Archiv

Artikel Tagged ‘Mark Heap’

Cunk on Shakespeare

William Shakespeare findet derzeit anlässlich seines 400. Todestages auch in der britischen TV-Comedy statt: Ben Elton darf einmal mehr ran und beweisen, dass er doch noch mehr drauf hat als es zuletzt mit „The Wright Way“ (BBC1, 2013) den Anschein hatte: „Upstart Crow“ (BBC2, seit letzter Woche), veredelt mit einer guten Handvoll prominenter Comedians (David Mitchell, Harry Enfield, Mark Heap und „Raised by Wolves“-Hauptdarstellerin Helen Monks) hat nach der ersten Folge allerdings noch nicht hundertprozentig überzeugt; am merkwürdigsten aufgestoßen ist mir dabei, dass einer der Nebendarsteller offenbar versucht, Ricky Gervais‘ shtick zu imitieren, was ein guter Regisseur/Produzent mit Sicherheit hätte verhindern müssen.

Uneingeschränkt super allerdings war das One-Of von Philomena Cunk alias Diane Morgan in ihrer Paraderolle aus „Charlie Brooker’s Weekly Wipe“ (BBC2, seit 2013): „Cunk on Shakespeare“ (BBC2): clever, informativ und sehr, sehr komisch.

Kurz nur währten meine Zweifel, dass das parodistische „Fernseh-Experten“-Format aus „Weekly Wipe“ mit einer halben Stunde womöglich nicht tragen würde: das tat es, und zwar ohne Mühe. Denn Brooker hat es hinbekommen, auf dem schmalen Grat zwischen Nonsens und gut versteckten echten Informationen ein komödiantisches Tänzchen aufzuführen, wie man es selten zu Gesicht bekommt: mit Scherzen für Leute, die nichts über Shakespeare wissen, mit Scherzen für Halb- und womöglich sogar mit Scherzen für Supergebildete in puncto Shakespeare, zu denen ich mich jetzt nicht zählen würde.

Denn es ist natürlich nur zum Teil ein schöner Gag, am Ende als „Shakespeares bekanntestes Werk“ „Game of Thrones“ anzuführen. Tatsächlich ist es gar nicht so hoch gegriffen, die „GoT“-Mischung aus Drama, Komödie, Horror und Historienfilm als „typisch Shakespeare“ zu analysieren: denn dass der es war, der all diese Register in seinen Stücken gezogen hat, wie er es brauchte, kriegt sogar Philomena Cunk mit Hilfe echter Experten vorher schon heraus.

(Wie sie das machen, für „Weekly Wipe“ wie hier, echte Experten vor die Kamera zu bekommen, die auf die Ahnungslosigkeit von „Philomena Cunk“ authentisch reagieren, also größtenteils mit britischer Höflichkeit, das würde ich mal gerne von einem Insider erklärt bekommen: Kann man die wirklich im Glauben lassen, Cunk sei keine Kunstfigur? Und wenn ja: wie kriegt man dann hinterher deren Zustimmung, das zu senden? Oder werden diese Experten von der Produktion gebeten, das Spiel einfach mitzuspielen? Ich kann mir kaum vorstellen, dass durchschnittliche Wissenschaftler und Kulturschaffende so gute Schauspieler sind.)

Am meisten freut es mich, dass Brooker sich eine Nische geschaffen hat, in der so etwas möglich ist: diese Mischung von high brow und low brow-Comedy, intellektueller und alberner Comedy, die an ein Publikum gerichtet ist, das zu erreichen sich das deutsche Fernsehen längst nicht mehr traut: nämlich doch ein vorwiegend gebildetes, das sich im Zusammenhang mit leichter Unterhaltung und Comedy überhaupt auf ein Thema aus der Hochkultur einlässt. Und das zu belachen geistig auch imstande ist.

Allerdings: Bernd Eilert, jahrzehntelanger Autor und Regisseur für und von Otto Waalkes, schreibt auch seit Jahrzehnten mit an den Bühnenprogrammen von Otto und konstatierte schon vor Jahren, dass eine Sorte Witze heutzutage praktisch gar nicht mehr funktionieren würde: nämlich eben die, die auf Kunst und Literatur rekurrieren. Anspielungen auf den Erlkönig, die Parodie gar, die Anfang der Siebziger zu Ottos Programm gehörte, gingen heute beispielsweise kaum noch: weil kaum noch jemand den „Erlkönig“ so parat hat, dass er Witze darüber goutieren könnte.

Und auch in meiner eigenen bescheidenen Erfahrung als Fernsehautor ist mir das regelmäßig begegnet: die Befürchtungen von Chefautoren, Producern, Fernsehmachern, dass „das Publikum das nicht versteht“; eine Befürchtung, die zu einer Selbstbeschneidung führt, die sich anschließend überall im deutschen Fernsehen bemerkbar macht.

So kommen am Ende zwei Tendenzen zusammen: der Kulturpessimismus der Fernsehschaffenden, die immer dazu bereit sind, um möglichst alle mitzunehmen, die intellektuellen Ansprüche herunterzuschrauben (damit die Senioren mitkommen, verzichten wir mal besser auf das Wort „App“ und nehmen „Programm“, ach was, wir verzichten besser ganz auf Computer und Internet!), und der tatsächliche Bildungsverlust (wer unter 80 weiß denn noch was von der deutschen Romantik?!). Das Ergebnis lässt sich im Mainstreamfernsehen besichtigen: der kleinste gemeinsame Nenner. So erzieht man sich natürlich auch das Publikum, das man verdient.

Nun denn, umso dankbarer sind die kleinen Grüppchen von Versprengten, die lieber so großartige Shows wie „Cunk on Shakespeare“ gucken oder obskure Comedyshows auf Spätnacht-Slots in Nischensendern wie ZDF.neo, als RTL-Ramsch wegzukonsumieren, über dessen Qualität ja jeder bescheid weiß außer denen, die es gucken.

Nun denn. Hoffnung ist oft ein Jagdhund ohne Spur, und wer Worte macht, tut wenig. Schön wäre es aber, wenn Philomena Cunk und Charlie Brooker sich auch in Zukunft immer mal wieder großer Themen annähmen, sie uns in diesem Halbstundenformat näherzubringen. Ich würd’s gucken!

It ends with a bang

14. September 2013 Keine Kommentare

Nicht nur die Welt endet mit einem Knall, auch die Cornetto-Trilogie hat einen würdigen Abschluss gefunden: „The World’s End“, Edgar Wrights dritter Film mit dem Gespann Simon Pegg und Nick Frost, ist um einiges besser, als ich kurz befürchtet hatte.

Befürchtet hatte ich nämlich, dass die Begegnung Saufkumpane vs. Bodysnatcher, die hier in der englischen Provinz veranstaltet wird, eine flachere Variation von „Shaun of the Dead“ (2005) sein würde, und dass der fehlende Tiefgang womöglich durch Edgar Wrights überambitionierte Effekt-Exzesse (siehe „Scott Pilgrim vs. the World“, 2010) ausgeglichen werden sollte. Tatsächlich macht sich der mitunter arg gimmickhafte Einsatz von Special Effects in den ein, zwei Längen im dritten Akt bemerkbar, ebenso die daraus resultierende Comichaftigkeit, die arg zu Lasten der Realität geht: dass nach einer unerwarteten Schlägerei zwischen fünf Anfang Vierzigjährigen mit einer Horde Jugendlicher vom Roboter-Stern, die mit allerlei abgetrennten Gliedmaßen und zermatschten Köpfen endet, keiner der nicht sehr trainiert wirkenden Menschen auch nur die geringsten Blessuren hat, keinen abgerissenen Kragen, kein blaues Auge, und sogar Nick Frosts Brille noch genauso gut sitzt wie vorher — das ist dann doch ebenso unwahrscheinlich wie die gänzliche Unversehrtheit eines vierzig Jahre alten Autos, das später durch eine Hauswand fährt, ohne dass Kühler, Scheinwerfer und Stoßstange auch nur den geringsten Schaden nehmen. Nun denn, mit hat „Scott Pilgrim“ aus ähnlichen Gründen schon nicht gefallen.

Having said that, ist „The World’s End“ ein komisches Spektakel mit einer sympathischen Botschaft: Anpassung, soziales Funktionieren, letztlich Erwachsenwerden und Arbeiten (Roboter!) sind großer Bullshit — es lebe das Unvollkommene, das Kindische, das Besoffene, das Faulenzertum! „We wanna be free. We wanna be free to do what we wanna do. And we wanna get loaded. And we wanna have a good time.“ (Peter Fonda in Roger Cormans „The Wild Angels“, 1966, dessen Sample nicht nur hier im Film, sondern auch in Primal Screams „Loaded“ erscheint.)

In „The World’s End“ sind viele Motive drin, die nicht nur denen von „Shaun“, sondern natürlich auch von „Spaced“ (1999 – 2001, Channel 4) ähneln: Gary King ist ein Bruder im Geiste von Tim Bisley, zehn Jahre älter und ohne jede Karriere, auf die auch Tim nie hoffen durfte; und Wright und Pegg, die auch das Buch geschrieben haben, werfen alten „Spaced“-Fans jede Menge Schmankerl hin, die von kleinen Sound-Bits über Cast und Cameos (Julia „Marsha“ Deakin, Mark „Brian“ Heap, Michael „Tyres“ Smiley) bis hin zu Figuren reichen, die direkt aus „Spaced“ in „The World’s End“ rübergehüpft zu sein scheinen.

Wie schon Tim Bisley, obwohl aus dem Alter heraus, nicht von seinem Skateboard lassen konnte, so trägt hier Gary immer noch sein altes Sister of Mercy-T-Shirt, fährt einen morschen Ford Granada und lebt insgesamt hauptsächlich von seinen Jugenderinnerungen. Eine davon ist ein legendärer Pub Crawl, zwölf Kneipen am Stück, den er vor zwanzig Jahren mit vier Kumpels gemacht hat (Paddy Considine, Martin Freeman, Frost, Eddie Marsan) — damals allerdings, ohne dass sie es bin in den letzten Pub (das „World’s End“) geschafft hätten. Das will Gary nun, eher gegen den Willen seiner bürgerlich gewordenen Kumpels, nachholen, und muss feststellen, dass die Pubs durch Systemgastronomie ersetzt worden sind. Und die Einwohner des Provinzkaffs durch Roboter. Das hält ihn und seine Freunde allerdings nicht ab, und so (um nicht aufzufallen) ziehen sie, immer stärker alkoholisiert, von Kneipe zu Kneipe, bis sie zunächst ihren eigenen Konflikten nicht mehr davonlaufen können, und dann den Konflikten mit den Bodysnatchern.

Zum Glück übertreibt „The World’s End“ es nicht mit den Reminiszenzen, weder mit denen an Wright-Pegg-Frost-Projekte, noch mit denen an die Neunziger. Klar besteht der Soundtrack aus Primal Scream, The Soup Dragons (wie lange habe ich „I’m Free“ nicht mehr gehört!), den Happy Mondays, Pulp, Suede und Blur — aber alles in der richtigen Dosis. Ein kleines bisschen übertrieben ist möglicherweise die schiere Action, auf die sich „Shaun“ noch nicht so verlassen hatte, „Hot Fuzz“ dann schon etwas mehr, und die hier sehr dick aufgetragen ist, bis zu einem dann allerdings überraschend antiklimakterischen Ende. Aber hey, mit drei, vier Bieren und einem Cornetto geht’s schon.

Und muss ich abermals erwähnen, dass man „World’s End“ schon wegen der Wortgefechte und Sprachwitze nur auf Englisch sehen darf? Wer will denn bitte einen Witz verpassen wie „To the bitter end. Or the Lager end“?

„The World’s End“ is neigh!

Der dritte Teil der „Three Flavours Cornetto-Trilogy“ steht vor der Tür: „The World’s End“, nach „Shaun of the Dead“ und  „Hot Fuzz“ der dritte Film von Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost, in dem eine Cornetto-Sorte die Geschmacksrichtung vorgibt (und je eine Figur im Film auch ein entsprechendes Cornetto verputzt). In „Shaun“ war es „Strawberry“ (mit ganzen Stückchen!), ganz dem einerseits romantischen und andererseits dem Gore-Element des Films geschuldet, in „Hot Fuzz“ das originale Cornetto mit der blauen Hülle, das auf das Polizeifilmgenre verwies, und nun ist es „mint choc-chip“, das auf… äh… irgendwas hindeuten soll. Vielleicht darauf, dass Engländer bizarre Geschmackskombinationen mögen.

Oder darauf, dass sich in und hinter dem einen, äußerlich Sichtbaren, etwas ganz anderes verbirgt: denn „The World’s End“ scheint, nach allem, was der Teaser Trailer verrät, ein Bodysnatcher-Film zu werden:

Schön, dass Martin Freeman, Reece Shearsmith und Mark Heap mit von der Partie sind, schön, dass das wieder ein rein britischer Film ist (nachdem „Paul“ ja auch irgendwie okay war, aber nicht so gut wie die Filme der Cornetto-Trilogie), und schön, dass auch hier wieder über einen Zaun gehüpft wird, was ja nun vollends klar macht, dass es hier um eine Filmreihe geht. Und zwar eine der besseren dieser Welt.

Deutschlandstart ist 12. September.

Neues vom Kinderwagengesicht

14. Januar 2013 10 Kommentare

Pramfaces nennt der Engländer verächtlich die jungen und immer jüngeren Mütter aus der Unterschicht, die Chavs, die bauchfrei, talmibehangen, mit oben blond, darunter schwarz gefärbten Haaren und stets sichtbarem Stringtanga im Bus herumpöbeln. (Stewart Lee: „If I want to hear a twelve year old girl say ‚cunt‘, I can just go to Liverpool. In fact, the other day I heard an eleven year old girl say ‚cunt‘ on the bus. Although, to be fair, her daughter was behaving very badly.“)

Ein solch typisches Pramface ist Laura (Scarlett Alice Johnson), 18, aus der gleichnamigen Sitcom (BBC3, seit 2012) nicht — sie kommt aus der gehobenen Mittelschicht, während ihr One Night Stand Jamie (Sean Michael Verey), 16, eher in der Arbeiterklasse zuhause ist. In der ersten Staffel war sie schwanger, entsetzt darüber und doch entschlossen, das Kind zu kriegen, und am Ende waren die beiden zwar nicht zusammen, hatten sich aber mit der Situation halbwegs arrangiert.

Nun hat die zweite Staffel mit einem einstündigen Special begonnen, in dem das Kind (das noch in der letzten Szene der ersten Staffel auf die Welt kam) getauft werden soll — und gemeinsam mit dem Kind, so scheint mir, ist auch die Qualität der Serie gewachsen.

Hatte ich noch vor Jahresfrist darüber gemosert, dass mir Lauras Motiv nicht klar sei, dieses Kind zu kriegen, so ist die Motivlage nunmehr klar, das Baby ist schließlich geboren. Und zwar gibt es immer noch Gründe, die Show zu kritisieren (die zum Beispiel einseits Wert auf einen gewissen Realismus legt, in der andererseits ein Baby von Teenagern in einem Korridor zur Welt gebracht werden kann, ohne dass es dabei Komplikationen gibt oder anschließend das Jugendamt einschreitet). Ein paar Schauspieler und ihre Dialoge wirken immer noch hölzern (etwa Beth, Yasmin Paige, die zum Glück nicht mehr so viel Raum einnimmt wie in der ersten Staffel). Aber insgesamt machte dieses Special durchaus Hoffnung für die weiteren Folgen.

Das mag nicht zuletzt an den Gaststars gelegen haben: allen voran die viel zu selten zu sehende Pauline McLynn, ihres Zeichens Mrs. Doyle aus „Father Ted“, David Armand („How Not to Live Your Life“) und Ronald Pickup („The Worst Week of My Life“). (Leicht skurril auch, Ben Crompton [„Ideal“] als Jamies Vater wieder zu sehen, nachdem ich ihn zuletzt in „Game of Thrones“ gesehen hatte.)

Interessanterweise schreibt der Sitcom Geek in seinem Blog just vor ein paar Tagen genau über das Thema Guest Charakters, und kommt — er ist selbst Comedyautor — zu dem Schluss, für diese sei es viel schwieriger, Witze zu schreiben, weil die Zuseher die Gastfiguren ja nicht kennten, nicht in sie und ihre Probleme investiert hätten und daher auch nicht über Scherze lachen könnten, die aus den Charakterzügen dieser Figuren entstünden. Das ist bestimmt auch richtig — sofern der Zuschauer außer den Figuren auch ihre Schauspieler nicht kennt.

Kennt er aber die Schauspieler, können Gaststars enorm dankbar sein. Pauline McLynn sagt hier in ihrer Rolle als irisch-katholische alte Schachtel sogar „Sex, Sex, Sex“, ein wörtliches Zitat aus „Father Ted“, wo sie noch viel öfter „go on, go on, go on“ sagt, so dass auch der letzte Gelegenheitsglotzer weiß, an wen ihre Figur hier angelehnt ist — Typecasting pur und vom Feinsten. Und selbstredend weiß jeder, der schon zwei englische Sitcoms gesehen hat, wie die Figur wohl gestrickt sein wird, die beispielsweise Mark Heap (wie zuletzt bei „Outnumbered“) als Gaststar spielt.

Fairerweise muss ich dazusagen: „Pramface“ verlässt sich nicht ausschließlich auf die Gaststars. Nein, es sind einige schön gebaute Szenen darin, wenn etwa Jamie seinem Vater inkognito einen Job als shelf-stacker im örtlichen Supermarkt besorgt, wo er selbst arbeitet, — und ihn dann prompt feuern muss. Oder wenn Jamies dusseligem besten Freund Mike (Dylan Edwards) der heiße Sex mit einer Traumfrau verwehrt bleibt, weil er religiös geworden ist und das Bild des gütig lächelnden Jesus ihm Gewissensbisse bereitet, was sie mit den Worten „too bad, I was going to do my whole repertoire to you!“ quittiert, woraufhin ihm nur einfällt: „Fuck, you got a repertoire?!“

Dafür, mit einem Wort, dass diese Serie so gar nicht auf mich gezielt ist, finde ich sie doch ganz okay.

Britcoms.de lebt!

11. Januar 2013 1 Kommentar

Ein frohes Neues allen Lesern und Alles Gute, britcoms.de — das Blog lebt und hatte am Montag vierten Geburtstag. Dass an dieser Stelle in den letzten vier Wochen nicht allzu viel passiert ist, hatte mehrere Gründe: ich war zweimal krank (bin es immer noch), Weihnachten, Silvester, und ungewöhnlich viel zu tun zwischen den Jahren war auch noch. Nicht zuletzt: Es war gar nicht mal so viel zu bloggen — die Weihnachts-Specials haben mich dieses Jahr weniger begeistert als in den Vorjahren.

Ausnahme: Das „Outnumbered“-Weihnachts-Special (BBC1, 24.12.), das zweite in Folge, ohne dass es zwischendurch reguläre neue Folgen gegeben hätte. Stärker noch als im Jahr davor hatte ich diesmal das Gefühl, dass die Autoren Guy Jenkin und Andy Hamilton das große Problem der vierten Staffel in den Griff bekommen haben. Wir erinnern uns: „Outnumbered“ lebte von drei Kindern, die ihren Eltern mit Klugscheißerei, sinnloser Aggression, Lügen und verheimlichten Problemen schön auf die Nerven gingen, und das in halb improvisierten Szenen, die sehr davon profitierten, dass zumindest die zwei jüngsten Kinder (Ramona Marquez als Karen und Daniel Roche als Ben, zu Beginn zehn und zwölf Jahre alt) mit offenkundig großer Lust am Spielen der Serie Leben einhauchten. Leben, das vielen ähnlichen Serien fehlt, in denen Kinder Kinder spielen, wie Erwachsene sie sich vorstellen, und Texte aufsagen, die Erwachsene geschrieben haben. Diese Natürlichkeit ging über die Jahre verloren, die Kinder waren irgendwann älter als ihre Rollen, und plötzlich stimmte die Chemie der ganzen Serie nicht mehr.

Das haben Hamilton und Jenkin nun aber wieder hingekriegt: das Special konzentrierte sich mehr auf eine typisch britische Story rund um eine entgleiste Weihnachtsparty mit viel Alkohol, Neurosen, Ärger mit der Polizei und anderen peinlichen Situationen, fügte einige immer gern gesehenen Gaststars dazu (Mark Heap, Sanjeev Bhaskar) — und fertig waren sehr amüsante 40 Minuten. So könnte ich mir sogar noch eine ganze Staffel „Outnumbered“ vorstellen; die wäre dann zwar nicht mehr das alte „Outnumbered“, sondern näher an einer traditionell geschriebenen und gespielten Sitcom — aber was soll’s. Also, BBC: Bitte mehr davon!

Das war’s dann aber auch schon mit der Weihnachtsherrlichkeit. Das „Downton Abbey“-Special (ITV1, 25.12.) war zwar okay, aber nicht herausragend: ein Familienausflug der Herrschaft nach Schottland (und ein Besuch des Jahrmarkts der Subalternen) brachte zwar einen Tapetenwechsel und schöne, ungewohnte Bilder, doch erst ganz am Schluss, als Cliffhanger, wurde die Handlung der Serie vorangetrieben. Das allerdings mit einem unweihnachtlichen Schock.

Den anderen Weihnachtsschock hat mir die erste Folge „A Young Doctor’s Notebook“ verpasst (vierteilige Miniserie, Sky Arts): Ein billiges Set (ich dachte erst, ich sei in einer BBC-Sitcom der frühen 80er), darin langatmig gespielt die düstere Adaption der „Aufzeichnungen eines jungen Arztes“ des bekannten russischen Humoristen Michail Bulgakow (bitte in die Luft gemalte Anführungszeichen mitdenken) — und als Stars tatsächlich, ich dachte, ich traue meinen Augen nicht: Jon Hamm (ja, der Jon Hamm, der Don Draper in „Mad Men“ spielt) und Daniel Radcliffe (ja, der Harry Potter, der Daniel Radcliffe in „Daniel Radcliffes Karriere“ spielt)?! Hm. Das war unerwartet. Und unkomisch. Wie zur Hölle kommen denn Don Draper und Harry Potter dazu, diesen komikfernen Schmarrn zu spielen? War an den Theatern dieser Welt keine Stellen mehr frei für überambitionierte Superstars, die kleine Nebenprojekte suchen?

Tscha, und das war Weihnachten. Gut, dass es vorbei ist.

Holy F***ing Circus

21. Oktober 2011 13 Kommentare

Hier ist der ganze Film: „Holy Flying Circus“ (BBC 4), über den ich in Erwartung großer Dinge schon mal berichtet habe: die filmische, aber betont fiktionale Aufarbeitung der Kontroversen rund um „Monty Python’s Life of Brian“ (1979), die in einer Fernsehdiskussion zwischen John Cleese und Michael Palin hie, Malcolm Muggeridge und dem Bischof von Southwark Mervyn Stockwood auf der anderen Seite gipfelte.

Leider ist „Holy Flying Circus“ überhaupt nicht meins, gleichwohl ich das Restwerk des Autors Tony Roche sehr schätze, der nicht nur Teil des Autorenteams von „The Thick Of It“ und „In The Loop“ ist, sondern auch schon für das gerade laufende und recht schöne Comedydrama „Fresh Meat“ (Channel 4) geschrieben hat. Abgesehen von der wirklich verblüffenden Ähnlichkeit des Casts mit den Originalfiguren mochte ich überhaupt nichts an diesem Film, genauso wenig wie ich Leute mag, die minutenlang Python-Szenen (oder irgendwelche anderen Höhepunkte der Comedy) aufführen. Denn das war es im Wesentlichen: Eine Imitation. Ein Versuch, Comedy im Ton der Pythons zu machen. Ranwanzerei also, Fantum, genauso schlimm, wie wenn man einen Film über die „Simpsons“ im Stil der „Simpsons“ machen würde.

Eventuell ist es die fehlende Fallhöhe, die zu solcher Epigonie führt — da soll ja kein Denkmal gestürzt werden. Das ginge auch gar nicht, oder nur mit größten Schwierigkeiten, weil man sich nicht über Menschen lustig machen kann, die sich ihrerseits seit je über Denkmäler lustig gemacht haben. Das geht dann auf der anderen Seite zu einfach, wenn man empörte Christen als komplette Hanswurste inklusive einem Tourette-Trottel, einem Stotterer und einem Mark Heap-Creep zeigt: da stimmt dann zwar theoretisch die Fallhöhe (aufgeblasene, bigotte Christen), praktisch liegen dieses Opfer (heutzutage) aber schon so am Boden, daß man als Satiriker eigentlich Beißhemmungen kriegen sollte.

Dazu kommt ein Skript, das ziellos herumeiert (jaja, schon klar, die Mäander der Pythons), Darren Boyd, der Basil Fawlty spielt statt John Cleese, ein Terry Jones, der gleichzeitig die Ehefrau von Michael Palin ist, ach Gott. Es nimmt mich nicht wunder, daß die überlebenden Pythons sich von „Holy Flying Circus“ distanziert haben (allerdings weniger aus künstlerischen Gründen als aus solchen der historischen Genauigkeit) und John Cleese die BBC als „talentfreie Zone“ beschimpft hat. Dieses Experiment, diese Hommage (falls es als solche gedacht war) ist nicht gelungen, und ich bin da offenbar eher auf Seiten der Zuschauer, deren Twittereinträge deutlich kritischer sind als die Pressestimmen: Die finden „Holy Flying Circus“ zu meiner Überraschung nämlich tatsächlich eher gut.