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Bergauf zu den Sternen

23. Juli 2012 5 Kommentare

Wenn man vom Rücken des Berghanges über das kleine (fiktionale) Städtchen Pontyberry sieht, in dem „Stella“ (Sky 1, 2012) angesiedelt ist, bemerkt man zwei Dinge: Wie einfach bis arm das Leben im walisischen Hinterland schom immer gewesen sein muss. Das erkennt man unschwer an den schmucklosen granitgrauen Häuschen, die sich in langen Reihen hügelauf und hügelab in die Landschaft schmiegen, als ob jemand sie zu Ketten aufgefädelt hätte. Und man sieht, wie idyllisch schön es doch in Wales ist: Wie grün das Gras leuchtet, wie anmutig Berg und Tal ineinander fließen, wie absent Glas und Stahl und Werbetafeln sind. Alle sind arm hier, aber alle sind gleich arm, und deshalb spielt die Armut schon gar keine so entscheidende Rolle mehr.

https://www.youtube.com/watch?v=0KiN2OAkWNU?version=3&hl=de_DE

Doch die Armut spielt auch deshalb keine so entscheidende Rolle, weil nicht nur sie die Idylle bedroht. Zwar hat Hauptfigur Stella (Ruth Jones) nur einen prekären Job; sie bügelt für kleines Geld die Wäsche ihrer Nachbarn. Doch das ist keineswegs ihr einziges Problem: Ihr ältester Sohn Luke (Craig Gallivan) sitzt (zumindest zu Beginn der Serie) wegen joyriding im Gefängnis. Ihre beste Freundin und Schwägerin Paula (Elizabeth Berrington) ist Pegeltrinkerin und muss als Inhaberin und Chefin eines Beerdigungsinstituts stets ihren Blutalkoholwert kontrollieren, bevor sie sich hinters Steuer des Leichewagens setzen kann. Stellas Ex Karl (Julian Lewis Jones), ein eher schlicht gestricktes Landei, hat eine superprollige neue Freundin (Karen Paullada), die sich bereits für die Stiefmutter von Stellas Kindern hält. Und Stellas Tochter, die hübsche Emma (Catrin Stewart), ist noch keine 18 und schon schwanger, während sie noch mitten in ihren finalen Schulprüfungen steckt. Was bedeutet, dass Stella demnächst Großmutter wird — mit 42.

„Stella“ wäre jedoch kein britisches Comedydrama, gliche die Show nicht ihr ernstes (und realistisch dargestelltes) Set up durch enorme Wärme, Herzlichkeit und durch und durch sympathische Charaktere aus. So durchschaubar dieses Prinzip englischer Comedy ist, den Grausamkeiten des Lebens mit Humor (und einer stiff upper lip) zu begegnen, und so inflationär es gerade im Moment eingesetzt wird, so gut funktioniert es auch. Ich selbst hatte „Stella“ nach den ersten zwei Folgen für zu süß befunden, aber ich muss mich korrigieren: die Serie ist gewiss harmlos, aber nach ein paar Folgen wächst sie einem enorm ans Herz. Einerseits, weil man die Figuren dann kennt, andererseits, weil auch die Drehbücher besser und besser werden und neben den Gags, die aus den Charakteren entstehen, immer mehr Oneliner und visuelle Scherze dazukommen: Per aspera ad astra, bzw. eben ad stella.

Wie man solche Serien schreibt, weiß Ruth Jones seit dem sehr erfolgreichen „Gavin & Stacey“ (Baby Cow für BBC3 und 1, 2007 – 10), für das sie zusammen mit James Corden verantwortlich war — und wo sie ebenfalls zu sehen war, in der Nebenrolle der stark übergewichtigen und stets mürrischen Nessa. Nicht wiederzuerkennen ist sie allerdings in „Stella“, was nicht nur an den geschätzten 25 Kilo liegt, die sie seitdem abgenommen hat, sondern auch an der Rolle als grundoptimistische, immer gut geerdete alleinerziehende Mutter. Mittlerweile produziert Jones sogar selbst: „Stella“ entstammt ihrer eigenen Firma Tidy Productions. Ein Verlust für Baby Cow, die mit dem ähnlich situierten, aber weniger überzeugenden „Starlings“ (ebenfalls Sky1) deutlich den Kürzeren gezogen haben.

Eine zweite Staffel „Stella“ ist schon unterwegs, die erste auf DVD erhältlich, und diese macht den walisischen Zungenschlag dank Untertiteln auch für durchschnittlich sprachbegabte Menschen verständlich. Wer sich die verregneten und zu kühlen Abende dieses sogenannten Sommers also etwas aufhellen möchte, der lege sich diese kaminfeuerwarme Serie zu: insbesondere weibliche Mitgucker werden es danken.