 0 Votes)

Total Voters: 91

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Beste(s) US-Comedy(-Drama) 2015

  • Fargo (Series 2) (15%, 40 Votes)
  • Better Call Saul (14%, 37 Votes)
  • Louie (Series 5) (11%, 30 Votes)
  • Unbreakable Kimmy Schmidt (10%, 27 Votes)
  • You're The Worst (Series 2) (7%, 19 Votes)
  • Community (Series 6) (5%, 14 Votes)
  • Master of None (4%, 11 Votes)
  • Parks And Recreation (Series 7) (4%, 10 Votes)
  • Happyish (4%, 10 Votes)
  • Modern Family (Series 7) (4%, 10 Votes)
  • Veep (Series 4) (4%, 10 Votes)
  • The Last Man on Earth (Series 1+2) (4%, 10 Votes)
  • Togetherness (3%, 8 Votes)
  • Silicon Valley (Series 2) (2%, 6 Votes)
  • Orange is The New Black (Series 3) (2%, 5 Votes)
  • Transparent (Series 1) (2%, 4 Votes)
  • Jane The Virgin (Series 2) (2%, 4 Votes)
  • Welcome to Sweden (1%, 3 Votes)
  • Z Nation (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Another Period (1%, 2 Votes)
  • Wet Hot American Summer (0%, 1 Votes)
  • Fresh Off The Boat (0%, 1 Votes)
  • Black-ish (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • The Comedians (0%, 0 Votes)

Total Voters: 115

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Alles mögliche

4. Dezember 2015 1 Kommentar

Es hat schon einen Grund, dass Toyota sich damals für den Slogan „Nichts ist unmöglich“ entschieden hat, und nicht etwa für „Alles ist möglich“. „Nichts ist unmöglich“, das klingt nach der Verwirklichung von Utopie, dem Griff nach den Sternen, nach wilden Phantasien, die wahr werden, obwohl niemand das glauben wollte. „Alles ist möglich“ dagegen klingt nach dem Eingeständnis: Ja, irgendwas kann schon passieren, oder auch nichts, wer weiß das schon. Eh wurscht.

Leider hat sich Terry Jones bei „Absolutely Anything“ (2015) für „alles ist möglich“ entschieden. Und alles mögliche in seinen Film hineingestopft — außer einem dramaturgisch kohärenten Drehbuch.

Das rettet nicht einmal Simon Pegg (der allerdings bislang kaum je einen Film gerettet hat, in dem er der leading man war, wenn man von den Edgar-Wright-Filmen absieht). Schon gar nicht durch das Overacting, zu dem Kate Beckinsale und er scheinbar verpflichtet worden sind.

Aber von Anfang an. Eine Gruppe supermächtiger Außerirdischer, in Szene gesetzt durch eher billige CGI und gesprochen von den noch lebenden Monty Pythons, gibt einem per Zufall ausgewählten Erdling, dem vom Leben enttäuschten Lehrer Neil Clarke (Pegg), absolute Macht — „Bruce Almighty“ (2003) lässt grüßen. So wollen sie testen, wie moralisch die Erdbewohner sind und ob sie es also verdient haben, weiterzuleben, oder ob die Erde besser zerstört werden sollte.

Neil allerdings wird von seiner Superkraft nicht so sehr korrumpiert als verwirrt — sein größtes Handicap scheint darin zu bestehen, dass er seine Wünsche zu ungenau formuliert, so dass stets erst einmal Chaos entsteht, bevor er sich korrigieren kann. Das Ziel seiner Wünsche aber ist im Grunde Neils heiße Nachbarin Catherine (Beckinsale), und die beiden Haupt-Hindernisse zu ihrem Herzen sind Neils sprechender Hund Dennis (Robin Williams) und ihr hartnäckiger Verehrer Grant (Rob Riggle). Um nichts größeres geht es den ganzen Film über — obwohl das so naheliegend wäre, dass es regelrecht weh tut, was da alles verschenkt wird. Siehe abermals: „Bruce Almighty“.

So entspinnt sich eine unglaubwürdige RomCom, die von einem halbgaren Scherz zum nächsten stolpert, von versehentlich von den Toten erweckten Zombies zu einem albernen Kult, der Neils Kollegen Ray (Sanjeev Bhaskar) verfolgt, zu völlig abseitigen Problemen, die kurz vor dem Finale durch (endlich!) vernünftige Wünsche Neils entstehen: Wer hätte vermutet, dass das Ende von weltweiter Obdachlosigkeit dazu führt, dass sogar die Wüsten Afrikas mit Hochhäusern verbaut werden müssen? Und das Ende des Klimawandels zu einer Eiszeit führt? Niemand, weil das natürlich Unsinn ist.

Wie so vieles in „Absolutely Anything“: dass zunächst einmal diskutiert werden muss, in welcher irdischen Sprache die Außerirdischen reden möchten, es dann aber Zufall bleibt, dass sie sich auf Englisch einigen. Als ob diese Diskussion überhaupt nötig gewesen wäre, oder wenigstens zu Witzen geführt hätte. Dass Neil und Ray aus dem Nichts darauf kommen, darüber zu reden, was sie täten, wenn alle ihre Wünsche wahr würden. Dass Neil am Ende von seiner Allmacht so überfordert ist, dass er Selbstmord begehen möchte.

Alles bleibt unmotiviert, unzusammenhängend, rätselhaft — etwa warum es so ein großes Problem sein sollte, Wünsche korrekt zu formulieren.

Was für eine Verschwendung! Terry Jones macht nicht einmal aus seiner Macht, große Namen für seinen Film zu gewinnen, wirklich etwas: die Außerirdischen, Cleese, Gilliam, Idle, Palin, haben überhaupt kein Leben sondern sind erkennbar immer nur plot device, um die Handlung in Gang zu bringen. Die Scherze in Jones‘ selbstgeschriebenen Drehbuch (na gut: mit Gavin Scott, der daran angeblich seit Jahrzehnten herumgedoktort hat) klingen wie müde Sitcom-Kalauer aus den 80ern: „Give me the body of a great man“, sagt Neil, und schwupps! hat er Einsteins Körper. Wer hätte den nicht kommen sehen? „The London Underground is worse than anything we ever did in Guantanamo“, sagt ein Ami. Really?!

Sehr schade ist das alles. Nicht zuletzt, weil auch Robin Williams in seiner letzten Filmrolle hier sehr dünne Zeilen aufsagen muss. Aber nicht ganz unerwartet, denn Terry Jones‘ letzte Regiearbeit, „The Wind in the Willows“, war 1996, und auch diesen Film habe ich als sehr inkonsistent, anstrengend und unkomisch in Erinnerung. Dieser hier, erschienen im August, hat es in Deutschland nicht einmal in die Kinos gebracht, und wenn es überhaupt eine synchronisierte Fassung geben sollte, ist sie mir bislang nicht untergekommen.

Wer einen komischen Film sehen möchte, der gucke bitte absolutely anything else (jaja, ein Scherz, den ich mir von einer anderen Kritik zu „Absolutely Anything“ geborgt habe. Wenn der Film so faul sein darf, darf ich das auch). Zum Beispiel „Ant Man“, der ist nämlich dank Edgar Wrights Vorarbeit recht komisch geworden, auch ohne dass Wright selbst dabei Regie geführt hat.

Die Britcoms des Jahres 2015

29. November 2015 5 Kommentare

Dieses Jahr stehen, weil ich mein Blog übers Jahr ein wenig vernachlässigt habe, wohl doch ein, zwei Neuigkeiten in dem alljährlichen Humorkritik Spezial, das gerade in der Dezemberausgabe der Titanic erschienen ist.

FUCK POLITICS!

Zu welchen Waffen soll politische Comedy noch greifen, wenn sie von der Wirklichkeit so in den Schatten gestellt wird wie unlängst in Großbritannien geschehen? Kein Wunder, dass sich die Britcoms des Jahres vollends ins Private verabschiedet haben.

David Cameron und das #piggate: Wenn die Wirklichkeit erst einmal so weit ist, dass in den Köpfen von Millionen Menschen Bilder vom Penis des ersten Mannes im Staate in der Schnauze einer toten Sau entstehen, dann hat die Comedy ein Problem. Dann haben nämlich die Nachrichten zur Satire aufgeschlossen: 2011, in der ersten Folge „Black Mirror“ (Channel 4) malte Charlie Brooker aus, wie eine englische Prinzessin entführt wird und die Forderung der Erpresser eben die ist: dass der Premier (Rory Kinnear) live im Fernsehen ein Schwein, nun ja, beglückt. Worauf dieser, nachdem er die Sympathien der Öffentlichkeit verliert, schließlich eingehen muss. So verblüffend waren die Parallelen, dass Brooker sich genötigt sah zu erklären, er habe selbstverständlich von diesem Detail aus Camerons Biographie nichts gewusst. Woher auch.

Life imitates art: Wenn selbst derart drastische Scherze in den Bereich des Möglichen rutschen, was bleibt da der Britcom noch übrig? Die politischen Sitcoms 2015 jedenfalls suchten ihr Heil darin, zu einer harmloseren, einer realistischeren Realität zurückzukehren: die „Ballott Monkeys“ (Channel 4) von Andy Hamilton und Guy Jenkin („Outnumbered“) hielten sich vorwiegend in den Omnbiussen von vier Wahlkampf-Teams auf, die bis zur General Election im Mai unterwegs waren und produzierten so eine dialoglastige Serie, die zwar recht komische Momente hatte, der Aktualität geschuldet aber keine große Halbwertszeit.

„Asylum“ (BBC4) dagegen nahm sich der Kasernierung eines egomanen Whistleblowers (Ben Miller) in einer Londoner Botschaft an (Julian Assange lässt grüßen) und bediente mit stark überzeichneten Figuren einen recht burlesken Humor — das allerdings nur mit sehr durchwachsenen Resultaten.

Die zweite Staffel „W1A“ (BBC2) dagegen, der wiederum sehr satirische Blick auf das Innenleben der BBC, war abermals brillant, womöglich sogar besser als die erste Staffel, und sicher die beste Serie unter den vorgenannten.

Das aber war’s dann auch mit politischer Satire. Der Rest: bleibt in der Familie.

„Boy Meets Girl“ (BBC2) etwa: Da hört man direkt schon im Titel das Understatement, mit dem prompt in der ersten Szene schon gebrochen wird. Denn das girl (39) ist in diesem Falle nicht nur deutlich älter als der boy (26), sondern war bis vor Kurzem noch ein Mann, jedenfalls dem äußerlichen Anschein nach. Dass „Boy Meets Girl“ aber trotz des großen Themas Transexualität eine old school Britcom ist: das ist genau die Größe dieser Serie, die zu den besten neuen Comedys des Jahres zählt. Denn mit dieser Normalität, ohne billige Witze mit Männern in Frauenkleidern, ohne dass die Protagonistin Judy (Rebecca Root, tatsächlich trans) dabei sad, bad or mad wäre, wie das Fernsehklischee es bis dato gebot, gab es tatsächlich noch keine Show über Transexualität. Auch Amazon Videos hochgelobtes „Transparent“ etwa kommt ja ohne melancholisch-problematisierende Töne nicht aus. Hier aber wurden in englischen Kritiken sogar Vergleiche mit „Gavin & Stacey“ (BBC3, 2007 – 10) gezogen, einer der wärmsten Familien-RomComs des letzten Jahrzehnts. Und in der Tat: Hie wie da sind es kulturelle Unterschiede (bei „Gavin & Stacey“ war ihre Familie aus der walisischen working class und seine aus der gehobenen Mittelschicht des Londoner Umlands), die für Reibung sorgen — aber eben absolut lösbare, praktische Konflikte, die keiner moralischen oder ethischen Diskussion bedurften, sondern dessen, was Engländer am Besten können: Diplomatie und Kompromisse. Fair play FTW!

Das nun ist die eine Möglichkeit, die viele DomComs des vergangenen Jahres nutzen: Das Familienleben mit einer ungewöhnlichen Idee aufzubohren. So tut es beispielsweise auch die zweite Staffel des ebenfalls sehr schönen „Catastrophe“ (Channel 4, siehe das Britcom-Humorkritik Spezial vom letzten Jahr), in dem Sharon (Sharon Horgan) und Rob (Rob Delaney) sich kaum kennen, aber zusammen ein Kind erwarten. Dieses Jahr ist schon das zweite da. Oder, und darauf sind verblüffend viele Britcom-Autoren 2015 gekommen, man bedient sich bei seiner Vergangenheit und verlegt gleich die ganze Serie in die Siebziger — oder adaptiert seine Kindheit in die Gegenwart.

So machen es die Schwestern Caitlin und Caroline Moran, erstere Times-Kolumnistin, in ihrer Sitcom „Raised By Wolves“ (Channel 4). Die beschreibt die Adoleszenz ihrer Autorinnen als fröhlich hippiesker Bodensatz der Gesellschaft ohne Schulbildung und Vater, dafür mit drei Geschwistern und einer Mutter mit ordentlich Durchsetzungskraft. Vor allem der 16jährigen Hauptdarstellerin Helen Monks als pummelige Germaine (Caitlin) ist es zu verdanken, dass „Raised By Wolves“ einer der Geheimtipps des letzten Jahres geworden ist: Monks’ Mimik und ihre Präsenz geben ihrer übersexualisierten Figur eine Energie, die ihre Dampfplauderei über ihre Vagina, ihre Periode und ihre notorische Geilheit auf einen gleichaltrigen bully zu einem komischen Trommelfeuer werden lässt, das nicht nur ihre Schwester (und vermutlich manchen Zuschauer), sondern auch ihre Mutter Della in den Wahnsinn treibt: „Living with you’s been like having a horny gorilla in the house.“ Immerhin können geile Gorillas ja auch sehr komisch sein. Wenn man nicht mit ihnen zusammenwohnen muss.

„The Kennedys“ (BBC1) und „Cradle To Grave“ (BBC2) dagegen verlegen ihren Schauplatz direkt in die Siebziger, aber während sich die „Kennedys“ (von Emma Kennedy autobiographisch angelegt) fast ein bisschen zu sehr auf alte Klischees (und das Talent von Katherine Parkinson) verlassen, lebt Danny Bakers ebenfalls autobiographische Serie, eine Art „Only Fools And Horses“ (BBC1, 1981 – 91) in den Siebzigern, von etwas authentischeren Tönen. Und von Hauptdarsteller Peter Kay („Phoenix Nights“).

Den ich allerdings für seine andere Sitcoms dieses Jahres mehr loben möchte: „Car Share“ (BBC1), eine Art Sitcom-Kammerspiel, das fast ausschließlich die Autofahrten zur Arbeit und nach Hause erzählt, bei denen John (Kay) seine Kollegin Kayleigh (Sian Gibson) zum Supermarkt mitnimmt, in dem sie beide arbeiten. Minimalistisch (heißt: kostengünstig), aber sehr komisch, weil ideenreich: Schon in der zweiten Folge etwa wird das Prinzip aufgebrochen, und wir finden die beiden nicht auf dem Arbeitsweg, sondern in einer Trauer-Kolonne für den verstorbenen trolley collector, der, wie es seinem Job entsprach, in einem Sarg auf einer Schlange Einkaufswagen seiner Beerdigung entgegengeschoben wird. Schön, dass Peter Kay nach Jahren der Bildschirmabstinenz wieder zu sehen ist.

Eine der bösesten Sitcoms des Jahres aber hat zwar einen Briten in der Hauptrolle: Steve Coogan, der im United Kingdom allmählich vermisst werden dürfte. Sie stammt aber aus den USA: „Happyish“ (Showtime) von Shalom Auslander. Sarkastischer wurden die Abgründe von Werbeagenturen nie beschrieben als hier, in diesem „Mad Men“-Antidot, das sich nicht zu schade ist, Coca Cola mit Faschismus gleichzusetzen. Aber dafür, dass es die ganze Zeit um Depressionen, Judentum und jugendliche, soziopathische Vorgesetzte geht, die Thom Payne (Coogan) das Leben zur Hölle machen, ist es doch ziemlich komisch geworden.

Genau das richtige für allzu besinnliche Weihnachtstage also.

Mangels Platz auf einer Doppelseite fehlen auch dieses Jahr natürlich wieder etliche Serien, unter anderen „Pompidou“ (BBC1) und „Sun Trap“ (dito BBC1), die diesjährigen Star-Vehikel für Matt Lucas („Little Britain“) respektive Kayvan Novak („Fonejacker“, „Four Lions“). Weil aber beide Serien derart medioker waren — erstere in ihrem Versuch, „Mr. Bean“ als verarmten Adeligen zu kopieren, letztere in ihrem Versuch, Novaks Wandlungsfähigkeit in einen hanebüchenen Schmarrn um einen Undercover-Journalisten in Spanien zur Schau zu stellen –, ist es (glaube ich) kein Verlust, dass sie hier nicht vorkommen.

Wer glaubt, es fehlt eine relevante Britcom des Jahres (etwa die neunte und letzte Staffel „Peep Show“, die derzeit läuft), schreibe das bitte in die Kommentare. Dann hole ich das ggf. nach und kann wengistens in der kommenden Jahresendabstimmung nochmal was dazu sagen.

Pro und contra High-Concept

23. November 2015 2 Kommentare

Die zweite Staffel „The Affair“ (Showtime, seit 2014) ist noch besser als die erste.

Das ist deshalb etwas besonderes, weil ich das Gimmick, mit dem Sarah Treem und Hagai Levi („In Treatment“) ihre Serie gepimpt haben, schon während der ersten Staffel schwierig fand: die Erzählweise, in zweimal einer halben Stunde dieselben Ereignisse mit den Augen der zwei Hauptprotagonisten, sprich: subjektiv zu erzählen. Ein Gimmick, dessen sich die Macher von „The Affair“ nurmehr sporadisch bedienen (gerade in der achten von zwölf Folgen wieder etwas mehr, weshalb ich vermutlich auch darauf aufmerksam geworden bin). Mittlerweile sind die Charaktere, die in der ersten Staffel je nach Perspektive mal mehr, mal weniger sympathisch waren, durch die Bank konsistenter, was die Serie zwar ein ganzes Stück weniger innovativ und experimentell macht, aber auch besser — weil man der Charakterentwicklung nun wieder leichter folgen kann, ohne sich dauernd fragen zu müssen, ob das, was man sieht, womöglich eben nur im Spiegel des Charakters selbst geschieht oder tatsächlich.

So haben Treem und Levi mit „The Affair“ eine Kurve gekriegt, die andere fortgesetzte Serien dieser Season leider nicht ganz so gut gekriegt haben — und weil diese ungewöhnlichen, speziellen Konzepte von Serien gerade Konjunktur haben, sind es leider auch (mindestens) zwei andere Serien, die von diesem Problem betroffen sind:

„The Last Man on Earth“ (Fox, seit 2015) etwa. Der war nun schon seit der zweiten Folge nicht mehr der letzte und einzige Mensch auf der Welt; ja, über den Verlauf der ersten Staffel wurde es ein ganzes Ensemble.

Zwar haben sich die Autoren hier zu Beginn der zweiten Staffel zunächst auf das ursprüngliche Konzept halbwegs zurückbesonnen und den Cast wieder auf zwei reduziert, aber nur mit Phil (Will Forte) und Carol (Kristen Schaal) alleine eine ganze Staffel zu füllen, das ging nun halt doch nicht. Also waren bald alle aus der ersten Season wieder zurück, und mit ihnen das Grundproblem der Serie: Wie oft kann man den einzigen Witz der Serie wiederholen? Wie oft kann es sich ein Soziopath wie Phil mit allen verscherzen, und wie oft können sich alle anderen mit ihm wieder versöhnen, bis auch der letzte Zuschauer gemerkt hat, dass in dieser Serie nichts vorangehen kann?

Leider nicht so oft, wie ich es mir gewünscht hätte.

Auch „You’re The Worst“ (FX, seit 2014) ist diesem Problem so halb erlegen. Die will they, won’t they-Mechanik, die in der ersten Staffel die bindungsunfähigen Narzisten Jimmy (Chris Geere) und Gretchen (Aya Cash) magnetisch gleichermaßen zusammengebracht wie voneinander abgestoßen hat, wurde in der zweiten Staffel ersetzt durch eine feste Beziehung, und schon war die Chemie der ersten Staffel perdu. Schade, und noch bedauerlicher, dass Stephen Falk beschlossen hat, Gretchen auch noch auf halbem Weg durch die Season eine Depression anzudichten, die sie mehr oder weniger aus der Serie hinausgekickt hat. Das sollte wohl wieder etwas von dem Zauber des Verkorksten herstellen, der die erste Staffel hindurch so gut funktioniert hat — allein, das klappt nicht so recht. Denn Jimmy müsste, zumindest empfinde ich das so, eigentlich zu schlau sein, um zu glauben, man könnte jemandes Depression heilen, indem man ihm einen lustigen Tag bereitet. Und Gretchen ist nurmehr reduziert auf einen Flunsch, der sich die Decke über den Kopf zieht und vom Moment an, in dem sie eingestanden hat, depressiv zu sein, tatsächlich nur noch das: ein Häufchen Elend.

Das mögen amerikanische Zuschauer nun besonders mutig finden, dass sich eine Serie dem Tabuthema Depressionen so offen stellt — ich fand es eine Charakterentwicklung, die jemand offenbar mit einer Brechstange und einem großen Holzhammer ins Werk gesetzt hat.

Nun haben diese High-Concepts deswegen gerade Erfolg, weil sie mit einem ungewöhnlichen „Was wäre wenn …“-Setup viele Zuschauer schnell in ihren Bann ziehen: Was wäre, wenn eine junge Frau herausfindet, dass sie nur einer von ziemlich vielen Klonen ist? wenn ein junger Mann einen Hund hätte, der (nur) mit ihm spricht? wenn Tote sich unter die Lebenden mischen und die Lebenden das einfach hinnehmen, weil sie so ihrer Trauer aus dem Weg gehen können?

Das Risiko allerdings ist groß, dass Showrunner mit dieser Form von Konzept zu hoch pokern, dass die dieses Konzept zulasten der Charaktere geht, die Serien ja später einmal tragen müssen, wenn sich der Neuigkeitswert des Gimmicks abgenutzt hat — dass Serien also „keine Füße“ haben und in der Folge mehr stolpern und sich dahinschleppen, als wirklich laufen zu können.

Umso beeindruckender, dass „The Affair“ seine Füße gefunden hat und Dominic West („The Wire“), Ruth Wilson („Orange is The New Black“) und Maura Tierney in die Lage versetzt hat, ihre Charaktere zu entwickeln. Und mit den Charakteren und ihren amourösen Verstrickungen auch noch einen kriminalistischen Plot, der immer noch, in der Mitte der zweiten Staffel, gerade erst beginnt, Konturen zu entwickeln, und dabei doch spannender ist, als es der Taschenspielertrick mit den zwei Perspektiven langfristig je hätte sein können.

Fuck you? Hm.

16. November 2015 5 Kommentare

John Oliver hat die Freiheit, die ihm HBO gibt, bei seiner jüngsten „Last Week Tonight“-Ausgabe dazu genutzt, um in Richtung der Attentäter von Paris zu sagen: „Fuck you“, und weil einige meiner Freunde das offenbar auch fanden, haben sie den entsprechenden Clip geteilt, so dass er in meiner Facebook-Timeline nicht zu übersehen war:

Doch so sehr ich dem aus vollem Herzen zustimmen möchte: Ich kann es nicht. Es widerstrebt mir sogar geradezu, dieses „fuck you“.

Nicht, weil ich etwas gegen das Herunterbrechen, das Zuspitzen, die right in your face-Haltung hätte. Die braucht Comedy, und wenn man — wie Oliver — in dieser Hinsicht mehr Freiheiten hat als andere: nur zu, dann soll man sie auch nutzen.

Aber mir kommt es so vor, als sei dieses „Fuck you!“ nicht das erste, das den Attentätern und ihren Brüdern (und Schwestern) im Geiste (und sei der noch so klein) um die Ohren geschlagen worden wäre. Im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, denen ist schon sehr, sehr oft „fuck you“ gesagt worden. Vielen von Geburt an, immer wieder. Ja, womöglich hatte ein ubiquitäres „Fuck you!“ von sozial höher stehenden weißen Männern sogar einen recht entscheidenden Anteil daran, dass die so geworden sind, wie sie sind, und dass das Attentat in Paris deren Art war zu sagen: Nein, fuck jetzt mal YOU! Und fuck them they did.

Ja, mir ist klar: John Olivers „Fuck you!“ hat sich gar nicht in erster Linie an die Attentäter gerichtet, sondern an seine Zuschauer, es war seine Art, Solidarität zu üben und zu sagen: Wir stehen zusammen. Also die etwas drastischere Variante aller Trikolore-gefärbten Facebook-Profilfotos, aller gut gemeinten Bekundungen in den sozialen Netzwerken, die nichts anderes sind als gesellschaftliche Rückversicherungen, auf wessen Seite man ist, dass man gleiche Werte teilt und dass man an der Definition von „wir“ gerade möglichst schnell mitarbeiten will, um sich eben auch schön abzugrenzen von all denen, die nicht zu diesem „wir“ dazugehören sollen. Den anderen halt.

Und in meinen Ohren klingt das John Oliversche „fuck you“ dann auch nicht sehr viel anders als das von Söder, Seehofer und allen rechten und noch rechteren Zeitgenossen, die ihrerseits nämlich auch sagen: Fuck you, alle miteinander — einfache Antworten, das ist genau unser Ding! Und den anderen, denen zeigen wir’s jetzt mal. Stinkefinger! Fuck you! Grenzen zu und alle heimschicken! Und ohne Abendessen ins Bett!

Als ob nicht von diesen einfachen Antworten eine enorm große Kraft ausgeht (siehe abermals John Oliver und wie oft sein „fuck you“ geteilt worden ist). Eine Kraft, die, in die falschen Hände gelegt und falsch eingesetzt, ziemlich schnell auch ziemlich dumme Folgen haben kann. Einfache Antworten wirken auf Menschenmengen immer verführerisch, und auch die IS-Deppen haben einfache Antworten geradezu als Geschäftsmodell entwickelt: westliche Kultur böse, Religion gut, wer nicht mitmacht: Rübe ab. Noch einfacher geht’s kaum.

Am Ende war mir, auch weil Oliver sehr schnell nach dem Attentat auf Sendung war mit seinem „Fuck you!“, vielleicht sogar der frenetische Stimmungs-Jubel des Publikums mindestens genauso unangenehm wie das „fuck you“ selbst, diese helle Begeisterung, die auf dieses „fuck you“ folgte, das nur ganz knapp keine Handlungsanleitung war, keine Aufforderung, kein Aufruf, jetzt mal jemanden ordentlich zu ficken.

Als ob nicht gerade schon genug Leute gefickt worden wären.

Die letzten Scherze der Menschheit

11. November 2015 Keine Kommentare

Es gibt so Serien, die will ich einfach mögen. Weil sie eine originelle Idee haben, weil sie sich weit aus dem Fenster lehnen, weil an ihnen viele guten Leute beteiligt sind. Weil sie „groß“ sind im Sinne von: zurecht mit viel Geld ausgestattet, mit guten Special Effects, einem großartigen Cast usw.

Nur stellt sich dann irgendwann die Frage: Sind sie mir nur sympathisch, oder sind sie wirklich gut?

„You, Me And The Apocalypse“ (Sky1, seit September) ist so eine Serie. Sie hat, als Comedy-Thriller angelegt, eine hübsche Grundidee: Sie erzählt die letzten 34 Tage der Menschheit, bevor ein Komet die Erde trifft, der voraussichtlich alles Leben auslöschen wird, und zwar in mehreren parallelen Erzählsträngen: u.a. dem eines Bankangestellten in Slough, eines Meisterhackers, einer zu Unrecht im Knast sitzenden Frau in den USA und dem einer Nonne und eines Priesters im Vatikan. Und wie letzteres schon andeutet, gibt es dabei neben der (cyber-) technischen auch noch eine religiöse Seite in der Erzählung, denn im Vatikan ist man davon überzeugt, dass das Ende der Welt auch das Jüngste Gericht und damit die Wiederkehr des Gottessohns bedeutet — der erstmal gefunden werden muss zwischen all den falschen Propheten, die in den finalen Stunden der Welt rapide vermehrt auftreten.

„You, Me And The Apocalypse“ (sollte eigentlich „Apocalypse Slough“ heißen, was womöglich auch der bessere Titel gewesen wäre) hat ein beachtliches Star-Aufgebot: neben den Briten Mathew Baynton („The Wrong Mans“), Joel Fry („Game of Thrones“, „Plebs“), Paterson Joseph (aktuell auch in der finalen Staffel „Peep Show“ zu sehen) sind, infolge der Kooperation von Sky mit NBC, auch etliche gute US-Comedians dabei: etwa Jenna Fischer („The Office“), Megan Mullaly („Will & Grace“) und Rob Lowe („Parks and Recreation“). Und dann die Gaststars! Nick „Ron Swanson“ Offerman! Diana „Emma Peel“ Rigg! Ja, da ist schon einiges geboten.

Doch leider kommt die Serie (Creator: Iain Hollands) dann nicht so recht aus dem Quark. Zum einen ist Bayntons Jamie wieder ziemlich genau der Typ, der in „The Wrong Mans“ die Hauptrolle hatte: ein biederer, fast spießiger junger Mann, der gegen seinen Willen in allerlei Action verwickelt wird und  einen energiegeladenen, chaotischen Sidekick als besten Kumpel braucht (James Corden in „The Wrong Mens“, hier Joel Fry). Zum anderen bestehen Vorspann und Einstieg in jede Folge in einer Vorblende (oder der Rest der Folge in einer Rückblende) zu Tag null, wo wir Jamie und etliche andere Charaktere in der Sicherheit eines sub-sloughschen Bunkers sehen, wo sie „den Fortbestand der Menschheit sichern“ sollen — so dass ein beträchtlicher Teil der Spannung (wer kommt durch? Wer nicht?) schon einmal weg ist.

Und zuschlechterletzt waren bis zur Hälfte der Staffel (heute läuft die siebte der zehn Folgen) viele Handlungsfäden ziemlich lose miteinander verknüpft. Dass die Figuren, wenn sie dann schließlich doch aufeinandertreffen, dies unter verblüffenden Umständen tun und zum Teil in bizarren Verhältnissen zueinander stehen, ist durchaus komisch, so dass ich „You, Me And The Apocalypse“ sogar die ganzen absurden Zufälle, die es zum Vorantreiben der Handlung brauchte, verzeihen konnte. (Wenn Charaktere in Serien schon selbst sagen: „Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet den Neffen von soundso gekidnappt haben“, dann ist das das Eingeständnis der Autoren, dass sie wissen: so plump schummeln, wie wir an dieser Stelle müssen, können wir nicht, das merkt der Zuschauer — also machen wir ihn lieber gleich selbst darauf aufmerksam und hoffen, dass ihn diese Ehrlichkeit für uns einnimmt.)

Leider aber sind viele der Figuren in „YMATA“ für sich genommen eher flach, ja klischeehaft. Echtes Interesse, gar Identifikation entsteht so erst, wenn man weiß, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen — und das steht der ersten Hälfte der Serie doch ziemlich im Weg.

Schade, denn, wie gesagt: eigentlich ist diese Serie sympathisch. Gutes Konzept, gute Leute, viele Schauplätze, hochwertiges look & feel. Ich will die Serie mögen, immer noch, und hoffe sehr, dass die letzten vier Folgen das Ruder noch einmal so herumreißen, dass sie insgesamt als eine der besseren des Jahres durchgehen kann. Britisch genug ist sie, so sehr sogar, dass ich mich frage, wie sie in den USA überhaupt ankommen kann — hätte man sie vielleicht doch besser gleich „Apocalypse Slough“ nennen können. Obwohl auch da ja ein falscher Ton drin ist, denn für jeden Fan britischer Comedy wird „Slough“ wohl für immer mit „The Office“ verknüpft bleiben, und diese Assoziation führt hier in die Irre.

Immerhin: Mittlerweile deutet einiges darauf hin, dass „YMATA“ noch einmal Fahrt aufnimmt, insbesondere die sechste Folge hat mich da optimistisch gestimmt. Vielleicht wird sie also zumindest ein Geheimtipp dieser Saison — der ganz große Knall ist, anders als in der Serie selbst, ja nun offenbar erst einmal ausgeblieben.