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Artikel Tagged ‘Monty Python’s Flying Circus’

It’s…

8. Juli 2009 2 Kommentare

Not the Messiah

Not the Messiah

Monty Python’s Flying Circus‘ Reunion — jedenfalls beinahe: Zum 40. Jahrestag der Erstausstrahlung des Fliegenden Zirkus‘ werden sich die Pythons für eine Live-Show in der Royal Albert Hall zu London wieder zusammentun. Mit Ausnahme von, natürlich, Graham Chapman, der 1989 an Krebs gestorben ist — und aber auch ohne John Cleese, was die Meldung gleich viel weniger sensationell macht.

„Not the Messiah (He’s a Very Naughty Boy)“ soll ein „komisches Oratorium“ werden, so Eric Idle, der die Show zusammen mit John du Prez (Musik u.a. für „M. P.’s Meaning of Life“) geschrieben hat. Mit von der Partie werden außerdem Carol Cleveland und Neil Innes sein, den ich für seine Beatles-Anverwandlungen für „The Rutles — All You Need is Cash“ ebenso bewundere wie für seine komischen Platten mit der Bonzo Dog Doo-Dah Band. Wer 140 Pfund für ein Ticket übrig hat (gibt aber auch billigere): Am 23. Oktober ist es so weit.

Und weil man den ganzen Monty Python-Kram nun doch schon so oft gesehen hat: Hier „Ouch“ aus dem Rutles-Film (zu dem ich sehr raten kann, jedenfalls zum ersten Teil. Es gibt noch einen gottseidank weitgehend unbekannten zweiten Teil, aber über den schreibe ich ein andermal, wenn ich schlechte Laune habe).

Disgusting and nihilistic

3. Juni 2009 3 Kommentare

Beinahe wäre „Monty Python’s Flying Circus“ schon mitten in der ersten Staffel zuende gewesen: Wegen abscheulichem und nihilistischem Humor — und wegen einer verheerenden Quote von drei Prozent, der niedrigsten je gemessenen Einschaltquote eines Unterhaltungsprogramms (!), zustande gebracht von der ersten Show der Pythons. Das berichtet der Telegraph und bezieht sich auf ein von der BBC jüngst veröffentlichtes altes Memo, in dem Bill Cotton, damals Chef der Unterhaltungssparte, dem Team „some sort of death wish“ unterstellt.

Die Quote verwundert wenig, wenn man weiß, daß der „Flying Circus“ den Sendeplatz einer klerikalen TV-Sendung übernommen hatte: Daß ein explizit religiöses Publikum Geschmack am Python-Humor gefunden hätte, wäre auch nicht zu erwarten gewesen. Verblüffender finde ich da doch die Gagen, die die Pythons seinerzeit erhalten haben:

Each of the Pythons was paid £160 for a single episode as well as supplementary payments of £10 a day during filming.

160 Pfund pro Folge! Davon konnte sich Graham Chapman wohl gerade mal ein kleines Regal für sein berühmtes Gin-Zimmer kaufen.

„Fawlty Towers“ geht nicht weg

24. Mai 2009 3 Kommentare

I have been talking for twenty-five years about Fawlty Towers now, and I would not be at all disappointed if it went away and I could forget about it forever.

Das schreibt John Cleese, offensichtlich schwer genervt, 2004 einem jungen Autor namens Lars Holger Holm, als der ihn um ein Vorwort für ein Buch über „Fawlty Towers“ bittet — doch „Fawlty Towers“ geht nicht weg: Cleese muß sich immer wieder zu seinem größten Erfolg äußern, der mittlerweile 30 Jahre zurückliegt. Ein schweres Los, denn die britische Öffentlichkeit hat eine so hohe Meinung von dieser Sitcom, daß die zwölf Folgen der Originalserie noch immer bei den meisten Umfragen auf Platz eins der beliebtesten Britcoms aller Zeiten liegen.

https://www.youtube.com/watch?v=1k7U-_tJVmw&hl=de&fs=1

Das hat mich als jungen Monty Python-Fan seinerzeit einigermaßen verwundert, als ich die BBC-Serie entdeckte, deren erste Staffel vor und deren zweite Staffel nach „Monty Python’s Life of Brian“ gedreht wurden: Zu einer Zeit also, als die Pythons in der Form ihres Lebens zu sein schienen, mit dem „Flying Circus“ experimentelle Fernsehcomedy gemacht hatten, wie sie weder davor noch danach je wieder zu sehen war, mit psychedelischen Animations-Links und Filmschnipseln, höchst komischen Gewalttätigkeiten und gewagten Sketch-Strukturen, die keine Pointe zu brauchen schienen; jedenfalls nicht am Ende des Sketchs. Nun machten sie Filme, ebenso ungewöhnliche wie zuvor Fernsehproduktionen, die formell wagelustig waren wie „Monty Python and the Holy Grail“ oder ketzerisch wie „Life of Brian“ — wie paßte da eine so traditionelle, konservative, altmodische Sitcom wie „Fawlty Towers“ ins Bild? Mehr…

Blasphemy! He’s said it again! „Jerry Springer – The Opera“

20. April 2009 5 Kommentare

Eine der schönsten Traditionen Großbritanniens sind Skandale rund um Comedians und komische Produkte. Vor allem die religiöse Rechte setzte und setzt sich sehr für den Erhalt des Brauchtums ein, schon zu trommeln und zu wehklagen, noch bevor irgend jemand etwas genaues weiß. Die Monty Pythons hatten seit der ersten Ausstrahlung des „Flying Circus“ am 5. Oktober 1969 Ärger mit Christen bzw. eben schon vorher: Denn der „Flying Circus“ erhielt, ausgerechnet, einen Sendeplatz, den zuvor eine religiöse Sendung gehabt hatte. Keine glückliche Wahl der BBC, die sich seit Mitte der sechziger Jahre mit einer gewissen Mary Whitehouse und ihrer „National Viewers‘ and Listeners‘ Association“ herumschlagen mußte.

<Abschweifung>Whitehouse, Lehrerin aus Shropshire, organisierte regelmäßig Kampagnen für „sauberes Fernsehen“ und gegen das, was sie für Pornographie und die Verletzung religiöser Gefühle hielt, und wurde, nicht zuletzt weil die Medien sie und ihre spinnerten Anliegen bereitwillig ventilierten, schnell zu einer Figur des öffentlichen Lebens. Comedians revanchierten sich auf ihre Weise, nicht zuletzt durch die Stand Up/Sketch-Show „The Mary Whitehouse Experience“ (und auch die Pornographen benannten die vormalige Schmuddelseite whitehouse.com nicht nach dem Weißen Haus, sondern nach Mary Whitehouse). Etliche recht komische Bezugnahmen auf Mary Whitehouse in der Popkultur finden sich hier; Bernard Manning kommentierte ihr Ableben im Jahre 2001 so: „She’ll be sadly missed, I imagine, but not by me.“</Abschweifung>

springer-1Auch der noch vor dem Gezeter um „The Life of Brian“ zweitgrößte Comedy-Skandal Großbritanniens funktionierte so (der größte war, nach Zählung der Sendung „50 Most Shocking Comedy Moments“ von 2006, Chris Morris‘ „Brass Eye“-Spezial über Pädophilie). Eine mächtige Welle der Empörung brach über Richard Thomas‘ und Stewart Lees Musical „Jerry Springer — The Opera“ herein: 55 000 Beschwerden erreichten BBC2 bereits vor der Sendung im Januar 2005; 8000 danach — die Fernsehversion der Jerry-Springer-Oper wurde mit 2,4 Millionen Zuschauern die erfolgreichste TV-Oper bis dahin. Die Verantwortlichen der BBC erhielten Morddrohungen, einige mußten sogar kurzfristig umziehen, um den Protesten aufgebrachter Christen zu entgehen. Vor der geplanten Tournee durch das Vereinigte Königreich übte die christliche Lobbyistengruppe Christian Voice Druck auf die Spielstätten aus, die „Jerry Springer — The Opera“ in ihr Programm aufnehmen wollten. Ein Drittel davon sprang daraufhin ab und machte die Tour beinahe finanziell unrentabel, zumal das Arts Council ihr Fördermittel verweigerte. Und das, obwohl das Stück im Londoner West End extrem erfolgreich gelaufen war, etliche Preise gewonnen hatte — und nebst allerlei anderer Prominenz Jerry Springer selbst unter den Zuschauern gewesen war, ohne hinterher vor Wut explodiert oder vor Gericht gezogen zu sein. Im Gegenteil.springer-2

Grund genug hätte er dabei gehabt, guckt man nur auf die Oberfläche: In Thomas‘ und Lees Musical wird Springer, der englischstämmige Vater aller Krawall-Talkshows, auf offener Bühne erschossen und fährt zur Hölle. Die Ausdrucksweise, der sich bereits im ersten Akt Springers Talkshowgäste befleißigt haben, ist, um es vorsichtig zu formulieren, rüde:

„My mom used to be my dad. I was jilted by a lesbian dwarf, but she gave good head. I used to be a lapdancing preoperative transsexual, a chick with a dick“

singt der Chor der Talkshowgäste, und der Kontrast zwischen ernsthafter Operninszenierung und niedrigster Gossensprache könnte komischer kaum sein. Seinen Gästen, den Windelfetischisten, Ehebrechern und Frauenhassern, ist nach ihrem Auftritt in der „Jerry Springer Show“ nichts Gutes widerfahren; Jerry begegnet ihnen im zweiten Akt in der Vorhölle wieder, wo über ihn zu Gericht gesessen wird. Nach seinem Schuldspruch landet er schließlich in der Hölle. Dort stellt Satan ihn vor eine unlösbare Aufgabe und droht Jerry damit, ihm neben dem regulären höllischen Zwicken und Zwacken auch noch einen mit Stacheldraht umwickelten Pfosten in den Arsch zu rammen, sollte er scheitern.

springer-3Die eigentliche Blasphemie ist das noch nicht, klarerweise, ich will aber nicht unfair sein: Jeder, der zwei Stunden unmotivierte Singerei auf offener Bühne aushalten kann und will (ich selbst lehne Musicals aus ästhetischen Gründen entschieden ab und habe nicht vor, nach dieser noch eine weitere Ausnahme zu machen), soll dafür wenigstens mit der gleichen komischen Wucht getroffen werden, die mich im dritten Akt minutenlang hat lachen lassen wie nicht ganz dicht — ja, ich glaube, ich habe sogar ein bißchen geweint vor Lachen. Darum werde ich die überraschende Wendung hier nicht verraten (sondern erst auf der nächsten Seite) und beschränke mich auf den Hinweis, daß (bei Amazon.uk für ganze £2,98) die DVD erhältlich und, neben einigen schönen Extras, auch mit sehr hilfreichen Untertiteln versehen ist. Die Inszenierung ist, soweit ich als Musical-Laie das beurteilen kann, tatsächlich sehr gelungen, allerdings ist der erste Akt mit 55 Minuten so lang wie der zweite und dritte zusammen und damit vielleicht ein weniges zu lang. Über Stewart Lee werde ich demnächst wohl noch ausführlicher berichten, ich gucke mich gerade durch seine beiden Stand Up-DVDs und bin jetzt schon ganz eingenommen für ihn und seine klare politische Haltung, die ihn von den meisten eher unpolitischen Stand Ups unterscheidet. Mehr…

Im Inneren der Pythons

Fanbücher sind meist trivial. Sie sammeln nutzloses Wissen über Stars und die Entstehung ihrer Arbeiten, publizieren Privatfotos und faksimilieren Korrespondenzen, die niemanden etwas angehen außer Absender und Empfänger. Zum Verständnis der Werke tragen sie nichts bei, ganz besonders nicht bei komischen Arbeiten, die zum Funktionieren einen gewissen Effekt brauchen, zu dessen Gelingen viel Wissen über Autoren und Werkgenese eher hinderlich ist.

Das macht es Büchern wie „Python über Python – Die Autobiographie von Monty Python“ von Bob McCabe (Hannibal Verlag) schwer. Tatsächlich besteht auch dieser Prachtband von 360 Seiten und guten fünf Pfund Geburtsgewicht zu einem beträchlichen Teil aus Informationen, die man besten auf Partys zum Einsatz bringen kann: Schon gewußt, daß „Monty Python’s Flying Circus“ beinah „Bunn Wackett Buzzard Stubble and Booth“ geheißen hätte? Daß die BBC kurz davor war, die Bänder der Serie routinemäßig zu löschen? Daß die Pythons den amerikanischen Fernsehsender ABC verklagten und darauf bestanden, daß der „Circus“ nicht ausgestrahlt werde? Und wußten Sie, daß Graham Chapman Schwerstalkoholiker war und daß er in seinen letzten, von Krankheit geprägten Jahren die restlichen Pythons ein ums andere Mal verklagen wollte? Bzw. hätten Sie das wissen wollen?

Nein, auf so manches Detail aus dem Innenleben der genialen Komikertruppe hätte man gerne verzichtet. Doch sind es auch diese Details, die einen erhellenden Einblick in die Funktionsweise der Pythons gewähren. So homogen die Gruppe nach außen wirkte, so schwierig war es wohl, sechs krude Persönlichkeiten unter einen Hut zu bekommen. Da gab es „große“ Pythons und „kleine“, nämlich das Team Chapman/Cleese und den ganzen Rest, es gab Zweiergespanne, die sich bei den Vorstellungen ihrer Sketche gegenseitig mit Lachern unterstützen konnten, und Einzelkämpfer (Eric Idle und der Amerikaner Terry Gilliam), es gab starke Konkurrenz zwischen dem „Fernsehregisseur“ Terry Jones und dem „Kinofilmregisseur“ Gilliam, die als ewig hadernde Doppelspitze sowohl „Die Ritter der Kokosnuß“ als auch „Das Leben des Brian“ drehten, und es gab doch so viel Einverständnis, daß Humorparadigmen gesetzt wurden, die bis heute Gültigkeit haben (etwa der Pointenverzicht bei Sketchen), und zeitlose Erkenntnisse gewonnen (unter anderem die, daß Frauen in Filmen selten komisch sind und bei Comedy-Filmen oft nach einer Stunde die Luft raus ist); und natürlich entstanden einige der komischsten Filme, die bis dahin gedreht worden sind.

Bob McCabe hat für diese „Autobiographie“ zahllose Stunden lang jeden einzelnen der Pythons interviewt, das so gewonnene Material durch bereits vorhandene Gespräche mit G. Chapman angereichert und thematisch-chronologisch geordnet; ein Kniff, der es erlaubt, an jeder beliebigen Stelle in das Buch einzusteigen, es von hinten nach vorne zu lesen oder anhand des umfangreichen Registers und zwischendurch auch noch die Foto-Schätze aus den Archiven von Michael Palin und Terry Jones, Auszüge aus ihren Tagebüchern und Gespräche mit David Sherlock, dem langjährigen Freund von „Gray“ Chapman, goutieren zu können.

Fein auch, daß durch diese Technik so manches Geheimnis ungelüftet bleibt, denn die Aussagen mancher Pythons widersprechen sich nicht unerheblich. Chapman etwa behauptet, den Namen Monty hätten sie „mit sehr unangenehmen Agenten aus der Charing Road in Verbindung“ gebracht, „und Pythons sind allgemein unangenehm“; Idle dagegen erklärt, „‚Python’ kam von John, der immer Tiernamen als Witz einsetzte, und von mir kam ‚Monty’, nach einem der Stammgäste in unserem Pub in Mappleborough Green“, der ein echtes Orginial gewesen sei, und: „Der Name schien gleichermaßen unerhört und nett.“