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Artikel Tagged ‘Omid Djalili’

Muselmann mit Judenwitz

27. August 2010 1 Kommentar

Eine Szene zu Beginn des Films etabliert die Tonlage von »The Infidel« (gerade auf DVD erschienen). Lange bevor der muslimische Londoner Minicab-Fahrer Mahmud Nasir herausfindet, wer er in Wirklichkeit ist, tritt er aus seinem Haus auf die Straße. Starren Blicks sehen wir ihn plötzlich innehalten, die Kamera fährt auf ihn zu, Wind kommt auf und wirbelt Schmutz hoch, das Rauschen eines Sturmes schwillt an, erstickt alle Alltagsgeräusche – und ein Straßenreiniger mit Laubbläser marschiert durch das dramatische Bild und ruiniert es im Handumdrehen. Nein, tiefgründig, bedeutungsschwer, bedrohlich will »The Infidel« nicht sein, nicht Satire, sondern Komödie.

Dabei hätte der Plot das Zeug dazu: Ein Moslem erfährt, daß er in Wirklichkeit Jude ist, und stürzt in eine Identitätskrise. Sein leiblicher Vater lebt noch, mit ihm will Mahmud Kontakt aufnehmen. Zuvor muß er jedoch ein waschechter Jude werden, denn der fromme Alte ist schwer krank und äußerst labil. Obwohl Mahmud nicht besonders religiös ist, hat er damit seine liebe Not; und daß sein Sohn eine Freundin hat, deren Stiefvater ein radikaler Imam ist, macht die Sache nicht einfacher. Um dessen Zustimmung zur Hochzeit zu erhalten, muß Mahmud seine Durchschnittsfamilie nämlich als strenggläubigen Bilderbuch-Clan präsentieren.

Auf das Drehbuch hätte man auch gleich mit dicken Buchstaben das Wort »Fatwa« schreiben können. Die BBC zog sich aus der Produktion vorsichtshalber zurück. Doch dem Autor David Baddiel und seinem Hauptdarsteller Omid Djalili gelingt es, den Fokus nicht auf die Religionskritik, sondern völlig auf den Clash der Kulturen zu richten, mit Stereotypen und Vorurteilen zu spielen, und so eine bodyswap-Komödie zu inszenieren, die eher leicht ist und vor allem eines: komisch.

Als er im Nachlaß seiner Mutter die Adoptionsurkunde entdeckt, will Mahmud auf dem zuständigen Amt seine wahre Identität herausfinden. Die darf ihm die Sachbearbeiterin freilich nicht offenlegen, also entwindet Mahmud ihr die Akte mit Gewalt und erfährt, während sie die Wachleute ruft, seinen Geburtsnamen: Solomon Shimshillewitz. Die Wache führt ihn ab, und Mahmud alias Solomon ruft: »Gimme a break – you find out you’re jewish, and suddenly some bloke in a uniform is leading you away?«

Ja, er ist jüdisch, und die Unterrichtsstunden im Jüdischsein, die er von seinem amerikanischen Taxler-Konkurrenten Lenny Goldberg (Richard Schiff) erhält, gehören zu den besten Momenten des Films. Dabei können sich die beiden eigentlich nicht ausstehen: Goldberg parkt gerne vor Mahmuds Haus. Der beschimpft ihn dafür hingebungsvoll, und dabei rutscht es ihm raus: Ich bin ja selbst Jude! Prompt fährt Goldberg sein Taxi weg. Was, weil er Jude sei? fragt Mahmud verblüfft, und erhält die Antwort: »Welcome to the world wide conspiracy!«

Nein, die islamische Welt kann sich über zu böse Kritik in »The Infidel« wahrlich nicht beschweren: Mahmud und seine Familie sind weltliche Muselmanen von nebenan, Extremisten werden auf beiden Seiten zur Räson gebracht, und die meisten Scherze sind ziemlich gutmütig: Nicht nur das Fernsehen, so sinnieren einmal Mahmuds muslimische Kollegen, sei von Juden beherrscht, ganze Länder würden ja von Juden geführt! Die USA zum Beispiel! Und Israel!

Baddiel ist in seinem Bemühen, eine Fatwa zu vermeiden, sogar ein wenig über das Ziel hinausgeschossen: Allzu versöhnlich und reichlich konstruiert ist nämlich der Schluß des Films, den man sogar als Plädoyer für eine gewisse Religiosität lesen könnte (was ja doch Wunder nimmt, wenn es von einem erklärten Atheisten wie Baddiel kommt). Das riecht dann allzusehr nach abrahamitischer Ökumene. Doch genau so habe er das gewollt, erklärt Baddiel. Und wer es lieber böse mag, kann ja statt zu »The Infidel« lieber zu Chris Morris’ ebenfalls bald auf DVD erscheinenden Islamisten-Satire »Four Lions« greifen, in der eine Handvoll unterbelichteter Möchtegern-Selbstmordattentäter… Doch dazu ein anderes Mal mehr.

Zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 9/2010

Seit heute in den Regalen: „The Infidel“

9. August 2010 12 Kommentare

David Baddiel war sich bis zum Schluß nicht sicher, ob er mit seiner Bodyswap-Komödie „The Infidel“ nicht den Zorn aller Muslime auf sich ziehen würde. Er habe, so Baddiel in einem Fernseh-Morgenmagazin, seinen Produzenten für dessen Mut bewundert und ihn gefragt, ob er nicht eine Fatwa befürchte. Der habe gesagt: Nein, befürchte er nicht. Und was das sei, eine Fatwa.

Die BBC hatte diesen Mut nicht und ist nach einer Weile (und nach Sachsgate) aus der Filmentwicklung ausgestiegen. Dabei ist „The Infidel“ tatsächlich harmlos und wird gerade von Muslimen hoch geschätzt: Er wird bereits nach Pakistan und Iran verliehen (nicht aber nach Israel, interessanterweise). Vermutlich, weil die Normalität der nicht besonders religiösen Familie Nasir, wie sie im Film gezeigt wird, für die allermeisten Muslime sehr zur Identifikation einlädt. Und Omid Djalili ist ja ohnehin unglaublich sympathisch.

https://www.youtube.com/watch?v=BMudF0MQgC0&hl=de_DE&fs=1

Eine ausführliche Kritik zum Film findet sich höchstwahrscheinlich in der nächsten TITANIC, bis dahin nur soviel: Baddiels Film ist über weite Strecken sehr komisch, das Ende ist allerdings vermutlich mit einer Brechstange geschrieben worden. Insgesamt hat „The Infidel“ die Tendenz, ein wenig zu harmlos zu sein. Es sind aber viele gute Scherze dabei, und die entschädigen durchaus für die Harmoniesucht. 8,93 Pfund bei Amazon kann man sich den Spaß schon kosten lassen; und wer es gerne schwärzer mag, muß ja nur noch ein paar Tage warten: dann kommt Chris Morris‘ „Four Lions“ in die Läden.

„Why didn’t they just call you Jew Jew Jew Jew Jew?“

8. Februar 2010 1 Kommentar

Es gibt Informationen, die für gläubige Muslime zu ernsthaften Identitätskrisen führen können. Zum Beispiel, wenn sie herausfinden, daß sie adoptiert sind — und jüdisch. So wie Mahmud Nasir, Hauptfigur in David Baddiels neuem Film „The Infidel“, der Ende April in die (englischen) Kinos kommt. Hier ist der Trailer.

Islam scheint gerade Konjunktur als Gegenstand von britischen Comedys zu haben — und schon zum zweiten Mal (nach Chris Morris‘ Trailer zu seiner Terroristensatire „Four Lions“) habe ich das Gefühl, daß gegen diese Form der Auseinandersetzung mit der muslimischen Welt kaum etwas einzuwenden ist.

Omid Djalili, der den Mahmud Nasir spielt, kann man aus seiner Stand Up-Serie „The Omid Djalili Show“ kennen, die zur Zeit auf 3Sat läuft, David Baddiel war Teil des „Mary Whitehouse Experience“ (und hat die Fußballhymne „Three Lions“ mitgeschrieben).

In the News (9)

15. November 2009 15 Kommentare

Rob Brydon wird heute ausführlich in der Mail on Sunday porträtiert und gesteht, keinen Alkohol getrunken zu haben, bis er dreißig gewesen sei — und diese Entscheidung heute zu bereuen. „Gavin & Stacey“, die romantische Sitcom, in der er den schwulen walisischen Uncle Bryn spielt, geht am 26. November in die dritte Staffel, hat allerdings schon in den letzten Folgen der zweiten Staffel schon ein bißchen geschwächelt. Allen Brydon-Fans in spe würde ich eher zu seinen frühen, rabenschwarzen Serien raten, in denen er oft an der Seite von Julia Davis und Steve Coogan zu sehen war: etwa „Human Remains“, sechs Miniporträts von ebensovielen Ehepaaren aus der Hölle (zusammen mit Julia Davis), oder „Marion and Geoff“, einer minimalistischen Serie, in der Brydon als Taxifahrer Keith Barret in endlosen Monologen in die Kamera sinniert, was in seiner Ehe schiefgelaufen ist, so daß seine Frau heute mit eben dem titelgebenden Geoff zusammen ist statt mit ihm. Alle drei Serien stammen übrigens von Baby Cow, der Produktionsfirma von Coogan und Henry Normal, die gar nicht genug zu loben ist.

Charlie Brooker steht in einem Videointerview seiner Guardian-Kollegin Marina Hyde Rede und Antwort — eine geschlagene halbe Stunde lang. Brooker, eigentlich eher Journalist und Autor der medienkritischen TV-Serie „Charlie Brooker’s Screenwipe“, steckt ebenfalls hinter zwei der besten britischen TV-Serien, die ich in den letzten 100 Jahren gesehen habe: der „Big Brother“-Zombie-Serie „Dead Set“ und, zusammen mit Chris Morris, der ebenfalls in Medienschaffendenkreisen angelegten Sitcom „Nathan Barley“. Wer noch keine Weihnachtsgeschenke für sich selbst in petto hat, setze bitte diese Serien oben auf seinen Wunschzettel.

Und apropos Weihnachten: Morgen erscheinen, um diese Aufforderung zur Shopping Frenzy mal ganz ungeniert ihrer Tarnung zu berauben, etliche neue DVDs. Nämlich die zweite Staffel „Outnumbered“, zu der ich demnächst noch ein paar ausführlichere Worte verlieren werde, die zweite „Mighty Boosh“-Live-DVD, deren erste so gut war, daß ich die zweite in allen drei Verpackungsgrößen empfehlen kann, obwohl ich sie natürlich noch gar nicht gesehen habe, und schließlich „Omid Djalili — Live In London“. Woo-hey, Weihnachten kann kommen!

Sheiks and the City

8. August 2009 4 Kommentare

Iranische Stand Up-Comedians — das klingt ein bißchen nach nordkoreanischen Demokratie-Experten. Und doch gibt es zumindest einen sehr guten: Omid Djalili, der bereits zwei Staffeln der „Omid Djalili Show“ auf BBC1 vorgelegt hat, nachdem er lange mit Stand Ups und kleinen Rollen (z.B. in „Lead Balloon“) in der zweiten Reihe agiert hat. Nun gut, Djalili ist in Großbritannien geboren und aufgewachsen, seine Themen aber sind vornehmlich mittelöstlicher Provinienz — wie etwa in dieser „Sheiks and the City“-Nummer, die direkt gefolgt wird von einer „Dad’s Army“-Parodie. Kauf-Empfehlung!

https://www.youtube.com/watch?v=dBk5R2WK1nk&hl=de&fs=1&

Und weil’s so schön war: noch ein Ausschnitt „Look Eastwards TV“ — mit „Saudi Arabia Got Talent“ und „Wife Swap“!
https://www.youtube.com/watch?v=66sSuQfeKck&hl=de&fs=1&