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Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 5)

28. August 2011 Keine Kommentare

Was bisher alles geschah: Benny Hill stirbt, war vorher Soldat und stellt dann auf der Comedy-Bühne fest, daß Live-Auftritte nicht sein Ding sind. Drum geht er zum Fernsehen, als dieses noch in den Kinderschuhen steckt.

Ein eher schlichter Sketch mit einem unehrlichen Grenzbeamten, der den Fernsehzuschauern eine Lektion in Sachen Zolldirektiven erteilen möchte, war 1949 der erste Sketch Benny Hills, den die BBC ihm strich. Sketche wie dieser waren es, die damals eine kleine Revolution bedeuteten: Denn sie waren, kaum war das Fernsehen überhaupt geboren, bereits die ersten Fernsehparodien.

Benny mit Sue Upton, dem prominentesten „Hills Angel“

Sollte man nach diesem einen Sketch urteilen, müßte man sagen: Sieht nicht nach viel aus. Doch die Leistung Benny Hills wird klarer, wenn man sich vor Augen hält, was außer seinen Scherzen in der bunten Sendung „Kaleidoscope“ im Haupt-Abendprogramm um halb neun noch so lief: die „Collector’s Corner“, in der die Antiquitäten-Expertin Iris Brooke alten Krempel vorzeigen durfte. „Word Play“, ein Scharade-Spiel, das Nachwuchsschauspieler mit dem Publikum spielten. Und „Be Your Own Detective“, ein Segment, bei dem die Beobachtungsgabe der Zuschauer getestet wurde. Hills Beiträge waren in diesem Zusammenhang geradezu avantgardistisch. Und die Innovationen, die er von nun an auch in seinen eigenen Shows ausprobierte, sollten das Comedy-Fernsehen revolutionieren. Bis heute werden, wenn schon nicht seine Inhalte, so doch Benny Hills Formen und Techniken verwendet: Er machte die ersten Parodien auf Fernsehwerbung, in seiner Sendung waren die ersten vorproduzierten Einspieler als trennende Segmente in einer Live-Show.

Und er war der erste, der (im Spoof einer Quizshow) mehrere Rollen gleichzeitig in einem Sketch spielte. Das war im Januar 1955, als er (nach einer One-Off-Show namens „Hi There!“) seine erste eigene Fernsehsendung erhalten hatte: Die „Benny Hill Show“. Die Parodien auf bekannte Fernsehgesichter wurden einzeln gedreht und zu einem Bild zusammengesetzt — heute ein alter Hut, damals aber bahnbrechend. Es war Hills Wissen, das seine Show einzigartig machte, nicht das des Regisseurs oder Produzenten. Hill, bis dahin schon Autor und Hauptdarsteller, hätte am liebsten auch noch Regie geführt. Und die Requisite geleitet. Und die Nebendarsteller ausgesucht. Und produziert. Im Weg standen dem allerdings die Gewerkschaftsvorschriften, an die die BBC sich halten mußte. Das Fernsehpublikum liebte seine Show, insbesondere seine Imitationen, Benny Hill wurde quasi über Nacht berühmt und zum ersten Comedy-Superstar Großbritanniens, den das Fernsehen hervorgebracht hatte. Nach dem Ende der ersten Staffel seiner Show wurde er bei den „Daily Mail National Television Awards“ zur „Personality of the Year“ erkoren.

Von nun an flog Benny Hill von Erfolg zu Erfolg. Mal nahm seine Show die Form einer Serie abgeschlossener Geschichten an, in denen er pro Woche und Folge einen neuen Charakter spielte, mal war es wieder die gewohnte Abfolge von Sketchen, aber immer wagte er Neues, immer wollte er auf der Höhe der Zeit bleiben. Sein Erfolg sprach dafür, daß ihm das gelang. Die BBC hatte nicht viele Stars seines Kalibers zu bieten und gewährte ihm infolgedessen immer großzügigere Verträge und Honorare. 1956 erhielt er 350 Pfund pro Woche und Folge, 1957 schon 650, und die BBC hätte, wie interne Memos verraten, sogar bis zu 1000 Pfund auf den Tisch gelegt — zu einem Zeitpunkt wohlgemerkt, als der durchschnittliche Wochenlohn in England bei zehn Pfund lag. Hills Miete betrug wöchentlich drei Pfund.

Seine Scherze galten „Auntie Beeb“ zwar als gewagt, aber seit 1955 der Konkurrent ITV ein Auge auf die jüngeren Zuschauer des Tantchens BBC geworfen hatte, war man froh, jemanden wie ihn halten zu können. Sogar „Specials“ bei der Konkurrenz ATV gestattete man ihm. In den sechziger Jahren, die eine immer größere Welle britischer Comedyproduktionen mit sich brachten, war Benny Hill mit seiner einerseits sehr traditionellen, varietyhaften Art, die sich andererseits immer verjüngte und dem Fortschritt verpflichtet war, der ungekrönte König des Komikindustrie.

So traf es die BBC hart, als Hill sie 1968 verließ. ITV hatte ihn mit dem Angebot gelockt, in seinem eigenen Film (dem quasi autobiographischen „Eddie in August“) sowohl Regie zu führen als auch die Hauptrolle zu spielen. Die BBC war so wütend, ihren Star zu verlieren, daß sie die letzte Staffel seiner Show nicht zeigte und sogar die Bänder der Show löschte (was mit bereits ausgestrahlten Shows allerdings sogar gewohnheitsmäßig geschah, weshalb von den frühen Hill-Sendungen keine erhalten sind). Doch der Film, wie viele seiner Sketche ein Stummfilm, floppte auf ganzer Linie, und dem Comedian blieb wenig übrig: Die „Benny Hill Show“ mußte weitergehen. Mit großen Filmen sollte Hill nie Erfolg haben; in „The Italien Job“ (1969) kam sein Talent genauso wenig zum Vorschein wie in „Chitty Chitty Bang Bang“ (1968), in dem er sinnloserweise einen weitgehend unkomischen Part spielte.

„Wouldn’t you men like to see your wife in something long and flowing?“
„Yes, a river.“

Der Wechsel und die libertinären Zeiten, die mittlerweile angebrochen waren, hinterließen sichtbare Spuren in Hills Fernseharbeiten. Die Fans liebten seine immer anzüglicheren, immer gewagteren Sketche, und der dicke Mann gab ihnen, was sie verlangten. Und er nahm sich, wonach es ihn verlangte. In erster Linie war das: gutes Essen in feinen Restaurants. Daß die Fettlebe ihm einen zunehmenden Wanst bescherte, störte ihn allerdings doch, und so ließ er sich Appetitzügler verschreiben. Als Appetitzügler verkauft wurden damals Amphetamine, und für die Dreharbeiten on location bedeutete das, daß Hill schon morgens um sieben eine Handvoll Tabletten einwarf – und den Rest des Tages wie eine Flipperkugel über das Set schoß. In den frühen Siebzigern geriet seine Abhängigkeit von Speed allmählich außer Kontrolle, und daß ihm 1976 ein Niere samt Tumor entnommen werden mußte, war vermutlich Folge des fortgesetzten Amphetaminmißbrauchs.

Demnächst: Benny wird weltweit zum Superstar und gewinnt etliche höchst prominente Fans.

Zu Teil 6.

Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 4)

26. August 2011 2 Kommentare

Was bisher geschah: Benny, geboren als Alfred Hill, ist tot. Bereits als junger Mann aber entwickelt er eine Vorliebe für anzügliche Witze. Dann zieht ihn das Militär ein und schickt ihn in den Krieg.

1947 wird er demobilisiert, und schnell zieht es ihn wieder nach London. Nun nennt er sich Benny, nach seinem Vorbild, dem US-Comedian Jack Benny, und beginnt im Herbst des selben Jahres, regelmäßig im Radio aufzutreten. Dort wird er prompt in einer Nachwuchs-Show entdeckt, und auch auf Live-Bühnen faßt Hill nun Fuß dank Colonel Richard Stone, vormals Chef der Abteilung „Combined Service Entertainment“, nun Künstleragent. Er wird bis an sein Lebensende der Agent von Hill bleiben.

Ein Banküberfall.
Bankräuber: „Alle hinlegen, mit dem Gesicht nach unten!“
Alle legen sich Gesicht nach unten hin, bis auf eine blonde Kassiererin, die sich auf den Rücken legt.
Bankangestellter (Hill): „Gesicht nach unten! Das ist ein Überfall, keine Büroparty!“

Ausgerechnet ein Job, für den Hill den damals noch unbekannten Peter Sellers schlägt, wird allerdings beinah zum frühen Ende von Hills Karriere: Er darf den ernsten Gegenpart zum Comedian Reg Varney in einer mehrjährigen Bühnenshow namens „Gaytime“ spielen, doch immer fällt Hills kleiner Solo-Auftritt durch. So gut er als Stooge ist, der dem Comedian die Bälle zuspielt, so katastrophal ist er in der Rolle des Komikers. Als die Show in den Norden Englands kommt, der ohnehin als „famous graveyard for London comics“ (Varney) gilt, stirbt Benny Hill den Bühnentod: Das Publikum applaudiert, statt zu lachen. Aber nicht etwa höflichen Beifall, was schlimm genug wäre. Es ist ein langsames, rhythmisches Klatschen, höhnisch und mitleidig. Er hätte nie etwas Angsteinflößenderes gehört als diesen Applaus, sagt Varney später. Hill kommt vollkommen zerstört von der Bühne. Demoralisiert beschließt er, nicht für die Bühne gemacht zu sein, und wirft die Brocken hin.

Bis an sein Ende wird die Furcht vor Liveauftritten Benny Hill von nun an begleiten. Er wird niemals zu Gast in Fernsehtalkshows sein, die meisten Interviewanfragen ablehnen und auch bei den Dreharbeiten zu seinen Shows penibel darauf achten, daß niemand am Set ist, den er nicht schon lange kennt. Kommt etwa ein Buchhalter der Produktion aus seinem Büro herunter ins Studio und steht in Hills Sichtachse, wird der Comedian abbrechen und höflich mitteilen, es täte ihm leid, aber er könne nicht arbeiten, wenn ihm jemand zusähe. In jeder Show aber gibt es Szenen vor Livepublikum, und bevor diese gedreht werden, tritt in der Regel ein Warm-Upper auf, um die Zuschauer mit seinen Witzen auf Betriebstemperatur zu bringen. Benny Hill, Perfektionist, der er ist, macht das selbst. Doch auch hier, vor einem Publikum, das ihn liebt, das nur wegen ihm gekommen ist, ist er unsicher, vernuschelt er Pointen, murmelt er nach den Punchlines immer weiter, um die Stille zu füllen, vor der er sich fürchtet. Die Schüchternheit, so sehr sie in seinen Rollen gespielt ist, rührt tief aus ihm selbst her.

Benny und Jackie Wright, sein berühmtester Stooge, dessen Glatze so einiges mitmachen mußte im Laufe der Zeit…

Nach dem desaströsen Abschied von der Bühne schließt er sich neun Wochen lang zuhause ein. Doch er ist nicht untätig: Er kritzelt einen Sketch-Entwurf nach dem anderen, ein ganzes Konvolut will er dem Fernsehen anbieten. Aber wie gemacht ist jemand fürs Fernsehen, der schon auf der Bühne keine Lacher kriegt? Niemand im Comedy-Business glaubt so recht daran, daß Hill das schaffen kann. Und nicht nur das: Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, wie erfolgreich das Medium Fernsehen je sein wird — nur fünf Prozent der Haushalte haben 1950 überhaupt ein Empfangsgerät, die Zukunft ist ungewiß.

Doch Hill hat den Mut, mit einem Packen Sketch-Skripten unter dem Arm bei der BBC aufzulaufen, und das Glück, beim Head of Light Entertainment Ronnie Waldman vorgelassen zu werden. Dem gefällt, was er sieht, und von jetzt auf gleich ist Hill (Waldman: „Wer wäre denn geeignet, Ihre Sketche zu spielen?“ Hill: „Ich!“) beim Fernsehen gelandet. Nun stellt sich heraus, daß hier sein wahres Talent liegt: Die Kameras erfassen all seine winzigen Gesten, mit denen er innerhalb von Sekundenbruchteilen Charaktere skizzieren kann, seine anzüglichen Blicke, all die subtilen Andeutungen, die im Theater schon in der vierten Reihe niemand mehr wahrnimmt. „Kaleidoscope“ heißt die erste populäre Nachkriegs-Comedyshow, die von 1946 bis 1953 läuft und viele Talente hervorbringt – und in der Benny Hill im Alleingang ein Format erfindet, das bis heute erfolgreich ist, ohne das es etwa „Switch reloaded“ nicht gäbe: Die Fernsehparodie.

In einem Sketch spielt Hill einen Zollbeamten, der in die Kamera hinein die Zuseher mahnt, immer alles anzugeben, was sie ein- und ausführen, von den neu gekauften Nylonstrümpfen bis zum Parfümfläschchen. „Cut!“ ruft schließlich im Off der Regisseur. „Keine Sekunde zu früh!“ entgegnet der „Zollbeamte“, nimmt, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, seine Mütze ab, aus der prompt Armbanduhren und Zigarettenschachteln herausfallen.

Ja, darüber hat man in den späten Vierzigern gelacht. Bzw. nicht, denn die BBC war der Ansicht, der Zuschauer könnte durch diesen Scherz den Eindruck bekommen, britische Zollbeamte seien unehrlich. Hmja, genau. Wie auch immer: dieser harmlose Sketch war Benny Hills erster, der ihm zensiert wurde.

Demnächst: Benny wird der König der Comedy. Doch die BBC wird ihm bald zu restriktiv, darum wechselt er zu ITV. Wird sein Erfolg sich dort fortsetzen?

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