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Artikel Tagged ‘Armando Iannucci’

Babylonische Verwirrung

11. Februar 2014 Keine Kommentare

Danny Boyle ist das Medium Fernsehen nicht so fremd, wie man diesseits des Ärmelkanals vielleicht annehmen könnte, wo man seine Arbeiten vorwiegend aus dem Kino kennt. Tatsächlich war er, nach einer Karriere beim Theater, zunächst Fernsehproduzent und -regisseur für BBC Northern Ireland, wo er in den späten achtziger Jahren unter anderem zwei Folgen „Inspector Morse“ gemacht hat und eine BBC 2-Serie namens „Mr. Wroe’s Virgins“; zwei Fernsehfilme für die BBC aus dem Jahre 2001 gehen außerdem auf sein Konto.

Es ist also keine so große Sensation, wie man annehmen möchte, dass Boyle jetzt, falls es kommissioniert wird, ein ComedyDrama für Channel 4 macht, dessen Pilotfolge jüngst zu sehen war: „Babylon“, eine Polizeiserie unter der Autorenschaft von Sam Bain und Jesse Armstrong. Die haben sich ihre Meriten nicht zuletzt durch „Peep Show“ (Channel 4, seit 2003) verdient, mit „Fresh Meat“ (C4, seit 2011) sowie durch Kollaborationen mit Chris Morris („Four Lions“, 2010), Charlie Brooker („Black Mirror“, C4, seit 2011) und Armando Iannucci („The Thick of It“, BBC 4 und 2, 2005 – ’12).

Tatsächlich erinnert „Babylon“ also wohl nicht zufällig an „The Thick of It“ und arbeitet bewusst mit truisms, die auch in der Politsatire Iannuccis vorkommen könnten: die neue amerikanische Pressechefin der Londoner Polizei Liz Garvey (Brit Marling) setzt ganz auf „Transparenz“ und den ganzen derzeit virulenten PR-Schmarrn, der sich in Phrasen wie „the 24/7 world requires 360 degree communication!“ niederschlägt. Die Polizeioberen kämpfen gegen die Tücken der modernen Technik, wenn ihnen etwa die wackelige Skype-Verbindung zum Einsatzteam im Antiterrorkampf in die Quere kommt. Ein Fernsehteam, das eine Dokusoap über die Polizeiarbeit machen soll, wird erst von den eher schlicht gestrickten Polizisten im Außendienst schikaniert und rächt sich dann mit extrem tendenziös geschnittenen Fernsehbildern. Und Intrigen und Durchstechereien machen dem ganzen Apparat zu schaffen, dessen einzelne Mitglieder alle nicht durch besondere Geisteskräfte hervorstechen.

Danny Boyles Regiekunst schlägt sich durchaus in schönen Bildern nieder, und hin und wieder darf man sich an seiner Vorliebe für Action und laute Elektromusik freuen und über seinen Sinn für böse Szenen, wenn etwa bei einem Einsatz von zehn schwerst bewaffneten Polizisten gegen einen halbnackten Wohnungsbesitzer mit Hund der renitente, aber völlig wehrlose Mann genauso wie sein Hund zusammengetasert werden und das als völlig normal abgebildet wird.

Aber leider hat man oft das Gefühl, Boyles Regie steht der Komik ein bisschen im Weg. Und mit Komik ist es ohnehin eher nicht so weit her.

Denn die truisms (die mit „Gemeinplätze“ unzureichend übersetzt wären) werden, anders als bei „The Thick of It“, oft nicht zu Ende gespielt; ab und zu scheint irgendwo eine Pointe zu fehlen, die das build up rechtfertigen würde. Und die atemlosen Ellipsen, die es schon bei „Thick of It“ manchmal schwer machen, der Handlung zu folgen, sorgen hier schnell für Verwirrung, wenn man nicht konzentriert aufpasst, welche der zahlreichen Figuren welche Position hat, was die ganzen Kürzel im Polizeijargon zu bedeuten haben und wer hinterrücks gegen wen intrigiert.

Die eigentliche Geschichte der Pilotfolge, in der sich Garvey an ihrem ersten Arbeitstag mit der killing spree eines Scharfschützen in London konfrontiert sieht, scheint in der Dramaturgie dann eher zu wenig Gewicht zu haben, weil sie zu gleichberechtigt mit vielen anderen, aber im Grunde untergeordneten Handlungsstränge erzählt wird (etwa mit dem Einsatz des Reality-TV-Teams). Und parallel zu der Unsicherheit darüber, was nun der Hauptplot ist, kann man sich auch nie ganz sicher sein, wer überhaupt die Hauptfigur ist: Garvey scheint zwar wichtig zu sein, ist aber an der Story des Snipers nur am Rande beteiligt, weil sie lediglich mit den desaströsen Folgen für die PR der Polizei zu kämpfen hat. Sie ist aber nicht Malcolm Tucker, der für „The Thick of It“ zwar auch nicht die eine Hauptfigur, aber doch Dreh- und Angelpunkt der Show war.

Möglicherweise werden die weiteren Folgen der Serie, die ab März gedreht werden sollen, nicht nur kürzer und damit überschaubarer sein (der Pilot war brutto 90 Minuten lang), sondern auch das Personal etwas detaillierter beschreiben. Dazu müssten Armstrong, Bain und Boyle noch ein paar Rädchen nachjustieren: Haupt- und Sub-Plots genauer trennen, die schiere Menge der Figuren reduzieren, ein paar mehr Gags, ein bisschen weiter auserzählte Szenen.

Dann könnte „Babylon“ tatsächlich für die Polizei das werden, was „The Thick of It“ für die Politik war: eine Satire, die deswegen so gut funktioniert, weil man sie für realistisch halten kann, die aber gleichzeitig zumindest einige Figuren hat, die larger than life sind und immer wieder für Komik sorgen können.

Kleiner Mann auf großer Leinwand

6. Dezember 2013 2 Kommentare

Muss man die „Alan Partridge„-Saga von drei Staffeln Sitcom, zwei Specials, einer Mini-Series und etlichen kleinen Auftritten in „The Day Today“ (BBC2, 1994) gesehen haben, um Alan in seinem erste großen Kinofilm „Alan Partridge: Alpha Papa“ genießen zu können?

Nein. Aber es hilft.

Ein Kinofilm braucht große Bilder, und „Alpha Papa“ liefert: eine Geiselnahme und die daran anschließenden Verfolgungsjagd durch die nordenglische Provinz samt großem Polizeiaufgebot, Schießereien und Menschen, die in Toilettenfenster klettern wollen und dabei ihre Hose verlieren. Die Geschichte dreht sich dabei um eine kleine Digitalradiostation, North Norfolk Digital, die von ihren neuen Eigentümern zwangsverjugendlicht werden soll — weg mit dem alten gemütlichen Radiogeplauder, her mit formatiertem Jinglegeballer und der aufgekratzten guten Laune von Frühstücksradiozombies.


Alan, mittlerweile Mitte fünfzig, und sein irischer Kollege Pat (Colm Meaney) stehen ganz oben auf der Abschussliste, und nachdem Alan Pat im Handumdrehen verraten und verkauft hat, dreht der durch, nimmt Geiseln und beginnt, aus der besetzten Radiostation sein eigenes Programm zu senden — mit Alan als von der Polizei ausgewähltem Vermittler und Pats partner in crime („guest“, korrigiert Alan Pat schnell). Doch früher oder später muss Pat darauf kommen, dass niemand anderes als Alan für Pats Rauswurf verantwortlich ist.

Alan Partridge wieselt sich mal wieder durch und changiert zwischen Entsetzen und Schwäche angesichts der großen Aufgabe und einem überdimensional aufgeblasenem Ego, das er aus seiner Rolle als „Gesicht der Geiselnahme“ zieht. Zu dem wird er von den lokalen Medien schnell gemacht, und diese Rolle nimmt er gerne an, nicht zuletzt, weil der Chef der neuen Besitzer von North Norfolk Digital (oder Shape, wie die Station inzwischen heißt), ihm einen prominenten Moderatorenposten in Aussicht stellt.

Steve Coogan, Armando Iannucci, Peter Baynham und Neil und Rob Gibbons als Autoren sowie Declan Lowney als Regisseur (der auch schon bei „Father Ted“ Regie geführt hat) ist mit „Alpha Papa“ eine gute Mischung aus Slapstick und „Alanisms“ gelungen, den für Alan typischen Weisheiten („Never, never critisise Muslims! Only Christians! And Jews a little bit.“) Viele Figuren aus dem Partridge-Universum tauchen wieder auf: seine verhärmte Assistentin Lynn (Felicity Montague, kaum verändert seit damals), Alans Moderatorenkollege Dave Clifton (Phil Cornwell) und, hier nicht als Hotelangestellter, jedoch abermals als beinah unverständlicher Geordie, Simon Greenall. Und auch Alans Sidekick seit der Fosters-Miniserie, Simon (Tim Key), als der viel schlagfertigere, komischere, aber stets von Alan geduckte Comoderator, funktioniert hier gut.

Aber obwohl „Alpha Papa“ kein Reboot ist (anders als etwa „In The Loop“, das zwar deutlich auf „The Thick of It“ beruhte, aber in einer Art Paralleluniversum zu spielen schien), haben Coogan und Co. klugerweise darauf verzichtet, allzu viele Anspielungen und Bezugnahmen auf Alans Vergangenheit einzubauen — sein Markenzeichen, das „Ahaaa“ aus „Knowing Me, Knowing You“ (BBC2, 1994) taucht zum Beispiel gar nicht mehr auf. Der Film, das versteht sich ohnehin von selbst, soll eigenständig funktionieren, und das tut er auch.

Fast.

Denn ein kleines Problem scheint mir doch nicht ganz gelöst worden zu sein: Alan Partridges Charakter musste sich für den Film ändern. Alan ist nicht mehr so ein Arschloch wie früher, er braucht für 90 Minuten einfach die Sympathie des Zuschauers, sonst würde er vermutlich unerträglich. Aber prompt ist er eben nicht mehr ganz Alan Partridge — und „Alpha Papa“ ist, wie ein Kritiker schrieb, darum eigentlich mehr ein Film, wie ihn Alan Partridge über Alan Partridge drehen würde: einer, in dem Alan auch mal Held sein darf.

Zu dem wird er nämlich zwischendurch: in einer Wendung des Films ist Alan (und auch Pat, dem seine Zuhörer am Rande der Verfolgungsjagd zujubeln) plötzlich ein Widerstandskämpfer, er steht auf einmal für die Unbeugsamkeit des kleinen Mannes, der gegen die Zurichtung des Großkapitals aufbegehrt. Eine Wendung, die ich sehr lustig fand, die aber im Film nicht so weit ausgespielt wird, wie ich es kurz vermutet habe — weil sie nämlich im Grunde gegen die Figur Alans geht: Niemals, nie im Leben hätten dem „alten“ Alan Partridge seine Zuhörer zugejubelt. Ganz im Gegenteil. Sie hätten ihn mit faulen Eiern beworfen.

Am lustigsten war Alan früher, als er klein, schwach und jämmerlich und doch von oben herab war, als er seine Position als Moderator dazu ausnutzte, seine Gäste klein zu machen und sie, wenn auch nicht immer absichtlich, ihre Defizite spüren zu lassen. Er war ein Würstchen, unreif in seinen sozialen Umgangsformen, hin und wieder trotzig, immer feige. Sich dessen aber nicht so bewusst wie beispielsweise David Brent. Er war kein Held, kein Retter des alten Radios vor dem gesichtlosen Formatradio. Er war ein Jammerlappen.

Der ist er hier nicht mehr, kann es vielleicht auch innerhalb des Filmformats auch nicht sein, ist aber trotzdem noch ein kleiner Mann auf einer (zu) großen Leinwand — ein Dilemma, das sich vermutlich kaum lösen ließ.

Das ruiniert den Film keineswegs, „Alpha Papa“ ist nach „The World’s End“ der komischste britische Film des Jahres. Aber er wirkt weniger filmisch als „The World’s End“, ist weniger großes Kino als eben Fernsehen, ins Kino übersetzt. Vielleicht hat er auch deswegen den Sprung nach Amerika und auf den Kontinent (soweit ich weiß) nicht geschafft, anders als „The World’s End“.

Vielleicht hätte „Alpha Papa“, um an äußerer wie innerer Größe zu gewinnen, dann eben doch den Trick anwenden sollen, den das „Inbetweeners“-Movie angewendet hat (wie auch „In The Loop“, die „Mister Bean“-Filme und bestimmt noch ein paar andere, die aus Fernsehserien entstanden sind) — und ins Ausland gehen, etwa in die USA. Das haben die Produzenten von „Alpha Papa“ recht schnell ausgeschlossen, und ich bewundere sie für diese Entscheidung, weil sie dafür spricht, dass Iannucci, Baynham und Coogan dem Charakter Alans treu zu bleiben versuchten, der nun einmal in die Provinz gehört.

Aber für den Film wäre ein ganz anderes Setting dann vielleicht doch eine stabilere Grundlage gewesen.

„Alpha Papa“ ist seit Montag auf DVD und BluRay erhältlich.

Emmy-Nominierungen 2012: Am besten nichts Neues

Die Emmy-Nominierungen sind raus, und insbesondere in puncto Comedy hat die Academy alle auch nur ansatzweise innovativen Shows weiträumig umfahren — auch wenn sich etwa Louis C.K. offenbar selbst keinen Gefallen getan hat.

Die (Nominierungs-)Abräumer des Jahres sind zum größeren Teil seit Jahren geläufig: „Modern Family“ (ABC) ist 14 Mal (!) nominiert, „30 Rock“ (NBC) ganze 13 Mal; neben diesen beiden sind noch der Mainstream-Krempel „Big Bang Theory“ (CBS) von Chuck „Two and a Half Men“ Lorre sowie der Klassiker „Curb Your Enthusiasm“ (HBO) als beste Comedyserien nominiert.

Nicht prominent vertreten unter den Nominierungen ist dagegen die für meine Begriffe phantastisch komische Meta-Sitcom „Community“ (NBC), die eine einzige eher versteckte Nominierung für „Outstanding Writing“ erhalten hat (für die brillante Folge „Remedial Chaos Theory“); das gleichfalls hochkomische „Parks And Recreation“ (NBC) ist ebenfalls lediglich für eher abseitige Auszeichnungen nominiert wie „Outstanding Writing“, „Outstanding Special Class – Short-format Live-Action Entertainment Programs“, „Outstanding Sound Mixing For A Comedy Or Drama Series (Half-Hour) And Animation“ (ja, das gibt es wirklich) und, nun gut, Amy Poehler ist nominiert als „Outstandin Lead Actress In A Comedy Series“.

Louis C.K. hat sich, wenn man dem Blogger und Comedy-Veteran Ken Levine Glauben schenken darf, mit der Auswahl seiner eingereichten Folge „Louie“ (FX) ins Knie geschossen:

There were better, funnier episodes he could have submitted. The first one he offered opens with him waiting at a subway platform. There’s a violinist playing furiously for five minutes and a homeless guy showering by pouring bottled water on himself. This goes on endlessly. Then the subway arrives. We see the refuge of New York City. On a seat there is some disgusting sludge. People stare at it. Louie finally gets us, takes off his jacket, and mopes up the disgusting mess. If you’re a LOUIE fan, I’m fan this was all rollicking. But if you’re not, or you’ve heard good things but were sampling the show for the first time, I think by the seven-minute mark you were done.

Immerhin ist auch Louis C.K. wenigstens zweimal nominiert, für Regie und Drehbuch.

Weitere Überraschung dieses Jahr: „Veep“ (HBO) ist prominent vertreten, obwohl Armando Iannuccis Politsatire um die Vizepräsidentin der USA (gespielt von Julia Louis-Dreyfus, auch als Outstanding Lead Actress In A Comedy Series nominiert) für meine Begriffe nicht so recht funkioniert hat: Dass sich Amerikaner so angiften, wie es für Briten selbstverständlich erscheint, will mir nicht recht einleuchten — zu niedrig erscheinen mir die amerikanischen Hierarchien, als dass auf diesem Weg Komik erzeugt werden könnte, wie es in „The Thick of It“ sehr einleuchtend funktioniert hat.

Viel interessanter als die Comedy-Nominierungen aber sind die für Drama: da rangeln mit „Boardwalk Empire“ (HBO), „Breaking Bad“ (AMC), „Downton Abbey“ (wegen der Ausstrahlung auf PBS trotz britischer Herkunft nominiert), „Games of Thrones“ (HBO), „Homeland“ (Showtime) und „Mad Men“ (AMC) gleich sechs Schwergewichte um die Auszeichnung „Outstanding Drama Series“. Favoriten hier „Mad Men“ mit 17 Nominierungen — und „American Horror Story“ (FX). Letzteres bleibt mir unbegreiflich, denn „American Horror Story“ war wirklich Car Crash TV: So schlecht, dass man nicht wegschauen konnte.

Wer noch mehr wissen möchte: DWDL berichtet ausführlich, und hier gibt es ein .pdf mit allen Nominierungen auf ingesamt 40 Seiten. Viel Spaß.

Flying AIDS

28. Juni 2012 11 Kommentare

Es ist aus mindestens zwei Gründen schön, Steve Coogan abermals als Alan Partridge in „Alan Partridge: Welcome to the Places of My Life“ (Sky Atlantic) zu sehen. Zum einen, weil sich Sky durch immer mehr Comedy profiliert und so die Missgeschicke der BBC wenigstens ein wenig aufwiegt. Zum anderen, weil man über die letzten zehn Jahre befürchten musste, Steve Coogan sei seine Paraderolle als gleichermaßen narzisstischer wie unsicherer Fernseh- und Radiomoderator leid — die letzte ganze TV-Serie mit Alan in der Hauptrolle lief immerhin schon 2002 (die zweite Staffel „I’m Alan Partridge“, BBC2). In den Jahren danach sah es so aus, als würde Coogan vor seinem immensen Erfolg in Großbritannien, der hauptsächlich auf Alan Partridge beruhte, geradezu weglaufen. Der Durchbruch in den USA blieb ihm, der schon als Nachfolger Peter Sellers‘ gehandelt wurde, allerdings verwehrt; über ein paar Nebenrollen in großen Filmen (etwa in „Around the World in 80 Days“, 2004, neben Jackie Chan, und den beiden „Night at the Museum“-Filmen 2006 und 2009) und Hauptrollen in kleineren Filmen („Hamlet 2“, 2008) ging seine US-Karriere nicht hinaus.

Doch nun scheinen Coogan und Alan zurück zu sein: seine jüngste Miniserie „Mid Morning Matters With Alan Partridge“ (2010), ursprünglich von einem Hersteller entfernt bierähnlicher Flüssigkeit fürs Internet gedreht und schließlich vom Fernsehsender Sky übernommen, war vielversprechend, allerdings in erkennbar kleinem Rahmen produziert. Das einstündige One-Off „Welcome to the Places of My Life“ aber zeigt: Alan ist zurück. Und wie!

Netto gute vierzig Minuten lang begleiten wir Alan hier durch die Stadt, wo er, der frühere BBC-Fernsehmoderator, nun bei einem InternetDigitalradiosender ganz unten angekommen ist: in Norwich, tief in der ostenglischen Provinz („the Wales of the east“). Klar, die Wege sind viel kürzer dort als in London, und so kann Alan nach seiner Arbeit (also am frühen Nachmittag) schnell mal ins Leisure Center, um ein paar Bahnen zu schwimmen — ein herrliches Leben will Alan uns da vorgaukeln; in Wirklichkeit aber ist alles erbärmlich und mitleiderregend. Wo nicht peinlich, etwa wenn Alan uns die City Hall zeigt mit den zwei „Nazi-Hunden“ davor und davon berichtet, wie Hitler angeblich Norwich schon ausgesucht hatte als Ort für seine erste Ansprache an die Briten nach dem Sieg der Deutschen über England. Wenn Alan uns auf dem Markt erklärt, was diese Pest war, unter der die Stadt zu leiden hatte: eine tödliche Seuche, aber nicht wie HIV durch Küssen übertragbar, sondern durch die Luft: „Flying Aids!“ Oder wenn Alan ausführlich einen Landrover „probefährt“, um ihn möglichst prominent in die Dokumentation einzubauen — schließlich spekuliert er ganz offen, dass Prominenten ja hin und wieder Fahrzeuge geschenkt würden, nachdem sie sie probegefahren haben. Dumm nur, dass der Boss des Autohändlers keine Ahnung hat, wer Alan Partridge überhaupt ist.

Dabei produziert Alan, so die Fiktion, sogar seine Dokumentation selbst, die von Anfang an als „Pear Tree Production“, „written by Alan Partridge“, „starring Alan Partridge“ firmiert. Und in der, ganz der ungeschickten Eitelkeit ihres Protagonisten entsprechend, sich etliche komische Produktionsfehler finden. Etwa wenn ein alter Priester, der den örtlichen Friedhof vorstellt, so langsam spricht, dass Alan ihn erst anfährt, schneller zu sprechen, und dann im Schnitt erkennbar alle Pausen herausschneidet, oder wenn Alan bei einem Interview im Schwimmbecken beim Wassertreten die Luft ausgeht und man schnell bemerkt, dass er seine Fragen offenbar nachgedreht hat, diesmal sicher stehend und souverän, und nicht gurgelnd und plantschend, wie man ihn bei den Antworten seiner Interviewpartnerin im Hintergrund hört.

Wenige Figuren altern so gut wie Alan (Edina und Patsy aus „Ab Fab“ wären ein Beispiel für zwei andere Figuren, denen ihr Älterwerden gut steht), und so ausgelutscht das Genre der Mockumentary insgesamt ist, so brillant funktioniert es immer noch für Coogan und Armando Iannucci, der auch hier wieder mit im Team war. Und kaum eine Figur zeigt so fantastisch wie Alan Partridge, was britische von us-amerikanischer Comedy unterscheidet: nämlich die Charakterzeichnung, aus der hier Komik entsteht; viel mehr als aus einzelnen nacherzählbaren Gags. Das ist es, was englischen Sitcoms ihre Tiefe verleiht: dass man Figuren wie Alan Partridge so gut kennt, dass ihr unangemessenes Verhalten im Umgang mit ihren Mitmenschen einen tatsächlich berührt. Sei es, dass Alan aus dem Auto heraus einen anderen Verkehrsteilnehmer anschreit, von dem sich erst später herausstellt, dass er eine Oma auf dem Fahrrad war, sei es, dass Alan einen Gemüsehändler beleidigt ob seines schlichten Jobs, um dann in eben diesem Job vor der Kamera sofort zu scheitern. Charakter-Comedy und der kalte, ja böse Umgang mit ihren Protagonisten, das ist das britische Rezept für Komik, das süchtig machen kann.

„Welcome to the Places of My Life“ macht vor allem eines: Lust auf den Spielfilm mit Alan, um den es schon seit Ewigkeiten Gerüchte gibt und der jetzt endlich auch offiziell angekündigt worden ist. Für August 2013.

Iannucci geht zu Baby Cow

Aus dieser Schmiede könnte die nächste Generation der britischen Comedy kommen: Armando Iannucci wird der erste Creative Director von Steve Coogans und Henry Normals Produktionsfirma Baby Cow! Das meldet Televisual.com.

Armando Iannucci ist der geniale und doch relativ unbekannte Kopf hinter einigen der innovativsten, schärfsten und komischsten Britcom-Produktionen der jüngeren Zeit: Von „The Day Today“ über „The Thick of It“ bis hin zu seinen eigenen Formaten „Time Trumpet“ und „The Armando Iannucci Shows“ und jüngst der zweiten Staffel „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“, steht der Schotte mit italienischen Wurzeln für einen ganz eigenen Ton. Sein Werk trägt oft surreale Züge und nutzt einen mäandernd-tastenden Stream-of-Consciuosness, um in komische Gegenden vorzustoßen, die selten zuvor ein Mensch gesehen hat.

Iannucci und Coogan verbindet eine schon lange andauernde gemeinsame Arbeit: die Figur des Alan Partridge, mit der Coogan berühmt wurde, stammt aus „The Day Today“, Iannucci hat auch die drei Fernsehserien rund um Alan Partridge mitgeschrieben, produziert und auch als Regisseur betreut. Daß er nun bei Baby Cow anheuert und Herr über Serien wie „Gavin & Stacey“, „Nighty Night“, „The Trip“ und „The Mighty Boosh“ wird, ist ebenso erfreulich wie die Tatsache, daß Steve Coogan und Henry Normal bei Baby Cow schon immer das Ziel hatten, junge Talente zu finden und zu fördern. Daß Iannucci nun also auch den Nachwuchs unter seine Fittiche nimmt, stimmt hoffnungsfroh: denn Iannucci steht für Originalität, die sich nicht korrumpieren läßt — er selbst hat immer nur „das gemacht, woran er geglaubt hat. Dafür steht auch Baby Cow“, so Coogan.

Marmite Comedy

14. Mai 2011 6 Kommentare

Marmite ist ein britischer dunkelbrauner, sirupartiger, bitterer vegetarischer Brotaufstrich aus, keine Ahnung, Malzmaische oder etwas ähnlich Abseitigem. Außerhalb Englands ist er, vermute ich mal, weitgehend unbekannt (neulich bei den „Simpsons“ ging es in einer Folge um England, und einer der besten Scherze war Homers Jauchzen: „Mmh, homemade Marmite!“). In England aber gibt es viele Menschen, die Marmite mögen. Und genauso viele, die Marmite überhaupt nicht mögen. Dazwischen aber, zwischen mögen und überhaupt nicht mögen, gibt es wenig.

Stewart Lees Comedy ist Marmite Comedy. Oder genauer: war, denn mittlerweile sind seine Kritiker verstummt (außer die üblichen YouTube-Trottel), mittlerweile scheint ihn ein großes, sehr treues Publikum fest ins Herz geschlossen zu haben. Wie man an der gerade laufenden zweiten Staffel seiner Stand-Up-Show „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (BBC2) sehen kann: absolut zu Recht.

There was a rapper in London, and his name was Ironik, I-R-O-N-I-K was how he spelt it. And last November, Ironik, he went on the tweets. He was a tweeter. And one Saturday last November he twatted, which is the past tense of tweet, he twatted that he bought a new diamond necklace. And then he twatted that he was on his way to Southend to do a gig. And then he twatted that he was on his way back to London. And then he got mugged outside his house. And now Ironik understands the meaning if not the spelling of his name.

So anstrengend ist das Leben in der Stadt, aber noch anstrengender ist das Leben auf dem Land, so die Botschaft der zweiten Folge von letztem Mittwoch. Alsbald zückt Lee sein Messer und rammt es all den Ü-40-Eltern mit kleinen Kindern in den Rücken, die vom Landleben schwärmen, all den Landlust-Deppen, die aus der Großstadt weg aufs Land ziehen und dann feststellen, daß da ja gar nichts ist, außer einem Pferd auf der Weide und einem Live-Gig von dem einen von „Max and Paddy“, aber nicht Peter Kay, sondern von dem anderen, erfolglosen, und eines Tages liegt das Pferd tot auf der Weide, weil es sich selbst den Hals am Stacheldrahtzaun aufgeschnitten hat vor Frust und Langeweile und Angst, auf den Gig von Paddy McGuinness gehen zu müssen.

Aber auch die unter vierzigjährigen Zuschauer kriegen einen mit, denn für die macht Stewart Lee seine Show natürlich erst recht nicht. Für wen er sie macht, wie er sie macht, welche Witze er erzählt und ob er überhaupt Witze erzählt (abgezählte drei konventionelle Gags gab es in der ersten Folge), das ist immer ein zentraler Punkt seines Stand-Ups. Zusätzlich zu den regulären Folgen der ersten Staffel gab es in sogenannten „Red Button“-Bits immer kurze Interviews mit Armando Iannucci (der die Show auch produziert) über Form und Inhalt der Show. Diese Bits sind in der zweiten Staffel in die Show selbst integriert, aber selbstverständlich keine ernsthaften Diskussionen. Oder jedenfalls nicht nur.

Das ist die ganz große Leistung Stewart Lees: die Metaebene, die furchtbar schnell furchtbar öde wird, nie offen zu betreten. Immer hält er bei der Diskussion seines eigenen Stand-Ups subtil im Vagen, was wie und wie ernst gemeint ist. Genau dadurch werden seine Provokationen gegen das Publikum so spannend, deshalb kann er sich so weit aus dem Fenster lehnen in seinen Beschimpfungen: Weil sie immer nett und immer netter verpackt sind. Sein Messer, mit dem er in der ersten Staffel noch offen rumgerannt ist und präzise zugestoßen hat, ist in dieser Staffel in einem hübschen Strauß Blumen versteckt.

Zu diesen Blumen gehören, und das macht das „Comedy Vehicle“ zu einer runden Sache, diesmal kleine Einspieler, die die bösen Bilder, die Lee in seinem Stand-Up entwirft, plötzlich und überraschend „in echt“ zeigen, ähnlich den surrealistischen Szenen, die Iannucci in seinen Serien „Time Trumpet“ und „The Armando Iannucci Shows“ verwendet hat. Mal albern, wie in der ersten Folge, mal satirisch wie in der zweiten. Auch die aus „Jam“ bekannte Handschrift von Chris Morris („Four Lions“) ist da zu erkennen, der abermals als Script Editor mit von der Partie ist.

Zuguterletzt scheint Stewart Lee in der neuen Staffel entspannter zu sein, nicht mehr so schlecht gelaunt wie früher. Vielleicht, weil er sein Material bis ins letzte Detail geformt hat und sicher sein kann, daß es funktioniert. Vielleicht, weil er mittlerweile so erfolgreich ist, daß er sich bestätigt weiß in seiner Form der Comedy.

Marmite Comedy. Lecker.