Die letzten Scherze der Menschheit
Es gibt so Serien, die will ich einfach mögen. Weil sie eine originelle Idee haben, weil sie sich weit aus dem Fenster lehnen, weil an ihnen viele guten Leute beteiligt sind. Weil sie „groß“ sind im Sinne von: zurecht mit viel Geld ausgestattet, mit guten Special Effects, einem großartigen Cast usw.
Nur stellt sich dann irgendwann die Frage: Sind sie mir nur sympathisch, oder sind sie wirklich gut?
„You, Me And The Apocalypse“ (Sky1, seit September) ist so eine Serie. Sie hat, als Comedy-Thriller angelegt, eine hübsche Grundidee: Sie erzählt die letzten 34 Tage der Menschheit, bevor ein Komet die Erde trifft, der voraussichtlich alles Leben auslöschen wird, und zwar in mehreren parallelen Erzählsträngen: u.a. dem eines Bankangestellten in Slough, eines Meisterhackers, einer zu Unrecht im Knast sitzenden Frau in den USA und dem einer Nonne und eines Priesters im Vatikan. Und wie letzteres schon andeutet, gibt es dabei neben der (cyber-) technischen auch noch eine religiöse Seite in der Erzählung, denn im Vatikan ist man davon überzeugt, dass das Ende der Welt auch das Jüngste Gericht und damit die Wiederkehr des Gottessohns bedeutet — der erstmal gefunden werden muss zwischen all den falschen Propheten, die in den finalen Stunden der Welt rapide vermehrt auftreten.
„You, Me And The Apocalypse“ (sollte eigentlich „Apocalypse Slough“ heißen, was womöglich auch der bessere Titel gewesen wäre) hat ein beachtliches Star-Aufgebot: neben den Briten Mathew Baynton („The Wrong Mans“), Joel Fry („Game of Thrones“, „Plebs“), Paterson Joseph (aktuell auch in der finalen Staffel „Peep Show“ zu sehen) sind, infolge der Kooperation von Sky mit NBC, auch etliche gute US-Comedians dabei: etwa Jenna Fischer („The Office“), Megan Mullaly („Will & Grace“) und Rob Lowe („Parks and Recreation“). Und dann die Gaststars! Nick „Ron Swanson“ Offerman! Diana „Emma Peel“ Rigg! Ja, da ist schon einiges geboten.
Doch leider kommt die Serie (Creator: Iain Hollands) dann nicht so recht aus dem Quark. Zum einen ist Bayntons Jamie wieder ziemlich genau der Typ, der in „The Wrong Mans“ die Hauptrolle hatte: ein biederer, fast spießiger junger Mann, der gegen seinen Willen in allerlei Action verwickelt wird und einen energiegeladenen, chaotischen Sidekick als besten Kumpel braucht (James Corden in „The Wrong Mens“, hier Joel Fry). Zum anderen bestehen Vorspann und Einstieg in jede Folge in einer Vorblende (oder der Rest der Folge in einer Rückblende) zu Tag null, wo wir Jamie und etliche andere Charaktere in der Sicherheit eines sub-sloughschen Bunkers sehen, wo sie „den Fortbestand der Menschheit sichern“ sollen — so dass ein beträchtlicher Teil der Spannung (wer kommt durch? Wer nicht?) schon einmal weg ist.
Und zuschlechterletzt waren bis zur Hälfte der Staffel (heute läuft die siebte der zehn Folgen) viele Handlungsfäden ziemlich lose miteinander verknüpft. Dass die Figuren, wenn sie dann schließlich doch aufeinandertreffen, dies unter verblüffenden Umständen tun und zum Teil in bizarren Verhältnissen zueinander stehen, ist durchaus komisch, so dass ich „You, Me And The Apocalypse“ sogar die ganzen absurden Zufälle, die es zum Vorantreiben der Handlung brauchte, verzeihen konnte. (Wenn Charaktere in Serien schon selbst sagen: „Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet den Neffen von soundso gekidnappt haben“, dann ist das das Eingeständnis der Autoren, dass sie wissen: so plump schummeln, wie wir an dieser Stelle müssen, können wir nicht, das merkt der Zuschauer — also machen wir ihn lieber gleich selbst darauf aufmerksam und hoffen, dass ihn diese Ehrlichkeit für uns einnimmt.)
Leider aber sind viele der Figuren in „YMATA“ für sich genommen eher flach, ja klischeehaft. Echtes Interesse, gar Identifikation entsteht so erst, wenn man weiß, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen — und das steht der ersten Hälfte der Serie doch ziemlich im Weg.
Schade, denn, wie gesagt: eigentlich ist diese Serie sympathisch. Gutes Konzept, gute Leute, viele Schauplätze, hochwertiges look & feel. Ich will die Serie mögen, immer noch, und hoffe sehr, dass die letzten vier Folgen das Ruder noch einmal so herumreißen, dass sie insgesamt als eine der besseren des Jahres durchgehen kann. Britisch genug ist sie, so sehr sogar, dass ich mich frage, wie sie in den USA überhaupt ankommen kann — hätte man sie vielleicht doch besser gleich „Apocalypse Slough“ nennen können. Obwohl auch da ja ein falscher Ton drin ist, denn für jeden Fan britischer Comedy wird „Slough“ wohl für immer mit „The Office“ verknüpft bleiben, und diese Assoziation führt hier in die Irre.
Immerhin: Mittlerweile deutet einiges darauf hin, dass „YMATA“ noch einmal Fahrt aufnimmt, insbesondere die sechste Folge hat mich da optimistisch gestimmt. Vielleicht wird sie also zumindest ein Geheimtipp dieser Saison — der ganz große Knall ist, anders als in der Serie selbst, ja nun offenbar erst einmal ausgeblieben.
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