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Artikel Tagged ‘Ben Elton’

Cunk on Shakespeare

William Shakespeare findet derzeit anlässlich seines 400. Todestages auch in der britischen TV-Comedy statt: Ben Elton darf einmal mehr ran und beweisen, dass er doch noch mehr drauf hat als es zuletzt mit „The Wright Way“ (BBC1, 2013) den Anschein hatte: „Upstart Crow“ (BBC2, seit letzter Woche), veredelt mit einer guten Handvoll prominenter Comedians (David Mitchell, Harry Enfield, Mark Heap und „Raised by Wolves“-Hauptdarstellerin Helen Monks) hat nach der ersten Folge allerdings noch nicht hundertprozentig überzeugt; am merkwürdigsten aufgestoßen ist mir dabei, dass einer der Nebendarsteller offenbar versucht, Ricky Gervais‘ shtick zu imitieren, was ein guter Regisseur/Produzent mit Sicherheit hätte verhindern müssen.

Uneingeschränkt super allerdings war das One-Of von Philomena Cunk alias Diane Morgan in ihrer Paraderolle aus „Charlie Brooker’s Weekly Wipe“ (BBC2, seit 2013): „Cunk on Shakespeare“ (BBC2): clever, informativ und sehr, sehr komisch.

Kurz nur währten meine Zweifel, dass das parodistische „Fernseh-Experten“-Format aus „Weekly Wipe“ mit einer halben Stunde womöglich nicht tragen würde: das tat es, und zwar ohne Mühe. Denn Brooker hat es hinbekommen, auf dem schmalen Grat zwischen Nonsens und gut versteckten echten Informationen ein komödiantisches Tänzchen aufzuführen, wie man es selten zu Gesicht bekommt: mit Scherzen für Leute, die nichts über Shakespeare wissen, mit Scherzen für Halb- und womöglich sogar mit Scherzen für Supergebildete in puncto Shakespeare, zu denen ich mich jetzt nicht zählen würde.

Denn es ist natürlich nur zum Teil ein schöner Gag, am Ende als „Shakespeares bekanntestes Werk“ „Game of Thrones“ anzuführen. Tatsächlich ist es gar nicht so hoch gegriffen, die „GoT“-Mischung aus Drama, Komödie, Horror und Historienfilm als „typisch Shakespeare“ zu analysieren: denn dass der es war, der all diese Register in seinen Stücken gezogen hat, wie er es brauchte, kriegt sogar Philomena Cunk mit Hilfe echter Experten vorher schon heraus.

(Wie sie das machen, für „Weekly Wipe“ wie hier, echte Experten vor die Kamera zu bekommen, die auf die Ahnungslosigkeit von „Philomena Cunk“ authentisch reagieren, also größtenteils mit britischer Höflichkeit, das würde ich mal gerne von einem Insider erklärt bekommen: Kann man die wirklich im Glauben lassen, Cunk sei keine Kunstfigur? Und wenn ja: wie kriegt man dann hinterher deren Zustimmung, das zu senden? Oder werden diese Experten von der Produktion gebeten, das Spiel einfach mitzuspielen? Ich kann mir kaum vorstellen, dass durchschnittliche Wissenschaftler und Kulturschaffende so gute Schauspieler sind.)

Am meisten freut es mich, dass Brooker sich eine Nische geschaffen hat, in der so etwas möglich ist: diese Mischung von high brow und low brow-Comedy, intellektueller und alberner Comedy, die an ein Publikum gerichtet ist, das zu erreichen sich das deutsche Fernsehen längst nicht mehr traut: nämlich doch ein vorwiegend gebildetes, das sich im Zusammenhang mit leichter Unterhaltung und Comedy überhaupt auf ein Thema aus der Hochkultur einlässt. Und das zu belachen geistig auch imstande ist.

Allerdings: Bernd Eilert, jahrzehntelanger Autor und Regisseur für und von Otto Waalkes, schreibt auch seit Jahrzehnten mit an den Bühnenprogrammen von Otto und konstatierte schon vor Jahren, dass eine Sorte Witze heutzutage praktisch gar nicht mehr funktionieren würde: nämlich eben die, die auf Kunst und Literatur rekurrieren. Anspielungen auf den Erlkönig, die Parodie gar, die Anfang der Siebziger zu Ottos Programm gehörte, gingen heute beispielsweise kaum noch: weil kaum noch jemand den „Erlkönig“ so parat hat, dass er Witze darüber goutieren könnte.

Und auch in meiner eigenen bescheidenen Erfahrung als Fernsehautor ist mir das regelmäßig begegnet: die Befürchtungen von Chefautoren, Producern, Fernsehmachern, dass „das Publikum das nicht versteht“; eine Befürchtung, die zu einer Selbstbeschneidung führt, die sich anschließend überall im deutschen Fernsehen bemerkbar macht.

So kommen am Ende zwei Tendenzen zusammen: der Kulturpessimismus der Fernsehschaffenden, die immer dazu bereit sind, um möglichst alle mitzunehmen, die intellektuellen Ansprüche herunterzuschrauben (damit die Senioren mitkommen, verzichten wir mal besser auf das Wort „App“ und nehmen „Programm“, ach was, wir verzichten besser ganz auf Computer und Internet!), und der tatsächliche Bildungsverlust (wer unter 80 weiß denn noch was von der deutschen Romantik?!). Das Ergebnis lässt sich im Mainstreamfernsehen besichtigen: der kleinste gemeinsame Nenner. So erzieht man sich natürlich auch das Publikum, das man verdient.

Nun denn, umso dankbarer sind die kleinen Grüppchen von Versprengten, die lieber so großartige Shows wie „Cunk on Shakespeare“ gucken oder obskure Comedyshows auf Spätnacht-Slots in Nischensendern wie ZDF.neo, als RTL-Ramsch wegzukonsumieren, über dessen Qualität ja jeder bescheid weiß außer denen, die es gucken.

Nun denn. Hoffnung ist oft ein Jagdhund ohne Spur, und wer Worte macht, tut wenig. Schön wäre es aber, wenn Philomena Cunk und Charlie Brooker sich auch in Zukunft immer mal wieder großer Themen annähmen, sie uns in diesem Halbstundenformat näherzubringen. Ich würd’s gucken!

Die Shitcoms des Jahres (Teil 2)

18. November 2013 1 Kommentar

Wenn ein Spielfilm es in der ersten Viertelstunde nicht schafft, seine Zuschauer zu überzeugen, ist er tot. Nach einer Viertelstunde hat man sich ein Urteil gebildet; alles, was danach kommt, kann den Gesamteindruck allenfalls noch trüben, verbessern aber nur in den seltensten Fällen. Bei Serien dürfte das ähnlich sein.

„Heading Out“ (BBC2, wie alle hier besprochenen Serien 2013) brauchte keine fünf Minuten, um mich zu verlieren.

In diesen fünf Minuten versuchte eine Tierärztin, erkennbar lesbisch und um die vierzig, ein „Ich bin klug, ein bisschen schüchtern und leicht tollpatschig“-Brille auf der Nase (ja, das kann ich alles aus einer Brille herauslesen), einer Frau um die 50 zu erklären, dass die vor ihr auf dem Untersuchungstisch liegende tote Katze, Achtung: tot war. Nicht mehr lebte. Abgeritten war zu ihren Ahnen. Ja, die alte „Dead Parrot“-Nummer von Monty Python, nur ohne die Witze und ohne Darsteller mit funny bones. In der Variation des Themas, wie es Sue Perkins (Hauptdarstellerin und Autorin) hier probiert, insistiert die Katzenbesitzerin auf allerlei homöpathische Mittelchen, ob man es nicht mal mit Bachblüten probieren könnte etc., während die Tierärztin Sara sich bemüht, möglichst diplomatisch zu vermitteln, dass das Vieh tot ist. Vergeblich, wie man sich denken kann.

Zweite Szene: Im Vorzimmer der Tierarztpraxis, die Katzenbesitzerin ist wutentbrannt abgedampft, muss Sara ihrem Assistenten erklären, welche Formulierungen er besser nicht gebrauchen soll, wenn er mit den Besitzern kürzlich verstorbener Katzen spricht, mit dem Erfolg, dass der Assistent coram publico alle unsensiblen  Formulierungen aufsagt und Sara anschließend ein Geburtstagsständchen singt, das auf „happy birthday, she killed a cat“ endet.

Dann habe ich ausgemacht.

Weitergegangen wäre es damit, dass die Veterinärin von ihren Freunden mehr oder weniger gezwungen wird, ihren Eltern offenzulegen, dass sie lesbisch ist, und ich bin froh, dass ich das nicht mehr sehen musste. Denn das wäre gewesen, wie wenn Miranda Hart ihren Eltern hätte sagen müssen, dass sie dick ist. Nur dass Miranda Hart ein Minimum an komischem Talent hat. Mit einem Wort: „Heading Out“ has kicked the bucket, shuffled off its mortal coil, run down the curtain and joined the bleedin‘ choir invisibile! Die BBC hat bereits bestätigt, dass es bei einer Staffel bleiben wird. (Single Camera, kein laugh track)

„Pat & Cabbage“ (ITV) hat es ebenfalls nicht auf meine reguläre Playlist geschafft. Das aber nicht wegen handwerklicher Mängel, sondern weil eine Sitcom über zwei Frauen jenseits der Menopause schon sehr speziell sein müsste, damit ich sie mir regelmäßig ansehe. Das ist „Pat & Cabbage“ nicht. Schlecht aber muss die Serie deshalb nicht sein.

Pat (Barbara Flynn, „Cracker“, hierzulande bekannter als „Für alle Fälle Fitz“) und Cabbage (Cherie Lunghi, „Starlings“) sind verwitwet bzw. geschieden und haben erkennbar kein Interesse daran, in Würde zu altern. Statt dessen verliebt sich die eine ein bisschen in einen Herrn ihres Alters, ist aber zu schüchtern, und die andere versucht, die beiden zusammen zu bringen. Parallel dazu erfahren wir, dass Pats Tochter Helen (Rosie Cavaliero, „Saxondale“, „Spy“) Cabbage für einen schlechten Einfluss auf ihre Mutter hält und am liebsten hätte, dass sich die beiden angehenden Seniorinnen auch wie solche benehmen.

Wie gesagt: Nicht meine Baustelle, aber auch nicht unsympathisch und von den üblichen Scherzen über ökonomische Verwertungsmöglichkeiten rüstiger Rentner weit entfernt, wie sie hierzulande zu Seniorenkomödien offenbar zwingend dazugehören („Sein letzter Lauf“, siehe Stefan Gärtners Sonntagskolumne bei Titanic online). Kein brüllend lauter Humor, alles eher gentle, aber das ist bei der Zielgruppe wohl selbsterklärend. (Single Camera, kein laugh track)

„The Wright Way“ (BBC1) macht es einem leicht: Worst. Sitcom. Ever.

Die erste Zusammenarbeit von Ben Elton („We Will Rock You“) und David Haig seit „The Thin Blue Line“ (BBC, 1995 – 96) ist von der ersten Sekunde an alt. Ich würde „altmodisch“ sagen, aber das verwende ich hin und wieder auch in einem positiven Zusammenhang, und an „The Wright Way“ ist nichts positiv.

David Haig ist Gerald Wright, ein Health-and-Safety-Inspektor, der sich für vernünftig und alle Welt für verrückt geworden hält. Eine Fleischwerdung des „gesunden Menschenverstands“ also, ein Reaktionär — aber einer, dem wir als Zuschauer immer zustimmen sollen: Ist es nicht wirklich verrückt, wie das so ist in unserer heutigen Welt mit (hier bitte eigene Vorurteile gegen das modern life einfügen)?

Der ungelogen erste Dialog geht so:

GERALD
(hämmert gegen die verschlossene Badezimmertür)  Victoria, are you gonna be long in there? It’s just I’m late for work. (geht in die Küche. Zu seiner Tochter) Victoria won’t get out off the bathroom.

SUE
She will do, Dad, when she’s finnished.

GERALD
She’s female, Susan, she’s in a bathroom. She’s never going to be finished.

Mwahaha!! (Und ja, hier gibt es einen laugh track, trotz der single camera, der noch unterstreicht, wie wenig man selbst lachen muss.) Noch lustiger wird’s natürlich, wenn man weiß, dass Victoria die Partnerin seiner Tochter ist, nicht etwa seine Frau. Nein, diese Lesben!

„I would surley die if I watched more than five minutes“, gibt ein Kritiker vom Spectator zu, und ich bin auch tatsächlich fast gestorben vor Ekel und Fassungslosigkeit: Gags, die man kaum als solche bezeichnen kann, Rechthaberei, die auf zustimmendes Lachen spekuliert, grauenhaft ausgearbeitete Charaktere — daran ist wirklich alles falsch.

Offenbar hat die BBC das auch noch vor der Ausstrahlung bemerkt und die Show dienstags um halb elf Uhr nachts gezeigt, so dass kaum jemand sie gefunden hat, und sie dann direkt nach der Ausstrahlung abgesetzt.

Viel ist schon geschimpft worden auf Ben Elton, der sich in den achtziger Jahren mal glühende Fans gemacht hat mit „The Young Ones“ (BBC2, 1982 – 84) und „Blackadder“ (BBC1, 1983 – 89). Damals war er Vorreiter der alternative comedy-Bewegung, der auch als Stand Up Comedian („The Man From Auntie“, BBC1, 1990 – 94) gerne aneckte. Seitdem er sich allerdings auf Musicals verlegt hat („We Will Rock You“ und „Love Never Dies“, das Sequel zum „Phantom der Oper“, Grundgütiger) werfen ihm alte Fans Ausverkauf vor. Ja, mehr als das: mit „We Will Rock You“-Aufführungen in Südafrika hat Elton zumindest stillschweigend akzeptiert, dass das Embargo gegen das Apartheitsregime gebrochen wurde — was mit seinen linken Positionen von früher nur schwer zu vereinbaren war.

Aber all das würde ich ihm nicht vorwerfen, wenn er immer noch komische Sitcoms schriebe. Tut er aber leider nicht — schon „The Thin Blue Line“ war schwach, „Blessed“ (BBC1, 2005) mit Ardal O’Hanlon in der Hauptrolle sogar mitleiderregend fad, und seine Variety-Show „Ben Elton Live From Planet Earth“ (Nine Network, Australien) wurde 2011 nach drei Folgen eingestellt, obwohl sechs bestellt waren.

Mit „The Wright Way“ ist Ben Elton ganz, ganz unten angekommen. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. NOT.

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 6)

30. August 2011 Keine Kommentare

Was bisher so alles geschah: Benny Hill wird geboren, wächst auf, wird zwar nicht auf Comedy-Bühnen, aber dafür im britischen Fernsehen groß. Und immer größer (i.e.: dick).

Mittlerweile wurde die „Benny Hill Show“ auch im Ausland erfolgreich. Zunächst in Australien, wo sein produzierender Partner Thames Television (anders als die BBC) mit anderen kommerziellen Fernsehsendern kooperierte, ab 1979 auch in den USA. Don Taffner, für Thames in Amerika tätig, bot halbstündige Versionen der mittlerweile einstündigen englischen Shows an, von denen in unregelmäßigen Abständen etwa drei pro Jahr produziert wurden, und sorgte dafür, daß aus ihnen alle für Amerikaner unverständlichen Anspielungen und Referenzen sorgfältig herausgeschnitten wurden. Immer mehr unabhängige Fernsehstationen griffen zu, und in kürzester Zeit war Benny Hill auch in den USA ein Superstar; womöglich gar noch erfolgreicher als in seiner Heimat, mit Sicherheit aber der bekannteste britische Comedian und vermutlich sogar der berühmteste Engländer im Ausland überhaupt. Auf die vergleichsweise prüden Amerikaner müssen Hills Albernheiten noch viel schmutziger gewirkt haben als auf seine Landsleute — eine wahre guilty pleasure.

Benny und Michael Jackson

Zu seinen frühen Fans zählte Charlie Chaplin, der eine ganze Sammlung von Benny-Hill-Videos bei sich zuhause hatte. Das jedenfalls stellten die erstaunten Hill und Kirkland fest, als sie anläßlich der Vergabe des Chaplin-Preises an Hill 1991 in die Schweiz eingeladen waren und ihnen die seltene Ehre zuteil wurde, einen Blick ins Arbeitszimmer von Hills Vorbild zu werfen. Chaplin, so wurde ihnen gesagt, habe Hill für einen der größten Comedians aller Zeiten gehalten. Bereits in den Siebzigern erklärte der junge Michael Jackson auf einer England-Tournee, ein Fan Hills zu sein: „He’s so funny!“ Später besuchte er den bereits schwer kranken Hill sogar zuhause und erklärte ihn zu seinem „all time hero“: „The funniest comedian in the world.“ Frank Sinatra behauptete, nur zwei Dinge wirklich zu wollen: mit dem London Symphony Orchestra zu singen und eine Theaterprobe von Benny Hill zu besuchen. Burt Reynolds, Michael Caine und viele andere sangen in „Benny Hill: The World’s Favourite Clown“ kurz vor dessen Tod ihr Lobpreis auf den lustigen Dicken, und sogar der Schriftsteller Anthony Burgess bezeichnete Hill im Guardian als „comic genius“. Auch wenn sie das nicht getan hätten: Die Millionen und Abermillionen, die Thames Television und Hill verdienten, sprachen für sich.

Doch in den Achtzigerjahren ändern sich die Zeiten abermals. Auf der einen Seite geht es immer weiter aufwärts: Als 1978 Hills Thames-Kollege und Konkurrent Kenny Everett in seine extrem erfolgreiche und innovative Sketch-Serie „The Kenny Everett Video Show“ die Burlesque/Risque-Dancegruppe Hot Gossip einbaut, will Benny Hill nachziehen, um nicht abgehängt zu werden. Also hebt er die „Hill’s Angels“ aus der Taufe, eine Tanzgruppe hübscher junger Frauen (unter denen auch Jane Leeves ist, die später als Daphne bei „Frasier“ berühmt werden soll). Diese sind meist spärlich bekleidet (in den Siebzigern spärlicher als in den Achtzigern), sorgen für glamouröse Tanzeinlagen und Augenfutter in den Sketchen – und für den ersten Gegenwind von Seiten eines kritischer werdenden Publikums. Als Hill das merkt, nimmt er sich sofort zurück.

Doch es ist zu spät, der Zeitgeist hat sich gedreht. Die Bewegung der Post-Punk-Comedy hat längst kritische Geister geweckt, die gegen das Establishment revoltieren, und Benny Hills pubertäre Scherze repräsentieren den Mainstream mehr als alles andere. Zum ersten Mal treten mit Dawn French und Jennifer Saunders nun starke Frauen für ein anderes Frauenbild an, und sie haben neben sich Comedians wie Alexei Sayle, den Sohn einer kommunistisch-jüdischen Immigrantin aus Litauen, und Lenny Henry, einen farbigen Comedian in der Tradition Richard Pryors. Alternative Comedy wurde dank eines jungen, explizit linken Publikums so groß, daß Robert Newman und David Baddiel in Benny Hills Todesjahr als erster Comedy-Act überhaupt die 12 000 Plätze der Wembley-Arena ausverkauften. Hills langjährige Paraderolle als Chinese Mr. Chow Mein gilt nun als rassistisch, und von jungen Comedians wie Ben Elton mußte sich der Großmeister der Komik plötzlich anhören, er sei ein schmutziger alter Mann, ja: Hills Schmuddelpostkartenhumor sei schuld daran, daß Frauen sich nicht mehr unbelästigt auf die Straße trauen könnten. „Es gibt vieles im Fernsehen, das mich ärgert“, sagt Elton 1987 in der populären Talkshow „Wogan“. „Ich meine, wenn ein Comedian jede einzelne Sendung damit beendet, daß er einer Frau die Klamotten vom Leib reißt und sie dann durch einen Park jagt — das finde ich in einer Welt, wo Frauen nicht gefahrlos durch einen Stadtpark gehen können, ziemlich beunruhigend.“ Diesen Angriff wiederum teilen immerhin nicht alle (und auch Ben Elton hat sich später wiederholt als großer Fan und Verehrer Benny Hills dargestellt). Der Independent etwa schreibt, Eltons Ausfall sei „like watching an elderly uncle being kicked to death by young thugs“.

„Did you hear about the actress who was so dumb, she couldn’t count to two without taking off her blouse?“

Dabei hatte er, Hill, doch stets darauf geachtet, allzeit selbst der Gegenstand des Spotts zu sein, daß sein Humor harmlos war und auf uralten Klischees beruhte, die nichts anderes sein wollten als eben Klischees. Sein Humor war der eines Zehnjährigen, der seine Kameraden mit Frivolitäten unterhielt, obwohl oder gerade weil deren tiefere Zusammenhänge ihm gar nicht klar waren. Mad schrieb, Hill habe sich das Gesicht eines unschuldigen Buben bewahrt, während sein Rest zu einem schmutzigen alten Mann geworden sei. Seine Scherze, in denen immer lächerliche Männer am Ende die Dummen waren, waren doch zutiefst harmlos, ja geradezu unschuldig. Im Gegensatz zur jungen Garde der Alternative Comedy, so sah er es, war ihm niemals auch nur ein „fuck“ über die Lippen gekommen, während neuerdings geflucht wurde, daß es selbst Hafenarbeitern die Schamesröte ins Gesicht trieb. Benny Hill ist schwer gekränkt.

Demnächst: Bennys Ende und Vermächtnis: Ist Benny Hill zu recht vergessen oder wegweisender Vordenker?

Zum letzten Teil.

In the News

21. September 2010 Keine Kommentare

Sacha Baron Cohen soll Freddy Mercury spielen. Der Film über die frühen Jahre von Queen hat noch keinen Titel, aber ich tippe mal, „We Will Rock You“ fällt aus, und hoffe stark, daß Cohen nicht das Schicksal von Ben Elton teilen wird. Der hat sich 2002 nicht entblödet, ein Rock-Musical dieses Namens zu schreiben, und alle übriggebliebenen Ambitionen aufgegeben, die seine frühe Karriere als Alternative Comedian mal mit sich gebracht hatte. Geschrieben werden soll der Queen-Film von Peter Morgan („The Queen“, „Frost/Nixon“), und Brian May hat schon zu Protokoll gegeben, die Band werde sich aus dem Projekt möglichst heraushalten.

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Die BBC hat Ricky Gervais und Stephen Merchant grünes Licht gegeben für eine ganze Staffel ihrer neuen Sitcom „Life’s Too Short“. Ein Pilot zur Serie mit dem kleinwüchsigen Hauptdarsteller Warwick Davis („Extras“) existiert schon. Außerdem werden „Rev.“ und „Mongrels“ je mit einer zweiten Staffel verlängert werden. Das begrüße ich, habe ich doch kürzlich doch noch die ganze Staffel „Mongrels“ gesehen und meine ursprünglich schlechte Meinung revidiert: „Mongrels“ ist bisweilen hübsch geschmacklos, gespickt mit Seitenhieben auf Film und Fernsehen („Das war der größte Fehler deines Lebens! Ach nein, du dachtest ja, es sei eine gute Idee, zwei Pfund für die DVD von ‚The Invention of Lying‘ auszugeben. Gut, es war der zweitgrößte Fehler deines Lebens!“) und alles in allem einfach lustig. Womöglich schreibe ich irgendwann noch eine ausführlichere Kritik, bis dahin kann man sich ja an die von Stefan Niggemeier halten.

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Beatrice Sinclair ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Beatrice Sinclair? War die wahre Sybil Fawlty und starke Frau hinter Donald Sinclair, dem so erstaunlich unhöflichen Hotelier, dem John Cleese und Connie Booth eine ganze Sitcom widmeten. Beatrice Sinclair wollte ihr Lebtag nichts mit „Fawlty Towers“ zu tun haben und hat sich konsequent geweigert, auch nur darüber zu sprechen (ungeachtet dessen, daß es im Hotel selbst „Fawlty Towers“-basierte Angebote gab); es existiert nur ein einziges sehr altes Interview mit ihr, in dem sie sagt, ihrem Mann werde in der Serie Unrecht getan. Wie in der Serie auch, war es in Tat und Wahrheit Beatrice, die das Hotel gegründet hatte und alleine führte, während ihr Mann im Krieg war. Und auch danach hatte wohl sie die Hosen an: „From what I heard she was the person who drove the business and she was the strong one. Whenever she told Donald what to do he would say ‚yes dear'“, sagt Brian Shone, der das Hotel Gleneagles in Torquay heute führt.

Comedy Landmarks (4): Staverton Station

10. August 2010 5 Kommentare

1982 änderten sich die Zeichen, unter denen bis dahin Comedy im britischen Fernsehen stattgefunden hatte. Ein neuer, „alternativer“ Fernsehkanal, Channel 4, machte den drei alteingesessenen, BBC1, BBC2 und ITV, ab November Konkurrenz, und eine junge Gruppe von Comedians fand sich zusammen, um gegen das Comedy-Establishment anzutreten, das sie für konservativ, tendenziell rassistisch und minderheitenfeindlich hielten. „The Young Ones“ (BBC2, 1982) von Ben Elton steht heute stellvertretend für die alternative Comedy — und war, so anarchisch-grell, wie die „Young Ones“ daherkamen, vermutlich auch das komischste, was die alternative Comedy-Bewegung hervorgebracht hat; ansonsten litt die Komik ja doch ein bißchen an der selbstverordneten politischen Korrektheit ihrer Macher.

Diesmal gleich zu Beginn: Icke vor historischer Kulisse

Sieben Tage jedoch, bevor „The Young Ones“ debütierten, lief am ersten Sende-Abend von Channel 4 die erste Folge einer anderen Comedy-Reihe, die den eigentlichen Startschuß für die alternative Comedy lieferte: „The Comic Strip Presents: Five Go Mad in Dorset“. In dieser halbstündigen „Fünf Freunde“-Parodie trafen erstmals etliche spätere Stars der Bewegung aufeinander: Dawn French und Jennifer Saunders hatten ihren allerersten Fernsehauftritt, mit von der Partie waren Adrian Edmondson und Robbie Coltrane, letzterer ebenfalls in seinem ersten TV-Auftritt. The Comic Strip begriff sich als Comedy-Kollektiv, dazu gehörten Rik Mayall, Nigel Planner und Peter Richardson; „The Comic Strip Presents…“ lief in fünf Staffeln bis 1993, etliche Specials nicht mitgezählt.

Staverton Station in der Nähe von Totnes, Devon

Die erste Szene der ersten Folge „The Comic Strip Presents…“, die am ersten Abend von Channel 4 lief, und jetzt komme ich langsam mal zum Punkt: wurde gedreht in Staverton Station. Hier kommen die Freunde in der Provinz an, um mit einer ziemlich elitären, um nicht zu sagen: schwer konservativen Attitüde vermeintlich sinistren Gestalten nachzuspüren, die sich später als zwar homosexuell (Onkel Quentin!), aber nicht kriminell herausstellen. Was die fünf Freundchen nicht davon abhält, sie der Polizei zu übergeben.

Wenn man diese Folge heute sieht, wundert man sich schon ziemlich — nicht nur darüber, daß sie damals zu einem kleinen Aufschrei unter den Fans der „Fünf Freunde“ führte (obwohl die Enid-Blyton-Gesellschaft sie vorher abgesegnet hatte), sondern auch, daß sie als der Beginn einer Comedy-Revolution gilt. Denn für heutige Sehgewohnheiten ist das natürlich alles sehr langsam, beinah zäh, und über weite Strecken auch nicht besonders komisch. Manche Gags sieht man überhaupt nur, wenn man um ihre Existenz weiß: In einer Szene etwa, die am Teetisch der Tante spielt, wo die fünf Freunde untergekommen sind, sieht man in jeder einzelnen Einstellung eine blaue Ginflasche. Das heißt: man sieht sie — aber nur, wenn man schon weiß, daß sie da ist, sonst geht dieser visuelle Scherz leider völlig unter.

Wirkt ein bißchen wie eine zu groß geratene Modelleisenbahnanlage...

Daß die einspurige und nicht elektrifizierte Eisenbahnstation noch immer genau so aussieht wie vor 28 Jahren, nämlich bilderbuchhaft schön, hat einen einfachen Grund: Sie gehört nicht zum regulären Eisenbahnnetz, sondern ist quasi museal. Am Wochenende, bevor wir dort hin kamen, hatte ein 40er-Jahre-Event stattgefunden, mit Loks und Waggons dieser Zeit, Uniformen und allem, was dazugehört. Täglich kann man an Fahrten mit historischen Zügen teilnehmen. Ein gerahmter Aushang vermerkt alle Film- und Fernseh-Dreharbeiten, die auf Staverton Station bislang stattgefunden haben: Eine ganze Menge. Angefangen von Peter Cushing und „The Hound of the Baskervilles“ über Michael Palins „Ripping Yarns“ bis hin zu den „Tripods“, einer Sci-Fi-Kinderserie, die ich mit 14 als sehr verstörend empfunden habe, beim Wiedersehen neulich allerdings eher als billig und sensationell schlecht gespielt.

Auf einem Abstellgleis stehen einige historische Waggons

Das bemerkenswerteste an Staverton Station aber: der Bahnhofsvorsteher, der mit imposantem Bart und Taschenuhr in der Hand alle fünf Minuten den Bahnsteig auf und ab geschritten ist, als käme gleich königlicher (oder zumindst hochadeliger) Besuch. Wie mir überhaupt noch mehrmals aufgefallen ist, wie viele erwachsene Männer in England einen Eisenbahnfetisch haben und sich mit größter Ernsthaftigkeit damit beschäftigen können, den ganzen Tag extra gebaute Schmalspur-Dampfloks zu fahren, Gleisanlagen zu pflegen, alte Dieselaggregate am Laufen zu halten — oder eben Bahnhofsvorstand zu spielen. Toll.

Skip FM

26. Mai 2009 2 Kommentare

1982 überraschten „The Young Ones“ die Fernsehzuschauer nicht nur mit anarchisch-derbem Humor, sondern auch mit Gastauftritten berühmter Bands: Motörhead, Madness, Dexy Midnight Runners und The Damned spielten, durch die Handlung der Serie nicht im Mindesten motiviert, ihre je aktuelle Single. Bemerkenswert war der Hintergrund dieser Musikeinlagen: Die Produktion bekam, weil die Serie nun eher in die Format-Kategorie „Variety“ statt „Light Entertainment“ fiel, von der BBC ein höheres Budget, das Ben Elton für Sachen zum Kaputtmachen ausgeben konnte. Nebenbei konnten sich „The Young Ones“ aber natürlich auch profilieren — und wurde nicht zuletzt wegen der Musik-Features zu einer der ersten Fiction-Shows auf MTV.

Daß „FM“ in jeder Folge berühmte Stargäste auffährt, von Marianne Faithfull über The Charlatans, Ladyhawke und The Wombats bis hin zu Justin Hawkins von The Darkness, liegt eher nicht am Budget. Sondern daran, daß das finanziell angeschlagene ITV2 den Erfolg seiner jüngsten Comedyserie ganz, ganz dringend wollte, und deshalb auf große Namen setzte. Allen voran: Kevin Bishop („Star Stories“, „The Kevin Bishop Show“) und Chris O’Dowd („The IT Crowd“). Letzterer darf im Grunde die gleiche Rolle wie in „The IT Crowd“ spielen: einen liebenswürdigen Nerd-Loser, der mit einem männlichen Kollegen und einer Frau am Arbeitsplatz mehr oder weniger glänzen und im Privatleben gänzlich versagen darf. Nur daß das Setting hier das einer Radiostation ist, Skin FM, was die berühmten Musiker erklärt.

Leider scheint das Budget dann aber nicht mehr für sehr viele Witze gereicht zu haben, denn an dem, was Ian Curtis (nein, nicht der, der die vielen guten Gags für Joy Division geschrieben hat) und Oliver Lansley in ihrem Erstling da zusammengekratzt haben, hat mein Zwerchfell keinen Schaden genommen. Wiederum wie in „The IT Crowd“ sind einige leidliche Dialogwitze („You’re not addicted, you’re just a dick“) enthalten: „Puns and witticisms, misunderstandings, awkward situations. Old-school then, to be polite. Or lame, if you prefer“, wie sich der Guardian mockiert. Die Plots sind dünn bis nicht vorhanden, und nur die beiden sympathischen Hauptdarsteller bewahren die Serie davor, gänzlich den Bach hinunterzugehen. Und Nina Sosanya, die farbige „SugaRape“-Assistentin aus „Nathan Barley“. Zu wenig leider für eine wirkliche Empfehlung. Daß nur wenige Wochen nach der Erstausstrahlung im Februar schon die DVD erschienen ist, könnte als Absage an eine zweite Staffel gewertet werden.