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Artikel Tagged ‘Father Ted’

Innes interviewt Linehan

23. Januar 2014 Keine Kommentare

Neil Innes, Musiker und Wegbegleiter der Monty Pythons, ist ein lustiger Typ. Das legt jedenfalls das Interview nahe, das er mit Graham Linehan auf BBC Radio 4 geführt hat.

Ich bewundere ja schon (mal wieder) das Format, die Idee hinter der Interview-Reihe „Chain Reaction“, die Radio 4 da ausstrahlt: nämlich dass der Interviewte der einen Sendung der Interviewer der nächsten Sendung ist — und so immer zweimal nacheinander auftritt: erst als Befragter, dann als Fragender.

Tatsächlich sind die Fragen von Innes, den ich schon für seine dadaistischen Arbeiten mit der Bonzo Dog Doo-Dah Band und die Beatles-Parodien der Rutles mag, allein für sich sich genommen toll: „What were your feelings when you heard the news?“ „Can you remember who was to blame?“ „What is your biggest, your funniest and your most embarassing?“

So lustig die Fragen, so hörenswert auch die Antworten von Linehan, der einerseits Bekanntes über seine Karriere erzählt, andererseits auch Neues über etwa „The IT Crowd“. Ich jedenfalls wusste noch nicht, dass Linehan die Figur des Roy einfach nach sich selbst gestaltet hatte — und damit Chris O’Dowd vor ein mittleres Problem gestellt, weil der Charakter von Moss mit „das bin halt ich“ von Linehan nicht genau genug gezeichnet war, um ihn dreidimensional darstellen zu können.

Sehr gut auch die Feststellung von Linehan, dass man sich als Autor am besten hinter seinen Werken verstecken und unsichtbar machen sollte. Anekdotische Erklärung dazu: Wie sein Co-Autor Arthur Mathews und er einst auf eine „Father Ted“-Convention gegangen seien und diese praktisch ruiniert hätten, weil sie als einzige nicht kostümiert waren und so inmitten all der Priester, Bischöfe und Mrs. Doyles wirkten wie die Eltern, die plötzlich auf der Party ihrer Kinder auftauchen und fragen: Was zum Teufel ist denn hier los?

„Cuckoo“ revisited

19. Februar 2013 Keine Kommentare

Es ist ja oft gut, Sachen zwei-, dreimal anzusehen. Erst wenn man die Handlung und die Witze schon kennt, kann man sich nämlich auf die Mechanik hinter Serien und Filmen konzentrieren und gucken, wo die Fäden laufen, an denen die Puppen tanzen. Ich habe kürzlich noch einmal die ganze Staffel „Cuckoo“ (BBC3, 2012) gesehen, dabei festgestellt, dass die Serie auch beim zweiten und dritten Mal noch wunderbar funktioniert. Insbesondere die erste Folge ist mir noch eine Weile im Kopf herumgegangen.

In „Cuckoo“ geht es um den titelgebenden jungen Mann (Andy Samberg), einen hippiesken Amerikaner, der die 18jährige Rachel (Tamla Kari), Tochter einer englischen Mittelklasse-Familie, in Thailand kennen- und liebengelernt hat und nun mit ihr zusammen bei ihren Eltern in den englischen Midlands einzieht — zum Missfallen ihres Vaters Ken (Greg Davies). Denn Cuckoo ist eine veritable Landplage, faul und selbstgefällig, dabei allerdings gutaussehend und nicht uncharmant: nicht nur auf Rachel, auch auf ihre Mutter Lorna (Helen Baxendale) macht er durchaus Eindruck.

Die Konflikte und Spannungen sind also klar: hier der Silberrücken der Familie (Greg Davies ist ca. 2,95 Meter groß), da der freche Jungaffe, der dem Alten Revier und Weibchen streitig machen kann.

Wo nun beginnt man als Autor, diese Geschichte zu erzählen? Was ist Backstory? Wo beginnt die eigentliche Serie?

Es gibt zwei Arten von ersten Folgen bzw. Piloten: den sogenannten Premise Pilot im Gegensatz zu einer regulären ersten Folge, die sich von den anderen Folgen einer Serie nicht unterscheidet. Beide Möglichkeiten haben bestimmte Vor- und bestimmte Nachteile.

Der heute beliebtere Weg, eine Serie zu beginnen, ist der des Premise Pilot, in dem erzählt wird, wie die Hauptfiguren in die Lage kommen, aus der heraus die Serie anschließend erzählt wird: Wie die jungen Straffälligen in „Misfits“ durch ein mysteriöses Gewitter zu Superkräften kommen, mit denen sie anschließend umzugehen lernen müssen. Wie ein Werwolf und ein Vampir in einer WG ziehen, wo schon ein Geist wohnt, und was sich aus dieser Konstellation ergibt („Being Human“). Wie zwei junge Londoner umziehen wollen bzw. müssen und, um überhaupt eine Wohnung zu bekommen, ihrer Vermieterin in spe vorspielen müssen, sie seien ein Paar, obwohl sie sich überhaupt nicht kennen („Spaced“).

Solche Piloten haben den Vorteil, dass wir die Figuren und ihre Charaktere ausführlich vorgestellt bekommen, und dass wir erfahren, wie und warum sie in welche Situation gekommen sind. Das ist besonders dann hilfreich, wenn die Prämisse so außergewöhnlich ist, dass sie ansonsten schwer zu erklären wäre (siehe „Misfits“ und „Being Human“). Sie sind vermutlich auch leichter zu schreiben, weil man so nicht viel in Dialogen verpackt erklären muss („Weißt du noch, wie wir damals Annie kennengelernt haben?“).

Sie haben aber den großen Nachteil, dass sie sich von den anderen Folgen einer Serie womöglich sehr unterscheiden: Wir wissen nach der ersten Folge als Zuschauer nicht unbedingt, wie die nächste Folge aussieht, weil sie konzeptuell anders sein muss als die erste. Das ist für eine Serie keine gute Voraussetzung.

Daher bin ich im Grunde ein Fan der anderen Möglichkeit: Einer regulären ersten Folge, in der schon alles so ist, wie es später auch ist. In „The Office“ etwa müssen wir nicht erfahren, wie David Brent Chef wurde oder wie und warum ein Kamerateam ihn im Alltag begleitet. Es ist einfach da, filmt ihn und seine Untergebenen, und gut ist. In „Seinfeld“ streiten sich George und Jerry in der ersten Szene, als hätten sie nie etwas anderes getan, und das haben sie auch nicht. Die Charaktere und ihre Konstellation erklären sich aus sich selbst.

Ein großer Freund dieser Variante ist auch Graham Linehan, der uns weder in „Father Ted“ in einer eigenen ersten Folge erklärt, wie drei Priester auf eine einsame irische Insel gekommen sind, noch in „Black Books“ die Eröffnung von Bernard Blacks Buchladen. In „The IT Crowd“ sind die ITler schon in ihrem Kellerverschlag, als Jen als ihre Chefin dazustößt — aber damit kommen wir schon zum cleveren Teil der Problemlösung, die auch die Autoren von „Cuckoo“, Robin French und Kieron Quirke, gewählt haben:

Eine Mischung aus beiden Möglichkeiten.

Im Falle von „Cuckoo“ ist das schön offensichtlich, denn die Serie beginnt an einem thailändischen Strand, wo ein Platzregen eine Party abrupt beendet und Rachel und Cuckoo sich zum ersten Mal begegnen: Rachel noch ein braves Mädchen, das aber prompt die Sekretärinnenbrille abnimmt, als es von einem äußerst charmanten, aber wahnsinnig verblasenen Cuckoo angesprochen wird: ihre Verwandlung, ihre Befreiung (auch von ihrer kotzenden Freundin, die sich im gleichen Moment zurückzieht und Rachel mit Cuckoo alleine lässt), zusammengefasst in einem einzigen Bild. Schnitt auf Ken, der zuhause eine Collage aus braven Papa-&-Tochter- und anderen Familienfotos betrachtet und sich dann mit Lorna auf den Weg zum Flughafen macht, um Rachel abzuholen. Schon bei Minute drei tauchen Cuckoo und Rachel zusammen am Gate auf — und in der fünften, sechsten Szene sind bereits alle Fallen gestellt, alle Stricke gelegt und alle Gruben gegraben, in die die Figuren anschließend laufen.

Bei Linehan ist es meist nur die Ankunft je einer neuen Figur in einem ansonsten festgefügten Tableau (in „Black Books“ ist es die Nebenfigur des Manny Bianco, der das „Book of Calm“ verschluckt und so zum Nebenberufsheiligen mutiert, in „IT Crowd“ ist es die neue Chefin Jen, der Moss und Roy die Lage verklickern müssen), die die erste Folge von allen anderen unterscheidet — zu wenig, um als Premise Pilot durchzugehen, aber zu viel Veränderung, um nur eine beliebige Folge innerhalb der Serie zu sein.

„Cuckoo“ ist, und das betrifft nicht nur die erste Folge, sehr schön erzählt und so selbstsicher, dass die Autoren sich sogar trauen, für eine Folge die Chemie zwischen Ken und Cuckoo völlig zu verändern, und zwar durch eine (zumindest von Ken) unbeabsichtigt eingenommene MDMA-Pille. Genau diese Folge ist prompt die beste der ganzen Staffel, an deren Ende eine weitere unerwartete Änderung in der Chemie zwischen den Figuren steht.

Das wiederum unterscheidet die kurzen britischen natürlich von den langen amerikanischen Serien. Und darin dürfte auch die Antwort auf die Frage liegen, welche Art von Pilot die beste ist: das hängt stark von der Serie ab. Je statischer, je mehr auf Unendlichkeit angelegt oder sogar frozen in time, desto mehr spricht für eine erste Folge, die so ist wie alle anderen. Je kürzer, je dominanter der Handlungsbogen über der ganzen Staffel ist und je mehr eine Serie ein High Concept verflogt, desto mehr spricht wohl für einen Premise Pilot. 

Neues vom Kinderwagengesicht

14. Januar 2013 10 Kommentare

Pramfaces nennt der Engländer verächtlich die jungen und immer jüngeren Mütter aus der Unterschicht, die Chavs, die bauchfrei, talmibehangen, mit oben blond, darunter schwarz gefärbten Haaren und stets sichtbarem Stringtanga im Bus herumpöbeln. (Stewart Lee: „If I want to hear a twelve year old girl say ‚cunt‘, I can just go to Liverpool. In fact, the other day I heard an eleven year old girl say ‚cunt‘ on the bus. Although, to be fair, her daughter was behaving very badly.“)

Ein solch typisches Pramface ist Laura (Scarlett Alice Johnson), 18, aus der gleichnamigen Sitcom (BBC3, seit 2012) nicht — sie kommt aus der gehobenen Mittelschicht, während ihr One Night Stand Jamie (Sean Michael Verey), 16, eher in der Arbeiterklasse zuhause ist. In der ersten Staffel war sie schwanger, entsetzt darüber und doch entschlossen, das Kind zu kriegen, und am Ende waren die beiden zwar nicht zusammen, hatten sich aber mit der Situation halbwegs arrangiert.

Nun hat die zweite Staffel mit einem einstündigen Special begonnen, in dem das Kind (das noch in der letzten Szene der ersten Staffel auf die Welt kam) getauft werden soll — und gemeinsam mit dem Kind, so scheint mir, ist auch die Qualität der Serie gewachsen.

Hatte ich noch vor Jahresfrist darüber gemosert, dass mir Lauras Motiv nicht klar sei, dieses Kind zu kriegen, so ist die Motivlage nunmehr klar, das Baby ist schließlich geboren. Und zwar gibt es immer noch Gründe, die Show zu kritisieren (die zum Beispiel einseits Wert auf einen gewissen Realismus legt, in der andererseits ein Baby von Teenagern in einem Korridor zur Welt gebracht werden kann, ohne dass es dabei Komplikationen gibt oder anschließend das Jugendamt einschreitet). Ein paar Schauspieler und ihre Dialoge wirken immer noch hölzern (etwa Beth, Yasmin Paige, die zum Glück nicht mehr so viel Raum einnimmt wie in der ersten Staffel). Aber insgesamt machte dieses Special durchaus Hoffnung für die weiteren Folgen.

Das mag nicht zuletzt an den Gaststars gelegen haben: allen voran die viel zu selten zu sehende Pauline McLynn, ihres Zeichens Mrs. Doyle aus „Father Ted“, David Armand („How Not to Live Your Life“) und Ronald Pickup („The Worst Week of My Life“). (Leicht skurril auch, Ben Crompton [„Ideal“] als Jamies Vater wieder zu sehen, nachdem ich ihn zuletzt in „Game of Thrones“ gesehen hatte.)

Interessanterweise schreibt der Sitcom Geek in seinem Blog just vor ein paar Tagen genau über das Thema Guest Charakters, und kommt — er ist selbst Comedyautor — zu dem Schluss, für diese sei es viel schwieriger, Witze zu schreiben, weil die Zuseher die Gastfiguren ja nicht kennten, nicht in sie und ihre Probleme investiert hätten und daher auch nicht über Scherze lachen könnten, die aus den Charakterzügen dieser Figuren entstünden. Das ist bestimmt auch richtig — sofern der Zuschauer außer den Figuren auch ihre Schauspieler nicht kennt.

Kennt er aber die Schauspieler, können Gaststars enorm dankbar sein. Pauline McLynn sagt hier in ihrer Rolle als irisch-katholische alte Schachtel sogar „Sex, Sex, Sex“, ein wörtliches Zitat aus „Father Ted“, wo sie noch viel öfter „go on, go on, go on“ sagt, so dass auch der letzte Gelegenheitsglotzer weiß, an wen ihre Figur hier angelehnt ist — Typecasting pur und vom Feinsten. Und selbstredend weiß jeder, der schon zwei englische Sitcoms gesehen hat, wie die Figur wohl gestrickt sein wird, die beispielsweise Mark Heap (wie zuletzt bei „Outnumbered“) als Gaststar spielt.

Fairerweise muss ich dazusagen: „Pramface“ verlässt sich nicht ausschließlich auf die Gaststars. Nein, es sind einige schön gebaute Szenen darin, wenn etwa Jamie seinem Vater inkognito einen Job als shelf-stacker im örtlichen Supermarkt besorgt, wo er selbst arbeitet, — und ihn dann prompt feuern muss. Oder wenn Jamies dusseligem besten Freund Mike (Dylan Edwards) der heiße Sex mit einer Traumfrau verwehrt bleibt, weil er religiös geworden ist und das Bild des gütig lächelnden Jesus ihm Gewissensbisse bereitet, was sie mit den Worten „too bad, I was going to do my whole repertoire to you!“ quittiert, woraufhin ihm nur einfällt: „Fuck, you got a repertoire?!“

Dafür, mit einem Wort, dass diese Serie so gar nicht auf mich gezielt ist, finde ich sie doch ganz okay.

Ihre Bestellungen bitte

16. Oktober 2012 2 Kommentare

Die gute Nachricht: eine der besten Serien dieses Jahres, „Moone Boy“ (Sky 1) von und mit Chris O’Dowd („The IT Crowd“), gibt es jetzt auf DVD zu bestellen. Das sollte sich niemand entgehen lassen, der den irisch-britischen Humor von O’Dowd mag, den er mit Graham Linehan teilt — kein Zufall, dass „Moone Boy“ mehrfach auf die beste irisch-britische Sitcom aller Zeiten, „Father Ted“, anspielt, die ebenso von Linehan stammt wie „The IT Crowd“. (Von „Father Ted“ gibt es zu Weihnachten übrigens — schon wieder — ein neues Boxset, diesmal hoffentlich mit etwas intuitiver verständlichem Menü.) Beide Serien teilen sich darüberhinaus den gleichen Regisseur, nämlich Declan Lowney.

Die womöglich schlechte Nachricht: für gewöhnlich erscheinen die DVDs der ersten Staffel nicht schon direkt nach dem Ende der Erstausstrahlung, sondern dann, wenn die zweite Staffel anläuft — also in der Regel ein Jahr nach der ersten. Ich hoffe mal, dass diese schnelle Publikation in diesem Falle nicht bedeutet, dass es keine zweite Staffel geben wird, obwohl ich das nicht für ausgeschlossen halte. Denn die imaginären Freunde von Kindern, das zentrale Feature dieser Serie, überleben ja nur selten (und dann vermutlich eher in klinischen Fällen) die Pubertät, und Martin (David Rawle) steht direkt vor seiner. Das wäre durchaus schade. Aber vielleicht finden O’Dowd und sein Coautor Nick Vincent Murphy ja sogar einen Weg, auf die Figur des unsichtbaren Freundes zu verzichten, wer weiß.

Der unsichtbare Zweite

17. September 2012 7 Kommentare

Es gibt Sitcoms, die haben eine so gute Grundidee, dass man sich in ihnen sofort zuhause fühlt. Eine Idee, die so brillant ist, dass sie naheliegend erscheint (obwohl dann ja auch schon mal jemand anderes hätte draufkommen können). Wenn diese Idee dann auch noch so schön umgesetzt ist, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, genau diese Serie hätte man lange vermisst, obwohl man sie noch gar nicht gesehen hat —

dann könnte es sich um Chris O’Dowds „Moone Boy“ handeln (gerade angelaufen bei Sky1, die einmal mehr ein Händchen für Comedy beweisen). „Moone Boy“ erzählt die Geschichte einer Kindheit: Martin ist elf und hat, wie viele Kinder, einen unsichtbaren Freund. Unsichtbar aber nur für die Menschen in der Story; wir können ihn durchaus sehen: Es ist Sean (Chris O’Dowd, „The IT Crowd“), der ihm immer zur Seite steht. Mal mit klugen, mal mit weniger klugen Ratschlägen, manchmal nur, um allzu derbe Schimpfworte mit seinem Banjo zu übertönen. Einmal hilft er Martin (David Rawle) bei einem Liebesbrief: „You smell even nicer than…“ — „Crisps.“ („I smell like crisps?“ fragt später die Adressatin. Martin: „Nicer!“) Und Sean ist genauso uncool wie Martin, das sieht man schon daran, dass sie beide die gleiche schlimme Wollmütze tragen.

Patina erhält „Moone Boy“ dadurch, dass es ins Irland der Achtziger verlegt ist; es ist nämlich tatsächlich halb autobiographisch von O’Dowd angelegt, und obwohl die Zeiten rau sind (wann waren sie das nicht in Irland) und die Schulkameraden von Martin sich als echte Bullies erweisen, sind ihre Väter das genaue Gegenteil: der Vater der Bullies, von Martins Dad zur Rede gestellt, erweist sich als Softie, mit dem sich gut trinken und Karten spielen lässt, was Martin nicht weiterhilft, aber der ersten Folge zu vielen Lachern Anlass gibt: Immer mehr butterweiche und überforderte Väter schließen sich zusammen, tun so, als ob sie Angeln oder Karten spielen, sind aber in Wirklichkeit echte Herzchen („Be dad, not sad!“), die sich von ihren Kindern herumschubsen lassen. Etwa wenn sie gerne ihr „Water-Colouring Programme“ (was auch immer das sein soll) sehen wollen, die Kinder aber „Dynasty“ gucken möchten: „Switch over please!“ versucht Martins Dad vor versammelter Vätermannschaft sich gegen einen älteren Sohn durchzusetzen. „No Dad, Dynasty’s on!“ gibt der zurück, und „I think we should leave“ wispert sofort einer der eingeschüchterten Väter den anderen zu.

Zwar habe ich mich nicht wenig gewundert, als schon in der zweiten Folge Sean, der unsichtbare Freund, gar nicht richtig eingesetzt wurde; womöglich ist er in der Rolle des Sidekicks aber schon ganz gut aufgehoben. Dafür hatte Steve Coogan einen sehr guten Auftritt, und auch Johnny Vegas soll sich noch im Verlauf der Serie blicken lassen. Die ist mitproduziert von Baby Cow und wagt sich an nichts weniger als die Nachfolge von „Father Ted“ (1995 – ’98, Channel 4), unternimmt also den Versuch, genauso warm und komisch zu sein wie das große irisch-englische Vorbild. „Feck off, ducks!“ ruft Martin einmal, als ob es das father ted’sche Schimpfwort in den Achtzigern schon gegeben hätte.*

Diese Latte liegt hoch, aber „Moone Boy“ ist so schlafwandlerisch sicher im Ton, so eigenständig und rund, dass es sicher das Zeug zum kleinen Bruder von „Father Ted“ hat. Den Regisseur teilen sich die Serien jedenfalls: Declan Lowney, den sich Coogan auch als Regisseur des kommenden Alan Partridge-Films (2013 ist es so weit) ausgesucht hat.

* Tatsächlich gibt es „feck“ als (milderen) Ersatz für „fuck“ wohl schon länger, „Father Ted“ hat dem Wort nur größere Bekanntheit auch außerhalb von Irland eingebracht. Zumindest „feck off“ dürfte allerdings  trotzdem eine Anspielung auf „Father Ted“ sein.

Lacht am Ende des Tunnels

4. November 2011 1 Kommentar

Britische Fernsehverantwortliche setzen derzeit auf helle, schnelle „laugh out loud“-Comedy, die Phase bös-finsterer Satire ist erst mal vorbei: Das berichtet das Comedy-Portal Chortle und zitiert dafür den BBC-Comedy-Commissioner Kristian Smith sowie Baby-Cow-Produzenten Henry Normal.

Die letzten zehn Jahre der (englischen) Comedy waren geprägt von peinlich berührten Blicken in die Kamera, ungemütlichen Situationen und trüben bis trostlosen Tönen. Nun könnte der Trend in die andere Richtung gehen: Die BBC setzt für die nächste Zeit auf Slapstick, „Live vor Publikum“-Sitcoms, leichtere Unterhaltung — mehr LOL als OMG.

Schon eine ganze Weile spekuliere ich hier im Blog immer mal wieder, wohin die Britcom driften könnte (z.B. hier und zuletzt nur vier Einträge weiter unten im Eintrag zu „Fresh Meat“): „The Office“ (BBC2, 2001 – ’03) ist mittlerweile wirklich alt, ebenso der Mockumentary-Stil, der naturgemäß auf Selbstentblößung und Fremdscham setzt, seelische Grausamkeiten a lá Julia Davis in „Nighty Night“ (BBC3/BBC2, 2004 – ’05) und Kammerspiele wie die maßstabsetzende „Royle Family“ (BBC1, 1998 – 2000). Die Nuller-Jahre waren voll mit cringe comedy, die mehr auf Dialoge als auf Action setzte, oder, wie Henry Normal sagt:

There was a style that started with „People Like Us“ and „The Royle Family“ that was a sort of post-punk movement, trying to get away from „ooh, the vicar’s come round and my trousers have fallen down“ approach and tried to do something a little too different.

Nun schwingt das Pendel offenbar in die andere Richtung: Die Sender bestellen vorwiegend wieder klassischere Sitcoms, familientaugliche Ware wie das preisgekrönte „Miranda“ (BBC2, 2009 – ) von und mit Miranda Hart als tollpatschige Besitzerin eines Scherzartikel-Ladens oder „Gavin & Stacey“ (BBC3/BBC2/BBC1, 2007 – ’10). Zwar werde es weiterhin low-key Sitcoms wie Simon Amstells „Grandma’s House“ (BBC2, 2010 – ) geben, es sei aber ein „Appetit auf laugh-out-loud-Comedy spürbar“. Und also werden die ohnehin nicht allzu üppigen Budgets in nächster Zeit wohl für eher an den Mainstream gewandte Comedy ausgegeben werden.

Was zunächst wie eine schlechte Nachricht klingt, muß aber keine sein: Wirklich erfolgreich wird nämlich erst eine tatsächliche Weiterentwicklung der traditionellen Sitcom werden, kein bloßer Rückfall in ausgetretene Hohlwege. Es wird Innovationen brauchen, um sowohl das Feuilleton wie auch das Publikum zu gewinnen. Kristian Smith:

We see a lot of people who can write brilliant gags without having a strong character or strong idea. But it’s those things with real heart that push through.

Womöglich war es das, was mich beim schon oben verlinkten „Friday Night Dinner“ (Channel 4, 2011 – ) jedenfalls prinzipiell an diesen neuen dritten Weg denken ließ: zwar single camera gedreht, aber im Prinzip wie eine Publikums-Sitcom aufgebaut, zwar familientauglich sympathische Figuren, aber trotzdem mit originellen cringe-Momenten — und Robert Popper („Look Around You“) wäre auch genau der Typ gewesen, dem ich das zugetraut hätte: Channel 4-Produzent, ebendort Commissioning Editor for Comedy und Script Editor für viele große Serien inklusive „Black Books“, „Peep Show“ und „The Inbetweeners“. Leider wird es offenbar erst Ende nächsten Jahres mit „Friday Night Dinner“ weitergehen, und die durchschlagende neue Idee war in der ersten Staffel „FND“ dann doch noch nicht so genau zu erkennen — aber die meisten bahnbrechenden Innovationen erkennt man ja ohnehin erst retrospektiv.

Ich jedenfalls hätte nichts gegen wärmere, liebenswürdigere, quatsch-orientiertere Britcoms. Meine langjährige Lieblingsserie „Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001) war wohl so etwas wie der Schwanengesang dieser Richtung, meine andere Lieblingsserie „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) einer ihrer Höhepunkte: an ein breites Publikum gewandt, das sie auch erreicht hat, unschuldig-naiv zuweilen, vor allem aber sehr, sehr komisch — LOL eben. Nicht OMG.

UPDATE: Der Independent bringt heute ein Stück zum Thema: „Sitcoms: It’s beyond the cringe, and back to the bellylaugh“