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Artikel Tagged ‘Martin Freeman’

Die Banalität des Guten

25. Januar 2015 Keine Kommentare

„The Eichmann Show“ — was für ein Titel allein! Klingt doch der Begriff Show in unseren Ohren immer noch nach Showbühne und Showtreppe, Scheinwerferbatterien, Männern im Frack, nun gut, aber zumindest würden wir doch „Show“ eher in „große Samstagabend-“ als in „Architekten des Holocaust-„-Formulierungen verwenden. „Show“ in Verbindung mit „Eichmann“, das klingt obszön. Ist doch auch Eichmann ein Begriff, der seinerseits so starke Konnotationen hat — allein dass er auch noch Adolf heißt! — dass man fast glaubt, mit einem Namen wie Eichmann kann man gar nicht anders, als zum Nazi werden: stark wie eine Eiche, eine deutsche natürlich, und Mann, na klar, ein deutscher Mann, was sonst.

„The Eichmann Show“ klingt also obszön, aber hier ist ein anderes „Show“ gemeint, eines im Sinne von Vorzeigen, Herzeigen, eine Schau: Schaut her, das ist Adolf Eichmann — soll man schreiben: der Kerl? Der Mensch? Wir, das jüdische Volk Israels, haben einen geschnappt, der mit verantwortlich ist für das bislang namenlose Gräuel, das die Shoah war, über die Anfang der 60er Jahre noch kaum jemand wirklich sprechen konnte, weil auch 15 Jahre nach ihrem Ende keine Worte dafür zu finden waren und keine Bilder. Wir haben Eichmann, und wir erschießen ihn nicht an Ort und Stelle in Argentinien (wie es ein Wachmann im Film für richtig hält), sondern wir machen ihm einen Prozess. Nicht, damit ihm Gerechtigkeit widerfährt, sondern uns. Damit das namenlose Grauen einen Namen bekommt, damit es Bilder und Worte gibt dafür.

Bilder finden, Worte verbreiten: Das war der Auftrag für den Fernsehproduzenten Milton Fruchtman und den Regisseur Leo Hurwitz, die 1961 den Auftrag bekamen, die Gerichtsverhandlung gegen den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, NSDAP-Mitglied Nr. 889.895, SS-Nummer 45.326, in Jerusalem zu filmen und in 37 Länder zu übertragen: vier Monate lang, Tag für Tag, das größte globale Fernsehereignis in der Geschichte bis dahin.

„The Eichmann Show“ (BBC2) versucht nun, die Geschichte dieser Show zu erzählen: wie Fruchtman (Martin Freeman) sich schon mit der Wahl seines Regisseurs in erste Schwierigkeiten bringt, weil Hurwitz (Anthony LaPaglia) auf McCarthys schwarzer Liste gegen kommunistische Umtriebe in den USA steht. Wie sie die drei Richter davon überzeugen müssen, Kameras im Gerichtssaal zuzulassen. Wie sie unerfahrene Kameramänner in kürzester Zeit fit machen müssen, Hurwitz‘ Multi-Camera-Stil zu durchdringen. Und wie Fruchtman sich gegen Morddrohungen und sogar -anschläge ehemaliger Nazis wehren muss.

Der größte Konflikt wird schließlich der zwischen Fruchtman und Hurwitz: Der Regisseur möchte nämlich am Liebsten praktisch ausschließlich auf Eichmann bleiben, dessen Gesicht zeigen, erstarrt in einer Art spöttischer Aufmerksamkeit, in der Hoffnung, dass Eichmann doch noch eine Regung zeigt, dass die Kameras einfangen, wie etwas von dem unfassbaren Horror, den die Zeugen der Anklage täglich stundenlang berichten, zu Eichmann durchdringt. Das passiert aber nicht. Wochenlang nicht. Fruchtman dagegen interessiert sich weniger dafür, „die Natur des Bösen“ zu zeigen. Er möchte den Prozess dokumentieren, Richter, Staatsanwalt und insbesondere Zeugen zeigen.

Dieser Konflikt wird umso stärker, als schnell klar wird, dass auch die „Eichmann-Show“ eine Fernsehsendung ist, die sich gegen andere Fernsehsendungen durchsetzen muss. Und die Invasion der Schweinebucht auf Kuba, also der Versuch von CIA und Exilkubanern im April 1961, Fidel Castros Revolutionsregierung zu stürzen, ist eine ebenso starke Konkurrenz wie Juri Gagarin, der zur gleichen Zeit als erster Mensch im Weltraum Geschichte schreibt. Wer will da noch eine tagelange Rechtfertigungsrede sehen und hören, in der ein Staatsanwalt darlegt, warum Israel überhaupt das Recht hat, über in Deutschland begangene Verbrechen zu Gericht zu sitzen? Die Einschaltquoten der Eichmann-Gerichtsreportagen sinken weltweit.

Und da sind wir beim Problem der „Eichmann-Show“: Einschaltquoten? Wirklich? Und wenn ich sage: der Konflikt zwischen Regisseur und Fernsehproduzent wird stärker, dann heißt das leider nicht: er wird stark.

Denn natürlich geht es nicht um Einschaltquoten. Nicht um Fernsehkonkurrenz um Aufmerksamkeit. Leider auch nicht um inhaltliche Auseinandersetzungen zwischen Regisseur und Produzent. All die Hindernisse, Konflikte, Schwierigkeiten, die die beiden Hauptfiguren Fruchtman und Hurwitz über die 90 Minuten dieses Films überwinden und lösen müssen, haben nicht den Hauch einer Chance gegen die Schrecken, um die es in „The Eichmann Show“ wirklich geht, die dem ganzen Stoff zugrunde liegen: die der Shoah.

Gegen die historischen Dokumente, die „The Eichmann Show“ dazwischenschneidet, kommt keine Spielhandlung an. Nicht gegen den echten Eichmann und seine mokante Maske, die echten Zeugen und Menschen im Gerichtssaal, auch wenn die Grenzen zwischen neu gedrehtem und Originalmaterial dank Nachbearbeitung für den Zuschauer kaum noch zu erkennen sind. Vor allem aber nicht gegen die Aufnahmen aus KZs, die während des Prozesses vorgeführt werden (und auf die Eichmann ebenfalls nicht reagiert — klarerweise nicht, wie Fruchtman feststellt, schließlich war Eichmann vor Ort, als es passierte, und zeigte schon da keine emotionale Beteiligung).

Die Abgründe des Entsetzens im Hintergrund (des Films!) lassen die Konflikte im Vordergrund klein und unbedeutend aussehen: Wen interessiert schon ein Streit Close-up oder nicht Close-Up angesichts des Holocausts? Zwar versucht insbesondere Hurwitz, seinen Regie-Ansatz philosophisch zu erläutern: dass es ihm darum ginge, eben kein Monster zu zeigen, sondern dass er den Menschen hinter der Maske sucht. Da klingt Hannah Arendts Diktum von der Banalität des Bösen kurz einmal an.

Zu sehen bekommen wir aber über weite Strecken die Banalität der Guten: wie zwei Männer, Fruchtman und Hurwitz, versuchen, „the Jewish Nuremberg“, die jüdische Variante der Nürnberger Prozesse, in Fernsehbilder zu gießen, damit die Welt das Ausmaß der Monstrosität erkennen kann, zu der Menschen fähig sind.

Das ist gewiss verdienstvoll und historisch interessant, und Paul Andrew Williams (Regie), Autor Simon Block und Laurence Bowen als Produzent haben aus dem Stoff herausgeholt, was herauszuholen war: „The Eichmann Show“ nähert sich dem Schrecken des Eichmann-Prozesses durchaus an. Aber sie nähert sich ihm so an wie in einem Science-Fiction-Film ein Raumschiff einem Schwarzen Loch: gegen die Dimensionen, die Gravitation und die dunkle Macht des Schwarzen Loches Eichmann und der Shoah hat auch das beste Raumschiff keine Chance.

Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

The Eichmann Show

15. Oktober 2014 Keine Kommentare

Was ist falsch an diesen Sätzen?

Martin Freeman to star in The Eichmann Show for BBC2 … The Eichmann Show … is a Feelgood Fiction production.

So ziemlich alles, würde ich beim ersten Lesen denken: „The Eichmann Show“, das klingt nach „Heil Honey, I’m Home“ (Galaxy, 1990), der legendären britischen Sitcom, die nach einer einzigen Folge abgesetzt wurde und deren USP es war, Adolf Hitler und Eva Braun als brave Bürger zu zeigen, die mit ihren Flurnachbaren, einem jüdischen Ehepaar, aufs Verrecken nicht auskommen. Gut, „Heil Honey, I’m Home“ war gleichzeitig auch als Parodie auf brave 50er- und 60er-Jahre-Sitcoms angelegt und kam daher als verlorengegangene und wiederentdeckte Fernsehserie (die im übrigen viel braver, wo nicht schlechter war, als man denken würde, man kann sich hier bei YouTube selbst überzeugen), aber allein der kontroverse Grundgedanke genügte natürlich, um einen kleinen Skandal zu verursachen.

Aber tatsächlich ist „The Eichmann Show“ wohl alles andere als das: nämlich der Versuch, das erste globale Fernseh-Event (so wird es jedenfalls dargestellt) und seine Geschichte zu erzählen: die weltweite Übertragung des Prozesses gegen Adolf Eichmann 1961 in Israel. Televisual berichtet:

Described as the “trial of the century”, the Eichmann trial was shown on TV in 37 countries over four months and was the first time the horror of the death camps had been heard live, directly from its victims. 80% of the German population watched at least one hour a week and people fainted when they saw it. The trial became the world’s first ever global TV event.

Martin Freeman spielt darin die Rolle des Produzenten Milton Fruchtman, ausgestrahlt werden soll der Neuzigminüter im Januar 2015 anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz-Birkenau.

Eine fantastische Idee, sich dem Stoff der Shoah und den Architekten des Holocausts zu nähern, indem man den Umweg über dessen mediale Aufbereitung und ihre Umstände und Folgen nimmt. So hat man ein Figurenarsenal, mit dem man sich als Zuschauer sofort identifizieren kann, weil es selbst mehr mit der Erzählung, der Narration des Unerzählbaren zu tun hat als mit den direkten Folgen, obwohl natürlich viele der Prozessbeobachter selbst betroffen gewesen sein dürften.

Aber der Gegenstand der „Eichmann Show“ ist die Vermittlung, die mediale Aufbereitung von etwas, das so verstandsprengend ist, dass es im Grunde unerzählbar bleibt — ein Konflikt, vor dem jeder steht (bzw. sitzt), der (zwangsläufig und zum Glück) nur Zuschauer war und ist und mit diesem Widerspruch alleine bleibt vor dem Bildschirm, vor der Leinwand: dass man zwar das unfassbarste Grauen abgebildet sieht, aber die Abbildung dem Grauen nie gerecht werden kann und es immer hereinholt in eine (Fernseh-/Kino-) Normalität, die zwangsläufig verharmlosend sein muss. Weil halt auch über dem KZ die Sonne geschienen hat und drum herum das Gras grün war und weil in jeder Abbildung der Shoah immer die Täter erfolgreich und stark sind und die Opfer, nun ja, die Opfer.

Ich bin sehr gespannt auf „The Eichmann Show“, stelle ich gerade fest, und würde mir wünschen, dass sie auch in Deutschland bald zu sehen sein würde. Statt nochmal „Schindlers Liste“ oder der widerwärtige „Das Leben ist schön“.

State of the blog

12. Juni 2014 1 Kommentar

Dass dieses Blog gerade in einer Art Sommerschlaf ist, wird der eine oder andere Leser schon gemerkt haben. Das hat im Wesentlichen drei Gründe: zum einen bin ich seit Wochen jobmäßig ziemlich ausgelastet — viele, fast zu viele Projekte, die mich noch bis Mitte Juli in Atem halten werden. Zweiter Grund: ich habe das Gefühl, über Fernsehserien zu schreiben, ist nicht mehr der heiße Scheiß, der es vor ein paar Jahren noch war. Mittlerweile hat ja jeder seine drei Lieblingsserien aus den USA, die hierzulande keiner kennt, der sich nur aufs alte Fernsehen verlässt.

Und zum Dritten: tatsächlich gucke auch ich momentan fast ausschließlich US-Serien (na ja, was noch so nachzuholen ist, seit fast alles in die Sommerpause gegangen ist), und zwar nicht exklusiv Comedy. Eher weniger Comedy sogar. Britische Serien sind derzeit kaum auf meiner Liste; meine Vermutung wäre, es gibt derzeit auch nicht so viele neue, heiße Sachen von der Insel. Ich komme aber auch gar nicht dazu, danach zu suchen.

Darum in aller Kürze dies:

„Louie“ (FX, seit 2010) macht sich nicht mehr die Mühe, Comedy auch nur vorzutäuschen. Nachdem die neue Staffel, auf die man zwei Jahre warten musste, noch mit einigen guten Folgen begonnen hatte (in der dritten Folge sehr schön, wenn auch nicht brüllend komisch, sondern eher melancholisch: der lange Monolog von Sarah Baker als Kellnerin im Comedy-Club über die Demütigungen, denen übergewichtige Frauen beim Daten ausgesetzt sind), nach ein paar komischen Folgen also ist zwischenzeitlich die Luft doch sehr raus. Über vier, fünf Folgen erstrecken sich mittlerweile Handlungsbögen, die nicht mal zwei Folgen tragen — wie etwa Louies Romanze mit einer Ungarin, die kein Wort Englisch spricht. Oder, wie gerade in den letzten beiden Folgen, Kindheitserinnerungen Louies, die sich um seine kleinkriminelle Phase als dreizehnjähriger Kiffer drehen. Ich akzeptiere zwar, dass diese Folgen auch gut erzählt sind, aber, wie Stefan Gärtner gerne sagt: I mechat hoid lacha. Gerade wenn ich Sitcoms gucke. Drama alleine ist mir von Louis C.K. zu wenig. Den Verantwortlichen von FX offenbar auch, sonst hätten sie diese Staffel nicht in Doppelfolgen programmiert.

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Der überraschende Tod von Rik Mayall („The Young Ones“, „Bottom“) mit 56 Jahren ist traurig. Allerdings habe ich die Brachialcomedy ein bisschen zu spät entdeckt, die Mayall zusammen mit Ade Edmondson betrieben hat: die Slapstick-Gewalt der beiden ist zwar ein befreiend kindisches Vergnügen, und wer sieht zwei erwachsenen Männern nicht gerne dabei zu, wie sie sich gegenseitig Pfannen über die Köpfe schlagen, ins Auge pieken oder in die Eier treten. Aber die ganze anarchische Wucht, mit der diese Vorreiter der alternative comedy frischen Wind in den patriarchalen, tendenziell frauen- und schwulenfeindlichen Comedy Circus der späten Siebziger und frühen Achtziger gebracht haben, hat sich wohl am meisten denen erschlossen, die auch dabei waren. Wäre ich schon als Zehnjähriger vor dem Fernseher gesessen, als Mayall, Edmondson und die restliche Bande auf die Comedybühne stolperten: ich wäre wohl noch einiges bestürzter über das Ableben Mayalls.

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Von allen Kinofilmen, die gerade als Fernsehserien reanimiert werden, gefiel mir bislang „Fargo“ (FX, 2014) am Besten. Zu Beginn hatte ich zwar meine Zweifel, dass ausgerechnet der äußerst englische Martin Freeman („The Office“) in der Hauptrolle als Hillbilly in Minnesota funktionieren würde, aber die haben sich schnell verflüchtigt. Zu dicht ist die Atmosphäre, zu gut das Zusammenspiel mit Billy Bob Thornton und Allison Tolman, zu schön die Geschichte, die zum Glück nicht die gleiche wie im gleichnamigen Film der Coen-Brüder von 1996 ist, sondern nur in ihrem Geiste dem Film nachempfunden. „Fargo“ schlägt mittlerweile „From Dusk Till Dawn“ (Netflix, 2014) um Längen, das ich zu Beginn beider Serien als stärker empfunden habe. Aber Robert Rodriguez macht sich nicht die Mühe, eine andere Geschichte als die seiner Coproduktion mit Quentin Tarantino zu erzählen, und leider geht darum im letzten Drittel nicht mehr so recht viel voran.

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Nach zwei Folgen „Last Week Tonight With John Oliver“ (HBO, 2014) bin ich von dem neuen news satire-Format noch nicht ganz überzeugt, das die Macher dem vorübergehenden Jon-Stewart-Ersatz Oliver auf den Leib geschrieben haben. Zu sehr erscheint es mir als Rückfall hinter die „Daily Show“ und den „Colbert Report“ (beide Comedy Central), und zu bemüht in den Abweichungen von diesen beiden Vorbildern. Bei „Last Week Tonight“ (wie der Name schon sagt nur einmal die Woche auf dem Sender) ist es ausschließlich Oliver, der eine knappe halbe Stunde Monolog tragen muss, was schon eine ziemliche Strecke ist; Gäste schienen (von Right Said Fred als Musikact mal abgesehen) in den beiden Folgen, die ich gesehen habe, nicht stattzufinden. Dafür sind die Macher von „Last Week Tonight“ ambitionierter; einen viertelstündigen Monolog über Netzneutralität etwa (bei dem sich Visualisierungen, im Fernsehen manchmal ja nötig, nicht direkt aufdrängen) fand ich herausragend. Hier ist er:

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Zuguterletzt war ich angenehm überrascht von Tom Cruise‘ „Edge of Tomorrow“, der (vielleicht weil ich nichts erwartet hatte) nicht nur besser war als vermutet, sondern zwischendurch sogar richtig komisch: wie da die Comedy aus „Groundhog Day“ in ein Actionspektakel mit Aliens transportiert wurde, war schon sehr schön, und dass die ganze D-Day-Anmutung kein Kommentar zur jüngst allgegenwärtigen Fernsehberichterstattung zum Jahrestag der US-Landung in der Normandie gewesen sein soll, kann ich mir fast nicht vorstellen. Und so habe ich sehr darüber gelacht, wie Cruise immer und immer wieder von England aus an der französischen Küste zu landen versuchte, gegen unmenschliche Monster technisch absolut unterlegen — es war, als hätte ich in ein bizarres N24-Programm aus der Zukunft gezappt …

It ends with a bang

14. September 2013 Keine Kommentare

Nicht nur die Welt endet mit einem Knall, auch die Cornetto-Trilogie hat einen würdigen Abschluss gefunden: „The World’s End“, Edgar Wrights dritter Film mit dem Gespann Simon Pegg und Nick Frost, ist um einiges besser, als ich kurz befürchtet hatte.

Befürchtet hatte ich nämlich, dass die Begegnung Saufkumpane vs. Bodysnatcher, die hier in der englischen Provinz veranstaltet wird, eine flachere Variation von „Shaun of the Dead“ (2005) sein würde, und dass der fehlende Tiefgang womöglich durch Edgar Wrights überambitionierte Effekt-Exzesse (siehe „Scott Pilgrim vs. the World“, 2010) ausgeglichen werden sollte. Tatsächlich macht sich der mitunter arg gimmickhafte Einsatz von Special Effects in den ein, zwei Längen im dritten Akt bemerkbar, ebenso die daraus resultierende Comichaftigkeit, die arg zu Lasten der Realität geht: dass nach einer unerwarteten Schlägerei zwischen fünf Anfang Vierzigjährigen mit einer Horde Jugendlicher vom Roboter-Stern, die mit allerlei abgetrennten Gliedmaßen und zermatschten Köpfen endet, keiner der nicht sehr trainiert wirkenden Menschen auch nur die geringsten Blessuren hat, keinen abgerissenen Kragen, kein blaues Auge, und sogar Nick Frosts Brille noch genauso gut sitzt wie vorher — das ist dann doch ebenso unwahrscheinlich wie die gänzliche Unversehrtheit eines vierzig Jahre alten Autos, das später durch eine Hauswand fährt, ohne dass Kühler, Scheinwerfer und Stoßstange auch nur den geringsten Schaden nehmen. Nun denn, mit hat „Scott Pilgrim“ aus ähnlichen Gründen schon nicht gefallen.

Having said that, ist „The World’s End“ ein komisches Spektakel mit einer sympathischen Botschaft: Anpassung, soziales Funktionieren, letztlich Erwachsenwerden und Arbeiten (Roboter!) sind großer Bullshit — es lebe das Unvollkommene, das Kindische, das Besoffene, das Faulenzertum! „We wanna be free. We wanna be free to do what we wanna do. And we wanna get loaded. And we wanna have a good time.“ (Peter Fonda in Roger Cormans „The Wild Angels“, 1966, dessen Sample nicht nur hier im Film, sondern auch in Primal Screams „Loaded“ erscheint.)

In „The World’s End“ sind viele Motive drin, die nicht nur denen von „Shaun“, sondern natürlich auch von „Spaced“ (1999 – 2001, Channel 4) ähneln: Gary King ist ein Bruder im Geiste von Tim Bisley, zehn Jahre älter und ohne jede Karriere, auf die auch Tim nie hoffen durfte; und Wright und Pegg, die auch das Buch geschrieben haben, werfen alten „Spaced“-Fans jede Menge Schmankerl hin, die von kleinen Sound-Bits über Cast und Cameos (Julia „Marsha“ Deakin, Mark „Brian“ Heap, Michael „Tyres“ Smiley) bis hin zu Figuren reichen, die direkt aus „Spaced“ in „The World’s End“ rübergehüpft zu sein scheinen.

Wie schon Tim Bisley, obwohl aus dem Alter heraus, nicht von seinem Skateboard lassen konnte, so trägt hier Gary immer noch sein altes Sister of Mercy-T-Shirt, fährt einen morschen Ford Granada und lebt insgesamt hauptsächlich von seinen Jugenderinnerungen. Eine davon ist ein legendärer Pub Crawl, zwölf Kneipen am Stück, den er vor zwanzig Jahren mit vier Kumpels gemacht hat (Paddy Considine, Martin Freeman, Frost, Eddie Marsan) — damals allerdings, ohne dass sie es bin in den letzten Pub (das „World’s End“) geschafft hätten. Das will Gary nun, eher gegen den Willen seiner bürgerlich gewordenen Kumpels, nachholen, und muss feststellen, dass die Pubs durch Systemgastronomie ersetzt worden sind. Und die Einwohner des Provinzkaffs durch Roboter. Das hält ihn und seine Freunde allerdings nicht ab, und so (um nicht aufzufallen) ziehen sie, immer stärker alkoholisiert, von Kneipe zu Kneipe, bis sie zunächst ihren eigenen Konflikten nicht mehr davonlaufen können, und dann den Konflikten mit den Bodysnatchern.

Zum Glück übertreibt „The World’s End“ es nicht mit den Reminiszenzen, weder mit denen an Wright-Pegg-Frost-Projekte, noch mit denen an die Neunziger. Klar besteht der Soundtrack aus Primal Scream, The Soup Dragons (wie lange habe ich „I’m Free“ nicht mehr gehört!), den Happy Mondays, Pulp, Suede und Blur — aber alles in der richtigen Dosis. Ein kleines bisschen übertrieben ist möglicherweise die schiere Action, auf die sich „Shaun“ noch nicht so verlassen hatte, „Hot Fuzz“ dann schon etwas mehr, und die hier sehr dick aufgetragen ist, bis zu einem dann allerdings überraschend antiklimakterischen Ende. Aber hey, mit drei, vier Bieren und einem Cornetto geht’s schon.

Und muss ich abermals erwähnen, dass man „World’s End“ schon wegen der Wortgefechte und Sprachwitze nur auf Englisch sehen darf? Wer will denn bitte einen Witz verpassen wie „To the bitter end. Or the Lager end“?

„The World’s End“ is neigh!

Der dritte Teil der „Three Flavours Cornetto-Trilogy“ steht vor der Tür: „The World’s End“, nach „Shaun of the Dead“ und  „Hot Fuzz“ der dritte Film von Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost, in dem eine Cornetto-Sorte die Geschmacksrichtung vorgibt (und je eine Figur im Film auch ein entsprechendes Cornetto verputzt). In „Shaun“ war es „Strawberry“ (mit ganzen Stückchen!), ganz dem einerseits romantischen und andererseits dem Gore-Element des Films geschuldet, in „Hot Fuzz“ das originale Cornetto mit der blauen Hülle, das auf das Polizeifilmgenre verwies, und nun ist es „mint choc-chip“, das auf… äh… irgendwas hindeuten soll. Vielleicht darauf, dass Engländer bizarre Geschmackskombinationen mögen.

Oder darauf, dass sich in und hinter dem einen, äußerlich Sichtbaren, etwas ganz anderes verbirgt: denn „The World’s End“ scheint, nach allem, was der Teaser Trailer verrät, ein Bodysnatcher-Film zu werden:

Schön, dass Martin Freeman, Reece Shearsmith und Mark Heap mit von der Partie sind, schön, dass das wieder ein rein britischer Film ist (nachdem „Paul“ ja auch irgendwie okay war, aber nicht so gut wie die Filme der Cornetto-Trilogie), und schön, dass auch hier wieder über einen Zaun gehüpft wird, was ja nun vollends klar macht, dass es hier um eine Filmreihe geht. Und zwar eine der besseren dieser Welt.

Deutschlandstart ist 12. September.