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Artikel Tagged ‘Lead Balloon’

Giftige Romcom

16. September 2014 3 Kommentare

Toxic nennen Amerikaner, für die soziale Begegnungen ja gar nicht oberflächlich freundlich genug sein können, solche Mitbürger, deren Stinkstiefeligkeit alle Menschen in ihrer Umgebung „runterzuziehen“ droht. Quietschvergnügt muss das Sozialleben ja mindestens sein in den USA, und wer seine Umwelt nicht permanent mit guter Laune ansteckt, sondern ein Miesepeter ist, ein mürrischer Brummkopf oder gar Engländer, der wird geschnitten, kriegt keine Weiber ab und kann sich schon freuen, wenn er zur Hochzeit seiner Exfreundin eingeladen wird.

Wenn er dann doch eine abkriegt, die gerade Bock auf einen sinnlosen One Night Stand hat, weil sie Hochzeiten deprimierend findet, und sich aus diesem One Night Stand dann eine (Nicht-) Beziehung entwickelt, die „kompliziert“ zu nennen eine schamlose Untertreibung wäre: dann ist das Rezept für eine Sitcom gefunden, die auf dem amerikanischen Markt gerade ziemlich einzigartig ist.

„You’re the Worst“ (FX, gerade sind neun von zehn Folgen gelaufen) erzählt die Geschichte dieser, genau: toxic relationship, also die Geschichte von Jimmy Shive-Overly (Chris Geere), einem englischen Jungautor in Los Angeles, und Gretchen (Aya Cash), der PR-Frau einer schwer angesagten schwarzen HipHopper-Bande. Beide sind recht erfolgreich, zumindest hat Jimmys Vorschuss auf sein erstes Buch für ein schniekes Haus gereicht, und Gretchen hat jederzeit genügend Kohle für Drogen auf der Naht.


Beide funktionieren also, wie es sich für anfang Dreißigjährige in L.A. (und auch überall sonst) gehört; aber beide sind emotional taub und blind, könnten ihre Gefühle kaum benennen, wenn sie denn welche hätten, und würden sie aber auch dann verleugnen, wenn sie welche hätten und sie benennen könnten.

Stattdessen haben sie schon mit Anfang Dreißig das Konzept von festen Beziehungen begraben — und müssen sich, als sie einander als verwandte Geister erkannt haben, umso quälender an den kleinsten Dingen abarbeiten, die Paare so tun: zusammen aufwachen, Schlüssel tauschen, die gemeinsamen Sonntags-Aktivititäten gegen nervtötende Hipster verteidigen.

Zum Glück schafft es Creator Stephen Falk, der schon für das hervorragende „Orange is the New Black“ (Netflix seit 2013) und „Weeds“ (Showtime, 2005 – ’12) geschrieben hat, Jimmy und Gretchen nicht als die ungehobelten, narzisstischen, lauten dreißigjährigen Pubertierenden erscheinen zu lassen, die sie sind — nun ja, jedenfalls nicht nur. Er stellt ihnen Jimmys Hausmitbewohner Edgar (Desmin Borges) zu Seite, einen an PTSD leidenden Veteran, der trotz seiner Heroin- und Medikamentenabhängigkeit die verständigste, mitfühlendste, sympathischste Figur der Serie ist, immer um Jimmy und Gretchen und ihre Beziehung besorgt, und Lindsay (Kether Donohue) als Gretchens beste Freundin, die längst bereut, dass sie einen spießigen Langweiler geheiratet hat, um finanziell abgesichert zu sein.

Dank dieser Nebenfiguren ergibt sich nämlich ein größeres Bild: eines von einer Generation, die sich zwischen beruflicher und existenzieller Anpassung und innerer Leere aufreibt, an sich selbst leidet und damit ihren Mitmenschen gehörig auf die Nerven geht. Im wirklichen Leben möchte man nämlich weder Gretchen noch Jimmy begegnen (z.B. im Kino).

Allerdings möchte man den meisten Figuren dieser Serie nicht im wirklichen Leben begegnen: weder dem noch egozentrischeren Filmregisseur, mit dem Gretchen hin und wieder schläft, noch den schwarzen Hip Hoppern, von denen einer Shitstain heißt und die insgesamt enorm von Donald Glovers Troy Barnes in „Community“ profitieren. Schon gar nicht aber den Hütchen-Hemdchen-Bärtchen-Hipstern, die schamlos Edgars „Funday“-To-Do-Liste abkupfern (obskurer Plattenladen, Nackenmassage im Park, versteckter Taco-Stand).

Bedauerlich, dass „You’re the Worst“ noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die die Serie verdient (in den USA im Schnitt nur eine halbe Million Zuschauer), denn die könnte, wenn sie sich so weiterentwickelt, durchaus mit „Parks and Recreation“ oder dem US-„The Office“ mithalten. Mit Alex Hardcastle ist auch schon ein (britischer) Regisseur genau dieser Serien an Bord, der außerdem schon bei „Lead Balloon“ und „Not Going Out“ Regie geführt hat, und ebenso Matt Shakman, der schon bei „Mad Men“, „Six Feet Under“, „House M.D.“ und „It’s Always Sunny in Philadelphia“ auf dem Regiestuhl saß.

Vielleicht lösen dann Jimmy und Gretchen am Ende noch „Communitys“ Britta ab, von der es ja nun bislang immer hieß: You’re the worst. Sechs Staffeln und einen Film, bitte!

Die Charaktermasken des Martin Hurdle

29. März 2013 1 Kommentar

Kürzlich führte Harald Schmidt in einem Interview mit der F.A.Z. aus, wie sehr es ihn anstrenge, „authentisch“ zu sein, und ließ durchblicken, dass es ihn so etwas wie gefreut hat, als Elfriede Jelinek ihn als Charaktermaske bezeichnet hat:

Charaktermaske, Standardbegriff aus dem Marxismus, kann ich voll unterschreiben, denn ich denke meinen Tag genau wie folgt: So, nun bin ich in Köln im Excelsior-Hotel für ein Interview, dann geh ich raus, dann bin ich der Parkplatz-Gänger, der sein Ticket löst, und eventuell der joviale Köln-Bewohner: „Hey Schmidtchen, Du hier!“ Und dann bin ich wieder der Bahnreisende oder der Kinder-vom-Kindergarten-Abholer. Wenn Sie das jemandem erzählen, der vom Authentizitätswahn befallen ist, der sagt dann natürlich: Um Gottes Willen, wann bist Du denn einmal Du selbst? Ich finde es aber gerade anstrengend, dass so viele Leute permanent sie selbst sind oder besser: das, was sie glauben zu sein.

Dass Menschen sich auflösen hinter den unterschiedlichen Rollen, die sie im Alltag spielen, dass ihr Ich verschwindet hinter den Masken, die das Freund sein, Kunde sein, Angestellter, Mitreisender oder Vater sein mit sich bringt, hat zunächst einmal etwas eher Melancholisches.

Wenn sie aber hinter den Rollen von Prominenten, Filmfiguren und Popreferenzen verschwinden, kann das ohne weiteres ins Komische kippen.

Eine Melancomedy, eine Sadcom im besten Sinne, die genau diese Schwermut und diese Komik in sich vereint, ist „The Mimic“ (Channel 4, seit 13. März). Hier ist es Martin Hurdle (Terry Mynott, sehr gut schon in „Very Important People“), der aus seinem Alltag als kompletter Versager am liebsten durch seine perfekten Imitationen, seine parodistischen Miniaturen großer Stars verschwindet. Eigentlich ist er eine traurige Gestalt, hängt mit fast vierzig immer noch in einem Aushilfsjob fest, wo ihn selbst neue Kolleginnen im Teenageralter innerhalb weniger Wochen überholen. Aber sobald er im Stau auf dem Weg zur Arbeit Terry Wogan parodiert, das provinzielle Leben mit der Stimme David Attenboroughs zur großen Naturdokumentation überhöht oder auch nur Bikinimodells mit der Stimme von Christopher Walken anruft, um sie dazu zu überreden, ihm Nacktfotos zu schicken, entkommt er seiner Tristesse. Wenn auch nur sekundenweise.

Zum Glück passiert dann doch recht schnell etwas, bevor wir als Zuschauer bemerken, dass eine Hauptfigur ohne Charaktermerkmale schnell in einem Vakuum verschwinden könnte: Martin erfährt, dass er Vater ist — und zwar schon seit 18 Jahren. Sein Sohn Steven (Jacob Anderson) ist also halb so alt wie er, dafür aber ungefähr dreimal so erfolgreich. Und weil Martins beste Freundin, seine Vermieterin Jean (Jo Hartley) plötzlich einen Lover und deshalb keine Zeit mehr für ihn hat, während Steven und Martin sich in einer Vater-Sohn-Beziehung mit umgekehrten Vorzeichen näher kommen, gerät doch noch etwas Dynamik in Martins Leben.

„The Mimic“ ist eine kleine, sehr ruhige Sitcom, die es hinter dem großen parodistischen Talent Mynotts und brillanten Buchideen gut zu verstecken weiß, dass sie ein großes Thema hat: Wenn Martin erzählt, dass er jedesmal zum Iren wird, wenn er in einen Irish Pub geht (und zwar zu einem Iren namens Michael), und es sehr genießt, dort quasi eine Auszeit vom Martin-Sein zu haben, dann ist das (wenn wir es ausgespielt sehen) ziemlich komisch. Und doch geht es um nicht weniger als Entfremdung.

Wenn also „Mimic“-Creator und Autor Matt Morgan nicht mit dem Arsch (den letzten zwei Folgen) noch einreißt, was er mit den Händen aufgebaut hat, dann wird „The Mimic“ auf einer Stufe stehen mit „Happiness“ (BBC2, 2001 – 03), in der Paul Whitehouse mit vergleichbarer Traurigkeit seine Identitätskrise als Mensch hinter einer bekannten Fernseh-Knetpuppe bearbeitet: eine äußerst liebenswerte Serie, zu hintergründig für den großen Erfolg im Mainstream, aber ein Highlight für alle, die Charaktere wie Rick Spleen in „Lead Balloon“ (BBC4/2, 2006 – 11) mögen und Joanna Lumleys Davina in „Sensitive Skin“ (BBC2, 2005 – 07).

Great Piss!

24. März 2013 2 Kommentare

Seit sie in „Lead Balloon“ (BBC4/BBC2, 2005 – 2011) die osteuropäische Haushaltshilfe Magda spielte, ist ihr Name ein Begriff, obwohl sie ansonsten gar nicht so häufig im Fernsehen war. Jetzt hat Anna Crilly zusammen mit Katy Wix („Not Going Out“, BBC1 seit 2006) eine eigene Sketch-Show: „Anna & Katy“ (Channel 4, seit 6. März). Die besticht vor allem durch liebevoll gemachte TV-Pastiches und einen ganz eigenen, schön albernen Tonfall.

Es sind keine Parodien auf konrete Fernsehshows, die Crilly und Wix abfeuern, sondern ihre höchst eigenwilligen Interpretationen gängiger Formate: von der Kochshow, in der ausschließlich Reis gekocht wird („Rice Britania“), über Chartshows („World’s Worst Words“), in denen X- und Y-Prominenz Statements abgeben dürfen, bis hin zu Soaps, die von Schleichwerbung gezeichnet sind („The Lane“). Authentisch inszeniert (von „The Office“-Produzenten Ash Atalla und seiner Produktionsfirma Roughcut TV) und mit einem hervorragenden Cast (in dem unter anderem „Not Going Out“-Star Lee Mack mitspielt) und etlichen Promi-Cameos macht „Anna & Katy“ einen prima Eindruck — auch wenn einige Sketche zu lang geraten und hin und wieder etwas zu absurd werden.

Das machen die gelungenen Sketche aber mehr als wett: Etwa die „Ignition“-Reihe, in der die drei Betreiber einer kleinen Autowaschanlage nicht dazu kommen, Autos zu waschen, weil sie permanente Mitarbeiter-Meetings haben, in denen sie sich in schönster „Apprentice“-Nullsprache Wirtschafts- und Motivationsgeschwätz um die Ohren hauen („There is no ‚U‘ in ‚Grop'“). Oder die Dokusoap über Beamtinnen im Polizeialltag, die unerklärter-, aber sehr lustigerweise überlange Arme haben.

Höhepunkt jeder Folge aber (für mich) ist die immer neue Parodie englischer als „deutsche“ Shows („mit Hosten Gretel Hubschrauberlandeplatz“). Man stelle sich ungefähr die „Channel 9“-Sketche der „Fast Show“ vor, ohne die „Fast Show“-typischen, immer wiederkehrenden Catchphrases, aber mit einer sehr lustigen Pigeon-Fäkalsprache („Great Piss!“), die… ach was soll ich das hier lange beschreiben, es gibt ja eine Folge bei YouTube: „Küntworts“, angelehnt an die britische Show „Countdown“. Und auch „World’s Worst Words“ ist online. Hier im Blog einbetten lässt Channel 4 mich aber nur den Trailer:

Wenn Anna Crilly und Katy Wix auf diesem Niveau weitermachen, könnten sie in absehbarer Zeit zu einem neuen weiblichen Double Act werden, auf den man zählen kann; ohne sie jetzt mit dem schlimmen Label der „neuen French & Saunders“ bekleben zu wollen. Einziger Wunsch meinerseits: Crilly könnte die „lustigen Akzente“ noch ein bisschen runterschrauben, mit denen viele Sketche gepimpt werden. Auch wenn sie mit einem solchen lustigen Akzent bei „Lead Balloon“ erst zu der lustigsten Nebenfigur der Show geworden ist, und obwohl Anna und Katy tatsächlich eine heimliche Vorliebe für Deutschland zu haben scheinen. Die Titelmelodie ist jedenfalls von der Berliner Band Stereo Total.

Jahresendabstimmung

29. November 2011 12 Kommentare

Wie schon im letzten Jahr laufen auch heuer wieder etliche Serien gerade erst wenige Folgen lang („Life’s Too Short“, „The Café“); trotzdem schon jetzt der Poll: Welche haltet Ihr für die beste Britcom des Jahres? Ich habe abermals auf Sketchshows und ComedyDramas verzichtet (und überlege noch, ob ich letztere mal gesondert zur Abstimmung stelle) — Ausnahmen: „Benidorm“, das immerhin mal als Sitcom angefangen hat, und „Fresh Meat“, das eine sein will, auch wenn jede Folge eigentlich ComedyDrama-Format hat (45 Minuten) und die Serie zuletzt auch kaum noch laute Lacher verbuchen konnte. Außerdem ist die Liste nicht vollständig („Phoneshop“); wer eine Sitcom allzu schmerzlich vermißt, möge das in die Kommentare schreiben, dann werde ich sie nachtragen und damit die Abstimmungsergebnisse vollkommen verzerren.

Jeder hat drei Stimmen, zu gewinnen gibt es schon wieder nichts. Go on, go on, go on, go on, go on!

UPDATE 6.12.: Der Poll ist geschlossen, und ich bin abermals mit dem Geschmacksurteil meiner Leser recht zufrieden. Daß mit „Episodes“ und „Life’s Too Short“ die zwei größten, über dieses Blog hinaus breit diskutierten Sitcoms ganz oben landen würden, war abzusehen und ist auch völlig richtig so; daß aber „Fresh Meat“ und „Friday Night Dinner“ es ebenfalls so hoch in die Charts schaffen würden (und noch vor „Ideal“ und „Lead Balloon“), freut mich (auch wenn natürlich die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß besonders große Fans mehrfach für ihre Lieblingsserie abgestimmt haben).

Beste Britcom 2011

  • Episodes (18%, 29 Votes)
  • Fresh Meat (13%, 21 Votes)
  • Life's Too Short (13%, 20 Votes)
  • Friday Night Dinner (13%, 20 Votes)
  • Lead Balloon (Series 4) (10%, 16 Votes)
  • Ideal (Series 7) (6%, 10 Votes)
  • Campus (5%, 8 Votes)
  • Twenty Twelve (4%, 7 Votes)
  • Rev (Series 2) (4%, 6 Votes)
  • Outnumbered (Series 4) (4%, 6 Votes)
  • The Café (3%, 4 Votes)
  • Mongrels (Series 2) (2%, 3 Votes)
  • Benidorm (Series 4) (2%, 3 Votes)
  • Trollied (1%, 2 Votes)
  • White Van Man (1%, 2 Votes)
  • Him & Her (Series 2) (1%, 1 Votes)
  • Mount Pleasant (0%, 0 Votes)

Total Voters: 77

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The days are (out-)numbered

10. September 2011 1 Kommentar

Die vierte Staffel „Outnumbered“ (BBC1) hat begonnen — und zwar mit einem sehr beunruhigenden Gefühl meinerseits. Denn einerseits liebe ich diese Familien-Sitcom, seit sie vor vier Jahren gestartet ist. Andererseits ist mittlerweile nicht mehr zu übersehen, daß die Premisse der ganzen Serie auf immer wackeligeren Beinen steht.

Denn die Spannungen, die Verhältnisse zueinander in einer Familie verschieben sich, wenn die Kinder älter werden. Und war es in der letzten Staffel Jake (Tyger Drew-Honey), der sich dank Pubertät und Stimmbruch überraschend schnell verändert hatte, so ist es in dieser Karen (Ramona Marquez), die jüngste, die mittlerweile neun ist — und einen irritierenden Schub weg von unschuldig-niedlich hin zu moppelig-hochgeschossen hinter sich hat.

https://www.youtube.com/watch?v=FQi-_geTobE?version=3&hl=de_DE

In der letzten Staffel hatten Andy Hamilton und Guy Jenkin Jakes Pubertät thematisch angemesse in die „Outnumbered“-Skripte eingebaut. Da ging es dann verstärkt um Freundinnen und illegale Musikdownloads, was seiner Figur des ältesten Kindes der Familie völlig entsprach, das mit dem Älterwerden andere und größere Probleme hat als seine Nachgeborenen.

Bei der ersten Folge der neuen Staffel aber kam es mir so vor, als hätte Karen ihre kindliche Phantasiewelt nicht verlassen dürfen, um weiterhin skurrilen und mädchenhaft versponnenen Quatsch reden zu dürfen, auf den Ben (Daniel Roche, mittlerweile elf) weiterhin mit seinen eher jungshaften Gewaltphantasien reagieren kann. Dafür, das zumindest war mein Eindruck, ist sie aber mittlerweile doch ein bißchen zu alt (vielleicht auch nur zu groß) — was im ersten Moment sehr befremdlich wirkte (um mal nicht das Wort „Zombie“ zu verwenden).

Andererseits habe ich selbst keine Kinder, kann also gar nicht angemessen beurteilen, wie erwachsen Kinder in welchem Alter so sind oder sein können — womöglich ist es schlicht meine eigene Übertragung eines ganz anderen Problems auf Karen: Nämlich daß ich ein immer verzweifelteres Festhalten an alten Sitcom-Ideen bemerke, statt daß langsam mal neue Serien mit neuen Ideen probiert werden. Nichts gegen die Fortsetzung beliebter Serien, aber die alte Tradition des englischen Fernsehens, Sitcoms nach zwei, spätestens drei Staffeln zu beenden, hatte schon ihren Sinn: Meistens sind die Serien an diesem Punkt nämlich auserzählt, und es schadet nie, dann aufzuhören, wenn es am schönsten ist. Schon um Platz für Neues machen zu können. Die letzte, vierte Staffel „Lead Balloon“ (BBC2) machte da keine Ausnahme.

An Neuem aber hapert es gerade gewaltig. Was natürlich nicht zuletzt ein Grund dafür ist, daß dieses Blog in letzter Zeit so selten mit Lobeshymnen über neue Serien aufwartet. Weder „Trollied“ (Sky1) noch „Mount Pleasant“ (ebenfalls Sky1) haben meine Erwartungen erfüllt, und die größten Nachrichten aus dem britischen Comedybusiness heißen derzeit „The Fast Show“ kommt im Internet zurück (wie vor Jahresfrist „Alan Partridge“ gesponsert von der Brauerei eines bestenfalls mittelmäßigen Biers), „AbFab“ kommt mit einem Extra zurück, Ricky Gervais moderiert die „Golden Globes“ zumindest in einem Podcast doch noch einmal, ach je, kann bitte mal jemand das Fenster aufmachen und ein bißchen frische Luft reinlassen? Es wird langsam doch arg stickig. Danke!

Blei-Ballon an der Zimmerdecke

2. Juni 2011 1 Kommentar

Darum funktionieren Filmfortsetzungen so gut: Man kennt die Hauptfiguren schon, keine ausführlichen Charakterisationen mehr nötig. Man weiß genau, was passieren wird. Und dann passiert es. Siehe „Hangover 2“, um nur mal ein aktuelles Beispiel zu erwähnen.

Ich habe mich gefreut, nach drei Jahren Abstinenz von „Lead Balloon“ (BBC2) endlich wieder den notorisch schlecht gelaunten Stand-Up-Comedian Rick Spleen (Jack Dee) zu sehen, seinen naseweisen amerikanischen Autor Marty (Sean Power), der im Gegensatz zu Rick tatsächlich witzig ist, Ricks geduldige Ehefrau Mel (Raquel Cassidy) sowie die vollkommen motivationslose Tochter Sam (Antonia Campbell-Hughes) und ihren weniger ambitionierten Freund Ben (Rasmus Hardiker). Oh, und die depressive osteuropäische Haushaltshilfe Magda (Anna Crilly) sowie den dauerbeleidigten Café-Besitzer Michael (Tony Gardner).

Die Zeit ist weder an Rick noch an Marty spurlos vorbeigegangen: Was Marty (bzw. Power) an Gewicht verloren hat, hat Rick zugelegt (bzw. Dee — ich will mal hoffen, nur für die Rolle des mittlerweile in einem Allzeit-Karrieretief angekommen Rick). Der sitzt, wie praktisch alle im Comedy-Business, gerade an einem Roman, das heißt: an einem Romananfang, der darin besteht, daß sich der Held umbringt. Was möglicherweise nicht der beste vorstellbare Romananfang ist. Wie sich Rick überhaupt offenbar eher nicht vorstellen kann, was in so einem Roman drinstehen könnte. Oder auch nur wie der Name der Hauptfigur ist.

Gut, daß sich die Presse für eine Homestory angekündigt hat: So kann Rick schon mal üben, was er der Reporterin, ganz beiläufig, versteht sich, über seinen Roman erzählen könnte. Nicht viel, leider, wie er bald feststellt. Also verlegt er sich darauf, wenigstens mit einem ungewöhnlichen Privatleben zu punkten, und kauft sich ein Hausschwein. Ja, ein Hausschwein. Warum das denn? fragt ihn seine Frau. Weil wir Leute sind, die ein Hausschwein haben könnten, sagt Rick. Wenn wir Leute wären, die ein Hausschwein haben könnten, dann hätten wir ein Hausschwein, sagt seine Frau. Und bittet ihn, das Schwein wieder verschwinden zu lassen, bevor die Journalistin und der Fotograf kommen. Die nämlich sind ausschließlich an Mel und ihrer erfolgreichen Agentur interessiert. Ricks Prahlereien dagegen interessieren überhaupt nicht. Und das Schwein, das derweilen versteckt werden muß — was könnte da wohl schiefgehen?

Man kennt die Figuren schon, man weiß, was passieren wird. Alles wie immer. Im Falle von „Lead Balloon“ ist das gut, denn „Lead Balloon“ war immer sehr komisch: Eine eigenständige englische Variation von „Curb Your Enthusiasm“, mit einer Figur in der Hauptrolle, die kein Fettnäpfchen auslassen kann, sich in immer ausweglosere Situationen hineinmanövriert und uneinsichtig genug ist, um dabei auch noch wie ein Arschloch auszusehen.

Bei „Curb“ allerdings hat sich über die Staffeln hinweg viel getan; abgesehen von mehreren Umzügen hat sich unter anderem Cheryl von Larry getrennt, dann hat eine Familie farbiger Überschwemmungsopfer bei Larry gewohnt, der mit Loretta zusammenkam und sich auch wieder von ihre trennte.

Nichts davon bei „Lead Balloon“. Mel erträgt (warum nochmal?) den erfolglosen Rick stoisch weiter und verdreht die Augen, wenn er allzu peinlich wird. Magda läßt sich wie gehabt vom Hausherrn schikanieren. Nicht einmal Sam hat sich von Ben getrennt, um wenigstens in der zweiten Reihe ein paar Regler neu zu justieren und ein bißchen Spannung aufkommen zu lassen. Durch die Decke geht die vierte (und allem Anschein nach letzte) Staffel „Lead Balloon“ nicht.

Wie gesagt: Nicht, daß Neujustierungen zwingend nötig wären. Ich habe sehr gelacht, als das Schwein Rick schließlich ins Gesicht geschissen hat. Und im Moment freut mich die Rückkehr einer so soliden, verläßlich lustigen Britcom sehr.

Die Staffeln eins und zwei sind bereits auf DVD erhältlich, die dritte erscheint am Montag.