Dude, Where’s My Zombie?

8. November 2009 4 Kommentare

Selten beschreibe ich Filme (oder Serien) als eine Mischung aus diesem und jenem Film (oder dieser und jener Serie), ganz einfach, weil es Filmen (oder Serien) selten gerecht wird. Heute mache ich mal eine Ausnahme: „Zombieland“ ist eine Mischung aus „Evil Dead“, „Crank 2“ und „Dude, Where’s My Car?“. Von der „Evil Dead“-Reihe hat er dabei natürlich das Zombiethema (und ein bißchen was vom Humor Sam Raimis), von „Crank 2“ die Looks und die Brutalität, und von „Dude, Where’s My Car?“ die hanebüchene Story und den Kifferhumor — was ihm letztlich auch eine eher mäßige Gesamtnote einträgt.

https://www.youtube.com/watch?v=M-cIjPOJdFM&hl=de&fs=1&

Die USA nach der Apokalypse. Nach dem Vorspann, in dem schon allerhand Zombieaction in Slowmotion zu sehen ist, erläutert uns ein ca. 15jähriger Klugscheißer (Jesse Eisenberg) seine Überlebenstips für das Zombie-Armageddon, was mit entsprechenden Szenen illustriert wird: Fitness, double tap (zweimal auf einen Gegner schießen, um sicherzustellen, daß er tot ist), Sicherheitsgurte, Vorsicht vor Toiletten etc. Recht schnell trifft das Klugscheißerkind auf den cool-abgefuckten Zombiekiller (Woody Harrelson), und gemeinsam lassen sie sich erst von love interest (Emma Stone) und ihrer kleinen Schwester übertölpeln, um sie anschließend aus größter Gefahr zu retten, weil die Weiber natürlich doof genug sind, sich ausgerechnet einen Freizeitpark als Fluchtziel auszusuchen. Zwischendurch ziehen sich die vier noch in Hollywood in die Villa eines bekannten Schauspielers zurück, der prompt als er selbst auftaucht — ein Subplot, der lustig genug ist, daß ich hier keine Details verraten möchte, der aber andererseits auch typisch für das zentrale Problem des Filmes steht: die fehlende Fallhöhe.

Denn „Zombieland“ hat keinen Respekt vor Zombies. Weder vor dem Genre noch vor den Untoten selbst. Hier werden die Zombiejagd und das möglichst bunte Abknallen zum Selbstzweck, Zombies zu Schießbudenfiguren, die an keiner Stelle wirklichen Schrecken verbreiten und so ambivalent erscheinen, wie sie sind, weil zum Beispiel niemand aus der unmittelbaren Nähe der Helden selbst zum Zombie wird. Das wirkt in vielen Zombiefilmen ja erst als Erweckungserlebnis, weil die Bedrohung dadurch real und persönlich wird. Hier bleibt eine unpersönliche Zerstörungswut, die sich beispielsweise in der ungebrochen „komisch“ dargestellten Zerstörung eines Ladens in einem Indianerreservat (ausgerechnet!) zeigt, wo Kunsthandwerk und Souvenirs von den vier Helden einfach zum Jux kaputtgeschlagen werden — ohne daß es Grund gäbe, sich an dem konkreten Ladengeschäft oder etwa dem Kapitalismus als solchem zu rächen (es ist ein verdammter Souvenirladen von Indianern! Kein Kaufhaus oder sowas). Komik entsteht hier fast ausschließlich aus der ungefilterten, extrem übertriebenen Gewalttätigkeit gegen Zombies und überhaupt alles, was noch nicht ganz kaputt ist: der lustige Zombiekiller hat schlicht Bock auf Ballern, sei es auf Zombies oder auf Einrichtungsgegenstände, fährt gerne mit einem Hummer in der Gegend herum und hat Spaß daran, mit ungewöhnlichen Waffen (Banjo! Heckenschere!) Zombies zu töten. Wenn man unterstellt, daß jeder Zombiefilm, absichtlich oder nicht, ein Porträt der Gesellschaft zeichnet, in der er entstanden ist, dann ist die Botschaft von „Zombieland“: Die Welt ist eh am Arsch, also mach, was du willst, um deinen Spaß zu haben, denn das ist das wichtigste.

Abgesehen davon habe ich mich aber durchgehend amüsiert. Etwa so wie über eine Fahrt mit der Achterbahn, nach der man denkt: Na, sie hätten sie ja nicht unbedingt aus den Knochen von tausend an Leukämie gestorbenen Kindern bauen müssen.

„Zombieland“ läuft in Deutschland am 10. Dezember an.

The best first episodes ever

7. November 2009 7 Kommentare

…fragt heute der Guardian ab und schlägt „Breaking Bad“ vor — eine Wahl, der ich mich ohne weiteres anschließen würde. Noch vor „24“, „Lost“ und „Prison Break“. Welche Sit- oder Britcom hat schon mit der ersten Folge so fulminant begonnen, daß man sich immer an sie erinnern wird? „Father Ted“? „I’m Alan Partridge“? „Spaced“? Oder gilt doch die alte Regel, daß bei Sitcoms oft die zweite Folge die erste richtig gute ist, weil man in der ersten so viel Energie darauf verwenden muß, das Setting und die Charaktere zu etablieren, so daß für Scherze, die aus dem Charakter der Figuren hervorgehen, kaum noch Luft bleibt?

Nuhr so weiter!

4. November 2009 24 Kommentare

Gerade komme ich zurück aus Düsseldorf, wo die erste Folge von „Nuhr so“ mit Dieter Nuhr gestern abend live über die Bühne der Nachtresidenz gegangen ist, und bin ganz zufrieden: Das Konzept einer Stand-Up-Show ins Fernsehen zu übertragen, auf eine Dreiviertelstunde eingedampft, scheint zu funktionieren. Die ersten Kritiken wissen mit diesem für’s TV eher unüblichen Comedy-Format scheint’s noch nicht rechtes anzufangen; müssen sie ja aber auch nicht, es gibt ja noch drei Folgen in diesem Jahr: nächsten Dienstag (10.11.) um 22.45 Uhr, dann wieder am 1. und 8. Dezember zur selben Zeit, jeweils im Zweiten. Mit ein bißchen Glück ordern die Herren am Lerchenberg dann gleich 1000 Folgen für’s nächste Jahr, und ich werde herausfinden, ob es tatsächlich genauso viel Spaß macht, fürs ZDF Witze zu machen wie für den ORF. Bis jetzt sieht es verdammt so aus.

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Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 6

2. November 2009 5 Kommentare

Exzentrik ist seit jeher einer der Grundzüge des englischen Charakters. Das ist auf den ersten Blick vielleicht erstaunlich, schließlich ist der britische Alltag bestimmt von Ritualen und Formeln, die britische Höflichkeit und Etikette sowie das auf Ausgleich bedachte Wesen der Briten, das sie seit jeher zur Diplomatie prädestiniert, sind weltbekannt. Aber vermutlich gerade deshalb braucht es auf individueller Ebene eine Entlastungsmöglichkeit, die von gesellschaftlichen Konventionen befreit und dem strengen Reglement etwas Anarchisches entgegensetzt: Beispielsweise exzentrisches Verhalten.

Das ist vielleicht der größte Unterschied des britischen Wesens zum deutschen: Spinnertes, abweichendes Verhalten wird nicht sofort durch Ausschluß oder Spott bestraft, sondern toleriert. In jeder Verwandtschaft gibt es ein schwarzes Schaf — aber die Briten verstecken ihres nicht wie die Deutschen, sondern sind auf den durchgeknallten Onkel, die seltsame Tante auch noch stolz. In Hinsicht auf den Humor, der in Großbritannien fester Bestandteil des Alltags ist und nicht auf bestimmte, festgelegte Situationen eingeschränkt, bedeutet das: Eine wesentlich größere Vielfalt von Tönen und Schattierungen, Stand Up-Comedians wie Eddie Izzard, Figuren wie Basil Fawlty, eigene Welten wie Royston Vasey in „The League of Gentlemen“. Eine der exzentrischsten Britcoms aller Zeiten, die man aus genau diesem Grund entweder liebt oder einfach nicht kapiert, findet sich heute auf

Platz 6: „The Mighty Boosh“ (2004 — , BBC3)topten06

(Wer die Kritik von Januar hier im Blog schon gelesen hat, kann sich die nächsten beiden Absätze weitgehend sparen.)

Vince Noir (Noel Fielding) und Howard Moon (Julian Barratt) sind Wärter in einem sehr dysfunktionalen, „Zoo-niverse“ genannten Tierpark. Dort arbeiten ihr Freund, der Schamane Naboo (Noels Bruder Michael Fielding), und der sinistre Zoodirektor Bob Fossil (Rich Fulcher), der keine einzige Tierart bestimmen kann, dort lebt auch der Gorilla Bollo (Dave Brown). Vince ist mal Mod, mal Punk, mal Waver, aber immer extrem modebewußt („What about this cape?” — „A bit last week”) und auf seine Frisur bedacht. Er nimmt das Leben leicht und hat permanent Glück, sehr im Gegensatz zum Schnauzbart tragenden Howard. Der legt auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert, ist eher ernst und nachdenklich, Jazz-Fan und konservativ bis spießig — der straight man zu Vinces funny man. Ihre gemeinsamen Abenteuer haben die immer freundliche Anmutung einer Kindersendung, die in einer leicht wahnsinnigen Version der Fünfzigerjahre spielt: sehr bunt, mit Zeichentrickelementen versetzt und bevölkert von eigenartigen Geschöpfen. In der ersten Folge läßt sich Howard auf einen Boxkampf gegen ein Killaroo genanntes Känguru ein; zwei Folgen später ist Bollo todkrank, so daß Howard in einem Affenkostüm seinen Platz einnehmen muß, damit der Zoo weiterhin gesponsort wird. Prompt verwechselt ihn Gevatter Tod mit dem echten Bollo und nimmt ihn mit in die Affenhölle, von wo Vince ihn befreien muß. In weiteren Folgen suchen die beiden Abenteurer mystische Eier in der arktischen Tundra, wo sie dem schwarzen Frost-Dämon begegnen, kämpfen sich auf der Suche nach Hilfe durch den Dschungel und setzen ihre Freundschaft beinah auf’s Spiel, als Vince sich einer Band anschließen will.

Zu den eindrücklichsten Momenten gehören die Musik-Vignetten, die oft aus Acapella-Einlagen entstehen und den liebenswürdig-bizarren Charme der Serie unterstreichen, die vielen sprechenden Tiere und Fantasy-Charaktere aus unterschiedlichsten Mythologien und die liebevolle Ausstattung: „Wenn David Bowie, Anthony Burgess und Maurice Sendak, der Autor von ‚Wo die wilden Kerle wohnen’, zusammengearbeitet hätten, wäre dabei vielleicht sowas Ähnliches herausgekommen”, schreibt The Observer.

„The Mighty Boosh“ macht von der ersten Staffel (2004) über die zweite (2005) bis hin zur dritten (2007) etliche Veränderungen durch: Vince und Howard verlassen in der zweiten den Zoo und leben in Naboos Wohnung, in der dritten führen sie gemeinsam Naboos Geschäft, die sogenannte Nabootique. Deutlich zu sehen ist, daß Baby Cow von Staffel zu Staffel mehr Geld ausgegeben hat, dementsprechend üppiger sind auch Kulissen und Effekte. Für 2010 ist eine weitere Staffel geplant, eine weitere, zweite Live-DVD erscheint am 16. dieses Monats (die erste ist durchaus sehenswert). Vor allem in der Damenwelt scheinen Noel Fielding und auch Julian Barratt mächtig Eindruck zu machen, „The Mighty Boosh“ ist also sehr pärchenkompatibel, insgesamt eine der bezauberndsten Serien der letzten Jahre und allen zu empfehlen, für die es nicht immer böse, dunkel und gemein sein muß.

Wie ein Ei dem anderen

31. Oktober 2009 11 Kommentare

Gestern begannen auf Sat.1 die neuen Staffeln „Ladykracher“ und „Pastewka“, nach Pocher lief dann noch „Zack! Comedy nach Maß“, und so wenig ich auf die Inhalte im Einzelnen eingehen möchte, weil ich das alles auch nicht sehr aufmerksam und nicht ausschließlich geguckt habe, umso mehr fiel mir, vermutlich eben deshalb, die beeindruckende Gleichförmigkeit all dieser Shows auf: Wie verwechselbar das alles inszeniert ist! Wie immer alles gleich ausgeleuchtet, gleich ausgestattet, gleich geschnitten ist — als gäbe es genau einen Regisseur, einen Ausstatter, einen Produzenten, der Wert darauf legt, daß alle seine Shows identisch aussehen.

In „Star Stories“ fachsimpeln U2 darüber, daß das Alleinstellungsmerkmal von Bono seine Sonnenbrille und das von The Edge seine Mütze sei, während das Markenzeichen der anderen zwei sei, daß sie eben kein Markenzeichen hätten. Genau diese Idee scheinen auch die Sat.1-Comedyserien zu verfolgen: Ihr Unique Selling Proposition ist es, keine zu haben. Klappt prima.

Nicht so ganz verstehe ich, daß sich neben Brainpool (von denen zwei der erwähnten Shows stammen) nicht irgendwann einmal eine kleine Produktionsfirma etablieren kann (wie in England sagenwirmal Baby Cow), die ein anderes Look and Feel entwickelt für ihre Shows: Dunkler (gerne auch im Wortsinn), dreckiger, in einem halbwegs überzeugenden Mockumentary-Stil gedreht (warum hält sich nicht einmal „Pastewka“ an dieses Format, als das es doch angelegt ist?), oder psychedelisch, mit irgendwelchen Regie-Ideen, die man nicht schon millionenmal gesehen hat? Es gibt doch hunderte von Möglichkeiten, Serien etwas Unverwechselbares, Eigenes zu geben; nennen wir es der Einfachheit halber Charakter. Anschließend könnte man ja sogar wieder zurück zu klassischen Formen kommen, die dann genau so wirken könnten, nämlich klassisch. Heute wirken sie nur wie Einheitsbrei, möglichst leicht verdaulich heruntergekurbelte Dutzendware, die dadurch leider schon seicht aussieht, bevor noch irgendwelche Drehbuch-Inhalte Wirkung entfalten könnten. Wenn es denn welche gäbe.

Der Sinn der Pythons

30. Oktober 2009 Keine Kommentare

Auf gänzlich unsentimentale Weise gehen derzeit Larry David und Jerry Seinfeld die Wiedervereinigung des »Seinfeld«-Casts an: Sie spielen sie nämlich nur, im Rahmen von Davids aktueller Staffel »Curb Your Enthusiasm«, und wie es bei »Curb« zu schöner Routine geworden ist: Alle kriegen sich früher oder später mit »L.D.« in die Haare – für »Weißt du noch, damals«-Gefühligkeiten bleibt da zum Glück keine Zeit.

Das ist bei dem sechs einstündige Folgen starken »Monty Python: Almost the Truth – The Lawyer’s Cut« (Edel) anders. Die Pythons feierten soeben ja auch schon ihr vierzigstes Jubiläum, und entsprechend respektvoll begegnen sie zwar immerhin nicht sich gegenseitig, aber die prominenten Fans ihren Heroen, und alle kommen in dem 3-DVD-Box-Set ausführlich zu Wort: Stephen Merchant, Simon Pegg und Steve Coogan, Dan Aykroyd, Pink Floyds Nick Mason und Tim Roth dürfen gratulieren und ihre Kindheitserinnerungen zum besten geben, und natürlich die Pythons selbst bzw. David Sherlock, Graham Chapmans langjähriger Freund, an Stelle des verstorbenen Pythons.

Zwar gibt es für eingefleischte Pythonauten auch hier kaum neue Erkenntnisse (außer daß Eric Idle aufhören sollte, sich die Haare zu färben), aber das Altbekannte wird neu und kompetent erzählt – von den ganz frühen Tagen aller Pythons (»The Not-So-Interesting Beginnings«), die allerdings mit dann doch interessanten neuen Fotos und privaten Super-8-Filmchen schön angedickt werden, dem »Flying Circus« (»The Much Funnier Second Episode«) und den schäbigen Momenten (»The Sordid Personal Bits«), in denen die Zensur versuchte einzugreifen, die BBC beinah die Aufnahmebänder gelöscht hätte und die Pythons mit Chapmans alkoholinduzierter Arbeitsunfähigkeit, Cleeses Starallüren und den Rivalitäten zwischen den beiden Terrys zu kämpfen hatten.

So geht das weiter bis zum letzten Kinofilm, »The Meaning of Life«: Mit zahllosen Ausschnitten, die Lust machen, sich das Gesamtwerk der Pythons gleich noch mal reinzuziehen, und die geistesverwandten Geniestreiche des Python-Vorbilds Spike Milligan, der »Goon-Show« und der Bonzo-Dog-Doo-Dah-Band gleich hinterher – und doch bleibt nach aller Sentimentalität immer das Gefühl, man habe gerade mitgeholfen, Punk ins Museum zu bringen und damit der Anarchokomik alles Anarchistische (und auch alles Komische) zu nehmen, etwas auf einen Sockel zu stellen, das immer gegen alle Erhabenheit war, aus einer Komikergruppe eine Institution zu machen, die stets alle Institutionen vorgeführt und lächerlich gemacht hat. Ein Dilemma, aus dem man kaum herauskommt. Es sei denn, man greift zur Fernbedienung und widmet sich einer weiteren hervorragenden neuen Folge von Larry Davids »Curb«.

Zuerst erschienen in TITANIC 11/2009