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„Pardon“: Das untote Magazin kehrt zurück

9. Dezember 2012 53 Kommentare

Ich habe von der neuen Pardon, mittlerweile zum zweiten Mal exhumiert und wiederbelebt, natürlich nicht wirklich erwartet, dass sie im Wortsinne satirisch oder auch nur komisch sein würde. Nicht mal unterhaltsam. Interessiert hat mich, als ich sie gekauft habe, eigentlich nur, wie und wie sehr dieses Nebenprojekt des Ex-Cicero-Chefs Wolfram Weimer (Ex-Focus-, Ex-Welt-Chef) scheitern würde. Die Indizien dafür, dass es scheitern würde, häuften sich dann allerdings schneller als gedacht. Ich zähle sie mal auf.

Das Heft ist auf Einmaligkeit angelegt. Das ahnt man jedenfalls, wenn man sich nur den Titel ansieht: Da stehen (neben dem Cartoon eines lächelnden Gottvaters — wie oft habe ich mittlerweile darüber geschrieben, dass deutscher Humor sich v.a. dadurch auszeichnet, dass er sich immer plakatieren muss, dass er immer mit einem lächelnden oder lachenden Gesicht darauf verweisen muss, dass es hier was zu lachen gibt, dass es gleich lustig wird?), da stehen also neben dem Covermotiv nicht etwa die Themen des Heftes, sondern die Autoren: Martenstein, Kinski, Beetlebum, Nuhr, Barbie, Karasek, Hirschhausen, Loriot, Böll, Langhans, Woody, Obama, Schnutinger, Glück. Dann war kein Platz mehr, sonst wären da noch Vince Ebert, Matthias Matussek, Peter Härtling, Gerhard Zwerenz und, ja doch: Hilmar Klute gelandet, die ebenfalls im Heft vertreten sind.

Kein gutes Zeichen, wenn drei annoncierte Autoren schon lange tot sind, und viele andere so omnipräsent, dass man sich fragt, wer für Pardon Geld ausgeben möchte, wo er doch nur den Fernseher einschalten muss, um sie kostenlos sehen zu können. Abgesehen davon, dass man ahnt: kaum einer der Prominenten, schon gar nicht Woody Allen (der es sich gefallen lassen muss, nur mit Vornamen genannt und angekumpelt zu werden), hat speziell für Pardon zum Stift gegriffen — vermutlich könnte Pardon schon froh sein, wenn es nur Zweit- und nicht Viert- und Fünftverwertungen der Promiautoren wären.

Neu oder anders, irgendwie alternativ kann Pardon also schon mal nicht sein, im Gegenteil: da wird die größtmögliche Nähe zum Mainstream gesucht, von dem man sich wohl erhofft hat: der hat schon so viel gewichtloses Humor-Balsaholz mitgenommen, da wird es für ein weiteres Magazin auch noch reichen.

Alternativ möchte dieses Satiremagazin, das speziell auf die Humorbedürfnisse von Hilmar Klute zugeschnitten scheint, auch allenfalls zu Titanic sein. Zwar bedient man sich da in der Formgebung und kopiert etwa die „Briefe an die Leser“, die hier „Schreiberbriefe“ heißen (o Gott!), dafür hat man auch nur drei zusammenbekommen, in denen dann Wladimir Kaminer, Florian Schroeder und Hans A. Nikel irgendwas schreiben dürfen (obwohl zwei der drei nicht mal „Schreiber“ sind, sondern Kabarettist und Exverleger/Bildhauer). Aber gerade Hans A. Nikel, Herausgeber der alten Pardon, schafft es, seine Meriten und die alten Pardon-Autoren zu erwähnen, dabei aber konsequent alle späteren Titanic-Granden unter den Tisch fallen zu lassen: Erich Kästner wird da aufgezählt, Loriot, Werner Finck, Iring Fetscher, Peter Härtling, Erich Fromm, Robert Jungk, Carl Amery, Karlheinz Deschner, Elke Heidenreich, Ephraim Kishon, Alexander Kluge, Eugen Kogon, Robert Neumann, Wolfgang Neuss, Peter Rühmkorf, Wolf Wondratschek, Günter Wallraff und Gerhard Zwerenz — halt alle, die einem sofort einfallen, wenn man das Stichwort „deutsche Satire“ hört.

Das ist nicht das Who-is-who der deutschen Satire, das ist nur das Who?.

So wie es sich, wie Nils Minkmar in der FAZ schreibt, mit einer Neuauflage von Pardon ohne WimS (deren Macher Nikel beim Namedropping ignoriert) so verhält, als würde man „nur jene BBC-Sendungen, die umittelbar vor und nach ‚Monty Python’s Flying Circus‘ ausgestrahlt wurden, auf DVD vertreiben, nicht aber die Sketche der Komikertruppe“.

Wer aber ein Satiremagazin von Menschen vollschreiben lässt, die „politisch in der Nähe jeder Fernsehkamera stehen“ (Wiglaf Droste), der darf vor allem eines nicht erwarten: Haltung. Die einzige Haltung von Peter „Bulo“ Böhling und Daniel Häuser, den Verantwortlichen für die Neuausgabe — die übrigens aussehen, als kämen sie frisch aus einer Werbeagentur — ist die: dass sie möglichst dabei sein wollen beim großen Gesamtscheißdreck; und ihre Kränkung darüber, dass sie das nicht jederzeit und überall schaffen, halten sie schon für die Verzweiflung am System, die für Satiriker Grundlage ihres Schaffens ist.

Wenn sich nämlich Daniel Häuser „erbärmlich“ fühlt, dann weil er am Münchner Flughafen steht (wo sich Satiriker ja praktisch dauernd begegnen) und nur nach Köln-Bonn fliegt statt nach „JFK“, wie der Kollege, dem er begegnet. Der frühstückt ihn mit den Worten „Wir telefonieren!“ ab — und ruft dann aber nicht an. Frustrierend!

Wolfram Weimer hat es da besser, der darf zwar auch nicht nach „JFK“ fliegen, dafür nach Moskau. Und anschließend in einem „offenen Brief“ an (den Leser?) Wladimir Putin seinem Publikum mitteilen: „Vor einigen Tagen habe ich Sie im prächtigen Alexandersaal Ihres karminroten Kreml erlebt“; er, Weimer, durfte also dabeisein beim Jetset, aber gefallen hat es ihm nicht, schließlich ging es zu so einem Ausländer da, der vermutlich auch nicht anrufen würde, selbst wenn er es verspräche. Die Welt ist schlecht.

„Put in jail“ sagt auf der gleichen Seite ein (von „Bulo“ gezeichneter) Putin (warum und zu wem eigentlich?); das unterbietet locker noch das SZ-Karikaturenunwesen.

Was bleibt, sind Nachdrucke aus alten Kalendern (Tiere, die als Promis verkleidet sind), ganzseitige Fotos, die Häuser und Böhling offenbar irgendwie komisch vorkamen (Plastikprodukte, die kurz im Toaster waren, Promis, die fast unsichtbar werden vor einem zusammengephotoshopten Hintergrund aus Elementen ihrer Oberbekleidung) und Nachdrucke aus alten Ausgaben der Pardon. Warum aber heute eine Haitzinger-Karikatur vom Dezember 1973 ganzseitig ins Heft gerückt werden muss, auf der zu sehen ist, wie sich Richard Nixon auf Strümpfen ins Haus schleicht, wo schon die Freihheitsstatue mit dem Nudelholz auf ihn wartet — das bleibt vollkommen rätselhaft.

Wer noch einen Beleg braucht, dass die Macher dieses „Satiremagazins“ nicht nur praktisch Stümper sind, sondern auch in der Theorie versagen, dem liefern sie diesen Beleg gerne und gleich doppelt. Einmal im Editorial, wo die Herausgeber über ihre „spitze Feder“ schreiben, „mit der sich Menschen viel trefflicher wachrütteln lassen als mit dem Holzhammer“.

Eine spitze Feder, mit der man Menschen wachrütteln kann. Statt sie mit einem Holzhammer wachzurütteln.

Das ist auf so vielen Ebenen Quatsch und nicht mal ein halber Gedanke, dass ich gar nicht weiß, wo ansetzen: dabei, dass die „spitze Feder“ etwas für Autoren ist, die sich selbst „Schreiberlinge“ nennen? Dass die Angst vor dem „Holzhammer“ die ist, dass man anschließend nicht mehr von Kollegen angerufen wird, die nach „JFK“ fliegen? Dass das Vorhaben, mit Satire Menschen wachzurütteln, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Zumal wenn man im Heft erkennbar keinen Gedanken ans Wachrütteln von Menschen verschwendet hat?

Aber Häuser und Böhling übersetzen Satire ja auch mit „mit Früchten gefüllte Schale“, haben also in etwa den Wissensstand über Satire, den ein Oberstüfler nach dem ersten Besuch der entsprechenden Wikipediaseite hat.

Wie es um das Satireverständnis von Häuser und Böhling wirklich bestellt ist, hat sich mir aber spätestens auf Seite 23 erschlossen, wo die Frage „Hat Gott Humor?“ erörtert wird. Diese Verquickung von Humor (ein Begriff, den die Herren natürlich nicht von „Komik“ unterscheiden können) und Hierarchie als Gegenstand für einen Essay (bzw. eine Essay-Parodie) ist ungefähr das Deutsch-Humorloseste, was man sich überhaupt nur denken kann. Bezeichnenderweise ist aber schon begrifflich alles falsch, etwa wenn von „weltbefreiender Offenheit als Folge wahren Sinns für Humor“ schwadroniert wird. Weltbefreiende Offenheit, weil ich über etwas lachen muss? Ach so, ja, es geht ja um den „wahren“ Sinn für Humor.

Bzw. „Der Sinn für Humor beruht auf der existentiellen Situation des Nicht-Wissens, also dem Sinn für Neues“. Say what? Die These, dass „alles, was Menschen komisch finden, auf der Enttäuschung einer Erwartung“ beruht, hat heutzutage ja nicht mal mehr Proseminarniveau: Wenn dem so wäre, wie kommt es dann, dass Menschen bei Comedy-Liveauftritten über Witze immer und immer wieder lachen, obwohl sie sie schon -zigmal gehört haben? Lache ich über die drei Stooges, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass Moe Curly auf den Kopf haut? Bei Catchphrases, weil es mich überrascht, dass Bart Simpson „Eat my shorts“ sagt? Oder lache ich am Ende gerade WEIL Frasier und Niles sich vollkommen erwartbarerweise wieder einmal über irgend eine Kleinigkeit in eine snobistische Konkurrenzsituation begeben haben, aus der sie nicht mehr herauskommen?

Nein, bei den Pardon-Machern ist es weder mit der Theorie noch mit der Praxis weit her. Und dabei habe ich jetzt noch keine halbe Zeile darüber geschrieben, dass auch Hellmuth Karasek in dieser Pardon vertreten ist. Es geht da um den Unterschied zwischen „gefiederten Freunden“ und „Vögeln“, glaube ich. Leider kann ich jetzt nicht weiterschreiben, sonst wird mir vor Kopfschütteln schwindelig.

Auch Hellmuth Karasek übrigens berichtet zwischen den Zeilen, wie gerne er „mit dabei“ sein möchte: er durfte immerhin Loriot besuchen. Genutzt hat es offenbar nichts.

Elitärer Schnösel: „Satire ist doof!“

31. März 2011 17 Kommentare

Er ist schon ein ganz besonders feines Früchtchen, der Süddeutsche-Feuilletonist Hilmar Klute. Ein Genußmensch, der seine private Vorliebe für Hummer, Gänsestopfleber und das Rauchen an Orten, wo andere Leute essen, als Höhepunkt der Zivilisation verortet, den ihm die ewigen Miesmacher und Nörgler madig machen möchten. Überhaupt, diese Miesmacher und Nörgler! Die sind dem Bertelsmann-Autor mit dem „Größenwahn eines Feudalherren am Vorabend der Revolution“ (Kathrin Hartmann) schon ein arger Dorn im Auge.

Da kam es ihm gerade gelegen, daß „der unterfränkische Unterhaltungskünstler“ (Klute) Urban Priol bei einer Anti-Atomkraft-Demo in München nicht etwa der Atomkraft das Wort geredet und die Menge gegen sich aufgebracht hat, sondern, „als Sympathisant einer guten Sache“ (Klute) aufgetreten ist und der Bundesregierung ein paar saftige Sottisen ins Stammbuch geschrieben hat, denen der Mob auch noch Beifall geklatscht hat. So geht’s natürlich nicht.

Deshalb hat Klute heute in der Süddeutschen diesen Anlaß zum Vorwand genommen, einmal ordentlich ins Gericht zu gehen mit Priol, der franken Art des Kabarettisten und dem ZDF, das diesem „Schießgewehr eines entfesselten Spießbürgertums“ (Klute) auch noch einen Übungsplatz zur Verfügung stellt. Klute legt (früher war alles besser!) erstmal die Latte mit einem Hildebrandt-Vergleich ordentlich hoch, um dann bei Priol „hilflose Hampelei“, „sprachliche Verlotterung“ und „Vulgärsatire“ zu diagnostizieren und Priol als „entfesselten Keifer“ und „affektierte Heulboje mit eingebautem Politikerhaß“ zu beschimpfen; nicht zuletzt, weil Priols Rede „komplett witzfrei“ gewesen sei. „Große Kleinkünstler wie Dieter Hildebrandt … haben in ihre Redefiguren immer … eine klug gesteuerte Selbstminimierung (eingebaut), aus der die Schärfe der wirkungsmächtigen politischen Pasquille destilliert wird“, resümiert salbadert der Großfeuilletonist (wann war Kabarett eigentlich je „wirkungsmächtig“?), um auf dem üblichen SZ-Schlußakkord „Das politische Kabarett, es ist längst tot“ zu enden.

Ja, die Selbstminimierung: Solange sie nicht ihn, Hilmar Klute, persönlich betrifft, ist sie eine Tugend. Vor allem für’s Kabarett und die Satire. Da möchte Hilmar Klute endlich mal wieder zwischen den Zeilen lesen! Und zwar am liebsten zwischen ganz klein gesetzten Zeilen. Was Hilmar Klute gar nicht mag: Wenn ihm statt dessen einmal ein paar balkendicke Überschriften um die Ohren gehauen werden. Das darf nur Hilmar Klute.

Denn natürlich unterschlägt Klute das wesentliche Stilmittel von Priol (wie auch von Georg Schramm, aber eben nicht von Frank-Markus Barwasser, den Klute ausdrücklich lobt): Polemik. Obwohl er, Klute, sie selbst durchweg einsetzt („dilettantische Suaden, … mau und simpel“). Polemik zeichnet sich eben nicht dadurch aus, daß sie mit dem Florett ficht, sondern mit der Holzlatte. Polemik drischt ohne große Kunstfertigkeit auf ihren Gegenstand ein, macht keine feinen Witzchen, deutet nichts an und denkt nicht um die Ecke. Stattdessen packt Polemik die ganz großen Kanonen aus — übrigens auch, um damit mal auf Spatzen zu schießen. Spätestens seit Eckhard Henscheid, eigentlich schon seit Th. Bernhard, ist die Maßlosigkeit der Mittel selbst zum Stilmittel geworden (das hätte sich Eckhard auch nicht träumen lassen, daß er mal bei der Rechtfertigung von deutschem, politischen Kabarett assistieren muß): die Beschimpfung, das Pöbeln, die frontale Attacke v.a. auf Denkmäler des Bürgertums (bei Henscheid z.B. Heinrich Böll), die Schimpftirade selbst ist längst zur Kunstform geworden — trotz und gerade ob ihrer vordergründigen Kunstlosigkeit. Eine Wendung, die selbst deutsche Gerichte mittlerweile akzeptieren, die aber noch nicht ins Schreibgemach Hilmar Klutes vorgedrungen ist.

„Parteiintern laufe Merkel unter dem Decknamen Lady Gaga, sagt (Priol) und weiß natürlich nicht, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist“, so Klute, der uns auf diesem Wege mitteilt, daß er, Klute, natürlich schon weiß, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist. Möglicherweise weiß es auch Priol, oder er weiß es nicht, oder es ist ihm schlicht wurscht: Denn natürlich tut das überhaupt nichts zur Sache in diesem Zusammenhang. Und schon gar nicht sagt der Umstand, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist, Priol aber trotzdem mitteilt, daß Angela Merkel parteiintern unter dem Decknamen Lady Gaga läuft, „wie ungenau, schlampig und willkürlich im politischen Kabarett mit Sprache und Witz umgegangen wird“. Sondern nur, daß Klute von sich selbst gerne wissen lassen möchte, daß er cool und juvenil genug ist, Lady Gaga gut, aber konservativ und schnöselhaft genug, Priol doof zu finden, und das ganze politische Kabarett gleich mit dazu.