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Technik, die entgeistert

20. Juli 2015 7 Kommentare

Nicht nur „Ex Machina“ von Alex Garland (dem Autor von „28 Days Later“ und „Sunshine“ sowie dem Roman „The Beach“) setzt sich gerade im Kino mit dem Thema auseinander, auch zwei sehr erfolgreiche Fernsehserien nehmen sich die Angst vor der Computertechnik und der künstlichen Intelligenz vor: der Cyberpunk-Thriller „Mr. Robot“ (USA Network, seit Juni) in den USA und das SciFi-Drama „Humans“ (Channel 4, ebenfalls seit Juni) in Großbritannien. Zumindest eine davon sollte man gesehen haben.

In „Mr. Robot“ ist der titelgebende Mr. Robot ein Mensch, in „Humans“ dagegen geht es um Roboter. Gemeinsam haben die Serien aber die Grundierung: die Paranoia, die aus allzu viel Technik entsteht. Bei „Mr. Robot“ ist es die Überwachung via Computer, Handys und Internet. Die macht Elliot Alderson (Rami Malek) verrückt — obwohl er selbst zu ihr beiträgt. Er ist nämlich — wie wir alle — gefangen in einem Dilemma: einerseits ist er gegen übermächtige Konzerne, andererseits ist er abhängig von ihnen.


Elliot kümmert sich für E Corp. (oder Evil Corp., wie Elliot selbst sagt — allzu deutlich porträtiert mit dem auf der Ecke stehenden E von Enron) um die Server-Sicherheit. Er ist ein Hacker, aber ein Guter. Bis er Mr. Robot trifft, einen nicht so guten Hacker. Der gibt Elliot Grund und Gelegenheit, Evil Corp. zu ruinieren, denn Evil Corp. hat Elliots Vater umgebracht. Womöglich könnte Elliot sogar gleichzeitig die digitalen Unterlagen aller Banken löschen. Die ganze Welt, mit einem Mal frei von allen Schulden? Das gefällt Elliot, und er trifft Mr. Robot in dessen Hauptquartier:

MR. ROBOT
The rule here is, it’s done here, and only here. It ends when you walk out that door, and begins when you walk in. Our encryption is the real world.

Wer da an „Fight Club“ denkt, liegt nicht ganz falsch. „Mr. Robot“ ist düster und hat mit dem depressiven und sozial gestörten Elliot eine Hauptfigur, mit der sich die vermutlich angepeilten jüngere Zuschauer, die Millennials, leicht identifizieren können: Elliot ist zwar dem bösen Kapitalismus ausgesetzt und angepasst, aber insgeheim doch auf der guten Seite der Macht. Denn Elliot ist ja nicht wehrlos, sondern ein hochbegabter Hacker. Er muss nur endlich seine Superkraft richtig einsetzen.

Bei „Humans“ gibt es, im Gegensatz zu „Mr. Robot“, wirklich Roboter. Roboter mit künstlicher Intelligenz, die exakt wie Menschen aussehen und die man einfach im Laden kaufen kann. Als Haushaltshilfen zum Beispiel. Da wird nicht nur die Hausfrau nervös, weil sie schnell überflüssig wird. Nein, nervös werden viele, denn es stellt sich die Frage, wann die Roboter besser sein werden als die Menschen. Bessere Arbeitskräfte, bessere Altenpfleger, vielleicht sogar die besseren Mütter.

„Humans“ diskutiert sein Thema oft anhand des Familienlebens mit zwei berufstätigen Eltern, drei Kindern – und einem Roboter. Der ist auch das einzige, was die Welt von „Humans“ von unserer Welt unterscheidet, und das macht es so anschaulich, welche alltäglichen Merkwürdigkeiten in nicht allzu ferner Zukunft so entstehen könnten: Ist es doch z.B. sehr verständlich, dass Laura (Katherine Parkinson), die Mama der fünfjährigen Sophie, gereizt reagiert, wenn sich ihre Tochter lieber von der Roboter-Haushaltshilfe Anita vorlesen lässt als von ihr.

LAURA
I don’t want you touching Sophie.

ANITA
I’m prohibited from initiating physical contact with a human without a clear, recorded request to do so. My protocol set currently demands that any such requests from children under 12 must be referred to a parent or guardian before being met, unless I judge the child’s safety or wellbeing to be at immediate risk.

LAURA
You’re just a stupid machine, aren’t you?

ANITA
Yes, Laura.

Sie können also auf Kinder aufpassen, aber Bewusstsein haben die Roboter in „Humans“ noch nicht — jedenfalls nicht viele. Eine kleine Gruppe von Robotern mit einer solchen neuartigen Bewusstseins-Modifikation aber ist auf der Flucht, wird gejagt und, wenn man sie schnappt, umprogrammiert. Denn klar, wenn die neue „Arbeiterklasse“ der Roboter erst einmal erwacht, stellt sich schnell die Frage nach ihren Rechten: Darf man sie als Sexspielzeug verwenden, mit oder sogar gegen ihren Willen? Darf man alte, hinfällige Roboter in Unterhaltungsshows kaputthauen?

Unangenehme Fragen, die gar nicht unbedingt nur mit Technik zu tun haben, sondern, typisch britisch, viel eher etwas mit Klassenunterschieden. Und damit, dass unsere Probleme, die Probleme unserer Gesellschaft nicht verschwinden, nur weil wir sie jemand anderem aufbürden — ob man die (gefährliche, schlecht bezahlte) Arbeit nun in die immer weitere Peripherie der zivilisierten Welt verbannt, wie wir es gerade tun, oder ob man sie Robotern aufbürdet.

Wenn man also nicht weiß, was das Personal so treibt, behält man es besser mal im Auge.

LAURA
Did you …? Never mind. But I’m watching you.

ANITA
I’m watching you too, Laura. — You’re right in front of me.“

Das sind nicht unbedingt die Scherzversuche, die man von seinen Robotern hören möchte …

Der unterschiedliche Charakter beiden Serien lässt sich an ihren Hauptdarstellern ablesen: Eine Hauptrolle in „Humans“ (dem Remake einer hochbepreisten schwedischen Serie) spielt der amerikanische Schauspieler William Hurt, und wie er ist die Serie: etwas reifer, etwas kultivierter, mit einem Sinn für Zwischentöne. Auch „Mr. Robot“ ist hochkarätig besetzt, wenn auch etwas rabaukiger: mit Christian Slater. Eines gilt aber für beide Serien: Menschen mit Technik-Paranoia sollten sie lieber nicht ansehen.

zuerst veröffentlicht im „Zündfunk“ (BR2) am 17.7.