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Artikel Tagged ‘Nicholas Burns’

Schön böser Onkel

22. Februar 2014 4 Kommentare

Es ist dann doch nicht alles so böse und finster, wie man zuerst denkt.

Aber erstmal liegt Onkel Andy (Nick Helm), moppelig und unrasiert, mit Liebeskummer in der Badewanne und macht Anstalten, seinem Versagerleben ein Ende zu setzen. Freundin Gwen (Sydney Rae White) hat ihn verlassen, seine „Karriere“ als Musiker findet ausschließlich in seiner Phantasie statt, und Andy ist kurz davor, ein Radio im Wasser zu versenken, als seine Schwester Sam anruft (Daisy Haggard, momentan auch in der sehr guten dritten Staffel „Episodes“ als humorlose Comedy-Senderchefin zu sehen): Ob Andy nicht seinen Neffen Errol (Elliot Speller-Gillott) von der Schule abholen könnte?

Andy lässt sich breitschlagen und holt den spießigen, nerdigen, von Allergien und Naivität geplagten zwölfjährigen „Roly“ von der Schule ab — Vorhang auf für eine neue Variation des odd couple, Vorhang auf für „Uncle“ (BBC3, alle sechs Folgen sind bereits gelaufen).

Das  Verhältnis der beiden ist sofort ziemlich angespannt („Why couldn’t mom pick me up?“ — „Because she’s dead. I’ve come to take you to identify the body.“ — „That’s not funny.“ — „Well, I’m only a chauffeur, I’m not a bloody comedian“), doch dann stellt sich heraus, dass Roly Andy womöglich nützen kann, nämlich dabei, seine Angebetete Gwen zurückzuerobern, indem er ihn als seinen eigenen Sohn und sich als Alleinerziehenden ausgibt („About a Boy“ lässt grüßen). Auch wenn er Roly dazu in den Schwulen-Nachtclub ihres Vaters Val schleifen muss (Con O’Neill in einer Rolle als Transsexueller, für die Noel Fielding leider zwanzig Jahre zu jung war).

Klar ist das alles ein bisschen düster. „Uncle“ trägt deutlich die Handschrift der Produktionsfirma Baby Cow, deren Produzenten Steve Coogan und Henry Normal auch hier ein Händchen für Nachwuchstalent bewiesen haben, indem sie Oliver Refson haben schreiben und Regie führen lassen.

Aber „Uncle“ wird recht zügig auch warm und herzlich. Denn natürlich kann Andy nicht zulassen, dass sein Neffe während eines Kindergeburtstags vom stiernackigen Gastgebersöhnchen gequält wird. Natürlich will er Roly teilhaben lassen an seinem, Andys, großen Wissensschatz über Frauen und das Leben („Now, jokes. Women love good jokes. For instance, why do blondes wear knickers?“ — „Why?“ — „To keep their ankles warm“). Und natürlich nützt es ihm, Andy, selbst am meisten, mit seinem Neffen eine Band zu gründen (mit der er an einem Wettbewerb im Gayclub teilnehmen will), aber auch Roly hat etwas davon, denn so kommt er seiner, Rolys, eigener Flamme näher.

Überhaupt, die Musik. Refson hat in jede Folge einen Song eingebaut, meist plus zugehörigem Video. Die funktionieren auch für sich ganz prima, auch wenn es vermutlich nützt, die Figur Andy zu kennen, um die melodramatische Großspurigkeit etwa von „No Survivors“ komisch zu finden, das die BBC dankenswerterweise in voller Länge online bereitstellt:

Zum Schluss ist es nicht Andy, der den Plattenvertrag erhält (von Gaststar Kayvan „Four Lions“ Novak), sondern Roly. Dafür wird Andy noch von Rolys Vater Ben gedemütigt (eine weitere Paraderolle für Nicholas „Nathan Barley“ Burns), von der Ex-Schwiegermutter seiner Schwester und natürlich von Caspar, dem neuen Freund Gwens. Aber zum Glück gibt es ja immer noch die Familie — wenn sie hier auch schon fast mehr Patchwork als Familie ist. „We don’t need to be friends, darling, we’re family“, heißt es in einer Szene.

Im noch recht jungen Britcom-Jahr 2014 gehört „Uncle“ vorläufig zu meinen Favoriten. Viel britischer wird’s nicht als hier: Schmutzig, lustig und düster. Ein Loser erster Kajüte und ein altkluger Rotzlöffel in den Hauptrollen, sympathische Transsexuelle und rekonvaleszente Drogenabhängige in den Nebenrollen, dazu ein paar gute Frauen (neben Sam etwa Rolys Lehrerin Melodie (Esther Smith)) — das gibt schon mal ziemlich viele von zehn Punkten.

„Uncle“ war im Königreich sowohl ein Quoten- als auch ein Kritikererfolg, die BBC hat schon eine weitere Staffel „Uncle“ bestellt, und die erste erscheint deshalb leider erst Anfang 2015 auf DVD.

Manic Monday (1)

14. November 2011 Keine Kommentare

Je näher Weihnachten rückt, desto zahlreicher werden die DVD-Neuerscheinungen, die am ersten Tag der Woche in den Läden liegen. Heute sind es allein 14 neue Stand-Up-DVDs! Die meisten sind für mich allerdings uninteressant — außer von den ganz Großen guck ich mir Bühnenshows eher nicht im Fernsehen an. Und von denen ist heute eigentlich nur einer dabei: Dylan Morans neue DVD „Yeah, Yeah — Live in London“.

Interessanter dagegen: ein extrem günstiges Box-Set von Rob Brydon, in dem seine Frühwerke „The Keith Barret Show“, „Human Remains“ und „Marion & Geoff“ zusammen für schlappe 11,48 Euro enthalten sind — günstiger wird’s nicht mehr. Insbesondere „Human Remains“ (2000, BBC), in dem Brydon zusammen mit Julia Davis sechs unterschiedliche englische Paare spielt, ist eine zu Unrecht etwas vergessene Sitcom und ein früher Fall von bitterböser und rabenschwarzer Mockumentary, den mal wieder zu besichtigen sich absolut lohnt.

Weiterhin heute erschienen: Die vierte Staffel „Benidorm“ (ITV, seit 2000) (und das Box-Set mit allen vier Staffeln plus Specials). Diese Sitcom bzw. dies ComedyDrama (nach der zweiten Staffel wurden die Folgen von brutto 30 auf 60 Minuten umgestellt) erzählte mit einem teilweise hochkarätigen Ensemble (Johnny Vegas, Nicholas Burns — beide leider in der letzten Staffel nicht mehr dabei –, Steve Pemberton von der „League of Gentlemen“ u.a.) Urlauber-Geschichten von rotgebratenen Briten in Spanien: Rentner mit Swinger-Ambitionen, Töchter, die mit spanischen Kellnern flirten, Teenager-Schwangerschaften, schwule Mittelschichtsangehörige, die sich eigentlich für zu gut für All-Inclusive-Urlaube halten, Karaoke-Abende und sehr, sehr viel Alkohol — wie Engländer halt so Urlaub machen. Die letzte Staffel schwächelte etwas, und Creator und Autor Derren Litten hat bereits angekündigt, sich von der Serie zu verabschieden; dennoch könnte es im nächsten Jahr mit „Benidorm“ weitergehen: Denn die Einschaltquoten sind nach wie vor sehr gut.

Außerdem heute erschienen: „Soap Box“ von David Mitchellund die vierte Staffel „Not Going Out“ (sowie das Box-Set).

Nächste Woche sind „Come Fly With Me“ dran, John Cleese‘ „The Alimony Tour 2011“, die vierte Staffel „Outnumbered“ und „Rev“ (die erste Folge der zweiten Staffel hat mir gut gefallen). Dann mehr.

In the News

1. April 2010 4 Kommentare

„Doc Martin“ geht in die fünfte Staffel: ITV hat weitere acht Folgen der Erfolgsserie mit Martin Clunes bestellt; produziert werden sollen sie allerdings erst nächstes Jahr — Ausstrahlung dementsprechend nicht vor Herbst 2011.

„Doc Martin“ ist die Geschichte um einen erfolgreichen Londoner Chirurgen, den eine Blutphobie dazu bringt, eine Stelle als Allgemeinarzt in einem kleinen Dorf an der Küste von Cornwall anzunehmen, wo sein misanthropes Wesen auf den rauhen Charme der Eingeborenen trifft. Das sehr familienfreundliche ComedyDrama ist in jeder Hinsicht erfolgreich: das Original wird in über zwei Dutzend Ländern in aller Welt ausgestrahlt, außerdem gibt es eine spanische und eine deutsche Adaption („Doktor Martin“ mit Axel Milberg). In England gilt die Serie wegen ihrer schönen Aufnahmen von Port Isaac und Umgebung zudem als reinste Touristenwerbung für Cornwall. Wer keinen großen Wert auf edginess legt, sondern einfach gut unterhalten werden will, dem seien alle vier Staffeln sehr empfohlen.

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Auch „Benidorm“ wird, ebenfalls von ITV, mit einer weiteren, der vierten Staffel bedacht. Allerdings werden sowohl Johnny Vegas („Ideal“) als auch Nicholas Burns („Nathan Barley“) nicht mehr mit von der Partie sein, wie The Sun berichtet. Vor der sechsteiligen Season wird es aber noch ein weiteres Special geben.

Die Ensemble-Sitcom um vorrangig prollige Briten auf All-Inclusive-Urlaub in Spanien hat sich im Laufe der ersten drei Staffeln ordentlich gemacht: Nachdem ich die erste Staffel noch eher mau fand, war insbesondere die letzte, dritte überraschend gut; nicht zuletzt, weil die Produzenten das Format auf die längere ComedyDrama-Laufzeit geändert haben. Empfehlung für Freunde guter Cringe Comedy.

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Noel Fielding hat enthüllt, wo der geplante Mighty-Boosh-Film spielen wird: nämlich in der Arktis. Am liebsten, so Fielding, würden sie gleich eine ganze Filmtrilogie in Angriff nehmen, allen: mit der Finanzierung hapert es. Toi, toi, toi, daß das Duo seine ganzen Projekte auch verwirklicht kriegt: Neben den drei erwähnten Filmen soll es nämlich noch ein „Rocky Horror Picture Show“-artiges Musical und natürlich ein Album geben. Wird schon, so Fielding, der einen Weg gefunden hat, viel Zeit zu sparen: nämlich indem er einfach zu weniger Partys geht.

You are all idiots!

13. April 2009 8 Kommentare

Ich kann mittlerweile weite Teile auswendig mitsprechen, so sehr liebe ich „Nathan Barley“ (2005, Channel 4), die Mediensatire-Serie der nuller Jahre von Chris Morris und Charlie Brooker rund um selbstverliebte junge Medienaffen, die coole Websites, hippe Stadtmagazine und ganz generell „was mit Medien“ machen. Nathan Barley (Nicholas Burns) ist der Oberaffe, dessen Webpage trashbat.co.ck (dot cock, got it?) ihm als Ort der Selbstdarstellung dient, an dem er seine Gratismeinungen über George W. Bush neben „lustige“ Videoschnipsel mit gemeinen Streichen stellt, die er seinem Praktikanten spielt. Ein ganzer Affenfelsen für Hipster-Medienprimaten ist die Redaktion des Untergrund-Magazins „Sugar Ape“ (das „Suga“ steht klein im Bauch des R von „RAPE“): Dort sieht man sie mit ihren lustigen Hütchen auf ultramodernen Handys herumspielen, während sie schaukeln oder albern mit Tretautos herumfahren, sich in Hipster-Speak unterhalten und „Cock, Muff, Bunghole“ spielen, eine obszöne Variante von „Stein, Schere, Papier“ — so habe ich mir die Spex-Redaktion in den späten Neunzigern immer vorgestellt (bestimmt sehr zu Unrecht!). Permanent grinsende Idioten, die sich für etwas Besseres halten, für „in“ und „vorne“.

Für „Sugar Ape“ schreibt Dan Ashcroft (Julian Barratt, „The Mighty Boosh“), dem allerdings diese Idioten sehr auf den Sack gehen. „The Rise of the Idiots“ heißt sein wegweisender Essay über die Spezies, als deren Spitzenkraft Barley gelten kann:


Doch kaum ist Dans Leitartikel erschienen, gratulieren ihm ebendiese Idioten herzlichst zu seinen kritischen Auslassungen, jubeln ihm nach Kräften zu und beginnen ihn regelrecht als Preacher zu verehren. Eine Rolle, die er aus Sachzwängen (Geldnot) annimmt, um in der zweiten Folge auf einer Club-Bühne als Prediger verkleidet aufzutreten. Ein Auftritt, der ihm zutiefst widerstrebt, bei dem er schließlich aus der Rolle fällt und alle als Idioten beschimpft: „You are all idiots!“ — „Yes, we are all idiots!“ schallt es zurück; was sonst.

„Nathan Barley“ (die Figur geht auf Brookers satirische Website TVgohome zurück, hier gesammelte Barley-Einräge) ist atmosphärisch dicht, so voller böser, lustiger Details, daß man erst beim wiederholten Sehen alle wahrnimmt: Wie etwa ein Plakat im Hintergrund, das für „Email the Musical“ wirbt („Ross Kemp as Pixel, Lyrics by Ben Elton“). Es geht um die Sorte Kunst, die meine Frau als „Kunscht“ bezeichnet, wenn etwa eine Vernissage von Schwarzweißfotos vorkommt, in der Prominente beim Urinieren (z.B. in einen Toaster) ausgestellt werden („When you urinate you are actually a lot more relaxed than when you sleep!“) und um einen Klamottenladen namens „bumphuk“ — alles spot on gezeichnet. Allen voran die Figur des Nathan Barley, der über einen Beischlaf prahlt: „Kicked the brown door in, painted it white on the way out.“

Drastisch und hochkomisch, das alles. So nimmt es kaum Wunder, daß im Abspann praktisch nur Menschen stehen, denen ich jederzeit mein gesamtes Erspartes ausleihen würde, bräuchten sie denn Geld für eine neue Serie: Neben den Giganten Chris Morris („Jam“, „The Day Today“, „Brass Eye“) und Charlie Brooker („Dead Set“, „Charlie Brooker’s Screenwipe“, „Newswipe With Charlie Brooker“) u.a. Noel Fielding (wie Barratt in „The Mighty Boosh“), Oliver Chris („The Office“, „Green Wing“) und Richard Ayoade („The IT Crowd“); für die Musik zeichnet neben Morris selbst (der auch „Jam“ bereits zu Radiozeiten selbst mitvertont hat) auch Jonathan Whitehead verantwortlich, der seinerseits etwa den perfekten „Green Wing“-Score komponiert und eingespielt hat und immer phantastisch ist, wenn es um parodistische Musik geht.

Weiteres „Nathan Barley“-Material, das gerüchteweise in der Pipeline ist, würde ich aufs Entschiedenste begrüßen, selbst wenn es so schrecklich erfolglos sein sollte, wie es die Serie zu ihrer Zeit leider war. „Nathan Barley“ ist, soweit ich das überblicken kann, so ziemlich komplett bei YouTube zu sehen, und weil ich die Schnipsel hier nicht einbetten kann, gibts halt nur einen Link — mit der dringenden Empfehlung, sich die DVD zu kaufen, die ihrerseits ein veritables Gesamtkunstwerk mit aufwendigem Booklet und tollen Menüs und allem ist. Kaufzwang!