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Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 2

29. November 2009 10 Kommentare

Unterhaltungsliteratur (wie etwa die momentan äußerst erfolgreiche Romantrilogie von Stieg Larsson) bedient sich einiger Tricks, um ihre Leser in Bann zu schlagen: Sie ist kritisch genug gegenüber Systemen, um sich von rein affirmativer Trivialliteratur zu unterscheiden, befeuert die Phantasie des Lesers/der Leserin aber wie diese durch gezielt gestreute Liebesplots und sexuelle Abenteuer, und hält durch zopf-artig verwobene Storylines genügend Abwechslung bereit, um auch ungeübte Leser bei der Stange zu halten. Vor allem aber schlägt sie ein langsames Tempo an und wiederholt alle für das Verständnis der Handlung wichtigen Informationen so oft, daß auch vorübergehend unkonzentriertes Lesen niemanden aus dem Buch wirft — unter anderem deshalb sind etwa Larssons Bücher auch dermaßen dick.

Im Fernsehen arbeiten Soap Operas und Daily Soaps mit ähnlichen Mitteln. Sind sie schlecht, merkt man die minütliche Wiederholung relevanter Wissensfragmente z.B. über den Charakter einer Figur an grottigen Dialogen („Daß Tanja ein Scheusal ist, weiß ich schon, seit sie meine Katze in den Betonmischer geworfen hat!“); bessere Soaps bauen solche Informationen subtiler ein. So wie die Krankenhaus-Soap-Sitcom, die so innovativ, unkonventionell und komisch war, daß sie in England zunächst nur ein kleines, aber dafür umso fanatischeres Gefolge hatte, alsbald zum Kult wurde und nun in meinen Top-10-Britcoms der Nullerjahre auf Platz zwei angelangt ist:

„Green Wing“ (2004 — 07, Channel 4)topten02b

„Green Wing“ erzählt in der Form einer Ensemble-Sitcom die Geschichte einer Krankenhaus-Belegschaft: Caroline Todd, zu Beginn der Serie Neuzugang in der Chirurgie, ist schon bald zwischen dem charmant-lässigen Dr. Mac und dem arroganten Anästhesisten Guy hin- und hergerissen; die Personalchefin Joanna Clore fügt ihrer obsessiven erotischen Beziehung zum Chefradiologen und Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham ständig neue, bizarre Facetten hinzu; Statham führt einen lächerlichen Kleinkrieg mit dem Arzt im Praktikum Boyce, und Sue White, Staff Liaison Officer und damit Vertrauensfrau des Krankenhauspersonals, scheint komplett wahnsinnig zu sein. Jede Folge beschreibt einen Arbeitstag, und das Drehbuch spielt dabei alle mathematisch möglichen Begegnungen zwischen den Charakteren konsequent durch, den oben aufgeführten wie etlichen anderen, — mit immer wieder neuen, unfaßbar komischen Ergebnissen.

IstCaroline die Identifikationsfigur für den Zuschauer, so stellt das Nervenbündel Statham eines der komischen Epizentren der Serie dar: Der permanent haspelnde, verklemmte Statham mit seiner autoritätsheischenden, aber erbärmlichen Art ist die Zielscheibe des allgemeinen Spotts, und selbst wenn er sich mal an Boyce und seinen kindischen Pranks rächen will und seinerseits einen practical joke inszeniert, geht das nach hinten los:

Eine Auseinandersetzung über einen Parkplatz in nächster Nähe zum Krankenhaus, wie ihn Mac hat, Statham aber nicht, kann schon mal zu Besessenheit führen, die mit einem Streit mit dem Parkplatzpersonal beginnt…

…und mit dem Verspeisen einer Gallenblase endet:

Die Handlung der Serie ist typisch für Soaps: Mac und Guy tragen ihre Rivalitäten aus, Joanna Clore fürchtet sich vor dem Altwerden und würde deshalb gerne eine Affäre mit dem farbigen IT-Experten beginnen, Caroline schmeißt eine House-Warming-Party, Martin muß sich Prüfungen unterziehen und Mac überlegt, das Krankenhaus zu verlassen und woanders eine bessere Stelle anzunehmen.

Sensationell an „Green Wing“ ist aber, wie innerhalb dieser Soap die Figurencharakterisierung durch beständige Wiederholung funktioniert: Indem nämlich die Körpersprache der Figuren ebenso durch Zeitraffer und Zeitlupen verdeutlicht wird wie durch visuelle Gags, lange Einstellungen und einen brillianten Soundtrack und durch sketchartige Vignetten, nämlich die beschriebenen Zusammentreffen der Figuren in allen denkbaren Konstellationen. In diesen Miniaturen werden Charaktere so präzise porträtiert, wie es Dialoge kaum könnten — etwa in dieser Szene, wo Boyce und Martin um die Wette aus Schokoriegeln Türme bauen und Sue White dazukommt:

Überhaupt ist Sue White neben Statham eine weitere schillernde Figur, weil sie vollkommen unberechenbar ist:

Diese Mischung aus handlungstragenden und nur charakter-basierten Sketchen schlug sich in der Drehbucharbeit in unendlich vielen Zetteln nieder, die zusammen eine Folge ergaben und die, von den Autoren geschrieben, vor der Produktion immer aufs neue arrangiert wurden: für die Story relevante Szenen auf Zetteln in einer Farbe, freie Gags in anderen Farben, so lange umgruppiert und verschoben, bis stimmige, runde Episoden dabei herauskamen.

„Green Wing“ lebt zum einen von dieser außergewöhnlichen Herangehensweise, zum anderen aber von dem phantastischen Cast. Der ging, allen voran Stephen Mangan (Guy) und Michelle Gomez (Sue), so in seinen Rollen auf, daß etliche Szenen durch Improvisationen noch komischer wurden, als die Autoren sie vorher geschrieben hatten — sehr zum Leidwesen letzterer. Tamsin Greig (als Caroline) hatte sich zuvor in „Black Books“ Meriten erworben, Mark Heap (Statham) desgleichen als der Künstler Brian in „Spaced“, Oliver Chris (Boyce) war bereits aus „The Office“ bekannt. Sarah Alexander („Coupling“, „The Worst Week of My Life“), Michelle Gomez als Sue White („The Book Group“) und Pippa Haywood („The Brittas Empire“) unterstützten sie nach Kräften, in der zweiten Staffel ergänzt durch Sally Phillips („I’m Alan Partridge“). Hinter der Serie steckte das Team, das zuvor mit der Frauen-Sketchshow „Smack the Pony“ populär geworden war, allen voran Produzentin Victoria Pile, und hinter dem Soundtrack Trellis aka Jonathan Whitehead, der auch für „Nathan Barley“, „Black Books“, „Brass Eye“ und „The Day Today“ den Soundtrack besorgt hat.

Einziges Manko von „Green Wing“ ist, daß die zweite Staffel gegen Ende das hohe Niveau des Anfangs nicht mehr ganz halten konnte und mit einem Special endet, das ein wenig enttäuschte, weil es nicht mehr in der vertrauten Krankenhausumgebung spielte und die großen Erwartungen, die die Fans darauf gerichtet hatten, nicht erfüllen konnte. Dennoch ist „Green Wing“ eine der hierzulande weitgehend unbekannten Britcoms, die größere Bekanntheit, ja: unbedingtes Fantum auf jeden Fall verdient haben. Schon für diese Szene, in der Sue White einen schönen Teller Nabelschnüre ißt, was Guy allerdings erst nach einer beherzten Kostprobe erfährt:

PS: Ein Tip, der sich schon mehrfach bewährt hat: „Green Wing“ funktioniert bei vielen Zuschauern erst mit und nach der zweiten Episode, möglicherweise, weil man sich an den Stil erst gewöhnen muß, weil die erste Folge zum Teil aus der Pilotfolge besteht (mal drauf achten: Macs Frisur ändert sich in der ersten Episode mehrfach) oder weil erst die zweite Folge eine Serie überhaupt erst zur Serie und serielle Momente augefällig macht.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 9

14. Oktober 2009 8 Kommentare

Eines meiner Hauptkriterien dieser Britcom-Top 10 des ausgehenden Jahrzehnts ist, das erwähnte ich schon bei Platz 10 („Black Books“), die leichte Zugänglichkeit von Serien. Das bedeutet: Das Verhältnis von Dialogwitz und visual gags muß stimmen, die Geschichte muß ein gewisses Tempo haben und sollte in einem Setting stattfinden, das uns Kontinentbewohnern auch ohne intime Kenntnisse der britischen Kultur zugänglich ist.

Platz 9 meiner Charts entspricht allen diesen Kriterien auf das Hervorragendste und erschien deshalb offenbar auch hiesigen Fernsehschaffenden so anschlußfähig, daß sie eine deutsche Version davon drehten. Die war nicht wirklich gut, hielt sich aber immerhin weitgehend an die Vorlage und war deshalb auch nicht ganz schlecht. Die Rede ist von

Platz 9: „The Worst Week of My Life“ (2004 – 06, BBC1)topten09

Die letzten sieben Tage vor der Hochzeit von Mel (Sarah Alexander) und Howard (Ben Miller) entwickeln sich zur reinen Katastrophe: Was schiefgehen kann, geht schief. Das beginnt bei kleineren Mißgeschicken — dem Ehering, der ins Waschbecken fällt — und endet damit, daß der Hund der Schwiegereltern tot ist, ihr Auto kaputt, die Oma im Krankenhaus und das Haus mit Haßparolen beschmiert. Howard, Sohn eines Klempners, hat von Anfang an bei den snobistischen Eltern seiner Zukünftigen keinen leichten Stand. Aber dadurch, daß er immer verzweifelter versucht, doch noch alles ins Lot zu bringen, indem er lügt, hinhält, vertuscht, was nur geht, macht er Zug um Zug alles immer noch schlimmer: Mit jeder Folge, die je einen Tag der Woche erzählt und meist mit einem hübschen Cliffhanger endet, wird das Chaos größer, liegen die Nerven blanker. Howards einziges und großes Glück ist, daß seine Frau ihn wirklich liebt und zu ihm hält. Doch auch ihre Leidensfähigkeit hat Grenzen.

„The Worst Week of My Life“ hat alle Zutaten einer klassischen Farce: Unwahrscheinliche Zufälle, sprachlichen Witz und ein rasantes Tempo, das sich immer noch steigert. Die Slapstickmomente sind erfrischen gewalttätig, werden aber durch den betont klassischen Sitcom-Rahmen (eine Kamera, kein laugh track) aufgehoben. Infolgedessen gibt es zwar höchst peinliche cringe comedy-Momente, sie sind aber nie so schmerzhaft, so schneidend böse sind wie etwa bei „The Office“, sondern immer burlesk-komisch. „The Worst Week“ ist also familienkompatibel, einerseits, schafft es aber andererseits, innerhalb dieser Harmlosigkeit erschütternd komische Übertreibungen einzubauen, die mich hin und wieder zum Japsen gebracht haben vor Vergnügen.

Auch diese Britcom, wie schon „Black Books“, ist für britische Verhältnisse eher warm, weil zumindest die unverbrüchliche Liebe zwischen Mel und Howard für emotionale Akzente sorgt, die in schwärzeren Britcoms generell fehlen. Unter anderem deswegen dürfte es auch für den amerikanischen Markt adaptiert worden sein. Der bevorzugt ja, ähnlich wie der deutsche, Sitcoms, die unter aller Komik einen Boden der Freundschaft/Familie einziehen, der Sicherheit gibt und gewährleistet, daß niemand alleine bleibt — friends will be there for you. So verlogen ich das finde, und so sehr ich die kalten Britcoms bevorzuge, in denen die Figuren wissen, daß alles Arsch ist und keine Familienbande stark genug sind, einen in einer kalten Welt voller Arschlöcher zu trösten: Für „The Worst Week of My Life“ mache ich eine Ausnahme.

Auf zwei Staffeln hat es „Worst Week“ gebracht, in der zweiten geht es um die letzte Woche vor Mels Niederkunft, plus ein mehrteiliges Weihnachts-Special („The Worst Christmas…“); da das Rezept aber je das gleiche war, ist die erste Staffel die bessere, weil überraschendere, ohne daß die Fortsetzungen aber wirklich schlechter wären. Dafür sorgt neben den Drehbüchern von Mark Bussell und Justin Sbresni in erster Linie der hochkarätige Cast, neben Miller („Moving Wallpaper“) und Alexander („Coupling“, „Green Wing“) vor allem die liebenswürdige Alison Steadman („Gavin & Stacey“) und Geoffrey Whitehead als Howards Schwiegereltern.

Total verkuppelt

7. August 2009 3 Kommentare

Ich hatte „Coupling“ (2000 – 04, BBC2) eigentlich mehr der Vollständigkeit halber geordert,  nicht, weil ich besonders viel davon erwartet hätte. Schon als sie auf Pro7 lief, hatte ich die Serie für zu mainstreamig befunden, und (wie so ziemlich jeder Kritiker) für zu nahe an „Friends“. Und wenn mich irgend etwas langweilt, dann das damals  besonders virulente „Frauen benutzen gerne Venus-Kaffeemaschinen, Männer essen lieber ein Mars“-Thema.

Dementsprechend überrascht war ich, als sich (nach einer etwas schleppenden ersten) vor allem die zweite und dritte Staffel als hervorragendes Popcorn-Fernsehen herausstellten: Vor allem die immer neuen und für Sitcoms eher ungewöhnlichen Formen, die den ewigen Ringelpiez mit Anfassen variierten, haben mich dann doch von den Qualitäten der Serie überzeugt. So etwa der Dreh, die selben zehn Minuten dreimal zu zeigen, allerdings mit je anderen Figuren im Mittelpunkt, so daß zunächst unverständliche Ereignisse beim zweiten und dritten Mal plötzlich Sinn ergeben; oder der Dreh, die selben 15 Minuten aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu rekapitulieren, so daß die gleichen Sätze, je nachdem, wer sich wie daran erinnert, auf einmal etwas ganz anderes bedeuten. Und fast eine ganze Folge extrem statisch als langes Telefonat bzw. als Telefonkonferenz aufzubauen, ist zumindest für eine Mainstream-Sitcom schon recht unkonventionell. Dabei fliegen einem die Gags in einer Frequenz um die Ohren, daß es nur so rauscht — bemerkenswert, daß dabei alles von einem einzigen Autor stammt, nämlich Steven Moffat, während etwa „Friends“ bei IMDB gute 40 Autoren verzeichnet, was bei 238 Folgen „Friends“ gegenüber 28 Episoden „Coupling“ relativ gesehen immer noch, äh, viel mehr „Friends“- als „Coupling“-Autoren bedeutet.

Apropos: Der Vergleich mit „Friends“ (1994 – 2004, NBC) liegt zwar in der Tat nahe, ist aber nicht ganz berechtigt. Sicher, die Aufstellung des Ensembles von je drei Frauen und Männer Anfang dreißig sowie das Setting Zuhause/Kneipe sind durchaus ähnlich, und auch die Figuren scheinen ihre direkten Pendants zu haben, vor allem Phoebe (Lisa Kudrow) und Jane (Gina Bellman) sowie Joey (Matt LeBlanc) und Jeff (Richard Coyle) sind einander in ihrer Überspanntheit gewiß nicht unähnlich. Allerdings ist nicht nur der Tonfall typisch britisch („You can’t just walk in through the front door, this isn’t an American sitcom!“), mithin viel schwärzer und unbekümmert, was sexuelle Tabus angeht. Die ganze Anlage von Plot und merkwürdigen Figureninteraktionen sind, nach Moffats eigener Aussage, eher an „Seinfeld“ orientiert als an „Friends“.

Moffat, der die Serie eigenen Angaben zufolge übrigens auf wahre Begebenheiten zwischen ihm und seiner damaligen Ehefrau Sue Vertue, der Produzentin der Serie aufbaute (die beiden „Coupling“-Hauptfiguren heißen Steve und Susan), schrieb anschließend einige Folgen „Doctor Who“, Sarah Alexander (Susan) wuchs in „Green Wing“ und „The Worst Week of My Life“ über sich hinaus, und Jack Davenport (Steve) heiratete immerhin Michelle Gomez („Green Wing“, „The Book Group“). Ist doch auch was.

Nachtrag: Würde ich Britcom-Blog-Preise vergeben, dann erhielte „Coupling“ auf jeden Fall einen: Nämlich den für die schlimmste Vorspann-Graphik ever. Uah, diese gräßlichen Pastell-Töne! Die runden Ecken…! Furchtbar.

Her face looked like an explosion in a Yacult factory

Nach ein paar Jahren forcierten Britcom-Konsums erwarte ich, wenn on screen ein Geschirrspüler geöffnet wird, schon eher, daß frisch gespülte Vibratoren herauskommen als frisch gespültes Geschirr. Von wegen „No Sex please, we’re british“: Sex, sex, sex, that’s all they can think about. Und natürlich ist es nie weichgespülte Soft-Erotik mit jungen, gut aussehenden Weibern (und/oder Kerlen) in England, o nein: Unter Sperma in Halsketten-Anhängern („Green Wing“), Strap Ons, mit denen es die Damen ihren Herren besorgen („Shameless“), Sex mit (scheinbar) Minderjährigen („Nathan Barley“), Hobbyraum-SM-Studios in Spießerwohnungen („Human Remains“) oder Nekrophilie („Ideal“) tut es der Brite selten. Und nicht nur in den jung-bösen Sitcoms aus dem Hause Baby Cow dreht es sich oft um Untenrum-Themen (neben „Human Remains“ etwa „Nighty Night“ und „Gavin & Stacey“), auch in konservativeren Britcoms, die keineswegs nur versuchen, aus Tabubrüchen komische Funken zu schlagen, geht es viel (und sehr direkt) zur Sache: In „The Worst Week of my Life“ ebenso wie in „Love Soup“ und selbstredend „Coupling“, der britischen Antwort auf die amerikanisch-harmlos-oberflächlichen „Friends“; und „Borats“ lustigster Moment war der nackte Ringkampf Borats mit seinem Manager.

Interessanterweise sind bei all dem Sex in Britcoms zwar die Szenen, in denen es um „das Unaussprechliche“ (Böll) geht, in der Regel hochnotpeinlich und so, nun ja, „kraß“, daß man kaum hingucken kann (der Brite spricht von cringe) — aber selten frauenfeindlich oder gar erniedrigend. Ganz im Gegenteil haben die Frauen in Britcoms eher die Hosen an, während die Männer sich als Weicheier entpuppen, Neurotiker und Vollversager. Allenfalls sind Frauen eben genauso peinlich wie Männer — fair enough.

Nur folgerichtig bei all dem Sex: Eine Sitcom im Puff. „Respectable“ (Five, 2006) ist genau das — und sehr lustig. Sitcom im Puff, das klingt zugegeben nach der „heiteren Seite der Zwangsprostitution“, „Respectable“ schafft es aber, eine tatsächlich aufgeräumte Atmosphäre zu schaffen, in der die drei Prostitutierten Haley, Kate und Yelena gerne unter ihrer Puffmutter Maureen (Beatrice Kelley, „Ideal“, „Phoenix Nights“) zu arbeiten scheinen. Nicht zuletzt ist Michael, die männliche Hauptfigur, zwar ein langweiliger Mittelklasse-Bürger erster Kategorie mit einer kalten Ehefrau zuhause, aber ein Sympathieträger. Er verliebt sich erwartbarerweise in Haley, hat mit ihr aber gar keinen Sex. Bei seinem ersten Puffbesuch begegnet er Barry, dem Handwerker, der gerade sein ganzes Haus renoviert, und dieser Sidekick gibt Möglichkeiten zu pointengespickten Parlandi en masse:

Michael, Barry und ein dritter Typ sitzen im Entrée; Barry zeigt seine Tattoos.

Barry: That’s a tiger shagging a dragon, right? That’s a samurai on a fish, and I’m getting another, right, and it’s gonna start up here (er zeigt seinen Bauch), it’s gonna go all the way down to the crab’s ladder (zeigt Richtung Gemächt) with an arrow saying „may contain nuts.“

Typ: More like „may contain small parts.“

Barry (zu Michael): Ah! Small parts! Do you get it?

Michael (abwesend): Yes, yes. Like the warning sign „may contain small parts that may choke children.“

Typ: Children?!

Schade, daß der Plot von „Respectable“ keine zweite Staffel zuließ! Ich hätte nämlich gerne noch mehr dieser schnellen Wortwitze gehört, die das Autorentrio Shaun Pye, Alan Connor und Harry Thompson geschrieben hat. Yelena, wie sich herausstellt eine serbische Kriegsverbrecherin auf der Flucht, ist nämlich ebenfalls eine prima Figur („I was sexiest woman in village… before ethnic cleansing!“), von der großmütterlichen Maureen ganz zu schweigen:

You girls don’t know you’ve got it made. When I was your age, I were bent over t’bins in t’back alley behind t’fish shop 15 times a night. After a couple of years of that, I thought, „I should get paid for this.“

Kaufempfehlung!

Geoffrey Perkins R.I.P.

1. Oktober 2008 Keine Kommentare

Wer auch nur eine kleine Sammlung britischer Sitcom-DVDs sein eigen nennt, wird höchstwahrscheinlich gleich auf mehreren den Namen Geoffrey Perkins finden, ohne daß ihm das je auffallen müßte. Perkins war einer der erfolgreichsten Comedy-Produzenten im Vereinigten Königreich: Für „Hat Trick“ produzierte er „Spitting Image“, „Have I Got News For You“ und „Father Ted“, wurde 1995 Head of Comedy der BBC, von der er sich vertraglich zusichern ließ, weiterhin produzieren zu dürfen. Nichtdestoweniger verzweifelte er bald an ausufernder Bürokratie, zu knappen Budgets sowie der tiefsitzenden Geringschätzung des komischen Fachs innerhalb des Senders. Für den realisierte er hochdekorierte Serien wie die „Fast Show“ und „The Royle Family“ und sorgte mit der Neuauflage von „Only Fools And Horses“ 2001 für eine kleine Sensation; nebenbei schrieb er auch selbst Drehbücher und übernahm untergeordnete Rollen vor der Kamera.

Außer für seine bemerkenswerten TV-Leistungen für das Land des Lachens (erwähnt seien an dieser Stelle mangels Platz nur noch „Hippies“ und „Coupling“) ist Perkins vor allem für eins zu danken: daß er, 25 Jahre jung, als Radioproduzent genügend Geduld mit Douglas Adams besaß, der für unfaßbar langsames Arbeiten und verpaßte Deadlines berüchtigt war. Perkins half Adams dabei, die Skripte für die Hörspielversion von „Per Anhalter durch die Galaxis“ fertigzustellen, die durch Perkins’ innovative Soundbasteleien eine der lustigsten und originellsten Radiocomedys aller Zeiten wurde, das Image des ausstrahlenden Senders veränderte und bis heute Standards setzt.

Geoffrey Perkins starb am 29. August viel zu früh mit 55 Jahren.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2008)