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Artikel Tagged ‘Matthias Matussek’

Küsst die Faschisten

18. März 2019 1 Kommentar

Es hat nichts mit Comedy, mit britischer gleich zweimal nichts zu tun, aber ich möchte mich zumindest hier auch mal kurz in der Sache Fleischhauer, Matussek & identitäre Kasperköpfe einlassen. Und dazu gleich einen kurzen Umweg einschlagen.

Denn ich lese gerade den (zumindest stellenweise sogar komischen) Roman Lion Feuchtwangers „Erfolg“. Einen Schlüsselroman aus dem Jahre 1930, der in München spielt (wo ich lebe) und in dem unter anderen Bertolt Brecht und Karl Valentin herumlaufen (wenn auch unter Pseudonym, wie alle Figuren des Romans), vor allem aber Juristen, Politiker und Künstler dieser Zeit. Hitler wird hier unter dem Namen Rupert Kutzner geführt.

Der spielt aber für’s erste gar keine entscheidende Rolle in diesem Roman. Viel entscheidender sind er und seine Bewegung als der Hintergrund, vor dem sich bayerische Minister und Richter tummeln, die sich eines missliebigen Museumsdirektors entledigen unter dem Deckmantel eines herbeikonstruierten Meineids, und die damit durchkommen.

Sie kommen damit durch, weil sie es verstehen, die Stimmung in der Bevölkerung und den aufziehenden Faschismus zu ihren Gunsten zu nutzen. Und ermöglichen ihn damit erst.

Sie sind selbst keine Faschisten, aber sie nehmen den Faschismus in Kauf.

Sie möchten, dass der neue, der andere Wind, der nun weht, die Segel ihrer Schiffe aufbläht und sie voranbringt. Die Revolution ist vorbei, das linke Gegengewicht zur (neuen) Rechten praktisch nicht mehr existent und der Reaktion auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die an der Macht geben sich jovial und gutmütig, ausgleichend geradezu angesichts der faschistischen Morgenröte, erkennen aber nicht, dass das den Aufstieg des Faschismus in Wahrheit befördert, der sie am Ende mit hinwegreißen wird.

Und genau zu dieser Art Oberwasserköpfe gehören Jan Fleischhauer und Konsorten.

Sie sind keine Faschisten, aber sie spielen mit zur Schau gestellter Naivität das Spiel mit, das ihnen ihren eigenen, siehe Buchtitel: Erfolg garantiert.

Sie machen es — ich unterstelle mal zu seinem eigenen Vorteil: echten — Naivlingen wie Reinhold Beckmann leicht, ebenfalls auf solchen Partys zu tanzen.

Sie sind die Steigbügelhalter der richtigen Faschisten, und, heute schlimmer als damals: sie könnten es wissen.

Sie könnten wissen, dass es ein Spiel mit dem Feuer ist, Gedankengut wie das der Matussekfreunde salonfähig zu machen. Aber es ist natürlich aufregend, mit dem Feuer zu spielen. Insbesondere, wenn sich andere, wie Matussek selbst, schon ziemlich die Finger verbrannt haben.

Sie könnten wissen, dass die gespielt naive auf „Ausgeglichenheit“ zielende Frage der Zeit „… oder soll man es lassen“ etwas normalisiert, das nie und unter keinen Umständen normal sein darf.

Diese Sichdummsteller, diese Scheinheiligen, diese Profiteure der echten Faschisten: Das sind die wahren Schuldigen, gegen die sich alle, die noch an einem echten Diskurs interessiert sind, wehren müssen, mit allen publizistischen und demokratischen Mitteln. Also sind ein paar Fragen an Fleischhauer, den Spiegel und die Öffentlichkeit, wie Jan Böhmermann sie im Neo Magazin gestellt hat, ja wohl das mindeste.

Natürlich kann man niemanden wecken, der sich nur schlafend stellt. Aber ein Eimer kaltes Wasser darf schon dabei helfen, dass es so schwer wie möglich fällt, so zu tun als, ob man schliefe.

Oder halt ein Küsschen. Küsst sie, wo ihr sie trefft.

Arsch vs. Eimer

22. Juli 2013 2 Kommentare

Wie schön, dass Sommerloch ist. Da kann man sich endlich mal wieder auf Nebenkriegsschauplätzen tummeln wie dem der Causa Matthias Matussek vs. Kurt Krömer.

Was bisher geschah: der Krawalljournalist Matthias Matussek hat beschlossen, eine Einladung in Kurt Krömers Krawalltalkshow „Krömer — Late Night Show“ anzunehmen, ist dort von Krömer als „hinterfotziges Arschloch“ und, mehrfach, als „Puffgänger“ bezeichnet worden und hat sich dann entschieden, nun furchtbar beleidigt zu sein und auf Herausschneiden von Teilen seines Auftritts oder des ganzen Auftritts zu klagen. Mit eher geringer Aussicht auf Erfolg, was man so hört.

In der Folge aber ist ein großes Zetern und Klagen losgegangen: der eine darf seine Gewaltphantasien im „European“ ausleben und von Huren und Asiatenärschen träumen, der andere schäumt seinen Hass einfach ohne Umwege über Argumente ins Internet und schimpft auf den „TV-Kretin“ („und man spricht da noch von ‚Kunstfreiheit'“). Matussek selbst sieht im Nachhinein für sich zwei Optionen, „Krömer eine reinzuhauen oder rauszugehen“, obwohl er natürlich beides hätte machen können. Hat er aber nicht, sondern die ganze Sendung über mitgespielt und hinterher sogar noch für ein Foto posiert.

Ich bin reichlich ratlos, und zwar nicht nur über die Stellvertreterreaktionen von Leuten, die die Sendung m.W. gar nicht gesehen haben und insofern (mal wieder) über etwas urteilen, das sie nur vom Hörensagen kennen. Das alleine sollte ja nun schon stutzig machen; aber Schwamm drüber, ist halt Sommerloch, und die Medien tun ja offenbar alles dafür, noch Öl ins Feuer zu gießen.

Nein, ratlos bin ich in erster Linie über Matussek. Der Mann ist doch Medienprofi. Wer, wenn nicht er, wüsste denn, dass Menschen, die in den Medien vorkommen, und noch dazu bei Comedyshows, immer Rollen spielen? Alexander Bojcan die des Kurt Krömer und Matthias Matussek die des Gastes?

Denn da geht doch das Missverständnis schon los: dass Kurt Krömer überhaupt satisfaktionsfähig wäre. Ist er nicht, er ist nur eine Rolle, eine Kunstfigur, wie Ali G die Rolle ist, in der Sacha Baron Cohen die Gäste seiner „Ali G Show“ noch viel mehr beleidigt und gedemütigt hat. Ohne dass die hinterher geklagt hätten, denn dort wussten sie, dass sie Gäste sind, die gekommen sind, um ihre Rollen als Gäste zu spielen. Die gekommen sind, um sich zur Unterhaltung des Publikums von Ali G zum Horst machen lassen. Und nicht, um die Welt über das Erscheinen ihrer neue Bücher, Filme oder Platten zu informieren. Wie um Himmels willen konnte Matussek das glauben?

Kurt Krömer kann niemanden beleidigen, so wenig wie Ekel Alfred oder der Kater Garfield jemanden beleidigen können: Weil sie Figuren sind, Erfindungen, Fiktionen, die per definitionem mit Platzpatronen schießen, selbst wenn sie „Amok laufen“, wie Matussek jetzt behauptet. Selbst wenn die Trennung von Kunstfigur und Darsteller nicht so klar wäre wie hier, weil sie unterschiedlich heißen: der Rahmen der Sendung muss doch klar machen, dass man sich in einer künstlichen Situation befindet. Das hat es ja nun sogar schon im deutschen Fernsehen gegeben, zum Beispiel von Karl Dall, wenn sich noch jemand an „Dall-As“ (1985 – 1991, RTLplus) erinnern kann.

Die Untergriffigkeit der Krömer-Show ist also ihr Konzept. Nun zu verlangen, für Matthias Matussek eine Ausnahme zu machen und ihn in Ruhe sein Buch bewerben zu lassen, ist geradezu grotesk. Gerade Matussek, dem Spiegel-Leser sogar im Spiegel ins Stammbuch schreiben dürfen, er, der „Chefkonservative des Spiegel„, sei der „blindgläubigste Ratzinger-Bewunderer und gockelhafteste Papsttum-Propagandist“, „der Hannes Jaenicke des Feuilletons“ (Leserbriefe in der Ausgabe 29/2013, S. 14), muss sich dessen bewusst sein, welche Angriffsfläche er für Krömer bietet. Zumal er ja mit Krömer durchaus auf Augenhöhe ist, schlagfertig, wortgewandt, ein Alphamännchen des Alphamännchenjournalismus, und nicht etwa eine radebrechende Dolly Buster, die von Karl Dall auf ihre großen Titten angesprochen wird.

Ali G hat in einem legendären Doppelinterview mit David und Victoria Beckham „Posh Spice“ gefragt, ob sie sich von David anal hernehmen lassen würde:

Ali G: Me heard that there is an insulting song that they sing about you has you heard it, what is the words?

Victoria Beckham: They say Posh Spice.

Ali G: That you take it up the arse.

Victoria Beckham: That’s right.

Ali G: But that’s not insulting, that’s the biggest compliment you can pay someone. No but seriously, does you take it up the botty?

Victoria Beckham: No of course I don’t.

Ali G: Beckham, you telling me you ain’t never been caught offside?

David Beckham: No.

Eine Situation, in der andere Männer, und zwar zur Verteidigung ihrer Frau, wohlgemerkt, nicht um sich selbst zu wehren, durchaus handgreiflich hätten werden können. Was war die Reaktion von Victoria und David? Sie haben gelacht. Offenkundig war die Situation ihnen peinlich, aber sie haben sie weggelacht. Und die Reaktion des Publikums? Sie haben die beiden dafür geliebt.

Matthias Matusseks großes Ego aber lässt so eine Reaktion nicht zu. Dafür liebt er sich selbst viel zu sehr. Meine Reaktion aber als Publikum: Ich halte ihn für eine arme Wurst. So unterschiedlich kann’s gehen.