The Sun hat die Top-40-Verdiener der britischen Comedy zusammengestellt und ihre Einkünfte aus dem laufenden Jahr geschätzt. Die geringste Überraschung sind natürlich die Spitzenreiter:
1. Sacha Baron Cohen: 8 Millionen Pfund (9 Mio. Euro) dank „Brüno“ und „Borat“
2. Ricky Gervais: 7 Mio. Pfund (7,9 Mio. Euro) dank der US-Lizenz für „The Office“, seiner UK-Tour „Science“ und zwei US-Live-Auftritten für geschätzte 500 000 Pfund.
2. Rowan Atkinson: dito 7 Mio. Pfund aus seiner „Mr Bean“-Rente, die ihm die permanente Ausstrahlung seiner Kultserie in Flugzeugen bringt: „Mr Bean“ ist die am häufigsten gezeigte Show auf Flügen.
2. Peter Kay: dito 7 Mio. für seine erste Stand Up-Tour seit sieben Jahren, die im nächsten Monat anläuft.
Auf Platz 6 folgt Steve Coogan, der sich mittlerweile auf dem US-Film- und -Fernsehmarkt etabliert hat, mit 5 Mio. Pfund (5,6 Mio. Euro); Platz 9 geht an Eddie Izzard (4 Mio. Pfund). Erst auf Platz 16 kommt Stephen Fry (2 Mio. Pfund), Plätze 21 resp. 24 gehen an die „Little Britain“-Stars David Walliams und Matt Lucas (1,8 bzw. 1 Mio. Pfund). John Cleese trudelt auf Rang 29 ein mit einer halben Million Pfund, dito Bill Bailey, und Mitchell & Webb haben 700 000 bzw. 400 000 Pfund eingefahren.
Was verdienen eigentlich deutsche Comedians? Ich habe mal eben schnell gegoogelt, aber offenbar sind deutsche Medien a) weniger an den Umsätzen der Comedy-Industrie interessiert oder b) ein wenig zurückhaltender mit so privaten Informationen wie Jahreseinkünften. Wer weiß was?
Nein, er zieht sich nicht aus. „Stripped“ heißt das jüngste Programm des britischen Stand Up Comedian Eddie Izzard, das nun auf DVD erschienen ist, weil er auf Drag-Fummel und High Heels verzichtet und das Bühnenbild ein bißchen reduzierter hat gestalten lassen. Die hohen Absätze hätten ihn zuletzt in seiner Bewegungsfreiheit zu sehr eingeschränkt, erzählt Izzard, nun könne er wieder über die Bühne flitzen. Das entspricht auch seinem Vortrag: Die freien Assoziationsketten, die seine Comedy prägen, kreisen in „Stripped“ um alles von den Anfängen der Menschheit bis heute, um Wissenschaft und Gottesbegriff („Wissenschaftler haben Bunsenbrenner und Petrischalen und können Glas verbiegen. Religiöse Menschen haben ein Buch.“), Evolution, Wikipedia, Kühe (die über die Jahre offenbar nichts an Faszination für Izzard eingebüßt haben) und Sprache. Scrabble etwa muß während der Steinzeit mehr Spaß gemacht haben als heute:
Man muß schon ein bißchen aufpassen bei Izzard (zum Glück hat die DVD Untertitel [sogar deutsche sowie rumänische und ukrainische!], was sich auch bei Stand Up-Programmen mittlerweile eingebürgert zu haben scheint) — paßt man eine Sekunde nicht auf, verliert man den Faden, ist man aus seinen rasenden Assoziationsmäandern schnell draußen. Kann man ihnen aber folgen, baut Izzard mit sicherer Hand irre Konstruktionen aus komischen Versatzstücken, entwickelt Running Gags und Referenzen auf Gags, die sich gegen Ende des Programms so verselbständigen und verdichten, daß jeder, der nur die letzte halbe Stunde sieht, ihn (und sein Publikum) für völlig bekloppt halten muß: Das ergibt für jeden, der die ersten 90 Minuten nicht gesehen hat, überhaupt keinen Sinn mehr. Wer aber der Erschaffung dieser Komik-Welt in 12 000 Sekunden beigewohnt hat, liegt, wenn er nicht sehr aufpaßt, vor Lachen auf dem Boden.
Exzentrik ist seit jeher einer der Grundzüge des englischen Charakters. Das ist auf den ersten Blick vielleicht erstaunlich, schließlich ist der britische Alltag bestimmt von Ritualen und Formeln, die britische Höflichkeit und Etikette sowie das auf Ausgleich bedachte Wesen der Briten, das sie seit jeher zur Diplomatie prädestiniert, sind weltbekannt. Aber vermutlich gerade deshalb braucht es auf individueller Ebene eine Entlastungsmöglichkeit, die von gesellschaftlichen Konventionen befreit und dem strengen Reglement etwas Anarchisches entgegensetzt: Beispielsweise exzentrisches Verhalten.
Das ist vielleicht der größte Unterschied des britischen Wesens zum deutschen: Spinnertes, abweichendes Verhalten wird nicht sofort durch Ausschluß oder Spott bestraft, sondern toleriert. In jeder Verwandtschaft gibt es ein schwarzes Schaf — aber die Briten verstecken ihres nicht wie die Deutschen, sondern sind auf den durchgeknallten Onkel, die seltsame Tante auch noch stolz. In Hinsicht auf den Humor, der in Großbritannien fester Bestandteil des Alltags ist und nicht auf bestimmte, festgelegte Situationen eingeschränkt, bedeutet das: Eine wesentlich größere Vielfalt von Tönen und Schattierungen, Stand Up-Comedians wie Eddie Izzard, Figuren wie Basil Fawlty, eigene Welten wie Royston Vasey in „The League of Gentlemen“. Eine der exzentrischsten Britcoms aller Zeiten, die man aus genau diesem Grund entweder liebt oder einfach nicht kapiert, findet sich heute auf
Vince Noir (Noel Fielding) und Howard Moon (Julian Barratt) sind Wärter in einem sehr dysfunktionalen, „Zoo-niverse“ genannten Tierpark. Dort arbeiten ihr Freund, der Schamane Naboo (Noels Bruder Michael Fielding), und der sinistre Zoodirektor Bob Fossil (Rich Fulcher), der keine einzige Tierart bestimmen kann, dort lebt auch der Gorilla Bollo (Dave Brown). Vince ist mal Mod, mal Punk, mal Waver, aber immer extrem modebewußt („What about this cape?” — „A bit last week”) und auf seine Frisur bedacht. Er nimmt das Leben leicht und hat permanent Glück, sehr im Gegensatz zum Schnauzbart tragenden Howard. Der legt auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert, ist eher ernst und nachdenklich, Jazz-Fan und konservativ bis spießig — der straight man zu Vinces funny man. Ihre gemeinsamen Abenteuer haben die immer freundliche Anmutung einer Kindersendung, die in einer leicht wahnsinnigen Version der Fünfzigerjahre spielt: sehr bunt, mit Zeichentrickelementen versetzt und bevölkert von eigenartigen Geschöpfen. In der ersten Folge läßt sich Howard auf einen Boxkampf gegen ein Killaroo genanntes Känguru ein; zwei Folgen später ist Bollo todkrank, so daß Howard in einem Affenkostüm seinen Platz einnehmen muß, damit der Zoo weiterhin gesponsort wird. Prompt verwechselt ihn Gevatter Tod mit dem echten Bollo und nimmt ihn mit in die Affenhölle, von wo Vince ihn befreien muß. In weiteren Folgen suchen die beiden Abenteurer mystische Eier in der arktischen Tundra, wo sie dem schwarzen Frost-Dämon begegnen, kämpfen sich auf der Suche nach Hilfe durch den Dschungel und setzen ihre Freundschaft beinah auf’s Spiel, als Vince sich einer Band anschließen will.
Zu den eindrücklichsten Momenten gehören die Musik-Vignetten, die oft aus Acapella-Einlagen entstehen und den liebenswürdig-bizarren Charme der Serie unterstreichen, die vielen sprechenden Tiere und Fantasy-Charaktere aus unterschiedlichsten Mythologien und die liebevolle Ausstattung: „Wenn David Bowie, Anthony Burgess und Maurice Sendak, der Autor von ‚Wo die wilden Kerle wohnen’, zusammengearbeitet hätten, wäre dabei vielleicht sowas Ähnliches herausgekommen”, schreibt The Observer.
„The Mighty Boosh“ macht von der ersten Staffel (2004) über die zweite (2005) bis hin zur dritten (2007) etliche Veränderungen durch: Vince und Howard verlassen in der zweiten den Zoo und leben in Naboos Wohnung, in der dritten führen sie gemeinsam Naboos Geschäft, die sogenannte Nabootique. Deutlich zu sehen ist, daß Baby Cow von Staffel zu Staffel mehr Geld ausgegeben hat, dementsprechend üppiger sind auch Kulissen und Effekte. Für 2010 ist eine weitere Staffel geplant, eine weitere, zweite Live-DVD erscheint am 16. dieses Monats (die erste ist durchaus sehenswert). Vor allem in der Damenwelt scheinen Noel Fielding und auch Julian Barratt mächtig Eindruck zu machen, „The Mighty Boosh“ ist also sehr pärchenkompatibel, insgesamt eine der bezauberndsten Serien der letzten Jahre und allen zu empfehlen, für die es nicht immer böse, dunkel und gemein sein muß.
Es klingt wie eine gute Idee: Eine entlarvende Komödie über Comedians, die sich auf der Bühne locker und cool geben, im Privatleben aber bestenfalls als humorlos, eitel und aufgeblasen durchgehen. Eine kleine Independent-Produktion, ein Ensemble-Film über ein Festival, bei dem auch Comedy aufgeführt und ausgezeichnet wird, gedreht auf dem Edinburgh Festival Fringe. Ein Film, in dem man es esoterischen Schauspielern und selbstverliebten Agenten reinreichen kann, nach Höherem strebenden Lokalradiomoderatoren und höheren Töchtern, die so gerne auch frei und kreativ wären wie die von Festival zu Festival vagabundierenden Schauspieler. Ein Film, der einen Blick hinter die Kulissen der Gaukler ermöglicht, auf schalen Sex und unmäßigen Alkoholkonsum, vergeigte Karrieren und permanente Sucht nach Aufmerksamkeit.
Ein solcher Film wäre „Festival“ (2005) gerne, und die Anlagen dazu hat er auch: Gute Schauspieler/Comedians wie Stephen Mangan („Green Wing“), Amelia Bullmore („Jam“, „I’m Alan Partridge“, „Big Train“), Raquel Cassidy („Lead Balloon“) und Chris O’Dowd („The IT Crowd“). Jubel und Trubel eines Festivals, das Gelegenheit für Improvisationen mit ahnungslosen Festivalbesuchern bietet. Und ein Drehbuch, das dem ewig angeekelten und überdrüssigen Star-Comedian Sean Sullivan (Mangan) wie der Radiomoderatorin Joan Gerard (Daniela Nardini) finstere Ausbrüche zuschreiben kann — ihm, weil ihn sein Job längst anekelt, ihr, weil sie gerne ihre Position als Comedy-Jurorin sexuell ausnutzen würde, aber eher selbst ausgenutzt wird:
„Arsehole comedians! ‚Look at me, look at me, laugh at me, laugh at me.‘ Christ, haven’t we not had enough?! Who cares about funny? What’s all the fuss about funny?!“
„Oh, this is the comedy awards, Joan…“
Und natürlich ergeben sich auch Gelegenheiten, es den Größen des Metiers zu besorgen:
„Eddie Izzard — he can’t do voices. Only got one accent: Tranny London Pothead.“
Leider schafft es „Festival“ aber nicht, sein Potential auszuspielen: Der Film kann sich nicht entscheiden, ob er Komödie, Melodrama oder doch sogar Tragödie sein will. Die Erzählstränge sind zu belanglos nebeneinandergestellt und bleiben weitgehend unverknüpft. Keine Figur schafft es, sympathetisch zu werden. Nicht einmal das Aufgebot von Comedians, die kleinere Auftritte haben, von Richard Ayoade (ebenfalls „The IT Crowd“) über Tom Goodman-Hill (der Polizist aus „Ideal“) bis Neil Fitzmaurice (Sophies Arbeitskollege aus „Peep Show“), reißt es raus, und auch nicht die Fülle an expliziten Sexszene inklusive Fistfuck: „Festival“ bleibt irgendwie schal, hinterläßt keinen bleibenden Eindruck außer dem, daß man einer vertanen Chance zugesehen hat. Vertan von Annie Griffin, deren Buch und Regie hier gefloppt sind. Was mich nicht sehr zuversichtlich stimmt, daß ihre Sitcom „The Book Group“der Burner ist, der mir bislang entgangen ist. Na, schaumermal.
Eddie Izzard ist, damit das auch mal gesagt ist, ein Großer: Nämlich ein großer Stand Up Comedian, vielleicht der größte lebende in England. Er ist, und ich schreibe es nur, weil ich zuletzt dessen Stand Up gesehen hatte, das genaue Gegenteil von Stewart Lee: philantrop, flamboyant, durch und durch albern. Und obwohl mir wesensgemäß der menschenhassende, meist schwarzgekleidete Lee und sein kynischer Witz (jaja, gleich langt’s mit den Fremdworten) näher liegen, sind Izzards Auftritte die komischeren, denn er hat sie, ja, er besteht nur aus funny bones. Ein Exzentriker vor dem Herrn, der einen surreal-assoziierenden Humoransatz verfolgt, wie ich ihn auch an Ardal O’Hanlons Comedy hoch schätze. Dabei ist es ganz gleich, ob Izzard über die Kantine auf dem Todesstern spekuliert…
…sich über Religion im Allgemeinen und Christen im Besonderen äußert…
…oder englische und amerikanische Kinofilme vergleicht:
— irgendwann sind einem die bunte, alberne Welt, die Izzard regelmäßig um sich herum erschafft, und ihr Schöpfer so sympathisch, daß man am liebsten bei ihm einziehen möchte. Die größte Annäherung an diesen Wunsch bleibt allerdings wohl das Box-Set mit seinen Auftritten auf DVD (oder natürlich der Besuch eines seiner Gigs).
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