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Frauen und Comedy 2.0

Daisy Haggard kannte man bislang allenfalls aus „Episodes“ (Showtime/BBC2, 2011 – 17), wo sie die fabelhaft humorfreie Comedychefin des Senders spielen durfte, für den Sean und Beverly Lincoln (Steve Mangan und Tamsin Greig) mit ihrem Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc) arbeiteten: da fiel sie vor allem durch ihr indigniertes Knurren und ihren ablehnenden Gesichtsausdruck auf. Nun ist sie mit ihrer ersten eigenen Sitcom „Back to Life“ (BBC3, seit 15. April) in große Fußstapfen getreten: auf dem Sendeplatz von Phoebe Waller-Bridge und „Fleabag“.

Eine Tatsache, die in Großbritannien weithin Beachtung gefunden hat. Nicht nur, weil Waller-Bridge den Weg bereitet hat für die Serien anderer junger Frauen und ihren eigenen Perspektiven auf die Welt (das hat zuvor etwa Julia Davis auch schon getan), sondern weil auf den ersten Blick der Ton auch recht ähnlich ist: nämlich einer zwischen großem Pathos und Liebenswürdigkeit der Hauptfigur bei eher dunkler Grundierung der ganzen Show. Nicht zuletzt vielleicht, weil sowohl „Fleabag“ als auch „Back To Life“ aus der gleichen Produktion stammen, Two Brothers („The Missing“, „Liar“).

„Back to Life“ erzählt die Geschichte von Miriam „Miri“ Matteson (Haggard), die mit 36 aus der Haft entlassen wird, die sie 18 Jahre lang verbüßt hat, und mangels Alternativen wieder bei ihren Eltern einzieht: in einem kleinen Kaff an der Küste. Selbstverständlich weiß jeder im Städtchen bescheid über Miri und ihre Tat, und so sind die Reaktionen in der ersten Folge hauptsächlich“Oh shit“ und zugeschlagene Türen, als sie versucht, da weiterzumachen, wo sie vor 18 Jahren aufgehört hat. In ihrem Kinderzimmer hängen noch Poster von David Bowie, Prince und Jamie Oliver („Last man standing“, kommentiert ihre Mutter; sehr gut: Geraldine James), ihr Walkman ist auch noch da, und auf die Frage des ahnungslosen Nachbarn Billy (Adeel Akhtar, „woman with a beard“ in „Four Lions“) „Airb’n’bing?“ hat sie keine Antwort.

Tatsächlich geht die Story in „Back to Life“ dann darüber hinaus, wie schwierig es ist, Arbeit zu finden mit 18 Jahren Lücke im Lebenslauf einer Mittdreißigerin, und wie alte Freunde und die Community reagieren. Es geht auch um den Fall, der sie ins Gefängnis gebracht hat, ein ungelöstes Geheimnis und einen „True Crime“-Fan und Stalker, der sich in Miris Privatleben hineinzeckt. Leider ist genau diese Figur ein bisschen die Schwachstelle der Show, denn sie wird nicht wirklich befriedigend zu Ende erzählt. Im Wesentlichen aber funktioniert die Mischung aus Comedy, Drama und Crime von Haggard und ihrer Co-Autorin Laura Solon („Man Stroke Woman“, „Harry And Paul“) sehr gut.

Mehr als die Show für sich begrüße ich aber die Gesamttendenz, mehr Serien aus frischen weiblichen Perspektiven zu sehen. Die letzten drei guten Sitcoms, die ich hier besprochen habe, sind von und mit Frauen, „Killing Eve“ läuft gerade in der zweiten Staffel, und mir gefällt das alles sehr gut.

Jahresendabstimmung – die Auswertung

21. Dezember 2015 1 Kommentar

Die Polls sind geschlossen und wir haben zwei Gewinner: „W1A“ (2. Staffel) ist die beste Britcom 2015, und „Fargo“ (ebenfalls die zweite Staffel) das beste US-ComedyDrama des Jahres!

Mich überrascht der Sieg von „W1A“ (BBC2, seit 2014) deutlich mehr als der von „Fargo“, und vor allem der klare Abstand, mit dem die Satire auf den Arbeitsalltag in der BBC vor der zweitplatzierten Serie liegt: acht Stimmen Vorsprung auf „Episodes“, das hat jedenfalls mehr Aussagekraft als der Unterschied zwischen „Fargo“ und „Better Call Saul“ (drei Votes), den ich eher so werten würde, dass beide Serien gleichermaßen die Herzen der Serien- und Comedy-Freunde erobert haben. Sehr zu Recht, versteht sich.

Dass „W1A“ aber gewonnen hat, eine Serie, die doch als recht sophisticated gelten kann, freut mich. Die Chemie zwischen Hugh Bonneville als „Head of Values“ Ian Fletcher und Jessica Hynes‘ Siobhan Sharp als „Brand BBC Consultant“ stimmt einfach: er als eine Art unerschütterlicher Golden Retriever, sie als überspannter PR-Pudel, und dann all die unvermeidlichen Missverständnisse, die die Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Charakteren mit sich bringt — das hat John Morton („Twenty Twelve“, „People Like Us“) als Writer/Director sehr schön inszeniert.

„Episodes“, mit der vierten Staffel dieses Jahr auf Platz zwei im Britcoms-Ranking, hat zwar tatsächlich eine sehr solide und komische Staffel abgeliefert, ich persönlich hätte allerdings „Catastrophe“ und „Detectorists“ höher bewertet; beides Serien, die mit erkennbar minimalem Budget und umso deutlicherer persönlicher Handschrift von Mackenzie Crook („The Office“, „Pirates of the Caribbean“) und Rob Delaney/Sharon Horgan versehen waren. Insbesondere von „Detectorists“ würde ich mir eine dritte Staffel wünschen, die die BBC Crook auch angeboten hat — der allerdings ist sich wohl nicht sicher, ob es genügend zu erzählen gäbe. Berechtigterweise, denn genau betrachtet war auch der diesjährige Handlungsbogen um einen jungen Deutschen, der nach dem Flugzeug sucht, mit dem sein Großvater im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde, ja schon am Rande der Glaubwürdigkeit.

Apropos kleine Serien: Warum eigentlich hat Peter Kays „Car Share“ so schlecht abgeschnitten? Kay gehört in England zu den ganz Großen, und auch hier im Blog sind seine Serien immer wieder gebührend beachtet worden („Phoenix Nights“ gehört nach wie vor zu den Britcoms, die ich hoch schätze). War „Car Share“ also zu still? Kay zu lange weg vom Bildschirm? Das Setting zu unspezifisch? Zwischen „Cucumber“ und „Chewing Gum“ zu landen, das hätte ich von „Car Share“ jedenfalls nicht erwartet. Und „Cradle to Grave“, Kays zweite Sitcom des Jahres, ist sogar noch schlechter bewertet worden.

Keine Überraschung, wie gesagt, dass „Fargo“ und „Better Call Saul“ so gut abgeschnitten haben: beide haben tatsächlich phantastische Staffeln abgeliefert. Dass ich „Fargo“ ebenfalls knapp vor „Better Call Saul“ einordnen würde, kann einfach daran liegen, dass „Fargo“ erst unlängst zuende gegangen ist und mir noch in frischerer Erinnerung als „Better Call Saul“; aber wenn ich argumentieren müsste, würde ich sagen: „Fargo“ war auch die komischere Serie. Zum einen hatte sie die schöner überzeichneten Charaktere, namentlich Kirsten Dunsts Peggy Blumquist, die zu Beginn erstmal enorm genervt hat, bevor sie immer tiefer und in ihrer Fokussiertheit sympathisch wurde, aber natürlich auch Nick Offermans Karl Weathers. Seine volltrunkenes Plädoyer in der sechsten Folge war sicher einer der Höhepunkte des ganzen Fernsehjahres.

„Better Call Saul“ auf der anderen Seite hatte dafür das realistischere Setup, war weniger comicartig grell, dafür an vielen Stellen dramatischer. Möglicherweise genau deswegen hatte „BCS“ auch die für sich genommen größeren Lacher — der comic relief ist einfach stärker, wenn man in die Charaktere mehr investiert ist. Und da konnte „BCS“ immerhin auf Figuren zurückgreifen, die den meisten Zuschauern ja doch über die fünf Staffeln „Breaking Bad“ ans Herz gewachsen sein dürften.

Wo wir gerade dabei sind: Die Tendenz zu immer mehr Franchise übrigens finde ich nicht durch die Bank begrüßenswert. Die beiden höchstplatzierten US-Serien greifen auf lange etablierte Marken zurück („Breaking Bad“, den Film „Fargo“ von 1996), wo im Kino längst kaum noch etwas anderes läuft („Star Wars“, James Bond, die Peanuts, all die Superheldenfilme, die ich kaum auseinanderhalten kann …). Ich persönlich freue mich ja hin und wieder auch auf neue, originale Geschichten.

Überrascht bin ich bei den US-Serien noch vom vergleichsweise guten Abschneiden der letzten Staffel „Community“, die mich nicht mehr hinter dem Ofen hervorgelockt hat. Dass die besser abgeschnitten hat als die finale Season „Parks and Recreation“, als „Master of None“, „Happyish“ und „Modern Family“, finde ich … interessant. Ebenso das schlechte Abschneiden von „Transparent“, das sicher nicht schlechter war als die letzte Staffel „Orange is The New Black“. Allerdings haben beide Serien so wenige Stimmen, dass das Ergebnis wohl kaum repräsentativ ist.

Vielen Dank jedenfalls an alle, die abgestimmt haben — dass manche mehrfach abgestimmt haben, stört mich nicht im geringsten; große Begeisterung für eine Serie darf sich ruhig auch im Abstimmungsergebnis widerspiegeln, finde ich. Hat mich gefreut, dass immer noch so viele dieses kleine Blog lesen und über Serien diskutieren, die (jedenfalls was die überwiegende Anzahl der britischen Sitcoms angeht) hierzulande fast niemand je zu Gesicht bekommt, der sich aufs reguläre Fernsehen verlässt. Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr wieder und finden auch 2016 viele schöne Britcoms, über die es zu schreiben und zu lesen lohnt!

Jahresendabstimmung – die Auswertung

22. Dezember 2014 3 Kommentare

Unter den ersten drei Britcoms zwei amerikanische Serien (oder zumindest Coproduktionen), das hat es auch noch nicht gegeben. Ich meine allerdings, dass das mehr damit zu tun hat, dass „You’re the Worst“ und „Episodes“ sehr gut waren, und weniger damit, dass der Rest so schwach war.

Dass sich mein persönlicher Geschmack mit dem der Leser/Wähler so deckt, finde ich sehr erfreulich, ich würde den meisten Platzierungen auch zustimmen — bis auf „Mr. Sloane“, den ich auf dem 10. Platz überraschend weit abgeschlagen finde. Zu bieder in der Anmutung vielleicht? Zu britisch in der Haltung?

„Plebs“ vom zweiten Platz 2013 auf Rang acht abgerutscht: leider zu Recht, die zweite Staffel war schwächer als die erste — nicht sehr viel schwächer, aber doch spürbar.

Dass mit „Derek“ eine Sitcom von und mit Ricky Gervais einmal so marginalisiert würde (eine Stimme! EINE!), hätte noch vor ein paar Jahren vermutlich auch niemand vorhergesehen. Ich kann mir genaugenommen keine Meinung leisten, weil ich bis auf den Piloten und eine Folge der ersten Staffel (glaube ich), gar nichts davon gesehen habe. Aber mein educated guess wäre: das hat schon seine Berechtigung.

Graham Linehan, sonst immer etwa mit „The IT Crowd“ gut im Rennen, ist nach einem dritten Platz im letzten Jahr mit „Count Arthur Strong“ dieses Jahr nur noch sehr unprominent mit „The Walshes“ unterwegs — vielleicht ist der walisische Humor schwächer als der englische und irische („Father Ted“).

„Sherlock“ auf Platz eins der Dramaserien überrascht mich nicht im Geringsten; „Happy Valley“ auf Platz zwei (mit allerdings nur halb so vielen Stimmen wie „Sherlock“) freut mich, weil es da zu Recht gelandet ist. „The Driver“ hat womöglich einfach nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die der Miniserie zustünde, die nämlich besser ist als ein vorletzter Platz.

Dass mit „Fargo“ die komischste der amerikanischen Dramaserien noch knapp vor dem sehr guten, aber vollkommen humorfreien „True Detective“ ins Ziel gekommen ist, ist einem Blog, in dem es vorwiegend um Komisches geht, völlig angemessen — auch ich hätte genau so gestimmt. Interessant, dass genau diese beiden Serien auch so abräumen — „Orange is the New Black“ hat zwar immer noch halb so viele Stimmen wie „Fargo“, aber alles danach fällt schon rapide ab.

Wie jedes Jahr ist es schade, dass die Weihnachts-Specials aus diesem Poll rausfallen; „The Wrong Mans“ z.B. werden ja mit einem Zweiteiler á eine Stunde noch einmal von der Länge her beachtlich nachlegen. Ansonsten wird man von James Corden im fiktionalen Zusammenhang vermutlich im nächsten Jahr nicht mehr so viel sehen, tritt er doch demnächst die Nachfolge von Craig Ferguson als Host der „Late Late Show“ auf CBS an. Was mich einigermaßen verblüfft hat, denn als Stand up-Comedian und Moderator hatte ich ihn gar nicht so auf dem Zettel.

Und um noch ein Weihnachts-Special ist es schade, dass es nicht im Poll war: Charlie Brookers „Black Mirror“-Special mit Jon Hamm ist wieder einmal sehr schön geworden. Dafür einen Sonderpreis!

Und damit jetzt schon mal frohes Fest und guten Rutsch allen Lesern!

Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

Best Episodes ever!

Viel zu selten schreibe ich über gute dritte Staffeln von Sitcoms. Vielleicht liegt das daran, dass es nicht so viele davon gibt.

„Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011) aber hat gerade eine sensationelle dritte Staffel hingelegt, die ich einfach kurz bejubeln muss. Die Serie um zwei britische Drehbuchautoren in Hollywood ist nämlich in ihrem dritten Jahr deutlich besser als im durchwachsenen zweiten.

Immer noch sind Sean und Beverly Lincoln (Stephen Mangang und Tamsin Greig, seit „Green Wing“ ein Traumpaar der Britcom), die ambitionierten britischen Drehbuchautoren, in der Hollywood-Hölle gefangen, und der Grundkonflikt zwischen den Briten und den L.A.-spezifischen Fernseh-Amerikanern mit ultrafreundlicher Fassade und umso fieseren Intrigen funktioniert besser denn je

Aber die Autoren David Crane und Jeffrey Klarik haben sich wirklich übertroffen mit der Figur des Castor Sotto (Chris Diamantopoulos), der als vollkommen durchgeknallter neuer Senderchef neue Dimensionen des Wahnsinns erschließt: mal manisch, mal depressiv, aber immer unter (unbegründetem) Genieverdacht, der offenbar alle Top-Entscheider beim Fernsehen umgibt und ihre Untergebenen in willenlose Yes-Men verwandelt, die noch den größten Stuss abnicken. Bis ihr Chef von Männern in weißen Kitteln rausgetragen wird.

In Castor Sotto und Carol (Kathleen Rose Perkins), die ihm direkt unterstellt ist, ist das ganze Verhängnis für Sean und Beverley angelegt: denn Carol ist so hilflos wie bemüht, es allen recht zu machen, und mittlerweile mit Sean und Bev befreundet, aber den Launen Castor Sottos ausgeliefert — und das Dilemma zwischen Freundschaft und immer neuen Stöckchen, über die die Autoren springen müssen, kostet die dritte Staffel „Episodes“ bis zur Neige aus.

Und natürlich sind da noch die alten Konflikte: Matt LeBlanc, fehlbesetzte Hauptfigur in Bevs und Seans Serie, hat mit Bev geschlafen, Matt LeBlanc hat mit der blinden Frau des vorherigen Senderchefs geschlafen, und Matt LeBlanc schläft mit der Tochter von Morning Randolph (Mircea Monroe), der Hauptdarstellerin von „Pucks!“, der grässlichen Sitcom, die Sean und Bev schreiben (müssen). Sean wiederum hat mit Morning geschlafen, so dass Sean und Bev, deren Ehe in Trümmern liegt, zu einer Therapeutin müssen. Zu einer Sex-Therapeutin, wie die Briten leider zu spät erfahren, was zu einer der der lustigsten Folgen führt, denn nichts hassen Briten (im wirklichen Leben) mehr, als über Sex zu reden. (Therapeutin: „Beverley, was würde deine Vagina zu Sean sagen, wenn sie sprechen könnte?“ Bev (mit verstellter Stimme): „‚Hello, Sean…'“)

Mit anderen Worten: da hat jeder seine „Episodes“ (lies: „psychotischen Schübe“).

David Crane (Co-Creator und Autor von „Friends“) und Jeffrey Klarik haben, so berichtet Stephen Mangan, als Autoren das Standing, sich nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen, und so hat es ein bisschen länger gedauert, bis diese Staffel fertig war — aber das war es wirklich wert. Dass Crane und Klarik tatsächlich gut aufgestellt sind, ahnt man auch, wenn man die schön drastische Zeichnung all der US-Fernsehaffen sieht. „Episodes“ als britisch-amerikanische Coproduktion wiederum schafft den Spagat, sowohl ein englisches wie ein US-Publikum anzusprechen. Und mich.

Schön, dass schon vor Ausstrahlung dieser Season eine vierte in Auftrag gegeben worden ist.

Goodbye Ladies

9. Oktober 2013 1 Kommentar

Natürlich hat niemand von den Rolling Stones erwartet, dass sie plötzlich zur Punk-Band würden, nur weil viele junge Menschen sich in den mittleren und späten Siebzigern plötzlich für den dreckigen, rohen, obszönen, wütenden Drei-Akkord-Blitzkrieg des Punk begeisterten. Nein, die Stones mussten bei dem bleiben, was sie zehn, fünfzehn Jahre früher groß gemacht hatte: saubere Rockmusik. Auch wenn sich ihre Platten neben denen von The Damned, den Sex Pistols und den Buzzcocks plötzlich sehr altbacken anhörten.

Vielleicht ist es also kein Wunder, dass auch Stephen Merchants neue und erste Solo-Sitcom „Hello Ladies“ (HBO, gerade ist die zweite Folge gelaufen) so angestaubt wirkt, so gar nicht frisch und hip, obwohl Merchant zusammen mit Ricky Gervais doch derjenige war, der der Sitcom vor mittlerweile gut zwölf Jahren zu einem neuen, seitdem kaum je wieder erreichten Höhepunkt verhalf, als „The Office“ (BBC2, 2001 – 03) zum ersten Mal auf den Bildschirmen der Welt zu sehen war.

Damals waren Gervais und Merchant quasi über Nacht zu den Rolling Stones der Comedy geworden, und seitdem sind sie, mit mehr oder weniger großen Aktualisierungen, bei dem geblieben, was am besten können: Mockumentaries und cringe comedy. Nur dass sie jetzt eben Solo-Platten machen.

Wann haben Soloprojekte alternder Rockstars je die Popularität früher Alben erreicht? Welcher Fan hält „She’s The Boss“, Mick Jaggers Album von 1985, oder Keith Richards‘ „Talk is Cheap“ (1988) in ähnlich großen Ehren wie „Beggars Banquet“ oder „Let it Bleed“?

Wenn Merchant der Richards zu Ricky Gervais‘ Jagger ist, dann ist „Hello Ladies“ Stephen Merchants „Talk is Cheap“.

In „Hello Ladies“, von Merchant und den beiden US-„The Office“-Autoren und -Regisseuren Lee Eisenberg und Gene Stupnitsky, spielt Merchant Stuart, einen britischen Webdesigner in Los Angeles, der vergeblich versucht, in die Film- und Fernsehgesellschaft vorzudringen, und dort insbesondere in die der heißen Chicks. Wenig hilfreich ist ihm dabei die Freundschaft zu Wade (Nate Torrence), seinem dicklichen und gerade von seiner Frau verlassenen Kumpel, sowie Kieves (Kevin Weisman), der auf Frauen die Wirkung hat, die Stuart gerne hätte. Kieves ist gutaussehend, charmant — ach ja, und er sitzt im Rollstuhl.

Und schon sind wir mittendrin in den cringe jokes. Stuart kann Kieves nicht ausstehen (warum er trotzdem mit ihm seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft), muss ihn aber regelmäßig mit den besten Weibern abziehen lassen, während er sich selbst wieder und wieder (und immer schön öffentlich) blamiert. Im Gegenzug ist er ekelhaft nicht nur zu Kieves, sondern auch zu Wade (warum der trotzdem mit Stuart seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft). Einzig mit seiner Untermieterin, der ambitionierten Nichtmehrganzsojungschauspielerin Jessica (Christine Woods), verbindet Stuart eine platonische Freundschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht.

Aber auch sie nutzt Stuart hauptsächlich aus: denn sie ist der Mädels-Magnet, ihre „Web-Serie“ bringt Stuart in Kontakt zu jungen Schauspielaspirantinnen. Gleichzeitig scheitert sie sowohl selbst an Beziehungen mit Männern als auch an der Dümmlichkeit ihrer Freundinnen, was sie in manchen deprimierten Momenten mit Stuart verbindet und zu einer Kandidatin für das alte Will they, won’t they-Spiel, nicht ganz unähnlich mit der Beziehung von Andy (Gervais) und Maggie (Ashley Jensen) in „Extras“.

Alles an „Hello Ladies“ wirkt, formulieren wir es so neutral wie möglich: wie Mainstream. Wie eine Network-Comedy. Jedenfalls nicht wie HBO. (Und tatsächlich ist es auch von oder jedenfalls mit ABC produziert.) Nichts daran ist überraschend, schon gar nicht die Figur des Briten in den USA. Dieses Klischee haben wir, und gar nicht vor langer Zeit, schon schöner ausgespielt in „Family Tree“ (dito HBO, in Coproduktion mit der BBC, 2013) gesehen, und, auf längere Distanz, in „Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011).

Stuart aber wirkt nicht wie ein Brite, dem etwa das Gefühlsgequatsche zwischen Wade und seiner baldigen Ex Marion wahnsinnig peinlich wäre und der seiner Tollpatschigkeit gewahr ist, mit der er eine solche Unterhaltung stört — Stuart ist einfach ein unsensibler Klotz, der mehrfach in die eheliche Aussprache reinplatzt und anschließend fragt, wie es gelaufen ist. Stuart fällt auch nicht die oberflächliche Freundlichkeit der Amerikaner auf (unter der seine Mitbewohnerin Jessica zu leiden scheint, ohne selbst mehr Tiefgang zu haben) — er ist noch viel oberflächlicher als alle Amerikaner. Nur nicht so freundlich.

Bleibt die Frage, warum wir ihm dann zusehen sollen: Stuart macht, unsympathisch wie er ist, jedes Mitgefühl unmöglich, und sei es nur das Mitleid, das David Brent durch seine Melancholie erzeugt hat. Stuart ist nicht melancholisch, oder nur nach den totalen Demütigungen, in den letzten Momenten jeder Folge, die noch wenigstens ein bisschen Identifikation ermöglichen — wenn auch längst nicht genug, um einen durch ganze Folgen zu tragen. Stuart ist einfach ein Arsch, und es wird zunehmend quälend, die halbstündigen Episoden auch nur bis zum Ende anzusehen: keine Identifikationsangebote, kein neuer Dreh, der der Tortur wenigstens Neuigkeitswert gäbe — nichts.

Übrig bleibt das komische Talent, das Merchant definitiv hat und mit dem er Situationen erzeugen kann, die durchaus lustig sind. Merchants Mimik, seine Körpersprache, sein Timing sind höchste Comedy-Kunst. Hätte er nicht diese Gaben, wäre er nicht neben Gervais auch in „Extras“ (BBC2, 2005 – 07) und „An Idiot Abroad“ (Sky1, 2010 – 12) ein so guter Counterpart zu Gervais gewesen. Es gibt einige Lacher in „Hello Ladies“, und Merchant schafft es, auf Gags, die man kommen sieht, hin und wieder noch einen draufzusetzen, den man nicht schon geahnt hat. Slapstick und Dialogwitze halten sich in der Waage, die Konstruktion der Folgen ist, aber das ist halt auch Teil des Problems, handwerklich sauber.

Stephen Merchant bleibt also der hochtalentierte Keith Richards, wie Gervais (obwohl sich immer mehr Fans von ihm abzuwenden scheinen) der Mick Jagger der Britcom. Aber „Hello Ladies“ wird als Neben- und Soloprojekt, und nicht als Meisterwerk in die Geschichte der Britcom eingehen.