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Artikel Tagged ‘Ashley Jensen’

Holy Rick

24. März 2019 6 Kommentare

Die neue Sitcom von Ricky Gervais, „After Life“ (Netflix), könnte als seine beste seit „Extras“ (BBC2, 2005 – 07) durchgehen. Wenn man nicht immer mal wieder das Gefühl haben müsste, Gervais dabei zuzusehen, wie er sich selbst heiligspricht.

Ich will es nicht verhehlen: Meine Erwartungen an Sitcoms von und mit Ricky Gervais haben eine Tendenz gegen null, spätestens seit seinem sog. „Comedydrama“ um einen grenzdebilen Altenpfleger namens „Derek“ (Channel 4, 2012 – 14). Umso angenehmer überrascht hat mich „After Life“.

Darin variiert Gervais seine Arschlochfigur (David Brent, Andy Millman), indem er seinem Tony Johnson eine traurige Backstory gibt, die seine Trostlosigkeit und seine Misanthropie einleuchtend grundiert: Er hat seine über alles geliebte Frau Lisa (Kerry Godliman, präsent in Videos, die Tony mit ihr und sie für Tony gedreht hat) verloren. Seitdem geht er seiner Arbeit als Lokalreporter für ein Gratisblättchen noch lustloser nach als ohnehin, zweifelt am Sinn des Lebens, ja: führt seine Selbstmordgedanken jeden Tag ausführlich spazieren. Am Leben erhält ihn eigentlich nur noch sein Hund.

Zum Glück hat er einen einfühlsamen Chef (und Schwager) in Matt (Tom Basden, „Plebs“), einen Fotografen (Tony Way), der Tonys Demütigungen stoisch erträgt, und überhaupt sehr viele aufmerksame und mitfühlende Menschen um sich herum, die ihm immer wieder bestätigen, was für ein guter Mensch er doch in Wahrheit ist: Emma (Ashley Jensen, „Extras“), die Altenpflegerin, die sich um Tonys dementen Vater (David Bradley, „Game of Thrones'“ Walder Frey) kümmert. Daphne/Roxy (Roisin Conaty), eine Prostituierte, und Julian (Tim Plesder), einen Drogenabhängigen — denn ganz wie Jesus ist sich auch Tony für keinen gesellschaftlich Ausgestoßenen zu gut. Und Anne (Penelope Wilton, „Shaun of the Dead“), eine Witwe, die Tony regelmäßig am Grab seiner Frau trifft.

Dabei halten sich Melancholie und Comedy ganz gut die Waage: die Rüpelhaftigkeit, mit der Tony seinen Mitmenschen begegnet, ist durchaus so gut motiviert, dass man mit ihm fühlt. Die Scherze, die aus seiner drastischen Offenheit entstehen, sind komisch. Dass der Cast, den Gervais um sich herumstellen kann, hochkarätig ist (außer den genannten etwa noch die sträflich zu wenig genutzte Diane „Philomena Cunk“ Morgan und Paul Kaye, „Game of Thrones'“ Thoros of Myr), versteht sich von selbst. Ebenso, dass die Ansichten Tonys (es gibt keinen Gott, Tiere sind die besseren Menschen, jeder hat das Recht auf einen selbstbestimmten Tod) zartfühlenden Menschen womöglich extrem scheinen, es in Wahrheit aber kaum noch sind.

Dass diese Ansichten sich zu 95 Prozent mit denen decken, die Ricky Gervais in seinen Standups äußert: das stört mich spätestens dann, wenn er nach fünf Folgen Herumflegelns eine ganze Episode darauf verwendet, sich von allen Nebendarstellern Persilscheine ausstellen zu lassen: dass das schon okay ist und Tony eigentlich ein dufter Typ. Und dass Tony dann tatsächlich wieder einen Lebenwillen entwickelt: das macht diese ganze letzte Folge zu einem einzigen Epilog, der mir weder in sich noch als dramaturgische Idee schlüssig erscheint. Denn wie soll nach diesem Ende eine zweite Staffel beginnen? Mit dem Tod seiner zweiten Frau?

„After Life“ hinterlässt mich also mit gemischten Gefühlen: Es ist ganz sicher nicht Gervais „beste Arbeit“, wie er mit Gervaisscher Bescheidenheit selbst wissen lässt. Eher hat man den Eindruck, auch hier hätte ein Co-Creator gut getan, der den Heiligenschein ein, zwei Stufen herunterdimmt.

Aber solide genug für drei unterhaltsame Stunden ist es doch.

Goodbye Ladies

9. Oktober 2013 1 Kommentar

Natürlich hat niemand von den Rolling Stones erwartet, dass sie plötzlich zur Punk-Band würden, nur weil viele junge Menschen sich in den mittleren und späten Siebzigern plötzlich für den dreckigen, rohen, obszönen, wütenden Drei-Akkord-Blitzkrieg des Punk begeisterten. Nein, die Stones mussten bei dem bleiben, was sie zehn, fünfzehn Jahre früher groß gemacht hatte: saubere Rockmusik. Auch wenn sich ihre Platten neben denen von The Damned, den Sex Pistols und den Buzzcocks plötzlich sehr altbacken anhörten.

Vielleicht ist es also kein Wunder, dass auch Stephen Merchants neue und erste Solo-Sitcom „Hello Ladies“ (HBO, gerade ist die zweite Folge gelaufen) so angestaubt wirkt, so gar nicht frisch und hip, obwohl Merchant zusammen mit Ricky Gervais doch derjenige war, der der Sitcom vor mittlerweile gut zwölf Jahren zu einem neuen, seitdem kaum je wieder erreichten Höhepunkt verhalf, als „The Office“ (BBC2, 2001 – 03) zum ersten Mal auf den Bildschirmen der Welt zu sehen war.

Damals waren Gervais und Merchant quasi über Nacht zu den Rolling Stones der Comedy geworden, und seitdem sind sie, mit mehr oder weniger großen Aktualisierungen, bei dem geblieben, was am besten können: Mockumentaries und cringe comedy. Nur dass sie jetzt eben Solo-Platten machen.

Wann haben Soloprojekte alternder Rockstars je die Popularität früher Alben erreicht? Welcher Fan hält „She’s The Boss“, Mick Jaggers Album von 1985, oder Keith Richards‘ „Talk is Cheap“ (1988) in ähnlich großen Ehren wie „Beggars Banquet“ oder „Let it Bleed“?

Wenn Merchant der Richards zu Ricky Gervais‘ Jagger ist, dann ist „Hello Ladies“ Stephen Merchants „Talk is Cheap“.

In „Hello Ladies“, von Merchant und den beiden US-„The Office“-Autoren und -Regisseuren Lee Eisenberg und Gene Stupnitsky, spielt Merchant Stuart, einen britischen Webdesigner in Los Angeles, der vergeblich versucht, in die Film- und Fernsehgesellschaft vorzudringen, und dort insbesondere in die der heißen Chicks. Wenig hilfreich ist ihm dabei die Freundschaft zu Wade (Nate Torrence), seinem dicklichen und gerade von seiner Frau verlassenen Kumpel, sowie Kieves (Kevin Weisman), der auf Frauen die Wirkung hat, die Stuart gerne hätte. Kieves ist gutaussehend, charmant — ach ja, und er sitzt im Rollstuhl.

Und schon sind wir mittendrin in den cringe jokes. Stuart kann Kieves nicht ausstehen (warum er trotzdem mit ihm seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft), muss ihn aber regelmäßig mit den besten Weibern abziehen lassen, während er sich selbst wieder und wieder (und immer schön öffentlich) blamiert. Im Gegenzug ist er ekelhaft nicht nur zu Kieves, sondern auch zu Wade (warum der trotzdem mit Stuart seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft). Einzig mit seiner Untermieterin, der ambitionierten Nichtmehrganzsojungschauspielerin Jessica (Christine Woods), verbindet Stuart eine platonische Freundschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht.

Aber auch sie nutzt Stuart hauptsächlich aus: denn sie ist der Mädels-Magnet, ihre „Web-Serie“ bringt Stuart in Kontakt zu jungen Schauspielaspirantinnen. Gleichzeitig scheitert sie sowohl selbst an Beziehungen mit Männern als auch an der Dümmlichkeit ihrer Freundinnen, was sie in manchen deprimierten Momenten mit Stuart verbindet und zu einer Kandidatin für das alte Will they, won’t they-Spiel, nicht ganz unähnlich mit der Beziehung von Andy (Gervais) und Maggie (Ashley Jensen) in „Extras“.

Alles an „Hello Ladies“ wirkt, formulieren wir es so neutral wie möglich: wie Mainstream. Wie eine Network-Comedy. Jedenfalls nicht wie HBO. (Und tatsächlich ist es auch von oder jedenfalls mit ABC produziert.) Nichts daran ist überraschend, schon gar nicht die Figur des Briten in den USA. Dieses Klischee haben wir, und gar nicht vor langer Zeit, schon schöner ausgespielt in „Family Tree“ (dito HBO, in Coproduktion mit der BBC, 2013) gesehen, und, auf längere Distanz, in „Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011).

Stuart aber wirkt nicht wie ein Brite, dem etwa das Gefühlsgequatsche zwischen Wade und seiner baldigen Ex Marion wahnsinnig peinlich wäre und der seiner Tollpatschigkeit gewahr ist, mit der er eine solche Unterhaltung stört — Stuart ist einfach ein unsensibler Klotz, der mehrfach in die eheliche Aussprache reinplatzt und anschließend fragt, wie es gelaufen ist. Stuart fällt auch nicht die oberflächliche Freundlichkeit der Amerikaner auf (unter der seine Mitbewohnerin Jessica zu leiden scheint, ohne selbst mehr Tiefgang zu haben) — er ist noch viel oberflächlicher als alle Amerikaner. Nur nicht so freundlich.

Bleibt die Frage, warum wir ihm dann zusehen sollen: Stuart macht, unsympathisch wie er ist, jedes Mitgefühl unmöglich, und sei es nur das Mitleid, das David Brent durch seine Melancholie erzeugt hat. Stuart ist nicht melancholisch, oder nur nach den totalen Demütigungen, in den letzten Momenten jeder Folge, die noch wenigstens ein bisschen Identifikation ermöglichen — wenn auch längst nicht genug, um einen durch ganze Folgen zu tragen. Stuart ist einfach ein Arsch, und es wird zunehmend quälend, die halbstündigen Episoden auch nur bis zum Ende anzusehen: keine Identifikationsangebote, kein neuer Dreh, der der Tortur wenigstens Neuigkeitswert gäbe — nichts.

Übrig bleibt das komische Talent, das Merchant definitiv hat und mit dem er Situationen erzeugen kann, die durchaus lustig sind. Merchants Mimik, seine Körpersprache, sein Timing sind höchste Comedy-Kunst. Hätte er nicht diese Gaben, wäre er nicht neben Gervais auch in „Extras“ (BBC2, 2005 – 07) und „An Idiot Abroad“ (Sky1, 2010 – 12) ein so guter Counterpart zu Gervais gewesen. Es gibt einige Lacher in „Hello Ladies“, und Merchant schafft es, auf Gags, die man kommen sieht, hin und wieder noch einen draufzusetzen, den man nicht schon geahnt hat. Slapstick und Dialogwitze halten sich in der Waage, die Konstruktion der Folgen ist, aber das ist halt auch Teil des Problems, handwerklich sauber.

Stephen Merchant bleibt also der hochtalentierte Keith Richards, wie Gervais (obwohl sich immer mehr Fans von ihm abzuwenden scheinen) der Mick Jagger der Britcom. Aber „Hello Ladies“ wird als Neben- und Soloprojekt, und nicht als Meisterwerk in die Geschichte der Britcom eingehen.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 8

21. Oktober 2009 10 Kommentare

Platz acht festigt einen Trend, der sich durch die weiteren Plazierungen in meinen höchst persönlichen Britcom-Charts fortsetzen wird: Den zur cringe comedy. Peinliche Momente, in denen der Zuschauer kaum anders kann, als vor Fremdscham im Sofa zu versinken oder sich in distanzierendes und insofern rettendes Gelächter zu flüchten — das war DER Comedy-Trend der nuller Jahre. Vielleicht war die britische Sitcom der letzten Dekade auch deshalb nicht mehr so mehrheitsfähig wie (und damit leider auch ein bißchen weniger relevant als) früher: Weil sie alle ausschloß, die nicht bereit waren, sich solchermaßen unangenehmen Situationen auszusetzen. Andererseits war britische Fernsehkomik dadurch auch englischer denn je und das genaue Gegenteil deutscher Comedy, die immer noch weitgehend integrativ ist und möchte, daß alle zusammen lachen und es möglichst gemütlich haben.

Auf Platz acht findet sich die zweite Serie des Großmeisters der cringe comedy, Ricky Gervais, die nicht ganz so böse ist wie seine erste, es aber nichtsdestoweniger unter die besten zehn geschafft hat:

Platz 8: „Extras“ (2005 – 2007, BBC2/HBO)topten08a

Fatale Selbstüberschätzung ist einer der schnellsten Wege zu Demütigung, und Andy Millman (Gervais) mangelt es daran niemals: Der Film- und Fernsehstatist hängt fest an seinem Glauben, ein verkanntes Schauspieltalent zu sein, und bringt sich durch diese Fehlwahrnehmung permanent in Verlegenheit, vor wie hinter den Kulissen. Umso mehr, als er neben Größen des Fachs wie Ben Stiller, Kate Winslet und Samuel L. Jackson spielen muß und keine Gelegenheit ausläßt, von einem ins nächste Fettnäpfchen zu treten: Er versucht, aus seiner Komparsenrolle in einem Balkankriegsdrama eine kleine Sprechrolle zu machen, und belästigt damit den schwer traumatisierten Autor, der im Kosovo Frau und Kind verloren hat, auf dem Set. Er gratuliert Jackson für seine Rolle in „The Matrix“ und gibt sich, weil er ihn mit Laurence Fishburne verwechselt, indirekt als Rassist zu erkennen, der einen Schwarzen nicht vom anderen unterscheiden kann (Edit: genaugenommen war es Maggie, die Jackson mit Fishburne verwechselt hat, siehe Kommentare). Er versucht sich an David Bowie ranzuwanzen, was damit endet, daß der ihn mit einem improvisierten Schmäh-Lied öffentlich bloßstellt.

Zur Seite stehen Andy sein törichter Agent Darren (Stephen Merchant) und Maggie Jacobs (Ashley Jensen), ebenfalls Komparsin und ein Quentchen einfältiger als Andy; zusammen ergeben Andy und Maggie einen double act, der von ferne an Stan Laurel und Oliver Hardy erinnert: Maggie in der Rolle des naiven Stan, Andy in der des genervten Olli. Die Ähnlichkeit der Mimik ist stellenweise verblüffend.

In der zweiten Staffel hat Andy es zu einer eigenen BBC-Sitcom gebracht („When The Whistle Blows“), doch schnell ist klar, daß die Herabwürdigungen damit längst kein Ende haben: Andy wird so lange gezwungen, Kompromisse zu machen, bis sein ehrgeiziges Comedy-Projekt zur Doofi-Sitcom mit der schlichten catchphrase „Are you having a laugh?“ samt „funny wigs and glasses“, lustigen Perücken und dicken Brillen, verkommen ist (ein Schelm, wer an deutsche Sitcoms á la Atze Schröder dabei denkt). Peinlicher noch als seine schlimm schlechte Sitcom, für die sich Andy bald sehr schämt, ist nur: ihr phänomenaler Erfolg, der dazu führt, daß Andy bald von Kritikern beschimpft wird und von bescheuerten Fans verfolgt, die nichts anderes von ihm wollen, als daß er seine Cathphrase aufsagt — wieder und wieder und wieder… Im Weihnachts-Special schließlich hat Andy es geschafft, ein Fernsehstar zu werden, während Maggie ihre Karriere zugunsten eines Putzjobs aufgegeben hat.

In „Extras“ konnte man Ricky Gervais auf dem Höhepunkt seiner bisherigen Comedylaufbahn sehen: „The Office“ hatte ihm, der zuvor völlig unbekannt gewesen war, alle Türen geöffnet. Britische Prominenz von Patric Stewart bis Orlando Bloom standen Schlange, um in seinen Produktionen mitspielen zu dürfen, selbst Hollywood-Stars wie Robert DeNiro wollten dabeisein. Gervais nutzte die Gelegenheit, um die Film- und Fernsehwelt zu karikieren, griff dafür aber zu konventionelleren Methoden als zuvor bei „The Office“: Statt dessen Mockumentary-Stil (und damit sich selbst) zu kopieren, entwarf Gervais „Extras“ als traditionellerer Sitcom (eine Kamera, kein laugh track) — was ihm Fans prompt übel nahmen, die etwas ähnlich abgründig-bitteres wie „The Office“ erwartet hatten. Diesen Erwartungen zu entsprechen, wäre allerdings schwerlich möglich gewesen. „Extras“ aber war bei genauerer Betrachtung immer noch böse und brillant genug, um als würdiger Zweitling in die Geschichte einzugehen.

Should auld acquaintance be…

9. September 2009 Keine Kommentare

– Forgot.

– No, no, got it in a minute!

Fünf Mitwirkenden eines Vortragswettbewerbs folgt „No Holds Bard“ (BBC4 2009) bei ihren Vorbereitungen auf und beim großen Abend des Cup O’Kindness 2009 selbst, bei dem der beste Robert Burns-Rezitator ermittelt werden soll. Unter ihnen die kleine Hayley, deren poesieferne Mutter Isobel (Ashley Jensen, „Extras“) die Ambitionen ihrer Tochter mit keiner Hirnwindung versteht, Stevie, der eigentlich eine Gefängnisstrafe verbüßen muß (und darum die Gelegenheit der Lesung zur Flucht nutzt), und die etwas überambitionierte Engländerin Paula (Felicity Montagu, „I’m Alan Partridge“, „Nighty Night“), die in der Glut ihrer erst kürzlich erwachten Liebe zu Schottland nicht bemerkt, daß diese Liebe nicht beantwortet wird, und so z.B. von der Herzlichkeit der Schotten schwärmt, während die Kamerafahrt allmählich ihren Mann ins Bild rückt, der gerade „FUCK OFF ENGLISH FANNYS“ von der Hauswand wäscht. Selbstredend endet der Abend im Desaster, und das nicht nur, weil Gärtner Robert, seit seinem Unfall mit einem Pferd ohne Kurzzeitgedächtnis, wegen des Hufklapperns kurz in Panik gerät, das Paulas Mann mit Kokosnußschalen imitiert, um ihren Vortrag zu unterstreichen.

So mag ich Dichterverehrung: Mit einer 60-minütigen Mockumentary leistet BBC Scotland ihren Beitrag zur Feier des 250. Geburtstag von Schottlands größtem Sohn, zollt dem Dichter Tribut und macht sich gleichzeitig milde über die kleinen Provinz-Heidenreichs lustig:

– I’m passionate about literature. I’ve got the kind of brain that’s good with words and things. Very creative. There’s a lot going on on the right hand side! Like for example, when you say the word to me: apple — I immediately see very very clearly in my head an apple!

– Yum!

The Life and Opinions of Steve Coogan, Comedian

4. Juni 2009 1 Kommentar

Wer einen Sinn hat für Filme mit Metaebene, zahllosen Anspielungen, Cameos und Seitenhieben auf das Film-Business, der ist gut bedient mit „Tristram Shandy: A Cock and Bull Story“ (2006). Überflüssig zu sagen, daß die Kenntnis von Laurence Sternes Romanklassiker unentbehrlich ist: Wer nicht weiß, daß Sterne mit „Tristram Shandy“ den postmodernen Roman erfunden hat, bevor es die Moderne überhaupt gab, wird keinen Spaß haben an Michael Winterbottoms tongue in cheek-Comedy. Denn nicht nur kommen in Winterbottoms Film sowohl Tristram Shandy (Steve Coogan) als auch Onkel Toby (Rob Brydon) vor, die Beschneidungs-Szene mit dem zuschlagenden Fenster, die eng mit einer aufzuziehenden Standuhr verbundene Sex-Szene sowie Onkel Tobys Schlachtenmodell und Tristrams Geburt. Winterbottom bezwingt mit einem dreisten Handgriff sogar das, was am Roman als unverfilmbar galt, nämlich die uferlosen Abschweifungen und Erzählungsmäander, die dem Narrator so übermächtig geraten, daß er nicht einmal die Distanz zwischen Zeugung und Geburt Tristrams bewältigt: Indem der Film von der Erzählung in die Metaerzählung abschweift, einen Schritt zurücktritt und von den Dreharbeiten zu „Tristram Shandy“ erzählt. Weshalb Coogan und Brydon auch als sie selbst eine zentrale Rolle spielen: Als die Schauspieler Steve Coogan und Rob Brydon.

Infolge dieses kühnen Tricks bestehen der zweite und dritte Akt des Films aus den immer unübersichtlicheren Verwicklungen am Set, in denen der Hahnenkampf zwischen Hauptdarsteller Coogan und Nebendarsteller Brydon ausufert, weil Coogans Part immer kleiner wird, während Brydon sogar eine Liebesgeschichte mit Gillian Anderson ins Drehbuch geschrieben wird. Coogans Privatleben, das inklusive Seitensprünge und Drogen in England häufig durch die Medien geschleift wurde, wird auch im Film ausführlich geschildert, und seine Rolle als Alan Partridge geht ihm auch am Set bei jedem Interview erneut auf den Senkel, das sich nur um Partridge dreht (den übrigens auch Brydon schön hinkriegt).

Gewiß, im letzten Drittel hat „A Cock and Bull Story“ seine Längen, und ich hätte mir hin und wieder eine engere Verwobenheit von Stoff und Metastoff gewünscht. Aber wo es an Bezügen zum Original von Sterne mangelt, fährt Winterbottom dafür viele Referenzen zu anderen Filmen auf (erwähnt sei nur der ebenfalls von Winterbottom gedrehte „24 Hour Party People“, in dem ebenfalls Coogan und Brydon mitspielen, es aber um das Leben von Tony Wilson geht, der wiederum in „Cock and Bull Story“ als er selbst Steve Coogan interviewt), und die Unmengen Gaststars tun für jeden Britcom-Fan das ihre — Dylan Moran („Black Books“), David Walliams („Little Britain“), Ashley Jensen („Extras“) und Stephen Fry etwa spielen kleinere bis kleinste Rollen.

Ein fabelhafter Film also, der aus einem brillanten Roman von 1759 eine clevere Satire auf das Filmgeschäft von heute macht, dabei beidem gerecht wird und auch noch lustig ist. Was will man mehr.

Extra gut

1. November 2005 2 Kommentare

Einen Komparsen, der sich für einen Schauspieler hält, spielt Ricky Gervais in seiner zweiten Sitcom seit „The Office“, und damit nach David Brent eine weitere Figur, die sich grandios überschätzt: Andy Millman, Statist mit Ambitionen und einem untalentierten Agenten, treibt sich pro „Extras“-Folge auf dem Set je eines Films herum und trifft dabei auf einen je neuen (und echten) Star: Auf Ben Stiller etwa, der in der ersten Folge Regie bei einem Kriegsfilm über den Kosovokrieg führt, auf Kate Winslet als Nonne im zweiten Weltkrieg, und auf Patric Stewart in einer u.U. Shakespeare-Verfilmung. Dabei schafft es Gervais, ebenso peinliche Situationen zu entspinnen wie in „The Office“. Um seine Chancen bei einer gläubigen Frau zu erhöhen, improvisiert der atheistische Andy einen Katholiken, hat aber nicht die geringste Ahnung von Sitten und Gebräuchen und redet sich infolge einmal mehr um Kopf und Kragen: „Catholics, yeah, I’m definitely one of us… Catholic, the c word, right? – Not the c word [i.e. cunt; Fotze], a c word.“ Zur Seite steht ihm dabei jederzeit seine Kollegin Maggie Jacbos (Ashley Jensen), die Millman in nichts nachsteht: Sie spricht Samuel L. Jackson ein Kompliment für seinen Auftritt in „The Matrix“ aus, aber das war natürlich Laurence Fishburn. Einsatz Andy: „Es ist aber nicht so, daß sie denkt, ihr seht alle gleich aus – falls Sie das jetzt gerade gedacht haben.“ Seine Freundin sei nämlich keine Rassistin, was man schon daran sehen könne, daß sie mit einem Schwarzen zu schlafen versucht habe. Der stünde direkt neben ihm, Jackson. „’Pulp Fiction’!“ ruft er schließlich dem wortlos weggehenden Jackson nach.

Drei Jahre sind seit dem Überraschungserfolg „The Office“ vergangen, der Gervais zum Star gemacht hat. Seine erste Sitcom, die die BBC überhaupt nur in Auftrag gegeben hat, weil sie außerordentlich kostengünstig zu drehen war, hat die Latte hoch gehängt, und Gervais war gut beraten, alle Fernseh-Angebote auszuschlagen, die ihn als Figur für den Bildschirm verbraucht hätten: Er hat sich auf die Produktion einer amerikanischen „The Office“-Adaption, Live-Auftritte und Kinderbücher über merkwürdige Monster („Flanimals“) beschränkt. Der Erfolg in den USA ermöglicht ihm nun ein Staraufgebot, das Gervais klug einsetzt: Nämlich in weiten Teilen als Stichwortgeber und eher ernste Parts, die Gervais und Jensen als Reibungsfläche dienen. Als glänzend komische Auftritte allerdings bleiben die von Ben Stiller und, erstaunlicherweise, Kate Winslet in Erinnerung; ersterer demütigt als Kriegsfilmregisseur vorbildlich den Autor der Kriegsfilm-Drehbuchvorlage, dessen Frau im Kosovokrieg ermordet wurde, und blafft ihn schließlich vor versammelter Mannschaft an: Ob das sein, des Autoren, Film wäre oder seiner, Stillers – und er, der Autor, solle endlich aufhören, dauernd wegen seiner beschissenen toten Frau rumzuheulen!

Daß „Extras“ hinter dem Maßstäbe setzenden „The Office“ zurückbleiben muß, beschädigt die Serie dabei nur wenig: Gervais’ Prinzip der Pointenvermeidung ist nicht mehr neu, ebenso wenig die Gebrochenheit der Figuren, deren Bemühen um Antirassismus, weibliche Emanzipation, Toleranz gegen Behinderte und Schwule sie stets in die größten Verlegenheiten bringt. Man kennt das Prinzip. Doch es kommt bekanntlich weniger darauf an, daß ein Witz neu ist, als daß er gut erzählt wird. Sieht man von der Schematisierung einmal ab, die sich hin und wieder bemerkbar macht, ist „Extras“ eine solide Sitcom, die zu recht fortgesetzt werden wird. Die erste Staffel ist im Sommer in Großbritannien gelaufen, erscheint am 31. Oktober auf DVD und kann dann per Import auch hier bezogen werden.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 11/2005)