Ein Ire, der in Australien Witze über Engländer in Schottland macht: Das wäre vielleicht ein guter Anfang für einen Text über Dylan Moran und seine zuletzt erschienene Live-DVD „What It is“ (2009, mit UT). Denn zu Beginn der Show verblüfft weniger, was Dylan Moran so sagt, als wo er es sagt: In Sydney. Eher ungewöhnlich für britische Stand Up-Comedians. Vielleicht legt es Moran auf den größtmöglichen Kontrast an: nämlich zwischen dem sonnigen, aufgeräumt-fröhlichen Stand Up hie und dem launisch-mürrischen, finsteren Australien da. Bzw. natürlich umgekehrt.
Dylan Morans größte Fernsehrolle war die des Bernard Black in „Black Books“ (Channel 4, 2000 – ’04: ein misanthroper, schlecht organisierter irischer Buchhändler in London (seine zweitgrößte war die eines misanthropen, schlecht organisierten Comedians, den die Liebe in die Provinz trägt: „How Do You Want Me?“, BBC2, 1998 – ’99). Wie viel Moran in Bernard Black steckt, erschließt sich aber erst in seinen Stand Ups: Viel.
Nicht nur scheint es zwischen Bernard Black und Dylan Moran kaum optische Unterschiede zu geben: Beide bevorzugen schwarze Klamotten, eine ungesunde Gesichtsfarbe und Haupthaar, dessen Zustand kaum die Bezeichnung „Frisur“ verdient. Auch die rants, in denen er in „Black Books“ über Gott und die Welt lamentiert, setzen sich in seinen Stand Ups nahtlos fort: Da geht es abermals um Gott und Welt, sprich: Um Religion und die Evolutionstheorie, um Menschen im Konsumrausch, junge Ärzte, die ihm Regeln für einen gesünderen Lebensstil vorschreiben wollen, obwohl sie kaum elf Jahre alt zu sein scheinen, um Werbung, die immer aggressiver um Aufmerksamkeit heischt, um Do-it-Yourself im Haushalt und den allmählichen körperlichen Verfall bis hin zum Tod. Von der Evolution hätte sich Moran mehr erwartet als Urknall, dann Affen, dann Menschen bzw.: „Ich brauche mehr als Bang! Uh-uh-uh! Honey, I’m home! Viel besser wäre doch die umgekehrte Reihenfolge!“
Es braucht einen Moment, bis dieser Scherz zündet — „da fällt der Groschen wieder pfennigweise“, wie mein Deutschlehrer zu sagen pflegte — doch er ist ganz typisch für Moran, der viele non sequitur-Gags in seinen Monolog einbaut, also Gags, die auf Abschweifung, logischem Bruch, einer abrupten Richtungsänderung des Gedanken beruhen. Wie überhaupt Moran zwar durchaus den grumpy middle-aged man gibt, aber weit mehr als den: sein Sprachwitz, seine Lust an komischen Sprachbildern, die Phantasie, mit der er da mäandernde Gedankenketten knüpft, erinnern von ferne an Ardal O’Hanlon (der Father Dougal in „Father Ted“). Kein Zufall, denn Moran kam zur Comedy, nachdem er mit zwanzig einen Gig von O’Hanlon gesehen hatte, und er sollte später mit den „Father Ted“-Autoren Graham Linehan und Arthur Mathews, alle ebenfalls Iren, „Black Books“ entwickeln.
Einzig einen etwas konziseren Schluß seiner mit 76 Minuten eher kurzen (aber keineswegs zu kurzen) Show hätte ich mir gewünscht: die hört nämlich einfach auf, ohne daß sie eine Klimax erreicht hätte oder einen logischen Schluß. Das aber ist natürlich eine Petitesse im Vergleich zu der ansonsten tollen Show dieses schlecht gelaunten Alkoholikers, der sich unter anderem an seine wilde Jugend erinnert:
I remember going out with friends drinkin tequila. I mean: tequila?! It’s not even a drink, it’s a way of getting the police around without using a phone!
Nach 39 Kommentaren ziehe ich eine (vorläufige) Bilanz und stelle fest: Ich habe richtig getippt! „Black Books“ liegt mit 19 Stimmen auf Platz eins der Charts, jedenfalls was Britcoms aus den letzten zehn Jahren angeht! Die Plazierungen im Einzelnen:
1. „Black Books“ (19 Votes)
4. „The Mighty Boosh“, „The IT Crowd“ und „The Office“ (je 15 Stimmen)
6. „Extras“ und „Peep Show“ (12)
7. „Green Wing“ (10)
8. „Nathan Barley“ (8)
9. „The Thick of It“ (7)
11. „Garth Marenghi’s Darkplace“ (und „Spaced“, das bestimmt noch viel weiter oben, wenn nicht auf Platz eins gelandet wäre, zählte es denn offiziell zu Britcoms aus den Nullerjahren) (5)
Über die Plazierung von „Garth Marenghi’s Darkplace“ habe ich mich nicht wenig gewundert — eine so nerdige Sitcom hätte ich nicht unter den ersten, äh, elf Britcoms erwartet. Dann schon eher „Ideal“, das es auf nur vier Stimmen gebracht hat; vielleicht, weil es ohne Untertitel halt so gar nicht zu verstehen ist. Auch „Nathan Barley“ hätte ich nicht in der Leserwertung erwartet. Herzlichen Glückwunsch zu Deinem guten Geschmack, Leser! Und weiter so!
Wer will, kann natürlich weiterhin Stimmen abgeben, am besten hier unter dem Beitrag, dann kann ich die Auswertung hin und wieder aktualisieren.
Unterhaltungsliteratur (wie etwa die momentan äußerst erfolgreiche Romantrilogie von Stieg Larsson) bedient sich einiger Tricks, um ihre Leser in Bann zu schlagen: Sie ist kritisch genug gegenüber Systemen, um sich von rein affirmativer Trivialliteratur zu unterscheiden, befeuert die Phantasie des Lesers/der Leserin aber wie diese durch gezielt gestreute Liebesplots und sexuelle Abenteuer, und hält durch zopf-artig verwobene Storylines genügend Abwechslung bereit, um auch ungeübte Leser bei der Stange zu halten. Vor allem aber schlägt sie ein langsames Tempo an und wiederholt alle für das Verständnis der Handlung wichtigen Informationen so oft, daß auch vorübergehend unkonzentriertes Lesen niemanden aus dem Buch wirft — unter anderem deshalb sind etwa Larssons Bücher auch dermaßen dick.
Im Fernsehen arbeiten Soap Operas und Daily Soaps mit ähnlichen Mitteln. Sind sie schlecht, merkt man die minütliche Wiederholung relevanter Wissensfragmente z.B. über den Charakter einer Figur an grottigen Dialogen („Daß Tanja ein Scheusal ist, weiß ich schon, seit sie meine Katze in den Betonmischer geworfen hat!“); bessere Soaps bauen solche Informationen subtiler ein. So wie die Krankenhaus-Soap-Sitcom, die so innovativ, unkonventionell und komisch war, daß sie in England zunächst nur ein kleines, aber dafür umso fanatischeres Gefolge hatte, alsbald zum Kult wurde und nun in meinen Top-10-Britcoms der Nullerjahre auf Platz zwei angelangt ist:
„Green Wing“ (2004 — 07, Channel 4)
„Green Wing“ erzählt in der Form einer Ensemble-Sitcom die Geschichte einer Krankenhaus-Belegschaft: Caroline Todd, zu Beginn der Serie Neuzugang in der Chirurgie, ist schon bald zwischen dem charmant-lässigen Dr. Mac und dem arroganten Anästhesisten Guy hin- und hergerissen; die Personalchefin Joanna Clore fügt ihrer obsessiven erotischen Beziehung zum Chefradiologen und Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham ständig neue, bizarre Facetten hinzu; Statham führt einen lächerlichen Kleinkrieg mit dem Arzt im Praktikum Boyce, und Sue White, Staff Liaison Officer und damit Vertrauensfrau des Krankenhauspersonals, scheint komplett wahnsinnig zu sein. Jede Folge beschreibt einen Arbeitstag, und das Drehbuch spielt dabei alle mathematisch möglichen Begegnungen zwischen den Charakteren konsequent durch, den oben aufgeführten wie etlichen anderen, — mit immer wieder neuen, unfaßbar komischen Ergebnissen.
IstCaroline die Identifikationsfigur für den Zuschauer, so stellt das Nervenbündel Statham eines der komischen Epizentren der Serie dar: Der permanent haspelnde, verklemmte Statham mit seiner autoritätsheischenden, aber erbärmlichen Art ist die Zielscheibe des allgemeinen Spotts, und selbst wenn er sich mal an Boyce und seinen kindischen Pranks rächen will und seinerseits einen practical joke inszeniert, geht das nach hinten los:
Eine Auseinandersetzung über einen Parkplatz in nächster Nähe zum Krankenhaus, wie ihn Mac hat, Statham aber nicht, kann schon mal zu Besessenheit führen, die mit einem Streit mit dem Parkplatzpersonal beginnt…
…und mit dem Verspeisen einer Gallenblase endet:
Die Handlung der Serie ist typisch für Soaps: Mac und Guy tragen ihre Rivalitäten aus, Joanna Clore fürchtet sich vor dem Altwerden und würde deshalb gerne eine Affäre mit dem farbigen IT-Experten beginnen, Caroline schmeißt eine House-Warming-Party, Martin muß sich Prüfungen unterziehen und Mac überlegt, das Krankenhaus zu verlassen und woanders eine bessere Stelle anzunehmen.
Sensationell an „Green Wing“ ist aber, wie innerhalb dieser Soap die Figurencharakterisierung durch beständige Wiederholung funktioniert: Indem nämlich die Körpersprache der Figuren ebenso durch Zeitraffer und Zeitlupen verdeutlicht wird wie durch visuelle Gags, lange Einstellungen und einen brillianten Soundtrack und durch sketchartige Vignetten, nämlich die beschriebenen Zusammentreffen der Figuren in allen denkbaren Konstellationen. In diesen Miniaturen werden Charaktere so präzise porträtiert, wie es Dialoge kaum könnten — etwa in dieser Szene, wo Boyce und Martin um die Wette aus Schokoriegeln Türme bauen und Sue White dazukommt:
Überhaupt ist Sue White neben Statham eine weitere schillernde Figur, weil sie vollkommen unberechenbar ist:
Diese Mischung aus handlungstragenden und nur charakter-basierten Sketchen schlug sich in der Drehbucharbeit in unendlich vielen Zetteln nieder, die zusammen eine Folge ergaben und die, von den Autoren geschrieben, vor der Produktion immer aufs neue arrangiert wurden: für die Story relevante Szenen auf Zetteln in einer Farbe, freie Gags in anderen Farben, so lange umgruppiert und verschoben, bis stimmige, runde Episoden dabei herauskamen.
„Green Wing“ lebt zum einen von dieser außergewöhnlichen Herangehensweise, zum anderen aber von dem phantastischen Cast. Der ging, allen voran Stephen Mangan (Guy) und Michelle Gomez (Sue), so in seinen Rollen auf, daß etliche Szenen durch Improvisationen noch komischer wurden, als die Autoren sie vorher geschrieben hatten — sehr zum Leidwesen letzterer. Tamsin Greig (als Caroline) hatte sich zuvor in „Black Books“ Meriten erworben, Mark Heap (Statham) desgleichen als der Künstler Brian in „Spaced“, Oliver Chris (Boyce) war bereits aus „The Office“ bekannt. Sarah Alexander („Coupling“, „The Worst Week of My Life“), Michelle Gomez als Sue White („The Book Group“) und Pippa Haywood („The Brittas Empire“) unterstützten sie nach Kräften, in der zweiten Staffel ergänzt durch Sally Phillips („I’m Alan Partridge“). Hinter der Serie steckte das Team, das zuvor mit der Frauen-Sketchshow „Smack the Pony“ populär geworden war, allen voran Produzentin Victoria Pile, und hinter dem Soundtrack Trellis aka Jonathan Whitehead, der auch für „Nathan Barley“, „Black Books“, „Brass Eye“ und „The Day Today“ den Soundtrack besorgt hat.
Einziges Manko von „Green Wing“ ist, daß die zweite Staffel gegen Ende das hohe Niveau des Anfangs nicht mehr ganz halten konnte und mit einem Special endet, das ein wenig enttäuschte, weil es nicht mehr in der vertrauten Krankenhausumgebung spielte und die großen Erwartungen, die die Fans darauf gerichtet hatten, nicht erfüllen konnte. Dennoch ist „Green Wing“ eine der hierzulande weitgehend unbekannten Britcoms, die größere Bekanntheit, ja: unbedingtes Fantum auf jeden Fall verdient haben. Schon für diese Szene, in der Sue White einen schönen Teller Nabelschnüre ißt, was Guy allerdings erst nach einer beherzten Kostprobe erfährt:
PS: Ein Tip, der sich schon mehrfach bewährt hat: „Green Wing“ funktioniert bei vielen Zuschauern erst mit und nach der zweiten Episode, möglicherweise, weil man sich an den Stil erst gewöhnen muß, weil die erste Folge zum Teil aus der Pilotfolge besteht (mal drauf achten: Macs Frisur ändert sich in der ersten Episode mehrfach) oder weil erst die zweite Folge eine Serie überhaupt erst zur Serie und serielle Momente augefällig macht.
Der sympathische Mensch hinter Manny Bianco, dem Buchhalter aus „Black Books“, der in der ersten Folge das „Little Book of Calm“ verschluckt und anschließend buddhistisch ruhig und oft sehr komisch ist, heißt Bill Bailey (und spielt in „Spaced“ den Comicladenverkäufer), und weil ich ihn nun endlich, endlich auch live (auf DVD, versteht sich) gesehen habe, muß ich hier einen weiteren Kaufbefehl äußern: „Tinselworm“, die letzte Live-DVD vor dem am 23. November erscheinenden „Bill Bailey’s Remarkable Guide to the Orchestra“.
Baileys surrealistisch-naive Art in Verbindung mit seinem musikalischen Talent (man erinnere sich an die erste Folge der zweiten Staffel „Black Books“) und der gigantomanischen Bühnenshow in Wembley erzeugt eine komische Atmosphäre, wie ich sie bislang selten bei Live-Comedy erlebt habe: ob Bailey über die Polizeisirenen in verschiedenen Ländern sinniert (der Ausschnitt ist allerdings nicht aus dem Wembley-Gig)…
…oder über die Türklingel des Papstes (hier aus dem Comedy-Programm zu Ehren von Prinz Charles anläßlich seines ichglaube Sechzigsten): Er ist immer brillant.
Wer sich bislang von Stand Up-Gigs auf DVD ferngehalten hat: der könnte mit Bill Baileys Shows einen Einstieg finden, denn Baileys Musik-Comedy ist leicht zugänglich, entwaffnend komisch und äußerst sympathisch.
Ah, und: Den Joggern traut er nicht, weil sie immer die sind, die die Leichen finden.
Eines meiner Hauptkriterien dieser Britcom-Top 10 des ausgehenden Jahrzehnts ist, das erwähnte ich schon bei Platz 10 („Black Books“), die leichte Zugänglichkeit von Serien. Das bedeutet: Das Verhältnis von Dialogwitz und visual gags muß stimmen, die Geschichte muß ein gewisses Tempo haben und sollte in einem Setting stattfinden, das uns Kontinentbewohnern auch ohne intime Kenntnisse der britischen Kultur zugänglich ist.
Platz 9 meiner Charts entspricht allen diesen Kriterien auf das Hervorragendste und erschien deshalb offenbar auch hiesigen Fernsehschaffenden so anschlußfähig, daß sie eine deutsche Version davon drehten. Die war nicht wirklich gut, hielt sich aber immerhin weitgehend an die Vorlage und war deshalb auch nicht ganz schlecht. Die Rede ist von
Platz 9: „The Worst Week of My Life“ (2004 – 06, BBC1)
Die letzten sieben Tage vor der Hochzeit von Mel (Sarah Alexander) und Howard (Ben Miller) entwickeln sich zur reinen Katastrophe: Was schiefgehen kann, geht schief. Das beginnt bei kleineren Mißgeschicken — dem Ehering, der ins Waschbecken fällt — und endet damit, daß der Hund der Schwiegereltern tot ist, ihr Auto kaputt, die Oma im Krankenhaus und das Haus mit Haßparolen beschmiert. Howard, Sohn eines Klempners, hat von Anfang an bei den snobistischen Eltern seiner Zukünftigen keinen leichten Stand. Aber dadurch, daß er immer verzweifelter versucht, doch noch alles ins Lot zu bringen, indem er lügt, hinhält, vertuscht, was nur geht, macht er Zug um Zug alles immer noch schlimmer: Mit jeder Folge, die je einen Tag der Woche erzählt und meist mit einem hübschen Cliffhanger endet, wird das Chaos größer, liegen die Nerven blanker. Howards einziges und großes Glück ist, daß seine Frau ihn wirklich liebt und zu ihm hält. Doch auch ihre Leidensfähigkeit hat Grenzen.
„The Worst Week of My Life“ hat alle Zutaten einer klassischen Farce: Unwahrscheinliche Zufälle, sprachlichen Witz und ein rasantes Tempo, das sich immer noch steigert. Die Slapstickmomente sind erfrischen gewalttätig, werden aber durch den betont klassischen Sitcom-Rahmen (eine Kamera, kein laugh track) aufgehoben. Infolgedessen gibt es zwar höchst peinliche cringe comedy-Momente, sie sind aber nie so schmerzhaft, so schneidend böse sind wie etwa bei „The Office“, sondern immer burlesk-komisch. „The Worst Week“ ist also familienkompatibel, einerseits, schafft es aber andererseits, innerhalb dieser Harmlosigkeit erschütternd komische Übertreibungen einzubauen, die mich hin und wieder zum Japsen gebracht haben vor Vergnügen.
Auch diese Britcom, wie schon „Black Books“, ist für britische Verhältnisse eher warm, weil zumindest die unverbrüchliche Liebe zwischen Mel und Howard für emotionale Akzente sorgt, die in schwärzeren Britcoms generell fehlen. Unter anderem deswegen dürfte es auch für den amerikanischen Markt adaptiert worden sein. Der bevorzugt ja, ähnlich wie der deutsche, Sitcoms, die unter aller Komik einen Boden der Freundschaft/Familie einziehen, der Sicherheit gibt und gewährleistet, daß niemand alleine bleibt — friends will be there for you. So verlogen ich das finde, und so sehr ich die kalten Britcoms bevorzuge, in denen die Figuren wissen, daß alles Arsch ist und keine Familienbande stark genug sind, einen in einer kalten Welt voller Arschlöcher zu trösten: Für „The Worst Week of My Life“ mache ich eine Ausnahme.
Auf zwei Staffeln hat es „Worst Week“ gebracht, in der zweiten geht es um die letzte Woche vor Mels Niederkunft, plus ein mehrteiliges Weihnachts-Special („The Worst Christmas…“); da das Rezept aber je das gleiche war, ist die erste Staffel die bessere, weil überraschendere, ohne daß die Fortsetzungen aber wirklich schlechter wären. Dafür sorgt neben den Drehbüchern von Mark Bussell und Justin Sbresni in erster Linie der hochkarätige Cast, neben Miller („Moving Wallpaper“) und Alexander („Coupling“, „Green Wing“) vor allem die liebenswürdige Alison Steadman („Gavin & Stacey“) und Geoffrey Whitehead als Howards Schwiegereltern.
Gut, wir haben natürlich erst Oktober ’09. Trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, daß in den letzten Minuten des Jahrzehnts noch eine so brillante Britcom des Weges kommt, daß sie meine eben aufgestellten Top 10 durcheinanderwirbeln wird. Wenn doch: Hurra und herzlich willkommen, brillante neue Britcom!
Vorab und weil natürlich jeder Leser eingeladen ist, seine eigenen Top 10 in den Kommentaren zu posten, noch ein schnelles Wort zu den Regularien: Meine Wertung ist strikt subjektiv, Hauptkriterium war, wenn ich es mir recht überlege, einfach, wie oft ich die betreffende Sitcom gesehen habe, mit wechselnden Mitguckern und allein. Das heißt natürlich, daß die leichter konsumierbaren Serien besser abschneiden als die verqueren, unzugänglicheren; sei’s drum, Komik ist nun mal etwas, das zwischen Menschen stattfindet, und zwischen je mehr, desto besser und lustiger. Strikt war ich nur in zwei Punkten: Dem der Sitcom und dem der 00er-Jahre. Nicht in der Wertung sind Comedy-Dramas, One-Offs, Sketchshows, Filme, Stand Ups, Panel Shows, Clip Shows usw.; und die erste Folge der ersten Staffel muß in den 00ern gewesen sein. Damit scheidet z.B. „Spaced“ aus.
Beginnen wir doch mit
Platz 10: „Black Books“ (2000 – 2004, Channel 4)
Eines der vielen vorderhand abstoßenden Ekel der britischen Sitcoms regiert seinen Secondhand-Buchladen mit vom Alkohol leicht zittriger Hand: Bernard Black (Dylan Moran), misanthroper Ire in London, schmeißt schon mal einzelne Kunden raus, die Bücher passend zur Couchgarnitur kaufen wollen, oder auch einfach alle Kunden, wenn sie ihm auf die Nerven gehen, und trinkt lieber sieben schöne Flaschen Rotwein. Etwas Licht kommt erst in sein Leben, als er Manny Bianco (Bill Bailey) trifft, der seinen Buchhalterjob hingeworfen hat, um etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen — und dann für Black die Buchhaltung macht. Manny ist das genaue Gegenteil von Bernard: Offen, liebenswürdig, hilfsbereit, ein bißchen naiv, und kommt so schon mal in merkwürdige Situationen, wenn er etwa aus dem Buchladen ausreißt, weil er Bernards Launen nicht mehr erträgt, und sich mit einem Fotografen einläßt, der eine etwas merkwürdige Faszination für Mannys Bart entwickelt. Fran Katzenjammer (Tamsin Greig), Besitzerin der benachbarten Schnickschnack-Boutique, gibt der Serie den weiblichen Touch und ist Bernards einziger Freund.
„Black Books“ lebte von den surrealistischen Drehbuchideen, die dank Graham Linehans Federführung den Geist von „Father Ted“ atmeten und dank Dylan Morans Kontribution düster waren und sich von der Welt angeekelt gaben, und von Slapstick und Sight Gags (hier ein Best-Of), die einen unmittelbar in den Kosmos dieser für britische Sitcom vergleichsweise warmen und herzlichen Sitcom zogen. Diese Wärme und Herzlichkeit strahlten nicht zuletzt Bill Bailey und Tamsin Greig aus, aber auch die zahlreichen Gaststars von Simon Pegg und Nick Frost bis Peter Serafinowicz, die „Black Books“ zu einer „Spaced“ eng verwandten Serie machten, und wie „Spaced“ wurde auch „Black Books“ von Nira Park produziert.
Daß „Black Books“ nicht weiter oben in meinen Top 10 plaziert ist, ist seiner Nähe zum Mainstream geschuldet: Es ist beinahe ein wenig zu perfekt, zu liebenswert, zu klassisch auch, indem es einer beinah altmodischen Idee von Sitcom entspricht, wie sie Graham Linehan auch später in „The IT Crowd“ wieder verfolgt hat. Sitcom in den 00ern dürfte meinen Ansprüchen nach ruhig etwas edgier sein, ein bißchen mehr die Herausforderung suchen und Neues wagen. Dennoch ist „Black Books“ aber eine der großen Britcoms seiner Zeit gewesen und immer noch ein perfekter Einstieg für alle, die sich dem Britcom-Kosmos noch nicht zu nähern gewagt haben, weil er so groß und unüberschaubar ist. „Black Books“ heißt seine Besucher jedenfalls herzlicher willkommen, als Bernard Black das gerne hätte.
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