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Parks and Recs and Kimmy Schmidt

16. März 2015 6 Kommentare

Groß war meine Trauer nach dem Ende von „Parks and Recreations“ (NBC, 2009 – 15): Gerade die siebte Staffel, mit 13 Folgen knapp halb so lang wie die Mehrheit der Staffeln (nur die erste hatte lediglich sechs Folgen und die dritte 16, alle anderen bestanden aus 22 bzw. 24 Folgen), gerade diese Staffel also, die NBC statt am Donnerstag nun Dienstags ausgestrahlt hat, und zwar zum größeren Teil in Doppelfolgen, war noch einmal ein Beleg dafür, welch enormes Potential Amy Poehler und das Ensemble hatten (insbesondere Nick Offerman und Aubrey Plaza), und mit welch brillant komischen Einfällen Greg Daniels und Michael Schur aufwarten konnten.

Allein die Idee, die letzte Staffel zwei Jahre (bzw. drei in der erzählten Zeit) in die Zukunft zu verlegen, so dass sie 2017 spielt, war Gold wert: all die lustigen technischen Gimmicks (allen voran die Smartphones mit Holoscreens), von Gryzzl, einer Firma, die sich zwar wie der Orwellsche big brother verhält, inklusive Datensammeln und Totalüberwachung, aber eben wie ein extrem cooler, hipstermäßiger großer Bruder, dem keiner böse sein kann (Firmenmotto: „Wouldn’t it be tight if everyone was chill to each other?“)!

Auch die persönlichen Veränderungen — Ben (Adam Scott) und Leslie sind nun Dreifacheltern, allerdings sieht man die Drillinge kaum, stattdessen aber die Schneisen der Zerstörung, die sie in der elterlichen Wohnung hinterlassen, Ron führt eine Baufirma namens „Very Good“, Andy (Chris Pratt) hat seine eigene Fernsehshow — erlauben es den Figuren, noch einmal über sich hinauszuwachsen und ihre komischen Seiten noch stärker vergrößert auszuspielen.

Figuren und Stories so stark zu überzeichnen, dass ihr Wahnsinn noch heller strahlt, ohne dabei zu Karikaturen zu werden: das hätte sicher nicht länger als diese eine Staffel lang funktioniert (womöglich nicht einmal über 24 Folgen). So aber, eine halbe Staffel lang, war es der beste Abschluss, den sich „Parks and Recs“ wünschen konnte.

Es wird für Amy Poehler sicher nicht einfach, über Leslie Knope hinwegzukommen. Leslie war ein so guter Charakter — komisch, charmant, durch und durch positiv, was für eine Comedy-Figur eine echte Ausnahme ist: man konnte sich mit Leslie einwandfrei identifizieren — dass die Versuchung groß sein wird, wieder in eine ähnliche Rolle zu schlüpfen, oder eben in eine komplett andere. Beides wäre schade, wie es überhaupt schade ist, dass Leslie Knope nun nie mehr neuen Herausforderungen mehr mit telefonbuchdicken Aktenordnern mit Strategiepapieren begegnen soll.

Ich werde Leslie Knope vermissen, ich werde Ron Swanson, die humane Erscheinungsform der grumpy cat, vermissen, und ich werde die weirdness von April Ludgate vermissen.

Zum Glück allerdings ist genau in dem Moment, wo der Comedygott die Tür hinter „Parks and Recs“ zugemacht hat, auch ein Fenster aufgegangen: das zu „Unbreakable Kimmy Schmidt“.

Tina Feys 13teilige Netflix-Serie hat sich als das perfekte Betäubungsmittel für die Trauer um „P&R“ erwiesen: und die Figur der Kimmy Schmidt (Ellie Kemper aus dem US-„The Office“) mich zunächst auch verblüffend an Leslie Knope erinnert.

Denn auch Kimmy ist eine durch und durch optimistische, aufgekratzt-fröhliche, zur Identifikation einladende weibliche Hauptfigur, für die das Glas immer halb voll und auch noch das schönste Glas auf der ganzen Welt ist. Sie ist ähnlich unerschütterlich, will jedem Menschen Freund sein und sieht die Welt durch die Augen einer Fünfzehnjährigen.

Denn Kimmy ist eine von vier Frauen, die ihr halbes Leben von einem irren Sektenführer (als Gast: „Mad Mans“ Jon Hamm) in einem unterirdischen Bunker in Indiana gefangengehalten worden sind im Glauben, die Welt sei bei einer atomaren Apokalypse vernichtet worden. Erst als Kimmy schon fast 30 ist, werden die „Mole Women“ (wie die Presse sie geringschätzig bezeichnet) befreit — und Kimmy, der sofort klar wird, dass sie sich von diesem Stigma befreien muss, zieht umgehend nach New York und fängt ein neues Leben an. Von nun an ist alles für sie neu — nicht nur, weil sie 15 Jahre von der Welt abgeschnitten war, sondern auch, weil sie die ersten 15 Jahre ihres Lebens in der tiefsten Provinz verbracht hat.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ trägt unverkennbar die Handschrift von Tina Fey (und Robert Carlock, auch bei „30 Rock“ schon als Showrunner mit dabei): unglaublich schnell erzählt, vollgepackt mit absurdistischen Gags, getragen von einem Netz von guten Figuren und deren Beziehungen untereinander. Kimmy lernt die Welt nämlich zunächst durch die Augen ihres Mitbewohners Titus Andromedon kennen (Tituss Burgess), eines arbeitslosen, schwarzen, homosexuellen Musicaldarstellers — das Paradebeispiel einer Figur, die larger than life ist. Und da ist Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski, „30 Rock“), die rich bitch, alleinerziehende Manhattanbewohnerin, bei der Kimmy als Nanny arbeitet.

Schon nach wenigen Folgen aber ergibt sich ein ganzes Geflecht von Figuren, die „Kimmy Schmidt“ zu einem Ensemble erweitern, das dem von „30 Rock“ und „Parks and Recs“ in nichts nachsteht: die verzogenen Plagen von Mrs. Voorhees, ein reicher Schnösel sowie Dong, ein koreanischer GED-Kollege Kimmys, die um ihre Liebe konkurrieren.

Und es gibt etliche Gastauftritte, von Kiernan Shipka („Mad Men“) als Kimmys schlecht gelaunte Halbschwester über „Breaking Bads“ Dean Norris als Titus‘ straight coach bis hin zu Fey selbst als Parodie einer unbegabten Rechtsanwältin.

Aber Ellie Kemper als Kimmy Schmidt ist sicher die beste Besetzung, die man sich vorstellen kann: ihre Präsenz, ihr perfektes Timing, und welch komischen Effekte sie allein mit ihrem Gesicht erzielen kann, mit einem Schmollmund, einem Augenaufreißen, einem ratlosen Augenrollen, ist sensationell. Kemper ist eine große Entdeckung, und sollte „Kimmy Schmidt“ zu dem Erfolg werden, den es verdient, wird sie in acht oder neun Jahren vor dem selben Problem stehen wie Amy Poehler: sie wird mit Kimmy Schmidt verschmolzen sein zu einer der ganz großen weiblichen Comedyfiguren.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ ist, was viele andere Sitcoms nicht sind: hysterically funny. Für einen guten Gag schlägt das Drehbuch da nicht einen Haken, sondern drei, und nach dem dritten läuft es dann einfach mal eine Weile in eine vollkommen unerwartete Richtung und kommt nicht mehr zurück — sondern kippt, nur zum Beispiel, in einen schwarzweißen Musical-Film aus den 30ern über schwule Seemänner.

Das einzig Ärgerliche an „Kimmy Schmidt“ ist, dass es nur 13 Folgen sind, die man auch noch alle auf einmal gucken kann, und nicht, sagen wir, 130, von denen nur eine am Tag kommt. Dann hätte man nämlich viel länger etwas davon. So muss man darauf warten, dass Netflix die zweite Staffel online stellt. Was hoffentlich bald passieren wird, denn „Unbreakable Kimmy Schmidt“ gehört zu den besten, komischsten, genialsten Sitcoms der letzten Jahre.

Recreational Comedy

26. April 2011 5 Kommentare

Gerade als man dachte, der große Sitcomtrend der letzten Dekade sei tot, läuft nun doch noch eine Mockumentary im Stile von „The Office“ zu neuen Höchstformen auf: „Parks and Recreation“ (NBC) dürfte derzeit neben „Modern Family“ die beste US-Sitcom sein. Denn sie gibt dem dokumentarischen Stil das zurück, was bei der amerikanischen „Office“-Version zuletzt arg fehlte: Relevanz.

Man könnte es beinah satirisch nennen, wie „Parks and Recreation“ die kommunale Politik in der amerikanischen Provinz beschreibt: Leslie Knope (Amy Poehler) ist die stellvertretende Leiterin der Abteilung „Parks und Erholung“ im (fiktiven) Städtchen Pawnee, Indiana. Ihr ungebrochener Enthusiasmus für Grünanlagen, Spielplätze und ihren Job kollidiert ständig mit der Haltung ihrer Kollegen, die längst resigniert haben, auf ihre Verrentung warten, nur ihren eigenen Vorteil suchen oder ganz generell gegen jede Form von Staat und Regierung sind, wie ihr Vorgesetzter Ron Swanson (hervorragend mit Betonfrisur, Schnauz und stets todernstem Gesicht: Nick Offerman). Knopes größtes Projekt zu Beginn der Serie ist es, aus der aufgelassenen Grube eines gescheiterten Bauunternehmens einen, genau: Stadtpark zu machen. Und zwar wenn nötig auch gegen den Widerstand der Erzfeinde des „Parks and Recreation“-Departments: die Bibliothekenverwaltung, die dort eine Bücherei errichten möchten. Keine leichte Aufgabe für Knope, die Leute von der Bibliothekenverwaltung sind schließlich sehr belesen, aber Leslie nimmt die Herausforderung gut gelaunt und kämpferisch wie allzeit an…

https://www.youtube.com/watch?v=PdxkdQ-gmaw?fs=1&hl=de_DE

Nur beinah satirisch ist „Parks and Recreation“, weil die Scherze über unfähige Stadtplaner, korrupte Kommunalpolitiker und Wutbürger, die sich sogar darüber beschweren, daß auf dem im Park gefundenen Sandwich kein Senf war, nie zu aufklärerisch werden. An erster Stelle steht immer der komische Effekt – und der beruht einerseits so sehr auf den prima gezeichneten Charakteren, wie man es aus britischen Sitcoms kennt (die permanent gelangweilte, apathische Praktikantin etwa ist ein Musterbeispiel beobachtender Comedy), ist aber so dicht an Gags, wie es nur US-Sitcoms hinbekommen. Allein die vielen Fresken in der Stadtverwaltung sind schon ein unerschöpflicher Quell von Komik: gemalt im naiven Realismus der dreißiger Jahre verprügelt da ein weißer Farmer seine Frau, wird ein gefesselter Indianerhäuptling mit einer großen Kanone von US-Soldaten erschossen oder eine Hochzeit zwischen einem Indianer und einer Weißen von sowohl aufgebrachten Rothäuten als auch weißen Siedlern brutal überfallen – selten hat man in einer Network-Sitcom so explizite Witze über die amerikanische Geschichte gesehen. Solche Scherze gehen vermutlich nur durch, weil sie in einem vordergründig heiteren und harmlosen Rahmen erzählt werden, wie ihn die US-Version von „The Office“ eben auch hat.

Tatsächlich stammen die Serien-Macher Greg Daniels und Michael Schur aus dem kreativen Team der US-„Office“-Produktion, und auch Rashida Jones, eine der „P&R“-Hauptfiguren, hat man dort schon gesehen. Doch „Parks and Recreation“ darf nun nicht als Spin-Off mißverstanden werden; das ist es nicht. Sondern eine leider sträflich unterbewertete politische Sitcom, die den Vergleich mit dem brillanten britischen „The Thick of It“ nicht scheuen muß. Gerade weil sie dem bösartig beißenden Humor der Engländer, die mit ihren Regierungspolitikern ins Gericht gehen, einen hinterhältig nachsichtigen Blick auf Provinzpolitiker der mittleren Eben entgegensetzt, der aber genauso aussagekräftig ist. Und, falls ich das noch nicht oft genug gesagt haben sollte, sehr, sehr komisch.