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Unsere Schwestern, unsere Mütter

20. Januar 2014 2 Kommentare

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat Tobias Rüther gestern in dem lesenswerten Stück „Über uns“ (das ich aufgrund der völlig undurchschaubaren Suchfunktion bei faz.net leider nicht gefunden habe) darüber reflektiert, dass bei allen großartigen amerikanischen Fernsehserien der letzten Jahren leider ein Genre hinten runter gefallen sei: Das der Familienserie. Denn es gebe, so Rüther, zwar allerlei Serien, die durchaus Aspekte des familiären Zusammenlebens schilderten — das aber vorwiegend durch die Brille des Kriminalisten oder Kriminellen. So könne man eben Walter Whites Entwicklung in „Breaking Bad“ schon als die Emanzipation eines Mannes lesen. Aber eine Familienserie, die etwas weniger märchenhaft sei als die von „Downton Abbey“, die fehle halt, zumal im deutschen Fernsehen, völlig.

Nun ließe sich darüber streiten, ob nicht der Subtext von Fernsehserien, den Rüther ja auch erwähnt, in den meisten Serien, manchmal mehr, manchmal weniger deutlich aufs Familiäre, auf die Urform aller Institutionen und Lebenssysteme abhebt: Natürlich bei Sitcoms sowieso, wo der Unterschied zwischen DomComs (also domestic sitcoms, die in der Familie spielen) und CareerComs (die am Arbeitsplatz spielen) oft vielleicht inhaltlich, aber nicht formal sind (siehe das Glossar dieses Blogs), weil es strukturell keinen Unterschied macht, ob man einen verrückten Vater oder einen verrückten Boss hat, dem man ausgeliefert ist, oder ob nebenan ein verstörter Kollege oder Bruder sitzt, an dem man seinen Frust auslassen kann. Bei den „Sopranos“, um nur mal ein Beispiel zu nennen, ist der „Beruf“ ja praktisch schon die Familie, denn so nennt sich die Mafia praktischerweise gleich selbst.

So sagen also viele Serien, denen man es vorderhand nicht ansieht, etwas über den Zustand der Familie aus, insofern die Familie die kleinste Gesellschaft in der Gesellschaft ist. Kleiner Exkurs: Exkulpationsfernsehen wie „Unsere Mütter, unsere Väter“ etwa will, meine ich, den (deutschen) Zuschauer nicht nur von seiner Mitschuld am Dritten Reich mehr oder weniger freisprechen, sondern auch aus seiner Verantwortung für das, was heute so schiefgeht. Es wäre mal interessant, zu untersuchen, wie viele Parallelen sich da auf zeitgenössische Komplexe finden lassen, und ob dieser revisionistische Scheiß nicht auch gleich Persilscheine für die Gegenwart ausstellt: Klar, es gibt ein paar abgrundtief Böse, aber die meisten (von uns) können doch gar nicht anders, als mitzutun, wenn sie nicht untergehen wollen! Dass da ein paar Fremdartige über die Klinge springen — nicht schön, aber was will man machen.

Tobias Rüther aber hätte gerne „eine Serie über junge Paare, oder ältere, die sich den Kopf zerbrechen, wann der richtige Zeitupunkt wäre, ein Kind zu kriegen, und es dann trotzdem versucht [sic]“ — und dem Manne kann geholfen werden. Denn es gibt eine britische Serie, der die Quadratur des oben beschriebenen Kreises gelungen ist: Eine Serie, die am Arbeitsplatz spielt, der seinerseits die Familie repräsentiert, aber mit Familien und Kinderkriegen beschäftigt ist, weil es nämlich um Hebammen geht: „Call The Midwife“ (BBC1 seit 2012; gerade ist die erste Folge der dritten Staffel gelaufen).

„Call The Midwife“ ist in Großbritannien sehr erfolgreich; vielleicht nicht zuletzt aus den Gründen, die Rüther anführt: es besteht enormer Bedarf, genau das Kinderkriegen und seine Bedingungen zu diskutieren. Und das tut die Serie sehr klug und sehr warm.

„Call The Midwife“ erzählt aus der Perspektive der jungen Jenny Lee (Jessica Raine), die im armen Londoner East End der späten Fünfzigerjahre Krankenschwester und Hebamme wird. Sie und ein paar andere Hebammen leben und arbeiten in einem Nonnenkloster (also mit Schwestern, die aber durchweg älter als die Hebammen sind und deshalb eher mütterlich wirken — da wäre er wieder, der Familienbezug), ohne selbst dem Orden anzugehören, und sie gehen in ihrem Sprengel weit mehr Aufgaben nach, als nur der, Kinder auf die Welt zu bringen: Sie kümmern sich schon während und auch nach der Schwangerschaft um die medizinische Versorgung der jungen Mütter, sind nicht selten die einzige Bezugsperson für sie und werden oft Bestandteil der Familien auf Zeit. Geprägt ist das Setting der Serie von den Spätfolgen des Zweiten Weltkriegs: Männer sind oft abwesend und/oder alkoholabhängig, der Lebensstandard äußerst niedrig, ja, es gibt noch Armenhäuser, in denen die Schwächsten der Gesellschaft unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden.


Klarerweise steht die Medizin der Zeit (und ihre Rückständigkeit) dabei im Mittelpunkt; „Call The Midwife“ gilt als Medical Drama. Das scheint gerade populär zu sein, denn auch das fabelhafte ComedyDrama „Masters of Sex“ (Showtime, 2013) widmet sich der Medizin der Fünfziger, und auch „Breathless“ (ITV, 2013) wählt das Setting einer Entbindungsstation im London dieser Zeit (und erzählt dann, das wird Rüther nicht gefallen, in diesem Rahmen ein Kriminaldrama). Beeindruckend an „Call The Midwife“ ist in diesem Zusammenhang wiederum, wie realistisch die Geburten gezeigt werden — ich zumindest habe so lange jedes Neugeborene für echt gehalten, bis ich im Bonusmaterial der DVDs sehen konnte, wie naturgetreu die Puppen aussehen, die für solche Zwecke entwickelt worden sind. Ziemlich gruselig, die Dinger, soviel kann ich verraten.

Es sieht also alles sehr echt und authentisch aus in „Call The Midwife“. Möglicherweise, weil die Serie auf den autobiographischen Aufzeichnungen und dem entsprechenden Buch einer Hebamme beruht: Jennifer Worth, die der Produktion mit Rat und Tat zur Seite stand, bei den Dreharbeiten dabei war und so dafür gesorgt hat, dass Heidi Thomas („Upstairs, Downstairs“) die Sets, Kostüme und Dialoge so originalgetreu wie möglich gestalten konnte. Bittere Pointe, dass Worth vor der Ausstrahlung der ersten Folge gestorben ist und so ihre fürs Fernsehen adaptierte Lebensgeschichte selbst nicht mehr sehen konnte.

Aber alles, was sie über die vielen Familien und die Umstände, in denen damals Kinder gezeugt und geboren wurden, sagen wollte, konnte sie so noch sagen. Und vieles, was in den Episoden, die sich meist um einzelne Fälle drehen, sonst untergegangen wäre, ließ sich im großen Bogen erzählen, den die Geschichte der Nonnen und ihres Hauses sowie die Storys der Hebammen bilden: Über Demenz etwa, denn eine ältere Nonne hat zunehmend Schwierigkeiten mit der Realität. Über Klassenunterschiede etwa, denn „Chummy“ Browne (Miranda Hart in einer erträglichen Rolle — die Frau kann schauspielen, wenn sie will) will Hebamme werden, trotz einer Herkunft aus der Oberschicht, die sie alles andere als prädestiniert für diesen Beruf.

Vor allem aber über eben Familiengründung: Denn Nurse Lee (deren älteres, heutiges Ich mit der Stimme von Vanessa Redgrave qua Voice Overs Anfang und Ende jeder Folge kommentiert) hat selbst ihre Probleme mit der Partnerwahl, damit, sich zu verlieben und jemanden in ihr Leben zu lassen. Sich mit ihr zu identifizieren, ist recht leicht, und das ist der billante Kniff der Serie: so steht eine Figur im Zentrum, die selbst weit davon entfernt ist, Kinder zu kriegen — und schon ist die Distanz zu all dem Kinderkriegen geschaffen, die diese Serie auch für Kinderlose interessant werden lässt.

Auch „Call The Midwife“ sagt, siehe oben, etwas über die Gegenwart und darüber, wie es ums Kinderkriegen heute bestellt ist (auch wenn man nichts darüber erfährt, wie schwierig ist es, einen Kitaplatz in München zu kriegen). Wenn es das nicht täte, könnte man als Zuschauer auch nicht daran anschließen, dann würde die Serie auch nicht zu einem sprechen. Aber das tut sie, laut und deutlich.

Dabei strotzt „Call The Midwife“ natürlich nur so von positiven Botschaften. Wie sollte das auch anders sein: Die Serie ist für den Mainstream gedacht, und sie bedient ihn, wie ihn „Downton Abbey“ bedient: mit dem großen Gestus des Period Dramas. Es geht um den Zusammenhalt, es werden Vorurteile gegen Farbige überwunden, die Medizin macht Fortschritte, große sogar, weil sie ja noch so rückständig ist, und selbst wenn Nonnen vom Glauben abfallen und sich zögernd, aber doch mählich wieder einem weltlichen Leben zuwenden, verlieben und heiraten, bleiben sie nichtsdestoweniger in der großen Gemeinschaft ihrer Lieben.

Aber „Call The Midwife“ schafft es trotzdem, ehrlich zu bleiben (etwas, woran viele deutsche Fernsehserie brutal scheitern): Nicht jeder Bomben-Blindgänger (die Story des Weihnachts-Specials) kann entschärft werden, Kriegs-Traumata (hier die des Korea-Kriegs) bleiben unbehandelbar, und Kinderlähmung ist eben Kinderlähmung. Nicht jedem kann geholfen werden, und Trauer gehört zum Leben genau wie Freude. „Call The Midwife“ ist, abermals wie „Downton Abbey“ (und „Upstairs, Downstairs“ von Heidi Thomas war ja nun der Vorgänger von „Downton Abbey“), gut darin, Kitsch zu vermeiden — na ja, weitgehend jedenfalls.

„Call The Midwife“ wäre also genau die Serie, die sich Tobias Rüther fürs deutsche Fernsehen wünschen würde. Leider hat das aber nur die lustige Nonnentruppe von „Um Himmels Willen“ zu bieten.

Lacht am Ende des Tunnels

4. November 2011 1 Kommentar

Britische Fernsehverantwortliche setzen derzeit auf helle, schnelle „laugh out loud“-Comedy, die Phase bös-finsterer Satire ist erst mal vorbei: Das berichtet das Comedy-Portal Chortle und zitiert dafür den BBC-Comedy-Commissioner Kristian Smith sowie Baby-Cow-Produzenten Henry Normal.

Die letzten zehn Jahre der (englischen) Comedy waren geprägt von peinlich berührten Blicken in die Kamera, ungemütlichen Situationen und trüben bis trostlosen Tönen. Nun könnte der Trend in die andere Richtung gehen: Die BBC setzt für die nächste Zeit auf Slapstick, „Live vor Publikum“-Sitcoms, leichtere Unterhaltung — mehr LOL als OMG.

Schon eine ganze Weile spekuliere ich hier im Blog immer mal wieder, wohin die Britcom driften könnte (z.B. hier und zuletzt nur vier Einträge weiter unten im Eintrag zu „Fresh Meat“): „The Office“ (BBC2, 2001 – ’03) ist mittlerweile wirklich alt, ebenso der Mockumentary-Stil, der naturgemäß auf Selbstentblößung und Fremdscham setzt, seelische Grausamkeiten a lá Julia Davis in „Nighty Night“ (BBC3/BBC2, 2004 – ’05) und Kammerspiele wie die maßstabsetzende „Royle Family“ (BBC1, 1998 – 2000). Die Nuller-Jahre waren voll mit cringe comedy, die mehr auf Dialoge als auf Action setzte, oder, wie Henry Normal sagt:

There was a style that started with „People Like Us“ and „The Royle Family“ that was a sort of post-punk movement, trying to get away from „ooh, the vicar’s come round and my trousers have fallen down“ approach and tried to do something a little too different.

Nun schwingt das Pendel offenbar in die andere Richtung: Die Sender bestellen vorwiegend wieder klassischere Sitcoms, familientaugliche Ware wie das preisgekrönte „Miranda“ (BBC2, 2009 – ) von und mit Miranda Hart als tollpatschige Besitzerin eines Scherzartikel-Ladens oder „Gavin & Stacey“ (BBC3/BBC2/BBC1, 2007 – ’10). Zwar werde es weiterhin low-key Sitcoms wie Simon Amstells „Grandma’s House“ (BBC2, 2010 – ) geben, es sei aber ein „Appetit auf laugh-out-loud-Comedy spürbar“. Und also werden die ohnehin nicht allzu üppigen Budgets in nächster Zeit wohl für eher an den Mainstream gewandte Comedy ausgegeben werden.

Was zunächst wie eine schlechte Nachricht klingt, muß aber keine sein: Wirklich erfolgreich wird nämlich erst eine tatsächliche Weiterentwicklung der traditionellen Sitcom werden, kein bloßer Rückfall in ausgetretene Hohlwege. Es wird Innovationen brauchen, um sowohl das Feuilleton wie auch das Publikum zu gewinnen. Kristian Smith:

We see a lot of people who can write brilliant gags without having a strong character or strong idea. But it’s those things with real heart that push through.

Womöglich war es das, was mich beim schon oben verlinkten „Friday Night Dinner“ (Channel 4, 2011 – ) jedenfalls prinzipiell an diesen neuen dritten Weg denken ließ: zwar single camera gedreht, aber im Prinzip wie eine Publikums-Sitcom aufgebaut, zwar familientauglich sympathische Figuren, aber trotzdem mit originellen cringe-Momenten — und Robert Popper („Look Around You“) wäre auch genau der Typ gewesen, dem ich das zugetraut hätte: Channel 4-Produzent, ebendort Commissioning Editor for Comedy und Script Editor für viele große Serien inklusive „Black Books“, „Peep Show“ und „The Inbetweeners“. Leider wird es offenbar erst Ende nächsten Jahres mit „Friday Night Dinner“ weitergehen, und die durchschlagende neue Idee war in der ersten Staffel „FND“ dann doch noch nicht so genau zu erkennen — aber die meisten bahnbrechenden Innovationen erkennt man ja ohnehin erst retrospektiv.

Ich jedenfalls hätte nichts gegen wärmere, liebenswürdigere, quatsch-orientiertere Britcoms. Meine langjährige Lieblingsserie „Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001) war wohl so etwas wie der Schwanengesang dieser Richtung, meine andere Lieblingsserie „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) einer ihrer Höhepunkte: an ein breites Publikum gewandt, das sie auch erreicht hat, unschuldig-naiv zuweilen, vor allem aber sehr, sehr komisch — LOL eben. Nicht OMG.

UPDATE: Der Independent bringt heute ein Stück zum Thema: „Sitcoms: It’s beyond the cringe, and back to the bellylaugh“

Bafta-Nominierungen 2011

28. April 2011 12 Kommentare

Wie, schon wieder so spät? Die Bafta-Nominierungen für 2011 sind da! In den Comedy-Sparten nominiert sind…

…in der Kategorie Female Performance In A Comedy Programme:

Ich tippe auf Miranda Hart; nach all den Preisen, die sie bislang abgeräumt hat, wäre es schon fast ein Karriereknick, wenn sie nicht auch einen Bafta kriegen würde. „Getting On“ ist zu sehr Minderheitenprogramm, „Roger & Val“ war einfach nicht sehr gut, und Katherine Parkinson war in der vierten Staffel „IT Crowd“ auch nicht viel besser als in den ersten drei.

…in der Kategorie Male Performance In A Comedy Programme:

  • James Buckley, „The Inbetweeners“ (E4)
  • Steve Coogan, „The Trip“ (BBC2)
  • Tom Hollander, „Rev.“ (BBC2)
  • David Mitchell, „Peep Show“ (Channel 4)

Schwer zu sagen — Buckley wäre eine Geste in Richtung Nachwuchs, Coogan ist ein Klassiker, Hollander Newcomer mit einer respektablen Sitcom, die bislang zu Unrecht leer ausgegangen ist, und Mitchell Publikumsliebling. Keine Ahnung, wer da das Rennen macht.

…in der Kategorie Comedy Programme:

  • „Catherine Tate’s Little Cracker“ (Sky1)
  • „Come Fly With Me“ (BBC1)
  • „Facejacker“ (E4)
  • „Harry and Paul“ (BBC2)

Ich habe nur eineinhalb Folgen von Matt Lucas‘ und David Walliams‘ „Come Fly With Me“ und ein paar Sketche von „Harry and Paul“ gesehen, schätze aber, daß erstere das Rennen machen — einfach weil sie so populär sind, denn gut (im Sinne von gut) war das nicht.

…in der Kategorie Situation Comedy:

  • „Mrs Brown’s Boys“ (BBC1)
  • „Peep Show“ (Channel 4)
  • „Rev.“ (BBC2)
  • „The Trip“ (BBC2)

Vermutlich wird es auf „The Trip“ oder „Rev.“ hinauslaufen: „The Trip“ hat mit Rob Brydon, Steve Coogan und Michael Winterbottom gleich drei große Namen aufzubieten, „Rev“ war, wie schon gesagt, bislang leer ausgegangen und aber eigentlich eine sympathische kleine Serie. An „Mrs Brown’s Boys“ habe ich mich bislang nicht gewagt — Männer, die in Frauenkleidern alte Schachteln spielen, das war zuletzt bei den Pythons lustig (merkt euch das endlich mal, Lucas und Walliams!). Aber wer weiß, vielleicht ist das ja der Überraschungs-Hit.

Des weiteren nominiert sind übrigens Benedict Cumberbatch (Leading Actor) und Martin Freeman (Supporting Actor) für „Sherlock“ (BBC 1), Lauren Socha (Supporting Actress) und Robert Sheenan (Supporting Actor) für „Misfits“ (E4), das außerdem in der Sparte „Drama“ nominiert ist. Wünschen würde ich ihnen alle drei Baftas, allerdings haben sie im letzten Jahr schon einen „Drama“-Bafta gewonnen, also wird er womöglich an das ebenfalls nominierte „Sherlock“ gehen oder an „Downton Abbey“ (ITV1), das Gerüchten zufolge ja ebenfalls stark sein soll. Als viertes auf der Liste steht in dieser Kategorie „Being Human“ (BBC3), und auch diese Wahl fände mein Gefallen.

Zum dritten Mal, seit ich dieses Blog führe, bemerke ich, daß die Baftas nicht für eine Hochphase der britischen Comedy sprechen: Abermals sind die neuen Serien, Sketch- wie Sitcom-, schwächer als die älteren, von denen aber auch zumindest „The IT Crowd“ ziemlich schwächelt. Dafür sind mit „Sherlock“, „Misfits“ und „Being Human“ gleich drei (Comedy-)Dramas gesetzt, die sehr stark sind.

Interessant ist zum Schluß noch die Kategorie New Media, in der neben „Malcolm Tucker: The Missing Phone“ (eine App fürs iPhone) und „Wallace and Gromit’s World of Invention“ (BBC1) noch die „Misfits“-Online-Miniserieam Start ist: Wie gut mittlerweile schon online only-Inhalte gemacht sind, hat mich ja einigermaßen verblüfft. Was die Verknüpfung alter und neuer Medien angeht, scheinen mir die Briten generell einen mächtig großen Schritt voraus zu sein.

British Comedy Awards: Die Gewinner

23. Januar 2011 Keine Kommentare

Ganz wie erwartet, hat vor allem Miranda Hart für ihre Tollpatschcom „Miranda“ (BBC2) abgeräumt bei den diesjährigen British Comedy Awards: Nämlich in den Kategorien „Best New British TV Comedy“ und „Best Comedy Actress“, und den „People’s Choice Award“ gab’s gleich obendrauf. Nur in der Abteilung „Best Sitcom“ hatten „The Inbetweeners“ die Nase vorn. Was an „Miranda“ new sein soll, entzieht sich meinem Verständnis: die erste Staffel lief schon 2009 (ok, sie lief 2009 an), und altmodischer als „Miranda“ kann Sitcom kaum sein. Was soll’s, dem breiten Publikum gefällt’s halt, und so seien ihr die drei Awards gegönnt, auch wenn sie nun wirklich kein bißchen frischen Wind in das Genre gebracht hat.

Erfreulicher ist da schon, daß tatsächlich „Newswipe“ in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Programme“ gewonnen hat, auch wenn sich Charlie Brooker nicht gegen Harry Hill als „Best Comedy Entertainment Personality“ durchsetzen konnte.

Daß „The Armstrong & Miller Show“ den „Best Sketch Show Award“ an die Kindersendung „Horrible Histories“ verloren hat: Meh. So gut „Horrible Histories“ sein mag, ich bevorzuge Comedy für Erwachsene.

Peter Capaldi kann sich über den Award für den „Best Comedy Actor“ für seine Rolle in „The Thick Of It“ freuen, das allerdings in der Kategorie „Best Sitcom“ nichts gerissen hat, und Kayvan Novak über seine Auszeichnung für die „Best British Comedy Performance In Film“, die ihm „Four Lions“ eingebracht hat.

Zuguterletzt: Sam Bain und Jesse Armstrong („Peep Show“ sowie ungezählte Co-Autorenschaften von „The Thick Of It“ bis „That Mitchell And Web Look“) haben den „Writer’s Guild Of Great Britain Award“ abgeräumt — verdientermaßen.

Bedauerlich ist und bleibt allerdings, daß weder „Rev.“ noch „Whites“ etwas abgekriegt haben vom schönen Awards-Segen — beide hätten es verdient gehabt. Tom Hollander war immerhin nominiert („Best Comedy Actor“); daß aber „Whites“ nicht einmal eine Chance hatte: Shame! Shame!

The British Comedy Award 2011: Nominations

16. Januar 2011 Keine Kommentare

Nächsten Samstag werden die British Comedy Awards 2011 verliehen, und die Jury hat gestern die Nominierten bekanntgegeben. Aus dieser Liste geht imho vor allem eines hervor: 2010 war kein sehr gutes Comedy-Jahr.

Über die Nominierungen für „Comedy Panel Shows“ gehe ich hinweg — ich sehe sie einfach nie, auch wenn bestimmt sowohl „Have I Got News For You“ wie auch „Shooting Stars“ und „Would I Lie To You?“ ihre Meriten haben. Ich tippe mal, HIGNFY wird gewinnen, weil das Konzept der Show, Comedy-Improvisationen zu aktuellen Nachrichten, so anspruchsvoll ist. Neu ist es allerdings nicht — HIGNFY läuft seit 1990 in der BBC. Und lustiger fand ich während meines Englandurlaubs „Would I Lie To You?“, bei dem die Panels erraten müssen, ob die (autobiographischen) Geschichtchen, die von Gästen zum Besten gegeben werden, tatsächlich stimmen oder frei erfunden sind.

Als „Best Comedy Entertainment Programme“ sind „Harry Hill’s TV Burp“, „The Graham Norton Show“ und „Newswipe“ nominiert. Toi, toi, toi für Charlie Brooker — allerdings ist „Newswipe“ kein genuines Comedy-Format.

Charlie Brooker ist neben Ant & Dec und Harry Hill ebenfalls einer der Nominierten in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Personality“. In den Kategorien „Best Male Comic“ sind David Mitchell, Harry Hill und Michael McIntyre am Start, „Best Female Comic“ sind entweder Jo Brand, Sarah Millican oder Shappi Khorsandi. Bei den Herren fände ich Mitchell am sympathischsten (und sowohl Hill als auch McIntyre ausgesprochen unsympathisch); bei den Damen kenne ich nur Jo Brand, und die war zumindest in „Getting On“ ganz gut.

Jetzt aber: „Best New British TV Comedy“. Hier stehen „Grandma’s House“, „Miranda“ und „The Trip“ zur Auswahl, und ich schätze mal, „Miranda“ macht das Rennen. Schon weil die beiden anderen Nominierten entweder so wenig zur Identifikation einladende Figuren wie Simon Amstell in der Hauptrolle spazierenführen, oder kaum laute Lacher erzeugen konnten wie Coogans und Brydons „Trip“, das doch eher ein stiller Schmunzler für die Zeit nach Mitternacht war.

Ich muß allerdings zugeben, daß mir die zweite Staffel „Miranda“ überraschend doch noch ganz gut gefallen hat. Nicht zuletzt, weil ich der Frau mal eine Folge gezeigt habe, und ihr diese altmodische Slapstick-Sitcom mit der tollpatschigen Miranda umstandslos so ans Herz gewachsen ist, daß sie mehr sehen wollte. Was will man da machen! Nach drei Folgen hatte sie mich dann.

Warum aber fehlen „Whites“ und „Rev.“? Beide hätte ich „Grandma’s House“ in jedem Fall vorgezogen.

Die „Best Male/Female Breakthrough Artists“ überspringe ich gerade mal und komme direkt zu den „Best Sketch Shows“, which are: „Harry & Paul“, mit dem ich leider wenig anfangen kann, trotz der eigentlich guten Harry Enfield und Paul Whitehouse, „Horrible Histories“ (gut, aber genaugenommen ein Kinderprogramm) und „The Miller & Armstrong Show“. Letztere meine Favoriten, wie aufmerksamen Lesern dieses Blogs nicht entgangen sein wird. Nicht auf der Shortlist: „That Mitchell & Webb Look“, was in der vierten Staffel mittlerweile leichte Ermüdungserscheinungen zeigt.

„Best Sitcom“: „Miranda“, „The Inbetweeners“ und „The Thick Of It“. Es wird natürlich „Miranda“, schon weil sie so dermaßen erfolgreich war; die letzte Staffel „The Thick Of It“ lief m.W. schon 2009, es ist mir nicht klar, warum das dieses Jahr wieder nominiert ist. Gar nicht erst nominiert: „The IT Crowd“. Aus guten Gründen.

„Best Comedy Actor“: Nominiert sind James Buckley („The Inbetweeners“), Peter Capaldi, Rob Brydon („The Trip“) und Tom Hollander („Rev“), bei den Damen Jo Brand, Katherine Parkinson und Miranda Hart.

Und zum Schluß: „Best British Comedy Performance In Film“: Neben dem (mir unbekannten) Aaron Johnson („Kick Ass“ — hä?) sind Kayvan „Hands too big“ Novak und Nigel „We’re bombing the mosque“ Lindsay aus „Four Lions“ nominiert, der auf diesem Weg wenigstens noch mal ein bißchen zu seinem Recht kommt. Natürlich wäre es mir ein Fest gewesen, wenn als drittes noch Riz Ahmed in der Hauptrolle als sympathischer Selbstmordattentäter auf der Liste gewesen wäre, aber man kann nicht alles haben.

Nächsten Samstag wissen wir mehr; meine Spannung hält sich allerdings in Grenzen — es wird eh alles „Miranda“ gewinnen. Behaupte ich jetzt einfach mal.

Bewanderte Sitcom

31. Juli 2010 7 Kommentare

Natürlich ist „The Great Outdoors“ (BBC4) jedem wirklichen Englandkenner von vorneherein verdorben, ja: auf das Fundament einer faustdicken Lüge gebaut. Denn in einer (der ersten, am Mittwoch ausgestrahlten) Folge dieser Sitcom um einen Wander-Club, dessen Leiter mit einem gewaltigen Lattenschuß allen Mitwanderern auf die Nerven geht, fällt einen ganzen Tag lang erkennbar kein einziger Regentropfen! Ja, die Wanderer kommen nach einer langen Wanderung trockenen Fußes nach Hause! Vollkommen ausgeschlossen, denn in England regnet es jeden Tag, und ganz besonders, wenn jemand wandern gehen möchte. Ich weiß, wovon ich rede! Sieht man über diese unwahrscheinliche Prämisse allerdings großzügig hinweg, ist „The Great Outdoors“ gut — und hat das Zeug dazu, noch besser zu werden.

Die Miniserie (leider auf nur drei Folgen angelegt) folgt dem Wanderleiter Bob (Mark Heap), dessen aufgeblasene, eitle und anmaßende Art schwer erträglich ist. Sein bester Freund Tom (Steve Edge) ist ein ausgemachter Simpleton, dem Bobs neurotische Anfälle daher auch nichts ausmachen; Bobs achtzehnjährige Tochter Hazel leidet da schon mehr unter ihrem Vater. Neue Mitglieder, die mal einen Tag lang mitwandern wollen, werfen schnell das Handtuch und setzen sich ab — bis auf Christine (Ruth Jones), die nicht nur eine Regenjacke (ha!) dabei hat, einen riesigen Rucksack, GPS und eine Leuchtpistole, sondern sogar Verpflegung. Um die gibt es prompt Verteilungskämpfe, als sich herausstellt, daß der von Bob angesteuerte Pub auf sündteure Gastronomie umgestellt hat. Logisch, daß Christine schnell und sehr zum Mißfallen Bobs zu einer ernsthaften Konkurrenz in der Club-Führung wird…

Prima, daß Mark Heap sich nie zu schade wird, seine Paraderolle zu spielen: die des tragikkomischen, von Obsessionen geplagten Soziopathen. Damit hatte er seinen Durchbruch in „Spaced“ als der krisengeschüttelte Künstler Brian, damit brillierte er als der Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham in „Green Wing“, und gerade sehe ich ihn in „Happiness“, wo er eine ein wenig gedimmte Version dieses Charakters gibt, in der er ebenfalls glänzt. Prima aber auch, daß um Heap etliche weitere hervorragende Comedians aufgestellt sind: Ruth Jones darf mal eine andere Rolle spielen als Staceys dicke Freundin Nessa in „Gavin & Stacey“, Steve Edge („Star Stories“, „Phoenix Nights“) ist sowieso hervorragend, und Katherine Parkinson („The IT Crowd“, „Doc Martin“, „The Old Guys“, deren zweite Staffel gerade läuft) ist sich für eine kleinere Rolle in der zweiten Reihe ebenfalls nicht zu schade.

Das liegt vielleicht daran, daß die Autoren der Show, Kevin Cecil und Andy Riley, zwar noch keine Namen haben, bei denen es jedem Comedyfan in den Ohren klingelt, das das aber nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte: die beiden haben schon nach Graham Linehans Abschied von „Black Books“ seinen Platz als Autoren eingenommen, für die „Armando Iannucci Show“ geschrieben, für „Little Britain“, „Armstrong & Miller“, „Smack the Pony“ und „Trigger Happy TV“. Ihre erste eigene Serie „Hyperdrive“ sei ihnen verziehen — zum Ausgleich für diese eher mittelgute Moppel-im-Weltall-Comedy (mit Miranda Hart und Nick Frost) hat ja Andy Riley etliche Comicbücher gezeichnet, die ich auf diesem Weg auch jedem ans Herz legen kann: „Bunny Suicides“ und „Great Lies to Tell Small Kids“. Kaufen! Jetzt sofort!