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Artikel Tagged ‘James Gandolfini’

Großartiges Geschimpfe

In Großbritannien wird am 6. Mai gewählt, und selten habe ich mir aus so eigennützigen Motiven gewünscht, daß eine ganz bestimmte Partei gewinnen möge, wie in diesem Fall: Ich hoffe nämlich sehr, daß Labour an der Macht bleibt. Nicht etwa, weil Gordon Brown und seine Mannen so glänzende Arbeit abgeliefert hätten, nein, ganz im Gegenteil — weil die Labour-Versagertruppe schon über drei Jahre hinweg Armando Iannuccis exzellente Politsatire »The Thick of It« (BBC2) überhaupt erst möglich gemacht hat.

Denn selbst wenn weder der Premier persönlich je zu sehen ist, noch der Name seiner Partei auch nur erwähnt wird, so ist doch klar: Die Minister, hinter denen der »Director of Communications«, sprich: der cholerische Spin-Doctor aus Downing Street, Malcolm Tucker (Peter Capaldi), regelmäßig die Scherben zusammenkehren muß, sind eindeutig aus dem linken Lager. Und ganz gleichgültig, ob da Statistiken verlorengehen und sich unterschiedliche Departements gegenseitig die Verantwortung dafür zuschieben, ob die Medien die ungeschickte Äußerung einer Ministerin so deuten, daß sie sich als nächste Parteivorsitzende empfiehlt, oder ob dieselbe Ministerin sich in einer Radiodebatte mit ihrem konservativen Konkurrenten um Kopf und Kragen redet – Tucker löst fast alle Probleme mit einem bewährten Rezept: Er faltet die Schuldigen nach allen Regeln der Kunst zusammen, zieht mächtig an den Strippen von Medien und Politik und entwickelt in seinen Suaden aus Beschimpfungen, Drohungen und Manipulationen eine solch stupende Energie, daß sich das Einschalten allein für seine Wutausbrüche lohnt. Nicht ohne Grund hat Iannucci eigens einen Autor für die Tiraden Tuckers abgestellt. Diese machen mittlerweile einen Gutteil des Kultstatus aus, den »The Thick Of It« in Großbritannien längst genießt.

Dabei ist Iannucci ein kleines Wunder gelungen, denn die Serie lief zunächst 2007 mit nur drei Folgen gut versteckt auf BBC4, und der Hauptdarsteller des ersten Jahres, Chris Langham, stand für weitere Folgen quasi über Nacht nicht mehr zur Verfügung, weil er für den Besitz von Kinderpornographie angeklagt und verurteilt wurde — was nicht nur das Aus seiner Karriere bedeutete, sondern leicht auch das der Serie hätte sein können. Doch Iannucci verlagerte in den folgenden Specials geschickt den Fokus auf die Opposition und ihr Schattenkabinett, erzielte einige Aufmerksamkeit durch eine prophetische Parallele zwischen der Serienhandlung, in der der Ministerpräsident mit Rücktritt drohte, und dem tatsächlichen Rücktritt von Tony Blair, und besetzte für die letzte Staffel 2009 mit Rebecca Front (»Knowing Me, Knowing You… With Alan Partridge«) eine großartige Schauspielerin in der Rolle der glücklosen Ministerin Nicola Murray. Bislang der größte Erfolg für Iannucci und sein Autorenteam dürfte die Oscar-Nominierung 2009 für »In The Loop« gewesen sein, den Spielfilm-Spinoff zur Serie, u.a. mit dem brillanten James Gandolfini (»The Sopranos«) als US-Militär.

Nun wäre es für Iannucci gewiß kein Problem, in der nächsten (schon genehmigten) Staffel abermals das konservative Lager ins Visier zu nehmen – möglicherweise ergäben sich sogar noch bösere, abgründigere, schneidendere Kommentare zur politischen Lage. Schade aber wäre es um die wunderbare Figur des Malcolm Tucker, die ich im soeben erschienenen DVD-Boxset in ganzer Größe zu besichtigen hiermit dringend empfohlen haben will.

Zuerst erschienen in der Humorkritik (TITANIC 5/2010)

Oscarnominierungen für Iannucci & Park

3. Februar 2010 10 Kommentare

Keine besondere Spannung empfinde ich dieses Jahr vor den Oscars: Zu sehr dominiert „Avatar“, das Quatschepos um blaue Indianer und leuchtenden Urwald im Xbox-Style. (Mein Vermieter: „Nach fünf Minuten habe ich gedacht: Ausrotten! Alle ausrotten! Her mit den pockenverseuchten Pferdedecken!“)

Allerdings sind zwei britische Comedys nominiert, nämlich Nick Parks letzter „Wallace And Gromit“-Kurzfilm „A Matter Of Loaf And Death“ in der Kategorie Short Film (Animated) sowie Armando Iannuccis „In The Loop“, ein Spinoff von „The Thick of It“, in der Kategorie Writing (Adapted Screenplay). Von beider Konkurrenten habe ich lediglich „District 9“ gesehen, so daß ich kaum beurteilen kann, ob Wallace & Gromit und/oder „In The Loop“ eine Chance haben.

„In The Loop“ ist die Geschichte eines britischen Ministers, der durch eine mehrdeutige Bemerkung zu einem bevorstehenden Krieg im Mittleren Osten in diplomatische Verwicklungen gerät und zum Spielball internationaler Politik wird; sehenswert ist neben Peter Capaldis Malcolm Tucker, der wie in der Serie auch als cholerischer Spin Doctor des britischen Premiers brilliert, vor allem James Gandolfini als US-Militär. An ihrer Seite spielen u.a. Steve Coogan und David „Sledge Hammer“ Rasche, geschrieben haben den Film Jesse Armstrong („Peep Show“), Simon Blackwell, Armando Iannucci und Tony Roche.

In the Loop

29. August 2009 Keine Kommentare

Internationale Diplomatie ist ein Geschäft, in dem es auf jedes einzelne Wort ankommt, das öffentlich geäußert wird. Briten wiederum sind die Großmeister internationaler Diplomatie und verstehen sich darum bestens auf Wortklauberei. Mit einer Ausnahme vielleicht: der des unbedarften Minister for International Development Simon Foster (Tom Hollander). Der äußert sich, in einem harmlosen Radiointerview überrumpelt, zur britischen Haltung zu einem möglichen Krieg im Mittleren Osten: „War is unforeseeable“ — Krieg ist nicht vorhersehbar. Harmlos, sollte man meinen — doch diese drei Worte werden dem eigentlich eher bedeutungslosen britischen Minister zum Verhängnis, denn die britische Politik zu den Kriegsplänen der Amerikaner ist die, daß Krieg weder vorhersehbar noch unvorhersehbar ist.

Zunächst fällt in Armando Iannuccis brillanter Polit-Satire „In the Loop“ (BBC Films, 2009, seit letzter Woche auf DVD erhältlich) daraufhin die nationale Großpolitik in Gestalt des Spin-Doctors Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der für den Prime Minister den Einpeitscher spielt, über den armen Foster her. Tucker versucht sich in Schadensbegrenzung („You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact“) und befleißigt sich im Übrigen im Umgang mit seinen Schäfchen einer Sprache, die das genaue Gegenteil von diplomatischem Understatement ist. Sie ist sogar so grenzenlos obszön, beleidigend und beißend vulgär, daß es die reine Freude ist, ihm bei seinen Schimpftiraden zuzuhören:

„Get me fucking Brian. If you don’t get  me Brian, I’m gonna come over there, I’m gonna lock you into a fucking flotation tank and pump it full of sewage until you fucking drown!!!“

Leider ist Foster auf eine David Brent-artige Weise einfältig genug, sich bei der nächsten Gelegenheit abermals öffentlich zu einem möglichen Krieg zu äußern („To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict“), und so setzt er eine Kettenreaktion in Gang, bei der ihn sowohl amerikanische Befürworter als auch Gegner eines Kriegs für ihre Zwecke einspannen möchten — so daß Tucker kaum noch nachkommt mit seinen Versuchen, zu retten was zu retten ist.

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