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Artikel Tagged ‘How Do You Want Me?’

Grumpy middle-aged man

11. Juni 2010 4 Kommentare

Ein Ire, der in Australien Witze über Engländer in Schottland macht: Das wäre vielleicht ein guter Anfang für einen Text über Dylan Moran und seine zuletzt erschienene Live-DVD „What It is“ (2009, mit UT). Denn zu Beginn der Show verblüfft weniger, was Dylan Moran so sagt, als wo er es sagt: In Sydney. Eher ungewöhnlich für britische Stand Up-Comedians. Vielleicht legt es Moran auf den größtmöglichen Kontrast an: nämlich zwischen dem sonnigen, aufgeräumt-fröhlichen Stand Up hie und dem launisch-mürrischen, finsteren Australien da. Bzw. natürlich umgekehrt.

Dylan Morans größte Fernsehrolle war die des Bernard Black in „Black Books“ (Channel 4, 2000 – ’04: ein misanthroper, schlecht organisierter irischer Buchhändler in London (seine zweitgrößte war die eines misanthropen, schlecht organisierten Comedians, den die Liebe in die Provinz trägt: „How Do You Want Me?“, BBC2, 1998 – ’99). Wie viel Moran in Bernard Black steckt, erschließt sich aber erst in seinen Stand Ups: Viel.

Nicht nur scheint es zwischen Bernard Black und Dylan Moran kaum optische Unterschiede zu geben: Beide bevorzugen schwarze Klamotten, eine ungesunde Gesichtsfarbe und Haupthaar, dessen Zustand kaum die Bezeichnung „Frisur“ verdient. Auch die rants, in denen er in „Black Books“ über Gott und die Welt lamentiert, setzen sich in seinen Stand Ups nahtlos fort: Da geht es abermals um Gott und Welt, sprich: Um Religion und die Evolutionstheorie, um Menschen im Konsumrausch, junge Ärzte, die ihm Regeln für einen gesünderen Lebensstil vorschreiben wollen, obwohl sie kaum elf Jahre alt zu sein scheinen, um Werbung, die immer aggressiver um Aufmerksamkeit heischt, um Do-it-Yourself im Haushalt und den allmählichen körperlichen Verfall bis hin zum Tod. Von der Evolution hätte sich Moran mehr erwartet als Urknall, dann Affen, dann Menschen bzw.: „Ich brauche mehr als Bang! Uh-uh-uh! Honey, I’m home! Viel besser wäre doch die umgekehrte Reihenfolge!“

Es braucht einen Moment, bis dieser Scherz zündet — „da fällt der Groschen wieder pfennigweise“, wie mein Deutschlehrer zu sagen pflegte — doch er ist ganz typisch für Moran, der viele non sequitur-Gags in seinen Monolog einbaut, also Gags, die auf Abschweifung, logischem Bruch, einer abrupten Richtungsänderung des Gedanken beruhen. Wie überhaupt Moran zwar durchaus den grumpy middle-aged man gibt, aber weit mehr als den: sein Sprachwitz, seine Lust an komischen Sprachbildern, die Phantasie, mit der er da mäandernde Gedankenketten knüpft, erinnern von ferne an Ardal O’Hanlon (der Father Dougal in „Father Ted“). Kein Zufall, denn Moran kam zur Comedy, nachdem er mit zwanzig einen Gig von O’Hanlon gesehen hatte, und er sollte später mit den „Father Ted“-Autoren Graham Linehan und Arthur Mathews, alle ebenfalls Iren, „Black Books“ entwickeln.

Einzig einen etwas konziseren Schluß seiner mit 76 Minuten eher kurzen (aber keineswegs zu kurzen) Show hätte ich mir gewünscht: die hört nämlich einfach auf, ohne daß sie eine Klimax erreicht hätte oder einen logischen Schluß. Das aber ist natürlich eine Petitesse im Vergleich zu der ansonsten tollen Show dieses schlecht gelaunten Alkoholikers, der sich unter anderem an seine wilde Jugend erinnert:

I remember going out with friends drinkin tequila. I mean: tequila?! It’s not even a drink, it’s a way of getting the police around without using a phone!

I have been watching

Charlie Brookers „You Have Been Watching“, um das kurz nachzutragen, war erwartbar gut bis sehr gut, wobei mich persönlich die vorgestellten Fernsehabsurditäten mehr interessiert haben als die kleinen Spielchen dazu (vom Teleprompter ablesen, was passiert in diesem Ausschnitt als nächstes, wie könnte man diese oder jene Sendung verbessern). Lustig fand ich, daß es tatsächlich eine (US-)Quatschsendung namens „Deadliest Warriors“ gibt, in der cgi-unterstützte Ninjas in blutrünstigen Spektakeln gegen Highlander antreten und Taliban gegen IRA-Terroristen (Brooker: „What will win: catholizism or love?“), und immerhin interessant, wie sich die britische Vorlage für das „perfekte Dinner“, „Come Dine With Me“, von der deutschen unterscheidet: Während es für die Deutschen „perfekt“ sein muß und die Sendung allenfalls durch den leicht spöttischen Kommentatoren-Tonfall etwas aufgeheitert wird (wobei ich die Texte von Christoph Schulte-Richtering ganz prima finde!), pfeifen die Briten auf Perfektion, rühren in die Avocadopampe fröhlich Mayonnaise und Ketchup, müssen sich dafür verspotten lassen und heulen dann ein bißchen, während Comedian Dave Lamb („How Do You Want Me?“, „Moving Wallpaper“) sie noch zusätzlich verhöhnt. So soll es sein!

Nice? To customers?!

13. Januar 2009 1 Kommentar

In einer Welt, in der es noch kleine, inhabergeführte Metallwarenläden ohne elektrische Registrierkasse oder gar Barcodes und Scanner gibt, wo stattdessen neben dem großväterlichen Ladenbesitzer zwei mittzwanzigjährige Angestellte und ein Teilzeitverkäufer arbeiten, die den ganzen Tag gemein zueinander sind, aber auf eine total nette Weise, wie Kinder in einer Familie ohne Mama halt so miteinander umgehen und mit dem leicht vertrottelten Vater, in einer solchen Sitcom-Phantasiewelt spielt „Hardware“ (ITV, 2003 – 04). Kunden, insbesondere welche, die keine Ahnung haben oder einen Kaninchenstall bauen möchten, haben es nicht leicht, und Mike (Martin Freeman), einer der Angestellten, ist besonders unfreundlich:

Kunde: „Do you have a, um… it’s very hard to describe. It’s got a clip. And another bit that’s… clipped onto.

Mike: „A clipp-a-di-clippmatic?“

Kunde: „Is that what I mean?“

Mike: „No, but you were talking crap so I just thougt I join in.“

Das findet Steve, die Aushilfe, nicht sehr charmant, aber Mike beharrt: „There are some jobs where you’re supposed to be rude: Cabbies…“ Kenny (Peter Serafinowicz): „…school secretaries, doctor’s receptionists…“ Rex, der Besitzer: „…prostitutes…“. Mikes Weltbild wird erschüttert, als er erfährt, daß sich ein mehrfach grob abgefertigter Kunde in suizidaler Absicht vor einen Bus bzw. genaugenommen nur in die Nähe eines Busses geworfen (und überlebt) hat; Mikes in der Folge gefaßter Vorsatz, nett (!) zu den Kunden (!!) zu sein, ist allerdings nicht von Dauer.

Die Plots dieser ITV-Produktion von Simon Nye („How Do You Want Me?“) sind klassisches Fourth-Wall-Sitcom-Material, „Hardware“ bietet pointierte Dialoge, dem Setting in der Eisenwarenhandlung angemessen viele Sight Gags und sympathische Charaktere — allen voran den damals noch von „The Office“ heißen Martin Freeman. Den altmodischen Stil der Serie kann man mögen oder nicht, die immer mal wieder recht moralische Attitüde Nyes allerdings wirkt 2009 nicht weniger verstaubt als vor sechs Jahren. Sechs Jahre können ein halbes Leben sein (wenn man 12 ist), und umso schwerer verständlich ist heute, daß diese Sitcom einmal als  größter Wurf einiger Jahre in ihrem Genre und Sender gegolten hat. Die zweite Staffel enttäuschte die Fans der ersten, von denen es einige gab; in einer dritten wollte Freeman nicht mehr mitspielen. Ganz schlecht ist „Hardware“ freilich nicht: Als Steve den Beinaheselbstmörder im benachbarten Café wiedertrifft, spricht er ihm sein Mitgefühl aus: „Tut mir leid, von ihrem Mißgeschick mit dem Bus zu hören… Ist wahrscheinlich schwierig, das Timing richtig hinzukriegen: Entweder er bremst oder man prallt von der Seite einfach ab.“

Simon Nye feierte in den Neunzigern mit „Men Behaving Badly“ große Erfolge: Die Sitcom um zwei junge Männer, die sich ganz entgegen dem damaligen britischen Trend zum New Man überhaupt nicht verständnisvoll und wie Softies, sondern entschieden danebenbenahmen, erlebte sechs Staffeln und wurde 1996 sogar für zwei Sekunden zur besten Sitcom in der Geschichte der BBC gewählt.

„Hardware“ erscheint am 23. Februar auf DVD.