Das heutige Erscheinen der dritten Staffel „The Thick of It“ (für Einsteiger: die Box mit allen Folgen) habe ich gerade für einen kleinen Einkauf genutzt, der schon lange fällig war: „Bunny and the Bull“ ist schon Mitte März in die Läden gekommen. Der Film von Paul King gilt als inoffizieller „Mighty Boosh“-Film: King hat bei allen drei Staffeln der surreal-psychedelischen Sitcom Regie geführt, und auch bei „Bunny and the Bull“ sind Julian Barratt, Noel Fielding, Rich Fulcher und Richard Ayoade dabei, allerdings eher in Cameos. Was man so hört, ist „Bunny and the Bull“ allerdings keine reine Comedy, hat aber wohl komische Momente. Wurde schon mit Gondrys „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ verglichen — aber halt in britisch.
Außerdem im Einkaufskorb: „Ladies of Letters“ und die zweite Staffel „Being Human“, die ich nicht mehr ganz so stark fand wie die erste, aber allemal sehenswert. Das ComedyDrama um eine WG aus Werwolf, Geist und Vampir ist eine hübsche Symbiose aus Fantasy in der Tradition von „Doctor Who“, aber mit den Schauwerten heutiger Serien à la „Skins“. Sehr empfohlen!
Ich weiß, ich weiß: Der hätte schon viel früher kommen müssen. Daß ich so lange gezögert habe, hat aber einen Grund: Ich kann nur soundsooft über die selbe Serie schreiben, und so sehr ich Platz eins der Top-10-Britcoms der Nullerjahre mag, ich habe sie einfach zu oft schon gelobt. Tatsächlich, einige haben es erraten, es ist:
Platz 1: „Nathan Barley“ (2005, Channel 4)
In Großbritannien kein großer Erfolg (mein Gewährsmann Tom Harris erklärt in den Kommentaren auch, warum nicht), hierzulande völlig unbekannt, aber so brillant, daß ich kaum anders konnte, als es auf die erste Position zu hieven: Diese Satire auf Medienidioten hat einfach alles. Charlie Brooker und Chris Morris als Autoren, die „Mighty Boosh“-Jungs Julian Barratt in einer Haupt- und Noel Fielding in einer Nebenrolle, den Soundtrack von Jonathan Whitehead und Chris Morris — da paßt einfach alles. Klar, es gibt nur eine Staffel (was eigentlich gegen eine so hohe Plazierung spräche), aber was solls.
Sonst fällt mir leider gerade nichts ein, was ich nicht schon früher hier geschrieben hätte, drum laß ich’s einfach und empfehle jedem, die Serie einfach selbst zu gucken. Zur Not bei YouTube; das letzte Mal, als ich geguckt habe, war es komplett dort zu finden. Mehr Spaß macht es aber auf jeden Fall auf DVD.
Das war’s dann mit den Top 10 der Sitcoms; wenn es mir einfällt, mache ich vielleicht noch eine andere Liste: Nämlich mit den besten One-Offs, Comedy-Dramas und Sketchshows — ob das allerdings je zehn werden, weiß ich noch nicht so genau. Vorschläge?
Meinen vor einigen Tagen geäußerten Wunschzetteltip, die neue „Mighty Boosh“ „Future Sailors“-Live-DVD, nehme ich hiermit zurück: Die braucht wirklich niemand. Die erste Live-DVD habe ich in guter Erinnerung, weil sie so reduziert war wie die frühen „Boosh“-Shows, und austariert in der Gewichtung von Barratt/Fieldings Double Act vor dem Vorhang, der sich direkt in die Zuschauer richtet, und inszenierten Geschichten.
Dieses Gleichgewicht fehlt der „Future Sailors“-Show: Die erste Hälfte lang, und das ist schon eine gute Stunde, dürfen sich die diversen Charaktere der Fernsehshow ausführlich vorstellen, inklusive Rich Fulchers Bob Fossil, den ich schon immer für die schwächste Figur hielt (und Fulcher für den am wenigsten komischen Darsteller der Truppe); die zweite Hälfte, ein von Howard Moon inszeniertes Theaterstück, das Vince kapert und zur Selbstinzenierung nutzt, ist zwar komischer, rettet aber leider die Show nicht.
The Mighty Boosh verlassen sich zu sehr auf ihren Superstar-Status, wenn sie alle Störungen aus dem Publikum zulassen, Zuspätkommer ausführlich kommentieren (kann man sowas bei einer DVD-Aufzeichnung nicht einfach unterbinden?!) und auf Heckler eingehen, und wenn ihnen im Laufe der Show ihre Figuren egal werden und beispielsweise Noel Fielding als Tony Harrison (eine Figur, die nur aus einem Kopf mit Tentakeln besteht) aus der Rolle fällt, weil er in dem ausgehöhlten Sessel, in dem er steckt, den Halt kurz verloren hat und minutenlang darauf eingeht, wie unbequem es in diesem hohlen Sessel ist — woraufhin sich auch noch ein kurzer Dialog mit Dave Brown als Bollo ergibt, der seinerseits über sein unbequemes Gorillakostüm spricht.
Nun steckt zwar von vornherein ein Meta-Ansatz in der „Boosh“-Show, weil schon seit der ersten Folge Howard und Vince zu Beginn darauf eingehen, daß eben alles eine Show ist, und die Brechung dieser Show ist regelmäßig Thema, wenn etwa Howard sie stoppt, um zu kritisieren, daß Vince die Bühne für Werbung nutzt oder ähnliches. Das aber ist jederzeit als Bestandteil des Spiels zu erkennen (einer der wichtigsten und komischsten sogar) — unbequeme Kostüme sind einfach nur unbequeme Kostüme. Und spätestens wenn auch noch Julian Barratt als Crack Fox seine Schnauze aus dem Gesicht fällt und er auch darauf noch eingeht, ist der Spaß an der Vermischung der Ebenen vorbei, und übrig bleibt ein etwas zu selbstverliebtes Team von Comedians, dem seine Popularität zu Kopf gestiegen zu sein scheint.
Exzentrik ist seit jeher einer der Grundzüge des englischen Charakters. Das ist auf den ersten Blick vielleicht erstaunlich, schließlich ist der britische Alltag bestimmt von Ritualen und Formeln, die britische Höflichkeit und Etikette sowie das auf Ausgleich bedachte Wesen der Briten, das sie seit jeher zur Diplomatie prädestiniert, sind weltbekannt. Aber vermutlich gerade deshalb braucht es auf individueller Ebene eine Entlastungsmöglichkeit, die von gesellschaftlichen Konventionen befreit und dem strengen Reglement etwas Anarchisches entgegensetzt: Beispielsweise exzentrisches Verhalten.
Das ist vielleicht der größte Unterschied des britischen Wesens zum deutschen: Spinnertes, abweichendes Verhalten wird nicht sofort durch Ausschluß oder Spott bestraft, sondern toleriert. In jeder Verwandtschaft gibt es ein schwarzes Schaf — aber die Briten verstecken ihres nicht wie die Deutschen, sondern sind auf den durchgeknallten Onkel, die seltsame Tante auch noch stolz. In Hinsicht auf den Humor, der in Großbritannien fester Bestandteil des Alltags ist und nicht auf bestimmte, festgelegte Situationen eingeschränkt, bedeutet das: Eine wesentlich größere Vielfalt von Tönen und Schattierungen, Stand Up-Comedians wie Eddie Izzard, Figuren wie Basil Fawlty, eigene Welten wie Royston Vasey in „The League of Gentlemen“. Eine der exzentrischsten Britcoms aller Zeiten, die man aus genau diesem Grund entweder liebt oder einfach nicht kapiert, findet sich heute auf
Vince Noir (Noel Fielding) und Howard Moon (Julian Barratt) sind Wärter in einem sehr dysfunktionalen, „Zoo-niverse“ genannten Tierpark. Dort arbeiten ihr Freund, der Schamane Naboo (Noels Bruder Michael Fielding), und der sinistre Zoodirektor Bob Fossil (Rich Fulcher), der keine einzige Tierart bestimmen kann, dort lebt auch der Gorilla Bollo (Dave Brown). Vince ist mal Mod, mal Punk, mal Waver, aber immer extrem modebewußt („What about this cape?” — „A bit last week”) und auf seine Frisur bedacht. Er nimmt das Leben leicht und hat permanent Glück, sehr im Gegensatz zum Schnauzbart tragenden Howard. Der legt auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert, ist eher ernst und nachdenklich, Jazz-Fan und konservativ bis spießig — der straight man zu Vinces funny man. Ihre gemeinsamen Abenteuer haben die immer freundliche Anmutung einer Kindersendung, die in einer leicht wahnsinnigen Version der Fünfzigerjahre spielt: sehr bunt, mit Zeichentrickelementen versetzt und bevölkert von eigenartigen Geschöpfen. In der ersten Folge läßt sich Howard auf einen Boxkampf gegen ein Killaroo genanntes Känguru ein; zwei Folgen später ist Bollo todkrank, so daß Howard in einem Affenkostüm seinen Platz einnehmen muß, damit der Zoo weiterhin gesponsort wird. Prompt verwechselt ihn Gevatter Tod mit dem echten Bollo und nimmt ihn mit in die Affenhölle, von wo Vince ihn befreien muß. In weiteren Folgen suchen die beiden Abenteurer mystische Eier in der arktischen Tundra, wo sie dem schwarzen Frost-Dämon begegnen, kämpfen sich auf der Suche nach Hilfe durch den Dschungel und setzen ihre Freundschaft beinah auf’s Spiel, als Vince sich einer Band anschließen will.
Zu den eindrücklichsten Momenten gehören die Musik-Vignetten, die oft aus Acapella-Einlagen entstehen und den liebenswürdig-bizarren Charme der Serie unterstreichen, die vielen sprechenden Tiere und Fantasy-Charaktere aus unterschiedlichsten Mythologien und die liebevolle Ausstattung: „Wenn David Bowie, Anthony Burgess und Maurice Sendak, der Autor von ‚Wo die wilden Kerle wohnen’, zusammengearbeitet hätten, wäre dabei vielleicht sowas Ähnliches herausgekommen”, schreibt The Observer.
„The Mighty Boosh“ macht von der ersten Staffel (2004) über die zweite (2005) bis hin zur dritten (2007) etliche Veränderungen durch: Vince und Howard verlassen in der zweiten den Zoo und leben in Naboos Wohnung, in der dritten führen sie gemeinsam Naboos Geschäft, die sogenannte Nabootique. Deutlich zu sehen ist, daß Baby Cow von Staffel zu Staffel mehr Geld ausgegeben hat, dementsprechend üppiger sind auch Kulissen und Effekte. Für 2010 ist eine weitere Staffel geplant, eine weitere, zweite Live-DVD erscheint am 16. dieses Monats (die erste ist durchaus sehenswert). Vor allem in der Damenwelt scheinen Noel Fielding und auch Julian Barratt mächtig Eindruck zu machen, „The Mighty Boosh“ ist also sehr pärchenkompatibel, insgesamt eine der bezauberndsten Serien der letzten Jahre und allen zu empfehlen, für die es nicht immer böse, dunkel und gemein sein muß.
daß The Mighty Boosh einen Spielfilm vorbereiten. Bei der Premiere von „Bunny and the Bull“ deutete Julian Barratt sogar an, worum es gehen könnte, nämlich um das genaue Gegenteil der Serie, die für ihr psychedelisches Look and Feel bekannt ist:
We try to do on TV quite magical epic journeys, and we thought if you’re doing a film we should really do it in one room, basically just kind of a sitcom, for 90 minutes. So we might do that. We might do exactly what we didn’t do on TV.
Außerdem sei eine Platte in Planung, gibt Barratt laut Chortle zu Protokoll und tritt damit auch Trennungsgerüchten entgegen.
Bis die zweite Live-DVD erscheint, wird man auf neues Material von The Mighty Boosh noch warten müssen — eine weitere, vierte Staffel ist derzeit wohl nicht geplant. Solange kann man ja aber noch alte Sachen angucken, die schon andeuten, in welche Richtung die spätere „Mighty Boosh“-Psychedelic-Comedy gehen würde. Zunächst der 1:30 kurze, eher konventionelle Ratgeber „How to Tell when a Relationship is Over“ (2003) von Julian Barratt:
https://www.youtube.com/watch?v=s4W-tk80EUw&hl=de&fs=1&
Dann der etwas längere, mächtig buschige Clip „Pete Sweet“ von Barratt und Noel Fielding (10:44), Gewinner des Kodak Short Film Showcase 2002, des TCM Awards 2001, des F.A.C.E. Award (Film Award for Cinematic Excellence) 2001 sowie, uff: BAFTA-nominiert für den Best Short 2001.
Daß man von Fielding gerade nicht allzu viel sieht im Ferntonkino, liegt nicht zuletzt an ihm selbst: Zwar sollte er vor kurzem noch regelmäßiger Panelist bei „Never Mind the Buzzcocks“ (einem Rock- und Pop-Quiz auf BBC2) werden, gestand dann aber schweren Drogengebrauch (u.a. Kokain, Ketamin, Magic Mushrooms, Ecstacy und LSD) und flog daraufhin aus dem Team. Ist ja auch eine Überraschung, wenn man „The Mighty Boosh“ gesehen hat: Der Typ, der sich hermaphroditisch Meermänner, den pinken Tentakelkopf Tony Harrison und den Voodoo-Geist des Jazz/Howlin Jimmy Jefferson ausgedacht hat, nimmt Drogen? Echt jetzt?!
Die ersten drei Staffeln „Mighty Boosh“ gehören, ich wiederhole das gerne immer wieder, zum Grundkurs Britcoms II und sind später scheinrelevant. Ich sag’s ja bloß.
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