Der Zotenkönig
Eine Hausfrau wickelt eine Salatgurke in ein Stück Zellophan, dann schüttet sie sich ein Glas Milch über den Kopf. Das Publikum lacht sich kaputt.
Mehr brauchte es wohl in den 70ern nicht, um Sketch-Comedy fürs Fernsehen zu machen. Oder der hier: Kommt der Mann vom Zimmerservice in die Hotelsuite und hört eine Frauenstimme aus dem Bad rufen: „Ich bin unter der Dusche!“ Schon zittert der Gute vor Erregung so, dass ihm das Warmhaltetuch von — was sonst — den beiden Frühstückseiern in ihren Bechern fällt. Haha!
Wenn man mal sehen will, wie britischer Humor vor Beginn der vermeintlich achsobösen political correctness ging, bevor also in den frühen Achtzigern die alternative comedy dem Sexismus, Rassismus und der Schwulenfeindlichkeit in der Comedy ans Leder ging, dann kann man sich ab morgen sogar auf deutsch 38 Folgen der „Benny Hill Show“ auf DVD reinziehen: Comedy vom Unfeinsten vom britischen Zotenkönig, dessen größtes Vermächtnis wohl die Titelmusik „Jakety Sax“ ist, die vor einigen Jahren mal für alle möglichen Mashups bei YouTube herhalten musste.
Heute muss man tatsächlich mehr vor Verblüffung lachen, was mal alles so gegangen ist — und ja nicht eben erfolglos, sondern selbst in den USA unglaublich erfolgreich. Selbst für Michael Jackson war Benny Hill der Größte; gut, andererseits stand Jackson auch auf kleine Kinder. Da folgt Zote auf Zote auf Zote; man erwartet fast, dass sich das Prinzip nach drei oder fünf, spätestens nach zehn Folgen mal totgelaufen hätte. Aber nein: 38 Folgen sind allein in dem neuen deutschen Box-Set, das sind 17 Stunden, und das war nur der kleinste Teil des unfassbar riesigen Werks, das Benny Hill hervorgebracht hat. Von 1955 bis 1989, unglaubliche 34 Jahre lang lief seine Show, wurde in 140 Ländern ausgestrahlt und hatte im Original 45 oder sogar 60 Minuten Laufzeit; in den USA und in Deutschland zum Glück nur knappe halbe Stunden.
Auf Deutsch wird Hill gesprochen von Andreas Mannkopff, und zwar ausschließlich, denn eine englische Tonspur gibt es leider nicht.
Interessanter als die Show selbst — die durchaus noch immer komische Momente hat, vor allem in ihren dreistesten Momenten — aber ist die Geschichte Benny Hills selbst. Der nämlich war das Gegenteil dessen, was er vor der Kamera gespielt hat: leise, höflich, schüchtern bis zur Zurückgezogenheit. Angeblich hatte er die längste Zeit eine kleine Zweizimmerwohnung in Fußweite zu den Studios, und ein Zimmer davon betrat er nie, richtete es nicht einmal ein und bezeichnete es als sein „Müll-Zimmer“. Niemand hat je einen Blick hinein werfen dürfen.
Ein komischer Kauz also, der traurig endete, und wie genau, und was davor alles geschah, das habe ich schon vor vier Jahren einmal für Titanic aufgeschrieben — und seitdem kann man es auch hier im Blog nachlesen: „Der Mann, der Benny Hill war“.
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