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Artikel Tagged ‘Jodie Comer’

Fleabag for good

Fast drei Jahre hat es gedauert, bis die zweite Staffel „Fleabag“ (BBC3, bislang zwei Folgen) fertig war. Zu viel hatte Phoebe Waller-Bridge zu tun, und zwar nicht nur als Droid L3-37 in „Solo: A Star Wars Story“ (2018): „Killing Eve“ (BBC America, 2018) etwa, die exzellente Thrillerserie um eine charismatische Profikillerin (Jodie Comer), die schon Anfang April ebenfalls wieder zu sehen sein wird.

Und bin ich froh, dass sie für „Fleabag“ ins Vereinigte Königreich zurückgekehrt ist! Denn die erste Folge war so ziemlich das englischste, neurotischste, aber auch komischste, was ich seit langem gesehen habe.

Eine so gute Wendung nimmt diese Folge, tonal und dramatisch, dass ich hier nicht spoilern möchte, sondern lediglich sagen: dafür verzeihe ich Waller-Bridge sogar die ewigen vielsagenden Blicke in die Kamera, die die vierte Wand durchbrechen (gähn), und das etwas nervige Stilmittel, dass Figuren (insbesondere Fleabags Vater) in nur halben, abgebrochenen Sätzen reden. (Zum Glück tun sie das hauptsächlich in der ersten Folge, in der es um ein Familien-Dinner geht, bei dem Menschen nun mal so reden.)

Sensationell, wie sie diese Kurve nimmt, mitten hinein in ein hoch problematisches, zutiefst emotionales Thema, ohne dafür Komik zu opfern! Dass sie diese Kunst beherrscht, war in der ersten Staffel schon stark zu spüren, schließlich war die Grundierung ihrer Figur immer der Tod ihrer Mutter und ihrer besten Freundin, also eine keineswegs harmlos-fröhliche Basis für leichte Scherze. Aber hier schaltet Waller-Bridge noch mal einen Gang rauf. Respekt.

Neben der wie immer fabelhaften Olivia Colman als überspannte Künstlerin und neue Liebe ihres Vaters scheint mir vor allem Andrew Scott („Sherlocks“ Moriarty, C in „Spectre“) als Fleabags love interest und katholischer Priester eine Spitzenbesetzung zu sein.

Gute Zeiten gerade für Britcoms! Ein bisschen unerwartet und umso größerer Anlass zu Freude.

Von der Geschlechterrolle (2)

12. Dezember 2018 Keine Kommentare

In den ersten vier Minuten „Killing Eve“ (BBC America, 2018) kommt in drei Szenen genau ein Mann mit Sprechrolle vor. Zunächst sehen wir die bis zum Psychopathischen hin charmant-kalte Serienkillerin Oksana Astankova alias Villanelle (Jodie Comer), wie sie in einem Wiener Eiscafé erst lächelnd Blickkontakt mit einem Mädchen aufnimmt, das mit seiner Mutter ein Eis isst, um ihm anschließend im Vorbeigehen den Eisbecher in den Schoß zu stoßen. Hübsch rätselhaft.

Dann sehen wir Eve Polastri (Sandra Oh) schreiend aufwachen, noch nicht wissend, dass sie die MI5-Beamtin sein wird, die später hinter Vilanelle her ermitteln wird. Sie schreit allerdings nicht wegen eines Albtraums oder einer echten Gefahr, sondern weil sie auf ihren beiden Armen eingeschlafen und in der Folge mit tauben Armen aufgewacht ist — ein Scherz, der schon schön mit Erwartungen und ihren Enttäuschungen spielt, was Schrecken und Bedrohung angeht, denn natürlich ist sie die namensgebende Eve in „Killing Eve“.

In der dritten Szene schließlich kommt Eve (zu spät) zu einer Lagebesprechung beim MI5, zusammen mit einer Kollegin, und trifft dort auf Carolyn Martens (Fiona Shaw), MI6-Abteilungsleiterin der russischen Sektion, der sie von ihrem eher unfähigen Supervisor Haleton (Darren Boyd, „Spy“) zugewiesen wird.

Ein ausgesprochen weiblicher Cast also, und das serienbestimmende Duell von charismatischer Serienkillerin und tolpatschiger Ermittlerin ist selbstverständlich ohnehin weiblich — und dennoch eines, das von Verführung, ja Obsession gekennzeichnet ist. Von einer comic- bis superheldenhaft überzeichneten Obsession noch dazu.

Das Katzundmaus-Spiel, das sich dann entwickelt, führt über zahlreiche pittoreske Schauplätze, phantasievolle Verkleidungen und Auftragsmorde zu einem Psycho-Showdown, bei dem die Sympathien immer wieder neu abgewogen und verteilt werden — aber so gut wie nie bei einem Mann liegen.

Bleibt sich Phoebe Waller-Bridge also treu, die „Killing Eve“ (nach den Romanvorlagen von Luke Jennings „Vilanella“-Büchern) als Drama mit sehr komischer Unterströmung adaptieren durfte und über deren erste Serie „Fleabag“ (BBC3, 2016) und ihre angenehm zeitgemäß feministische Perspektive ich in dem zwischenzeitlich letzten Beitrag dieses Blogs 2016 schrieb.

Wie schnell doch gerade Geschlechterrollen sich bis in Mainstream-Produktionen ändern! Zuletzt in „Bodyguard“ (BBC1, 2018), einer bis zur Humorlosigkeit ernsten Dramaserie um die moralischen Dilemmas eines Personenschützers (Richard „Robb Stark“ Madden), der in der ebenfalls ersten Szene eine weibliche Selbstmordattentäterin in spe aufhalten möchte und dabei mit einer Zugführerin, einer OP-Team-Leiterin, einer Polizistin, einem ganzen Team weiblicher bewaffneter Einsatzkräfte und einer Scharfschützin zu tun hat. So vielen Frauen in typischerweise männlichen Rollen also, dass bei Twitter ein (kleinerer) Shitstorm der Marke „political correctness gone mad“ losbrach, während etwa meine Frau nicht einmal bemerkte, wie viele Frauen da um den einen Helden herumgestellt waren.

(Meine Argumentation war übrigens, dass die BBC es hier lediglich vermeiden wollte, eine weibliche, bis auf den Sprengstoffgürtel unbewaffnete muslimische Selbstmordattentäterin von schwerst bewaffneten, weißen, nichtmuslimischen Männern überwältigen zu lassen, was einer im Grunde moralisch richtigen Handlung doch einen unangenehmen Beigeschmack gegeben hätte.)

Interessanterweise spielt die andere Serie des Jahres um einen sympathischen Serienkiller ebenfalls mit Geschlechterstereotypen, denn in „Barry“ (HBO, 2018) entstehen die komischen Konflikte aus der Spätberufung, die der Auftragsmörder Barry (Bill Hader, auch Creator der Serie) für die eher innerlich-weibliche Schauspielerei entdeckt. Was recht schnell die Welten von skrupulöser Schauspielschule und skrupelloser Tschetschenenmafia aufeinanderprallen lässt. Barrys weiches Herz jedenfalls, seine Empfindsamkeit, die hier mit seinem Pflichtbewusstsein seinem Auftragsvermittler gegenüber kollidiert, ist das genaue Gegenteil der männlichen Härte einer Villanelle.

Während allerdings „Barry“ mir trotz erheblicher Schau- und Produktionswerte als eher kleine Sitcom in Erinnerung bleibt (die dennoch eine der besseren dieses Jahres war), darf „Killing Eve“ ruhig als „das Beste, was dieses Jahr aus Großbritannien gekommen ist“ gelten, wie es mein britischer Gewährsmann in diesen Dingen Tom Harris bezeichnet hat: eine große Serie, die sehr zu Recht sehr erfolgreich ist und bereits vor Serienstart eine zweite Staffel erhalten hat, was dennoch zum Glück nicht verhindert, dass Phoebe Waller-Bridge in einer zweiten Staffeln „Fleabag“ auch selbst wieder vor der Kamera steht.

Was aber die beiden Großthemen Sex und Auftragskillerei miteinander verbindet, was in der Folge also auch sexuelle Identität und Auftragsmördertum in der Popkultur so aneinander bindet, dass bereits 2012 eine leider kurzlebige Serie von „Shameless“-Autor Paul Abbott um eine transsexuelle Killerin (Chloë Sevigny) in „Hit & Miss“ (Sky Atlantic) entstehen konnte: darüber würde ich gerne mal ein Uniseminar sehen.