Larry David will möglicherweise die nächste Staffel „Curb Your Enthusiasm“ nach Großbritannien verlegen. Wie Chortle berichtet, habe LD bei den Writers Guild of America Awards gesagt, er würde gerne in England drehen und habe eine Vorliebe für Engländer. Allerdings gibt es noch keine Bestätigung dafür, daß es überhaupt eine weitere, es wäre die achte, Staffel „Curb“ geben wird.
In Jerry Seinfelds upcoming NBC-Show „The Marriage Ref“, seiner ersten eigenen seit 12 Jahren, sollen Ricky Gervais und Madonna mitspielen. Das berichtet u.a. die Sun. In der Show sollen offenbar Comedians (echten) Ehestreit beurteilen, und Larry David steckt auch irgendwie mit drin. Etwas ausführlicher berichtet Chortle.
Große Budgets — kleine Budgets; viele Autoren — wenige Autoren; Fachleute für jeden Pups — Personalunion von Autor und Hauptdarsteller: Das sind die augenfälligen Unterschiede zwischen US- und britischen Sitcomproduktionen, leicht vereinfacht dargestellt.
Kleine Budgets bedeuten: Wenige Schauplätze, kaum Spezialeffekte, niedrige Gagen und hoher kreativer Druck, diese Handicaps auszugleichen. Wenige Autoren bedeuten: Weniger Episoden pro Staffel (sechs oder sieben vs. zwölf bis 24), niedrigere Gagdichte, dafür mehr Komik, die aus Charakteren entsteht. Personalunion von Autor und Hauptdarsteller zusammen mit hohem kreativem Druck bedeuten: Serien, die höchst individuelle Handschriften tragen und von (vergleichsweise) großer künstlerischer Freiheit geprägt sind.
Auf Platz fünf meiner höchst privaten und extrem willkürlich zusammengestellten Britcom-Top-Ten findet sich eine Serie, der man all die oben genannten Charakteristiken deutlich ansieht: Kleines Budget, Autor ist auch Hauptdarsteller, eigene Handschrift. Und sie spielt auch noch im Comedy-Zirkus zwischen Live-Gigs und Fernsehwerbung, Panel- und Talkshows, im writer’s room eines Comedians, der auch im wirklichen Leben einer ist.
Platz 5: „Lead Balloon“ (2006 — , BBC4/2)
Rick Spleen (Jack Dee) ist ein Stand Up-Comedian und Autor, dessen Karriere nicht ganz so verlaufen ist, wie er sich das gedacht hatte: Er hat den Breakthrough nie geschafft, und statt einer eigenen Fernsehshow darf er allenfalls die Texte für das englische Äquivalent von „Ups — die Pannenshow“ schreiben. Sein sauertöpfisches Wesen, seine notorischen Lügen und geklauten Witze, seine ganzen Neurosen und kleinlichen Beschwerden erleichtern ihm das Leben genauso wenig wie sein amerikanischer Coautor Marty (Sean Power), der mit seinem aufgeräumten Sonnyboy-Wesen das genaue Gegenteil von Rick ist. Dessen Leben wiederum, das sich größtenteils bei ihm zuhause abspielt, wird bestimmt von seiner Familie, i.e. seiner ihn stets unterstützender Frau Mel (Raquel Cassidy), seiner nutzlosen Tochter Sam (Antonia Campbell-Hughes) und ihrem unmotivierten Freund Ben (Rasmus Hardiker) sowie der griesgrämigen osteuropäischen Haushaltshilfe Magda (Anna Crilly).
Egal, ob es nun darum geht, daß Rick Gewicht zugelegt hat und beim Fitneß-Training unüberlegterweise behauptet, das liege an einem Medikament gegen Krebs, er habe nämlich Krebs!, oder ob er den Wirt seines Stammcafés bei einem Seilspring-Marathon für eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit fünf Pfund sponsern will und erst zu spät begreift, daß das fünf Pfund pro Sprung bedeutet; ganz gleich, ob er während eines Fernsehquizes als prominenter Unterstützer einer Kandidatin die falsche Antwort vorgibt und sie damit um den Gewinn eines Autos bringt oder einen Selbstmörder rettet: Stets bugsiert er sich in das tiefste aller Fettnäpfchen. Es stellt sich heraus, daß sein Mitsportler im Club selbst Krebs hat und alles über das Krebsmedikament erfahren möchte, das Rick nimmt; er wird gezwungen, der erfolglosen Quizkandidatin von seinem Honorar ein Auto zu kaufen und entscheidet sich für das billigste, das er kriegen kann; der Selbstmörder entpuppt sich als Pädophiler.
„Lead Balloon“ (der Titel bezieht sich auf den sprichwörtlichen Blei-Ballon, der im Englischen so abstürzt wie im Deutschen die bleierne Ente untergeht) hat den Paradigmenwechsel durch „The Office“ und „Curb Your Enthusiasm“ mitgemacht und überzeugt als Sitcom der Nullerjahre durch die Dialoge, die so alltäglich-improvisiert und ungekünstelt laufen wie die von „The Office“, aber so kunstvoll mehrere anscheinend unzusammenhängende story lines verknüpfen und in großen Katastrophen kulminieren lassen wie „Curb“. In der dritten Staffel schließlich gibt es wie in „Curb“ auch noch mehrere Story-Bögen, die sich durch die ganze Series ziehen. Jack Dee wirkt so überzeugend wie Larry David, weil auch er tatsächlich aus dem Metier ist und vor „Lead Balloon“ schon als Stand Up-Comedian und Fernseh-Moderator in England recht prominent war; seine Bücher (zusammen mit Pete Sinclair) sind vor allem in ihrer Innenansicht der Comedy-Welt glaubwürdig.
Die ersten beidenStaffelnsind auf DVD erschienen, eine vierte Staffel ist für Herbst 2010 angekündigt.
Auf gänzlich unsentimentale Weise gehen derzeit Larry David und Jerry Seinfeld die Wiedervereinigung des »Seinfeld«-Casts an: Sie spielen sie nämlich nur, im Rahmen von Davids aktueller Staffel »Curb Your Enthusiasm«, und wie es bei »Curb« zu schöner Routine geworden ist: Alle kriegen sich früher oder später mit »L.D.« in die Haare – für »Weißt du noch, damals«-Gefühligkeiten bleibt da zum Glück keine Zeit.
Das ist bei dem sechs einstündige Folgen starken »Monty Python: Almost the Truth – The Lawyer’s Cut« (Edel) anders. Die Pythons feierten soeben ja auch schon ihr vierzigstes Jubiläum, und entsprechend respektvoll begegnen sie zwar immerhin nicht sich gegenseitig, aber die prominenten Fans ihren Heroen, und alle kommen in dem 3-DVD-Box-Set ausführlich zu Wort: Stephen Merchant, Simon Pegg und Steve Coogan, Dan Aykroyd, Pink Floyds Nick Mason und Tim Roth dürfen gratulieren und ihre Kindheitserinnerungen zum besten geben, und natürlich die Pythons selbst bzw. David Sherlock, Graham Chapmans langjähriger Freund, an Stelle des verstorbenen Pythons.
Zwar gibt es für eingefleischte Pythonauten auch hier kaum neue Erkenntnisse (außer daß Eric Idle aufhören sollte, sich die Haare zu färben), aber das Altbekannte wird neu und kompetent erzählt – von den ganz frühen Tagen aller Pythons (»The Not-So-Interesting Beginnings«), die allerdings mit dann doch interessanten neuen Fotos und privaten Super-8-Filmchen schön angedickt werden, dem »Flying Circus« (»The Much Funnier Second Episode«) und den schäbigen Momenten (»The Sordid Personal Bits«), in denen die Zensur versuchte einzugreifen, die BBC beinah die Aufnahmebänder gelöscht hätte und die Pythons mit Chapmans alkoholinduzierter Arbeitsunfähigkeit, Cleeses Starallüren und den Rivalitäten zwischen den beiden Terrys zu kämpfen hatten.
So geht das weiter bis zum letzten Kinofilm, »The Meaning of Life«: Mit zahllosen Ausschnitten, die Lust machen, sich das Gesamtwerk der Pythons gleich noch mal reinzuziehen, und die geistesverwandten Geniestreiche des Python-Vorbilds Spike Milligan, der »Goon-Show« und der Bonzo-Dog-Doo-Dah-Band gleich hinterher – und doch bleibt nach aller Sentimentalität immer das Gefühl, man habe gerade mitgeholfen, Punk ins Museum zu bringen und damit der Anarchokomik alles Anarchistische (und auch alles Komische) zu nehmen, etwas auf einen Sockel zu stellen, das immer gegen alle Erhabenheit war, aus einer Komikergruppe eine Institution zu machen, die stets alle Institutionen vorgeführt und lächerlich gemacht hat. Ein Dilemma, aus dem man kaum herauskommt. Es sei denn, man greift zur Fernbedienung und widmet sich einer weiteren hervorragenden neuen Folge von Larry Davids »Curb«.
Es ist ja nicht so, daß gar keine Woody-Allen-Filme mehr funktionierten: „Scoop“ und „The Curse of the Jade Scorpion“ habe ich gerne gesehen, „Vicky Cristina Barcelona“ fand ich immerhin noch okay; zwischendurch habe ich auch hin und wieder einen Allen verpaßt, ohne ihn vermißt zu haben. Larry David dagegen ist fast immer genial, auch den Bericht plus Interview gestern in der Sunday Times habe ich wieder gerne gelesen.
Trotzdem fand ich „Whatever Works“ (bei uns ab Dezember in den Kinos) beinah körperlich abstoßend. Zwar ist Larry David in der Rolle des Boris Yelnikoff überraschend gut, besser, als ich noch angesichts des Trailers gedacht hätte. Die Geschichte allerdings, da beginnen die Probleme, ist der gefühlt 10 Trillionste Aufguß des schlechteren Woody Allen-Musters „Alter Sack und junges Mädchen“: Boris, ein grumpy old man mit Beinahe-Nobelpreis, haßt die Welt (und hat einen Selbstmordversuch nur gerade so eben überlebt). Eines Abends findet er vor seiner New Yorker Wohnung die schöne, sehr junge und sehr dumme Melodie (Evan Rachel Wood), aus ihrem Südstaaten-Elternhaus ausgerissen und nun obdachlos. Zunächst gegen seinen Willen läßt er sie bei sich übernachten, woraufhin, wer hätte das kommen sehen, das doofe Blondchen sich in ihn verliebt und sein misanthropes Leben gehörig durcheinanderbringt.
Leider nimmt der Film viel zu spät Fahrt auf, indem er den ersten größeren Konflikt erst nach ca. einer Dreiviertelstunde etabliert, nämlich als ihre Mutter und später ihr Vater auftauchen (und sich — New York, New York! — prompt vom libertinären Lebensstil überwältigen und von spießigen Hillbillies in aufgeschlossene Neu-New Yorker verwandeln lassen). Bis dahin aber war mir aber längst schlecht von der grenzenlosen Selbstverliebtheit, mit der da ein alter Sack (Allen) zeigt, wie sich ein blutjunges Mädchen einem alten Sack (Boris) an den Hals wirft, obwohl der das reine Arschloch ist. Larry David, der mehr oder weniger Woody Allen spielt, gefällt sich wahnsinnig gut in dieser Rolle, und Woody Allen gefällt es wahnsinnig gut, sich selbst in der Verkörperung durch Larry David dabei zuzusehen, wie er aus dem Dummchen eine doch recht passable Erscheinung macht, die seine Sottisen nachplappert, ohne sie zu verstehen, und dadurch allmählich sogar gesellschaftsfähig wird. Er macht sie also erst zur Frau — jung und hübsch darf sie bleiben, und gegen ihre Doofheit hat sie ja ihn als Lehrer, Mentor und Mann.
Woody Allen, wir erinnern uns, ist der, der einst Mia Farrow für deren 22jährige Adoptivtochter verlassen hat, zu der er vorher ein quasi väterliches Verhältnis hatte; Farrow fand 1992 Nacktfotos von Soon-Yi in Allen Appartement. Woody Allen ist weiterhin der, der nun für Roman Polanski eintritt, der 1977 mit Mitte vierzig eine Dreizehnjährige unter Drogen gesetzt und anschließend offenbar bestiegen hat. Muß ich nun als Zuschauer und Kritiker so fair sein und außerfilmische Wirklichkeit von dem Film trennen? Einen Scheißdreck muß ich. Und den Wichsphantasien eines notgeilen Geronten zuschauen muß ich schon gleich gar nicht. Hab’s nun aber schon und kann also nur die Empfehlung abgeben, sich „Whatever Works“ zu sparen. Weil er nicht gut ist, zum einen, und weil er eklig ist zum anderen.
Bitte dämpfen Sie Ihre Begeisterung: Ja, Larry David, Co-Creator von „Seinfeld“ und großartiger Autor/Regisseur/Hauptdarsteller von „Curb Your Enthusiasm“, spielt die Hauptrolle im neuen Woody-Allen-Film„Whatever Works“. Ja, er spielt wohl im Wesentlichen sich selbst, was er am Besten kann. Ja, L.D. und Woody Allen scheinen auf den ersten Blick kongenial. Aber: Nein, der Film ist wohl trotzdem nicht gut.
Die Geschichte eines exzentrischen, reichen New Yorkers (gespielt von einem exzentrischen reichen Einwohner von L.A.), der sich in eine sehr schlichte und ca. 100 Jahre jüngere Frau aus den Südstaaten verliebt, ist eine Arbeit Allens, die er seit den frühen Siebzigern in der Schublade hatte; da wäre sie offenbar besser auch geblieben. Denn wer „Curb“ kennt, weiß: Larry David ist kein Schauspieler. Er ist sehr gut in den peinlichen Miniaturen, aus denen „Curb“ gestrickt ist, und hat im Fernsehen auch Präsenz. Allerdings werden er und seine Art nach einer guten halben Stunde auch sehr anstrengend, und 90 Minuten davon auf einer großen Leinwand stelle ich mir sehr, sehr lange vor. (Tatsächlich war Larry Davids erster Ausflug ins Kino, „Sour Grapes“ (1998) dito sehr, sehr lange und mühselig — die Gesetze des Fernsehens, die David offenkundig aus dem FF beherrscht, gelten für Spielfilme eben nicht.)
Aber gesehen habe ich, anders als der Rezensent der N.Y.Times und MTVs Kurt Loader, den Film natürlich noch nicht.
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