Pro und contra High-Concept
Die zweite Staffel „The Affair“ (Showtime, seit 2014) ist noch besser als die erste.
Das ist deshalb etwas besonderes, weil ich das Gimmick, mit dem Sarah Treem und Hagai Levi („In Treatment“) ihre Serie gepimpt haben, schon während der ersten Staffel schwierig fand: die Erzählweise, in zweimal einer halben Stunde dieselben Ereignisse mit den Augen der zwei Hauptprotagonisten, sprich: subjektiv zu erzählen. Ein Gimmick, dessen sich die Macher von „The Affair“ nurmehr sporadisch bedienen (gerade in der achten von zwölf Folgen wieder etwas mehr, weshalb ich vermutlich auch darauf aufmerksam geworden bin). Mittlerweile sind die Charaktere, die in der ersten Staffel je nach Perspektive mal mehr, mal weniger sympathisch waren, durch die Bank konsistenter, was die Serie zwar ein ganzes Stück weniger innovativ und experimentell macht, aber auch besser — weil man der Charakterentwicklung nun wieder leichter folgen kann, ohne sich dauernd fragen zu müssen, ob das, was man sieht, womöglich eben nur im Spiegel des Charakters selbst geschieht oder tatsächlich.
So haben Treem und Levi mit „The Affair“ eine Kurve gekriegt, die andere fortgesetzte Serien dieser Season leider nicht ganz so gut gekriegt haben — und weil diese ungewöhnlichen, speziellen Konzepte von Serien gerade Konjunktur haben, sind es leider auch (mindestens) zwei andere Serien, die von diesem Problem betroffen sind:
„The Last Man on Earth“ (Fox, seit 2015) etwa. Der war nun schon seit der zweiten Folge nicht mehr der letzte und einzige Mensch auf der Welt; ja, über den Verlauf der ersten Staffel wurde es ein ganzes Ensemble.
Zwar haben sich die Autoren hier zu Beginn der zweiten Staffel zunächst auf das ursprüngliche Konzept halbwegs zurückbesonnen und den Cast wieder auf zwei reduziert, aber nur mit Phil (Will Forte) und Carol (Kristen Schaal) alleine eine ganze Staffel zu füllen, das ging nun halt doch nicht. Also waren bald alle aus der ersten Season wieder zurück, und mit ihnen das Grundproblem der Serie: Wie oft kann man den einzigen Witz der Serie wiederholen? Wie oft kann es sich ein Soziopath wie Phil mit allen verscherzen, und wie oft können sich alle anderen mit ihm wieder versöhnen, bis auch der letzte Zuschauer gemerkt hat, dass in dieser Serie nichts vorangehen kann?
Leider nicht so oft, wie ich es mir gewünscht hätte.
Auch „You’re The Worst“ (FX, seit 2014) ist diesem Problem so halb erlegen. Die will they, won’t they-Mechanik, die in der ersten Staffel die bindungsunfähigen Narzisten Jimmy (Chris Geere) und Gretchen (Aya Cash) magnetisch gleichermaßen zusammengebracht wie voneinander abgestoßen hat, wurde in der zweiten Staffel ersetzt durch eine feste Beziehung, und schon war die Chemie der ersten Staffel perdu. Schade, und noch bedauerlicher, dass Stephen Falk beschlossen hat, Gretchen auch noch auf halbem Weg durch die Season eine Depression anzudichten, die sie mehr oder weniger aus der Serie hinausgekickt hat. Das sollte wohl wieder etwas von dem Zauber des Verkorksten herstellen, der die erste Staffel hindurch so gut funktioniert hat — allein, das klappt nicht so recht. Denn Jimmy müsste, zumindest empfinde ich das so, eigentlich zu schlau sein, um zu glauben, man könnte jemandes Depression heilen, indem man ihm einen lustigen Tag bereitet. Und Gretchen ist nurmehr reduziert auf einen Flunsch, der sich die Decke über den Kopf zieht und vom Moment an, in dem sie eingestanden hat, depressiv zu sein, tatsächlich nur noch das: ein Häufchen Elend.
Das mögen amerikanische Zuschauer nun besonders mutig finden, dass sich eine Serie dem Tabuthema Depressionen so offen stellt — ich fand es eine Charakterentwicklung, die jemand offenbar mit einer Brechstange und einem großen Holzhammer ins Werk gesetzt hat.
Nun haben diese High-Concepts deswegen gerade Erfolg, weil sie mit einem ungewöhnlichen „Was wäre wenn …“-Setup viele Zuschauer schnell in ihren Bann ziehen: Was wäre, wenn eine junge Frau herausfindet, dass sie nur einer von ziemlich vielen Klonen ist? wenn ein junger Mann einen Hund hätte, der (nur) mit ihm spricht? wenn Tote sich unter die Lebenden mischen und die Lebenden das einfach hinnehmen, weil sie so ihrer Trauer aus dem Weg gehen können?
Das Risiko allerdings ist groß, dass Showrunner mit dieser Form von Konzept zu hoch pokern, dass die dieses Konzept zulasten der Charaktere geht, die Serien ja später einmal tragen müssen, wenn sich der Neuigkeitswert des Gimmicks abgenutzt hat — dass Serien also „keine Füße“ haben und in der Folge mehr stolpern und sich dahinschleppen, als wirklich laufen zu können.
Umso beeindruckender, dass „The Affair“ seine Füße gefunden hat und Dominic West („The Wire“), Ruth Wilson („Orange is The New Black“) und Maura Tierney in die Lage versetzt hat, ihre Charaktere zu entwickeln. Und mit den Charakteren und ihren amourösen Verstrickungen auch noch einen kriminalistischen Plot, der immer noch, in der Mitte der zweiten Staffel, gerade erst beginnt, Konturen zu entwickeln, und dabei doch spannender ist, als es der Taschenspielertrick mit den zwei Perspektiven langfristig je hätte sein können.
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