Archiv

Artikel Tagged ‘Benny Hill’

Der Zotenkönig

Eine Hausfrau wickelt eine Salatgurke in ein Stück Zellophan, dann schüttet sie sich ein Glas Milch über den Kopf. Das Publikum lacht sich kaputt.

Mehr brauchte es wohl in den 70ern nicht, um Sketch-Comedy fürs Fernsehen zu machen. Oder der hier: Kommt der Mann vom Zimmerservice in die Hotelsuite und hört eine Frauenstimme aus dem Bad rufen: „Ich bin unter der Dusche!“ Schon zittert der Gute vor Erregung so, dass ihm das Warmhaltetuch von — was sonst — den beiden Frühstückseiern in ihren Bechern fällt. Haha!

Wenn man mal sehen will, wie britischer Humor vor Beginn der vermeintlich achsobösen political correctness ging, bevor also in den frühen Achtzigern die alternative comedy dem Sexismus, Rassismus und der Schwulenfeindlichkeit in der Comedy ans Leder ging, dann kann man sich ab morgen sogar auf deutsch 38 Folgen der „Benny Hill Show“ auf DVD reinziehen: Comedy vom Unfeinsten vom britischen Zotenkönig, dessen größtes Vermächtnis wohl die Titelmusik „Jakety Sax“ ist, die vor einigen Jahren mal für alle möglichen Mashups bei YouTube herhalten musste.

Heute muss man tatsächlich mehr vor Verblüffung lachen, was mal alles so gegangen ist — und ja nicht eben erfolglos, sondern selbst in den USA unglaublich erfolgreich. Selbst für Michael Jackson war Benny Hill der Größte; gut, andererseits stand Jackson auch auf kleine Kinder. Da folgt Zote auf Zote auf Zote; man erwartet fast, dass sich das Prinzip nach drei oder fünf, spätestens nach zehn Folgen mal totgelaufen hätte. Aber nein: 38 Folgen sind allein in dem neuen deutschen Box-Set, das sind 17 Stunden, und das war nur der kleinste Teil des unfassbar riesigen Werks, das Benny Hill hervorgebracht hat. Von 1955 bis 1989, unglaubliche 34 Jahre lang lief seine Show, wurde in 140 Ländern ausgestrahlt und hatte im Original 45 oder sogar 60 Minuten Laufzeit; in den USA und in Deutschland zum Glück nur knappe halbe Stunden.

Auf Deutsch wird Hill gesprochen von Andreas Mannkopff, und zwar ausschließlich, denn eine englische Tonspur gibt es leider nicht.

Interessanter als die Show selbst — die durchaus noch immer komische Momente hat, vor allem in ihren dreistesten Momenten — aber ist die Geschichte Benny Hills selbst. Der nämlich war das Gegenteil dessen, was er vor der Kamera gespielt hat: leise, höflich, schüchtern bis zur Zurückgezogenheit. Angeblich hatte er die längste Zeit eine kleine Zweizimmerwohnung in Fußweite zu den Studios, und ein Zimmer davon betrat er nie, richtete es nicht einmal ein und bezeichnete es als sein „Müll-Zimmer“. Niemand hat je einen Blick hinein werfen dürfen.

Ein komischer Kauz also, der traurig endete, und wie genau, und was davor alles geschah, das habe ich schon vor vier Jahren einmal für Titanic aufgeschrieben — und seitdem kann man es auch hier im Blog nachlesen: „Der Mann, der Benny Hill war“.

Peng! Ptaff! Dong! Zack! Patschpatschpatsch! Klonk!

29. September 2011 2 Kommentare

Über die letzten Abende habe ich, im Anschluß an ein paar Benny Hill-Shows, die alten „Bottom“-DVDs rausgeholt, weil mir Ade Edmondson und Rik Mayall die legitimen Enkel des Slapstick-Großmeisters Hill schienen. „Bottom“ (BBC2, 1991 – ’95) war die Fortsetzung der „Young Ones“ (BBC2, 1982 – ’84) mit anderen Mitteln — nämlich mit noch gewalttätigeren, noch alberneren, noch pubertäreren. Schon bei Benny Hill waren stets die lustigsten Szenen die, in denen auf Henry McGees Glatze herumgepatscht wurde, aber Edmondson und Mayall haben die fein durchchoreographierten Kämpfchen unter Freunden auf eine neue Stufe gebracht.

Es ist glaube ich ein sehr alter Teil unseres Gehirns, der Gewalttätigkeit dieser Sorte lustig findet (und es ist sehr leicht, den jüngeren Teilen unseres  Gehirns den Vortritt zu lassen und zu sagen: Oh, DAS findest DU also lustig?). Soziologisch betrachtet stammt die Bereitschaft, über den Schaden Dritter zu lachen (weil man selbst heil davongekommen ist?), vermutlich aus bäurisch geprägten Zeiten und Gesellschaften: So wie man im Mittelalter während des Karnevals ungestraft mit Scheiße werfen und sich über die Getroffenen kaputtlachen konnte, so lacht z.B. der Chinese heute noch gerne mal, wenn er jemanden vom Fahrrad fallen sieht oder eine Langnase; am meisten vermutlich, wenn eine Langnase vom Fahrrad fällt. Dann bleibt er stehen, der Chines, gafft ganz ungeniert — und lacht und lacht und lacht.

Wir eher städtisch geprägten Mitteleuropäer tun das nicht, in der Regel jedenfalls nicht. Wir sehen eher diskret zur Seite und gehen vorbei oder fragen gar, ob wir helfen können. (Ich z.B. lache nur über behelmte und sonnenbebrillte Alphamännchen, die den Isaruferweg für einen Wald halten und mit ihrem Mountainbike so rücksichtslos rumrasen, daß es sie irgendwann auf die Fresse legt. Da lache ich allerdings. Und wie!) Aber sobald Gewalttätigkeit nicht wirklich ist, sondern gespielt, gefilmt und im TV zu sehen, oder auch nur im Kasperletheater, gehört sie zu den ältesten Vergnügen der Welt. (Nebenbei: Selbst wenn sich Menschen wirklich oder zumindest potentiell wehtun, lacht man sich ja auf eine beinah beängstigende Weise kaputt, siehe „America’s Funniest Home Videos“.)

Vielleicht haben die ewigen Nachrichten von Kriegen, Bürgerkriegen, blutig niedergeschlagenen Aufständen, Hungersnöten und was nicht alles ja den Spaß an der reinen Gewalt für alle ein bißchen ruiniert. Möglicherweise ist zeitgenössische Comedy deswegen so blutleer, weil heute die Gewalt (plus Sex und Drogen) hinter den Kulissen stattfindet und vor den Kulissen die familienfreundliche gequirlte Kacke (naming no names, Charlie Sheen!). Andererseits war Slapstick vermutlich schon immer (und insbesondere für Kinder) eine Möglichkeit, mit realer Gewalt in der Welt zurechtzukommen, indem man sie sich aneignet und ihr so die Bedrohlichkeit nimmt, wie Kinder eben auch gerne mit Spielzeugwaffen spielen.

Keine Ahnung. Ich jedenfalls will gerne mehr Gewalt im Fernsehen sehen. Gewalt gegen Omas, Kinder und flauschige Tiere! Es muß viel mehr geprügelt, geschlägert, verdroschen, mit Pfannen auf den Kopf gehauen werden! Jetzt sofort!!

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, letzter Teil)

1. September 2011 Keine Kommentare

Was bisher doch so alles geschah: Benny Hill wird zum Superstar der britischen Nachkriegscomedy, hat weltweit Erfolg über Erfolg — bis die Alternative Comedy seine Scherze zu rassistischem Altherren-Schmuddelhumor erklärt.

Doch es soll noch schlimmer kommen. 1989, Hill war gerade äußerst erfolgreich von einem Festival in Cannes zurückgekehrt, läßt der neue Leiter der Abteilung Leichte Unterhaltung von ITV, John Howard Davies, ihn zu sich kommen. Der festen Überzeugung, es ginge um die Einzelheiten der nächsten Staffel, erfährt Hill in einem Gespräch von nur wenigen Minuten Dauer zu seiner Überraschung: Thames Television danke ihm für alles, was sie zusammen erreicht hätten. Und seine Show sei abgesetzt.

Vom Olymp der Fernsehunterhaltung stürzt Benny Hill über Nacht ins Bodenlose. Schon Jahre zuvor hat die Yellow Press ihm Schmuddelskandälchen angehängt, die sich vorzugsweise um junge Frauen drehten, zu deren Darbietungen Hill „sich vergnügt“ habe. Ein Angebot aus den USA, für sechs Millionen Dollar 26 halbstündige Shows zu machen, nimmt er nicht mehr an, wohl weil er sich ungerne von seinem vertrauten Terrain wegbewegen will. Er zieht sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück. Während Thames mit seiner Arbeit nach wie vor Millionen verdient, täglich bergeweise Fanpost eintrudelt und sich die Schecks weiterhin auf dem Kaminsims stapeln, geht es mit seiner Gesundheit rapide bergab.

Am 11. Februar 1992 wird er mit Brustschmerzen eingeliefert, einen Bypass lehnte er aber ab. Wenige Stunden, nachdem er acht Tage später entlassen wird, hat er einen Rückfall und wird, diesmal mit Nierenversagen, abermals ins Krankenhaus gebracht. Am 18. April stirbt Benny Hill, und er wird erst Tage später gefunden: von seinem jahrzehntelangen Begleiter, Produzenten und Regisseur Dennis Kirkland. Der wundert sich zuerst, daß Hill auf seine Anrufe nicht reagiert, sucht dann Hills Wohnung auf, und als ihm die Nachbarn sagen, dort laufe seit Tagen nonstop der Fernseher, klettert er schließlich auf den Balkon im dritten Stock. Von dem aus sieht er Hill zusammengesunken in seinem Sessel sitzen. Die Polizei bricht die Tür auf, und obwohl sie Kirkland verbieten möchte, irgend etwas zu verändern, darf der schließlich wenigstens Hills zerzauste Frisur ein wenig richten; ein letzter Dienst an dem großen Solitär. Als die Todesnachricht um die Welt geht, unterbricht das chinesische Fernsehen sein Programm für diese Meldung; sogar dort hatte man den universellen Humor Hills verstanden. Hills Vermögen geht mangels eines aktuellen Testaments an Nichten und Neffen, die Hill niemals gekannt hat; die einzigen Menschen, die ihm nahestanden, wie etwa sein „Angel“ Sue Upton, gehen leer aus.

„Goodnight, mother of five.“
„Goodnight, father of three.“

Was aber ist Benny Hills Vermächtnis? Nachdem die Welle der Political Correctness der Achtzigerjahre abgeebbt ist, hat mittlerweile auch die englische Comedy nicht keine großen Probleme mehr mit Männern in Frauenkleidern. Selbst Blackfacing, die durchaus problematische, weil rassistische Tradition weißer Entertainer, sich als Negerl zu schminken, wird nicht mehr geahndet: Matt Lucas und David Walliams etwa praktizierten es wieder für „Little Britain“ wie auch für ihre neue Show „Come Fly With Me“, die beide mittlerweile zum Mainstream gerechnet werden dürfen. Sacha Baron Cohen verkleidet sich in seiner Figur des Borat als beleidigend vulgärer Südländer und spielt in der Figur des Brüno den klischeehaft effeminierten Homosexuellen – mit einer anderen Intention als Benny Hill, gewiß. Der Ansatz aber ist der gleiche. Ist es nun Fortschritt, daß Hills sexualisierte Scherze, die lange einen sensationell schlechten Ruf hatten, heute wieder „gehen“? Hat eine dialektische Weiterentwicklung stattgefunden, die heutige Usancen dieser Art von damaligen unterscheiden, indem sie quasi als Parodie empfunden werden oder als anders gewendet, nämlich (wie im Falle Borats und Brünos) gegen das Publikum statt gegen die dargestellte Figur? Oder kann man wieder einmal einfach alles der Postmoderne in die Schuhe schieben, die macht, daß heute viele verschiedene Farben auf der Palette aktueller Comedy nebeneinander existieren dürfen?

Im wahren Leben nie auch nur in einer längeren Beziehung gewesen: Benny Hill auf einem Promofoto für "Who done it" (1956)

Die Shows Benny Hills von damals wirken heute jedenfalls beinah harmlos. Kaum eine Frau dürfte sich von ihnen tatsächlich noch angegriffen fühlen; genauso wenig wie von einer barbrüstigen Ingrid Steeger in einer Folge „Klimbim“ von 1974. Eher schon beschleicht einen eine gewisse Nostalgie, wenn man sich daran erinnert, daß es vielleicht ausgerechnet die „Benny Hill Show“ war, in der man mit 13 die ersten tiefen Ausschnitte und langen Frauenbeine gesehen hat, und wie unschuldig diese Kindheit und Jugend war angesichts der ubiquitären Übersexualisierung heutiger Medien. Von Internet und Youporn mal ganz abgesehen.

Wie war es nun, abschließend gefragt, um das Sexleben dieses dirty old man wirklich bestellt gewesen? Die einen behaupten, er sei sein Leben lang schwul gewesen, habe sich aber nie geoutet. Andere meinen, er hätte einfach nie wirklich Spaß am Sex gehabt, schon weil Frauen in ihm immer nur einen lustigen, dicklichen Kumpel gesehen hätten. Drei Frauen hat er Heiratsanträge gemacht, alle drei haben abgelehnt. Sein Frauentyp aber, wenn er denn einen gehabt hat, soll nie der der großen Blonden gewesen sein, sondern eher der der drallen Dunkelhaarigen. Die Reiseziele seiner Weltenbummeleien aber, Marseille, Hamburg, Bangkok, sprechen dafür, daß er es vorgezogen hat, für unverbindlichen Sex zu bezahlen, statt Beziehungen mit Frauen einzugehen, die ihn in seiner Egomanie nur eingeschränkt hätten.

Vielleicht, und das wäre eine unschuldige Erklärung, ist Benny Hill in bestimmten Entwicklungen einfach früh stehengeblieben: Seine Beziehung zu Geld in den Fünfzigern, die zu Frauen schon vor der Pubertät. Er soll, so sagen Klassenkameraden, bereits zu Schulzeiten mehr an Bildern von (glamourösen) Frauen interessiert gewesen sein als an seinen Klassenkameradinnen. „He was a watcher“, sagt Kirkland: Hill tat sein Leben lang nichts anderes, als zuzusehen — er sah fern, nichts anderes tat er sein einsames Leben lang zuhause, wo er über eine ansehnliche Sammlung früher Schwarzweiß-Comedyfilme verfügte. Und er sah sich Liveshows an, in Frankreich, Spanien, überall auf der Welt. Er wollte der lustige Dicke auf der Bühne sein, umgeben von hübschen Frauen, die ihm zu Füßen liegen, eine Figur aus dem Varieté.

Bittere Ironie dürfte für ihn gewesen sein, daß ITV ihn absetzte, weil seine Art altmodisch und überkommen wirkte — und ihn aber ausgerechnet durch eine jüngere, aktualisierte Variation seiner eigenen Bühnenfigur ersetzte. Durch eine Figur, die wie er in ihren lustigsten Sketchen ohne Dialog auskam, deren stummer, alberner Slapstick und hauptsächlich visueller Humor genau wie seiner bald einen weltweiten Siegeszug antrat, und die auch noch aus den Reihen der Alternative Comedy kam: Am 1. Januar 1990 begann die steile Karriere von Rowan Atkinson in seiner eigenen Show „Mr. Bean“.

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 6)

30. August 2011 Keine Kommentare

Was bisher so alles geschah: Benny Hill wird geboren, wächst auf, wird zwar nicht auf Comedy-Bühnen, aber dafür im britischen Fernsehen groß. Und immer größer (i.e.: dick).

Mittlerweile wurde die „Benny Hill Show“ auch im Ausland erfolgreich. Zunächst in Australien, wo sein produzierender Partner Thames Television (anders als die BBC) mit anderen kommerziellen Fernsehsendern kooperierte, ab 1979 auch in den USA. Don Taffner, für Thames in Amerika tätig, bot halbstündige Versionen der mittlerweile einstündigen englischen Shows an, von denen in unregelmäßigen Abständen etwa drei pro Jahr produziert wurden, und sorgte dafür, daß aus ihnen alle für Amerikaner unverständlichen Anspielungen und Referenzen sorgfältig herausgeschnitten wurden. Immer mehr unabhängige Fernsehstationen griffen zu, und in kürzester Zeit war Benny Hill auch in den USA ein Superstar; womöglich gar noch erfolgreicher als in seiner Heimat, mit Sicherheit aber der bekannteste britische Comedian und vermutlich sogar der berühmteste Engländer im Ausland überhaupt. Auf die vergleichsweise prüden Amerikaner müssen Hills Albernheiten noch viel schmutziger gewirkt haben als auf seine Landsleute — eine wahre guilty pleasure.

Benny und Michael Jackson

Zu seinen frühen Fans zählte Charlie Chaplin, der eine ganze Sammlung von Benny-Hill-Videos bei sich zuhause hatte. Das jedenfalls stellten die erstaunten Hill und Kirkland fest, als sie anläßlich der Vergabe des Chaplin-Preises an Hill 1991 in die Schweiz eingeladen waren und ihnen die seltene Ehre zuteil wurde, einen Blick ins Arbeitszimmer von Hills Vorbild zu werfen. Chaplin, so wurde ihnen gesagt, habe Hill für einen der größten Comedians aller Zeiten gehalten. Bereits in den Siebzigern erklärte der junge Michael Jackson auf einer England-Tournee, ein Fan Hills zu sein: „He’s so funny!“ Später besuchte er den bereits schwer kranken Hill sogar zuhause und erklärte ihn zu seinem „all time hero“: „The funniest comedian in the world.“ Frank Sinatra behauptete, nur zwei Dinge wirklich zu wollen: mit dem London Symphony Orchestra zu singen und eine Theaterprobe von Benny Hill zu besuchen. Burt Reynolds, Michael Caine und viele andere sangen in „Benny Hill: The World’s Favourite Clown“ kurz vor dessen Tod ihr Lobpreis auf den lustigen Dicken, und sogar der Schriftsteller Anthony Burgess bezeichnete Hill im Guardian als „comic genius“. Auch wenn sie das nicht getan hätten: Die Millionen und Abermillionen, die Thames Television und Hill verdienten, sprachen für sich.

Doch in den Achtzigerjahren ändern sich die Zeiten abermals. Auf der einen Seite geht es immer weiter aufwärts: Als 1978 Hills Thames-Kollege und Konkurrent Kenny Everett in seine extrem erfolgreiche und innovative Sketch-Serie „The Kenny Everett Video Show“ die Burlesque/Risque-Dancegruppe Hot Gossip einbaut, will Benny Hill nachziehen, um nicht abgehängt zu werden. Also hebt er die „Hill’s Angels“ aus der Taufe, eine Tanzgruppe hübscher junger Frauen (unter denen auch Jane Leeves ist, die später als Daphne bei „Frasier“ berühmt werden soll). Diese sind meist spärlich bekleidet (in den Siebzigern spärlicher als in den Achtzigern), sorgen für glamouröse Tanzeinlagen und Augenfutter in den Sketchen – und für den ersten Gegenwind von Seiten eines kritischer werdenden Publikums. Als Hill das merkt, nimmt er sich sofort zurück.

Doch es ist zu spät, der Zeitgeist hat sich gedreht. Die Bewegung der Post-Punk-Comedy hat längst kritische Geister geweckt, die gegen das Establishment revoltieren, und Benny Hills pubertäre Scherze repräsentieren den Mainstream mehr als alles andere. Zum ersten Mal treten mit Dawn French und Jennifer Saunders nun starke Frauen für ein anderes Frauenbild an, und sie haben neben sich Comedians wie Alexei Sayle, den Sohn einer kommunistisch-jüdischen Immigrantin aus Litauen, und Lenny Henry, einen farbigen Comedian in der Tradition Richard Pryors. Alternative Comedy wurde dank eines jungen, explizit linken Publikums so groß, daß Robert Newman und David Baddiel in Benny Hills Todesjahr als erster Comedy-Act überhaupt die 12 000 Plätze der Wembley-Arena ausverkauften. Hills langjährige Paraderolle als Chinese Mr. Chow Mein gilt nun als rassistisch, und von jungen Comedians wie Ben Elton mußte sich der Großmeister der Komik plötzlich anhören, er sei ein schmutziger alter Mann, ja: Hills Schmuddelpostkartenhumor sei schuld daran, daß Frauen sich nicht mehr unbelästigt auf die Straße trauen könnten. „Es gibt vieles im Fernsehen, das mich ärgert“, sagt Elton 1987 in der populären Talkshow „Wogan“. „Ich meine, wenn ein Comedian jede einzelne Sendung damit beendet, daß er einer Frau die Klamotten vom Leib reißt und sie dann durch einen Park jagt — das finde ich in einer Welt, wo Frauen nicht gefahrlos durch einen Stadtpark gehen können, ziemlich beunruhigend.“ Diesen Angriff wiederum teilen immerhin nicht alle (und auch Ben Elton hat sich später wiederholt als großer Fan und Verehrer Benny Hills dargestellt). Der Independent etwa schreibt, Eltons Ausfall sei „like watching an elderly uncle being kicked to death by young thugs“.

„Did you hear about the actress who was so dumb, she couldn’t count to two without taking off her blouse?“

Dabei hatte er, Hill, doch stets darauf geachtet, allzeit selbst der Gegenstand des Spotts zu sein, daß sein Humor harmlos war und auf uralten Klischees beruhte, die nichts anderes sein wollten als eben Klischees. Sein Humor war der eines Zehnjährigen, der seine Kameraden mit Frivolitäten unterhielt, obwohl oder gerade weil deren tiefere Zusammenhänge ihm gar nicht klar waren. Mad schrieb, Hill habe sich das Gesicht eines unschuldigen Buben bewahrt, während sein Rest zu einem schmutzigen alten Mann geworden sei. Seine Scherze, in denen immer lächerliche Männer am Ende die Dummen waren, waren doch zutiefst harmlos, ja geradezu unschuldig. Im Gegensatz zur jungen Garde der Alternative Comedy, so sah er es, war ihm niemals auch nur ein „fuck“ über die Lippen gekommen, während neuerdings geflucht wurde, daß es selbst Hafenarbeitern die Schamesröte ins Gesicht trieb. Benny Hill ist schwer gekränkt.

Demnächst: Bennys Ende und Vermächtnis: Ist Benny Hill zu recht vergessen oder wegweisender Vordenker?

Zum letzten Teil.

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 5)

28. August 2011 Keine Kommentare

Was bisher alles geschah: Benny Hill stirbt, war vorher Soldat und stellt dann auf der Comedy-Bühne fest, daß Live-Auftritte nicht sein Ding sind. Drum geht er zum Fernsehen, als dieses noch in den Kinderschuhen steckt.

Ein eher schlichter Sketch mit einem unehrlichen Grenzbeamten, der den Fernsehzuschauern eine Lektion in Sachen Zolldirektiven erteilen möchte, war 1949 der erste Sketch Benny Hills, den die BBC ihm strich. Sketche wie dieser waren es, die damals eine kleine Revolution bedeuteten: Denn sie waren, kaum war das Fernsehen überhaupt geboren, bereits die ersten Fernsehparodien.

Benny mit Sue Upton, dem prominentesten „Hills Angel“

Sollte man nach diesem einen Sketch urteilen, müßte man sagen: Sieht nicht nach viel aus. Doch die Leistung Benny Hills wird klarer, wenn man sich vor Augen hält, was außer seinen Scherzen in der bunten Sendung „Kaleidoscope“ im Haupt-Abendprogramm um halb neun noch so lief: die „Collector’s Corner“, in der die Antiquitäten-Expertin Iris Brooke alten Krempel vorzeigen durfte. „Word Play“, ein Scharade-Spiel, das Nachwuchsschauspieler mit dem Publikum spielten. Und „Be Your Own Detective“, ein Segment, bei dem die Beobachtungsgabe der Zuschauer getestet wurde. Hills Beiträge waren in diesem Zusammenhang geradezu avantgardistisch. Und die Innovationen, die er von nun an auch in seinen eigenen Shows ausprobierte, sollten das Comedy-Fernsehen revolutionieren. Bis heute werden, wenn schon nicht seine Inhalte, so doch Benny Hills Formen und Techniken verwendet: Er machte die ersten Parodien auf Fernsehwerbung, in seiner Sendung waren die ersten vorproduzierten Einspieler als trennende Segmente in einer Live-Show.

Und er war der erste, der (im Spoof einer Quizshow) mehrere Rollen gleichzeitig in einem Sketch spielte. Das war im Januar 1955, als er (nach einer One-Off-Show namens „Hi There!“) seine erste eigene Fernsehsendung erhalten hatte: Die „Benny Hill Show“. Die Parodien auf bekannte Fernsehgesichter wurden einzeln gedreht und zu einem Bild zusammengesetzt — heute ein alter Hut, damals aber bahnbrechend. Es war Hills Wissen, das seine Show einzigartig machte, nicht das des Regisseurs oder Produzenten. Hill, bis dahin schon Autor und Hauptdarsteller, hätte am liebsten auch noch Regie geführt. Und die Requisite geleitet. Und die Nebendarsteller ausgesucht. Und produziert. Im Weg standen dem allerdings die Gewerkschaftsvorschriften, an die die BBC sich halten mußte. Das Fernsehpublikum liebte seine Show, insbesondere seine Imitationen, Benny Hill wurde quasi über Nacht berühmt und zum ersten Comedy-Superstar Großbritanniens, den das Fernsehen hervorgebracht hatte. Nach dem Ende der ersten Staffel seiner Show wurde er bei den „Daily Mail National Television Awards“ zur „Personality of the Year“ erkoren.

Von nun an flog Benny Hill von Erfolg zu Erfolg. Mal nahm seine Show die Form einer Serie abgeschlossener Geschichten an, in denen er pro Woche und Folge einen neuen Charakter spielte, mal war es wieder die gewohnte Abfolge von Sketchen, aber immer wagte er Neues, immer wollte er auf der Höhe der Zeit bleiben. Sein Erfolg sprach dafür, daß ihm das gelang. Die BBC hatte nicht viele Stars seines Kalibers zu bieten und gewährte ihm infolgedessen immer großzügigere Verträge und Honorare. 1956 erhielt er 350 Pfund pro Woche und Folge, 1957 schon 650, und die BBC hätte, wie interne Memos verraten, sogar bis zu 1000 Pfund auf den Tisch gelegt — zu einem Zeitpunkt wohlgemerkt, als der durchschnittliche Wochenlohn in England bei zehn Pfund lag. Hills Miete betrug wöchentlich drei Pfund.

Seine Scherze galten „Auntie Beeb“ zwar als gewagt, aber seit 1955 der Konkurrent ITV ein Auge auf die jüngeren Zuschauer des Tantchens BBC geworfen hatte, war man froh, jemanden wie ihn halten zu können. Sogar „Specials“ bei der Konkurrenz ATV gestattete man ihm. In den sechziger Jahren, die eine immer größere Welle britischer Comedyproduktionen mit sich brachten, war Benny Hill mit seiner einerseits sehr traditionellen, varietyhaften Art, die sich andererseits immer verjüngte und dem Fortschritt verpflichtet war, der ungekrönte König des Komikindustrie.

So traf es die BBC hart, als Hill sie 1968 verließ. ITV hatte ihn mit dem Angebot gelockt, in seinem eigenen Film (dem quasi autobiographischen „Eddie in August“) sowohl Regie zu führen als auch die Hauptrolle zu spielen. Die BBC war so wütend, ihren Star zu verlieren, daß sie die letzte Staffel seiner Show nicht zeigte und sogar die Bänder der Show löschte (was mit bereits ausgestrahlten Shows allerdings sogar gewohnheitsmäßig geschah, weshalb von den frühen Hill-Sendungen keine erhalten sind). Doch der Film, wie viele seiner Sketche ein Stummfilm, floppte auf ganzer Linie, und dem Comedian blieb wenig übrig: Die „Benny Hill Show“ mußte weitergehen. Mit großen Filmen sollte Hill nie Erfolg haben; in „The Italien Job“ (1969) kam sein Talent genauso wenig zum Vorschein wie in „Chitty Chitty Bang Bang“ (1968), in dem er sinnloserweise einen weitgehend unkomischen Part spielte.

„Wouldn’t you men like to see your wife in something long and flowing?“
„Yes, a river.“

Der Wechsel und die libertinären Zeiten, die mittlerweile angebrochen waren, hinterließen sichtbare Spuren in Hills Fernseharbeiten. Die Fans liebten seine immer anzüglicheren, immer gewagteren Sketche, und der dicke Mann gab ihnen, was sie verlangten. Und er nahm sich, wonach es ihn verlangte. In erster Linie war das: gutes Essen in feinen Restaurants. Daß die Fettlebe ihm einen zunehmenden Wanst bescherte, störte ihn allerdings doch, und so ließ er sich Appetitzügler verschreiben. Als Appetitzügler verkauft wurden damals Amphetamine, und für die Dreharbeiten on location bedeutete das, daß Hill schon morgens um sieben eine Handvoll Tabletten einwarf – und den Rest des Tages wie eine Flipperkugel über das Set schoß. In den frühen Siebzigern geriet seine Abhängigkeit von Speed allmählich außer Kontrolle, und daß ihm 1976 ein Niere samt Tumor entnommen werden mußte, war vermutlich Folge des fortgesetzten Amphetaminmißbrauchs.

Demnächst: Benny wird weltweit zum Superstar und gewinnt etliche höchst prominente Fans.

Zu Teil 6.

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 4)

26. August 2011 2 Kommentare

Was bisher geschah: Benny, geboren als Alfred Hill, ist tot. Bereits als junger Mann aber entwickelt er eine Vorliebe für anzügliche Witze. Dann zieht ihn das Militär ein und schickt ihn in den Krieg.

1947 wird er demobilisiert, und schnell zieht es ihn wieder nach London. Nun nennt er sich Benny, nach seinem Vorbild, dem US-Comedian Jack Benny, und beginnt im Herbst des selben Jahres, regelmäßig im Radio aufzutreten. Dort wird er prompt in einer Nachwuchs-Show entdeckt, und auch auf Live-Bühnen faßt Hill nun Fuß dank Colonel Richard Stone, vormals Chef der Abteilung „Combined Service Entertainment“, nun Künstleragent. Er wird bis an sein Lebensende der Agent von Hill bleiben.

Ein Banküberfall.
Bankräuber: „Alle hinlegen, mit dem Gesicht nach unten!“
Alle legen sich Gesicht nach unten hin, bis auf eine blonde Kassiererin, die sich auf den Rücken legt.
Bankangestellter (Hill): „Gesicht nach unten! Das ist ein Überfall, keine Büroparty!“

Ausgerechnet ein Job, für den Hill den damals noch unbekannten Peter Sellers schlägt, wird allerdings beinah zum frühen Ende von Hills Karriere: Er darf den ernsten Gegenpart zum Comedian Reg Varney in einer mehrjährigen Bühnenshow namens „Gaytime“ spielen, doch immer fällt Hills kleiner Solo-Auftritt durch. So gut er als Stooge ist, der dem Comedian die Bälle zuspielt, so katastrophal ist er in der Rolle des Komikers. Als die Show in den Norden Englands kommt, der ohnehin als „famous graveyard for London comics“ (Varney) gilt, stirbt Benny Hill den Bühnentod: Das Publikum applaudiert, statt zu lachen. Aber nicht etwa höflichen Beifall, was schlimm genug wäre. Es ist ein langsames, rhythmisches Klatschen, höhnisch und mitleidig. Er hätte nie etwas Angsteinflößenderes gehört als diesen Applaus, sagt Varney später. Hill kommt vollkommen zerstört von der Bühne. Demoralisiert beschließt er, nicht für die Bühne gemacht zu sein, und wirft die Brocken hin.

Bis an sein Ende wird die Furcht vor Liveauftritten Benny Hill von nun an begleiten. Er wird niemals zu Gast in Fernsehtalkshows sein, die meisten Interviewanfragen ablehnen und auch bei den Dreharbeiten zu seinen Shows penibel darauf achten, daß niemand am Set ist, den er nicht schon lange kennt. Kommt etwa ein Buchhalter der Produktion aus seinem Büro herunter ins Studio und steht in Hills Sichtachse, wird der Comedian abbrechen und höflich mitteilen, es täte ihm leid, aber er könne nicht arbeiten, wenn ihm jemand zusähe. In jeder Show aber gibt es Szenen vor Livepublikum, und bevor diese gedreht werden, tritt in der Regel ein Warm-Upper auf, um die Zuschauer mit seinen Witzen auf Betriebstemperatur zu bringen. Benny Hill, Perfektionist, der er ist, macht das selbst. Doch auch hier, vor einem Publikum, das ihn liebt, das nur wegen ihm gekommen ist, ist er unsicher, vernuschelt er Pointen, murmelt er nach den Punchlines immer weiter, um die Stille zu füllen, vor der er sich fürchtet. Die Schüchternheit, so sehr sie in seinen Rollen gespielt ist, rührt tief aus ihm selbst her.

Benny und Jackie Wright, sein berühmtester Stooge, dessen Glatze so einiges mitmachen mußte im Laufe der Zeit…

Nach dem desaströsen Abschied von der Bühne schließt er sich neun Wochen lang zuhause ein. Doch er ist nicht untätig: Er kritzelt einen Sketch-Entwurf nach dem anderen, ein ganzes Konvolut will er dem Fernsehen anbieten. Aber wie gemacht ist jemand fürs Fernsehen, der schon auf der Bühne keine Lacher kriegt? Niemand im Comedy-Business glaubt so recht daran, daß Hill das schaffen kann. Und nicht nur das: Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, wie erfolgreich das Medium Fernsehen je sein wird — nur fünf Prozent der Haushalte haben 1950 überhaupt ein Empfangsgerät, die Zukunft ist ungewiß.

Doch Hill hat den Mut, mit einem Packen Sketch-Skripten unter dem Arm bei der BBC aufzulaufen, und das Glück, beim Head of Light Entertainment Ronnie Waldman vorgelassen zu werden. Dem gefällt, was er sieht, und von jetzt auf gleich ist Hill (Waldman: „Wer wäre denn geeignet, Ihre Sketche zu spielen?“ Hill: „Ich!“) beim Fernsehen gelandet. Nun stellt sich heraus, daß hier sein wahres Talent liegt: Die Kameras erfassen all seine winzigen Gesten, mit denen er innerhalb von Sekundenbruchteilen Charaktere skizzieren kann, seine anzüglichen Blicke, all die subtilen Andeutungen, die im Theater schon in der vierten Reihe niemand mehr wahrnimmt. „Kaleidoscope“ heißt die erste populäre Nachkriegs-Comedyshow, die von 1946 bis 1953 läuft und viele Talente hervorbringt – und in der Benny Hill im Alleingang ein Format erfindet, das bis heute erfolgreich ist, ohne das es etwa „Switch reloaded“ nicht gäbe: Die Fernsehparodie.

In einem Sketch spielt Hill einen Zollbeamten, der in die Kamera hinein die Zuseher mahnt, immer alles anzugeben, was sie ein- und ausführen, von den neu gekauften Nylonstrümpfen bis zum Parfümfläschchen. „Cut!“ ruft schließlich im Off der Regisseur. „Keine Sekunde zu früh!“ entgegnet der „Zollbeamte“, nimmt, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, seine Mütze ab, aus der prompt Armbanduhren und Zigarettenschachteln herausfallen.

Ja, darüber hat man in den späten Vierzigern gelacht. Bzw. nicht, denn die BBC war der Ansicht, der Zuschauer könnte durch diesen Scherz den Eindruck bekommen, britische Zollbeamte seien unehrlich. Hmja, genau. Wie auch immer: dieser harmlose Sketch war Benny Hills erster, der ihm zensiert wurde.

Demnächst: Benny wird der König der Comedy. Doch die BBC wird ihm bald zu restriktiv, darum wechselt er zu ITV. Wird sein Erfolg sich dort fortsetzen?

Hier entlang!