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Aber ’allo!

1. November 2003 1 Kommentar

Zu den ungelösten Fragen der Fernsehgeschichte gehört die, warum wechselnde Sender uns alle paar Jahre wieder mit der totgenudelten  WWII-Comedy-Serie „Hogan’s Heroes“ („Ein Käfig voller Helden“) abfüttert, während weitaus komischere Produkte ähnlichen Zuschnitts ungesendet in den Archiven verstauben. Zum Glück gibt es seit geraumer Zeit immerhin die Möglichkeit, via Internet ohne lange Wege in den Besitz ausländischer TV-Erzeugnisse etwa auf DVD zu gelangen – so wie ich kürzlich in den der ersten beiden Staffeln „’allo ’allo!“.

„’allo ’allo!“, eine BBC-Produktion der achtziger und frühen neunziger Jahre, spielt im deutsch besetzten Frankreich, Hauptfigur ist der Bistro-Wirt René Artois, der eine Menge zu tun hat: Er muß seine deutschen Gäste zuvorkommend bedienen, ohne deshalb als Collaborateur zu gelten, im Auftrag der Resistance abgeschossene englische Piloten verstecken, gleichzeitig aber auch Kunstwerke, die korrupte Wehrmachtsoffiziere für sich behalten wollen – und er muß seine diversen Affären mit dem Personal vor seiner Frau verheimlichen. Eine Konstellation also, die reichlich Anlaß für burleske Episoden gibt; 92 sind es im Laufe von zehn Jahren und ebensovielen Staffeln geworden, denn „’allo ’allo!“ lief nicht nur in Großbritannien, sondern auch im (nichtdeutschen) europäischen Ausland sowie z.T. sogar in den USA überaus erfolgreich. Dabei ist die ganze Serie sehr britisch, beginnend bei der charmant sparsamen Ausstattung, die man aus vielen BBC-Serien kennt – hier sei nur das geistig nicht völlig anders geartete „Fawlty Towers“ genannt, wo John Cleese einen der Figur des René sehr verwandten Typus Gastwirt gibt. Das typisch britische setzt sich fort in der Vorliebe für anzüglich-erotomanische Witze über diverse Perversionen – ein Gestapo-Offizier trägt Mieder und Strümpfe, der Wehrmachtsoffizier bevorzugt Sexpraktiken, die Staubwedel und Rührfix einschließen – und die unausweichlichen Franzosenscherze: Die typisch französische Verkleidung ist ein grotesker Bund Zwiebeln, den jeder „Franzose“ um den Hals hängen hat, während die Resistance nur aus gutausehenden Französinnen besteht. Die unterbelichtetsten Figuren der Serie aber sind mit Abstand die englischen Kampfpiloten, die grundsätzlich weder Deutsch noch Französisch können, daher alles mißverstehen und sich darüber wundern, daß ihre Verkleidung auffliegt, selbst wenn sie nur mit dem Fahrrad über Land fahren – kein Wunder, sie fahren auf der linken Straßenseite. Das ist einer der sympathischsten Züge an „’allo ’allo!“: Die britische Selbstironie, mit der die Serie sich nicht auf die einmal eingeführte moralische und technische Überlegenheit der Alliierten gegenüber den zwar vorübergehend mächtigeren, aber doch tumben Nazis verläßt, wie es in „Hogan’s Heroes“ ausschließlich geschieht, sondern den armen René im Widerspiel der Kräfte immer neuen, hochkomischen Situationen aussetzt. Dafür nimmt man als Zuschauer auch Szenen in Kauf, die aus heutiger Perspektive sehr an den Hallervordenschen Klamauk aus „Nonstop Nonsens“ erinnern.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 11/2003)