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Artikel Tagged ‘Orange is the New Black’

Jahresendabstimmung – die Auswertung

22. Dezember 2014 3 Kommentare

Unter den ersten drei Britcoms zwei amerikanische Serien (oder zumindest Coproduktionen), das hat es auch noch nicht gegeben. Ich meine allerdings, dass das mehr damit zu tun hat, dass „You’re the Worst“ und „Episodes“ sehr gut waren, und weniger damit, dass der Rest so schwach war.

Dass sich mein persönlicher Geschmack mit dem der Leser/Wähler so deckt, finde ich sehr erfreulich, ich würde den meisten Platzierungen auch zustimmen — bis auf „Mr. Sloane“, den ich auf dem 10. Platz überraschend weit abgeschlagen finde. Zu bieder in der Anmutung vielleicht? Zu britisch in der Haltung?

„Plebs“ vom zweiten Platz 2013 auf Rang acht abgerutscht: leider zu Recht, die zweite Staffel war schwächer als die erste — nicht sehr viel schwächer, aber doch spürbar.

Dass mit „Derek“ eine Sitcom von und mit Ricky Gervais einmal so marginalisiert würde (eine Stimme! EINE!), hätte noch vor ein paar Jahren vermutlich auch niemand vorhergesehen. Ich kann mir genaugenommen keine Meinung leisten, weil ich bis auf den Piloten und eine Folge der ersten Staffel (glaube ich), gar nichts davon gesehen habe. Aber mein educated guess wäre: das hat schon seine Berechtigung.

Graham Linehan, sonst immer etwa mit „The IT Crowd“ gut im Rennen, ist nach einem dritten Platz im letzten Jahr mit „Count Arthur Strong“ dieses Jahr nur noch sehr unprominent mit „The Walshes“ unterwegs — vielleicht ist der walisische Humor schwächer als der englische und irische („Father Ted“).

„Sherlock“ auf Platz eins der Dramaserien überrascht mich nicht im Geringsten; „Happy Valley“ auf Platz zwei (mit allerdings nur halb so vielen Stimmen wie „Sherlock“) freut mich, weil es da zu Recht gelandet ist. „The Driver“ hat womöglich einfach nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die der Miniserie zustünde, die nämlich besser ist als ein vorletzter Platz.

Dass mit „Fargo“ die komischste der amerikanischen Dramaserien noch knapp vor dem sehr guten, aber vollkommen humorfreien „True Detective“ ins Ziel gekommen ist, ist einem Blog, in dem es vorwiegend um Komisches geht, völlig angemessen — auch ich hätte genau so gestimmt. Interessant, dass genau diese beiden Serien auch so abräumen — „Orange is the New Black“ hat zwar immer noch halb so viele Stimmen wie „Fargo“, aber alles danach fällt schon rapide ab.

Wie jedes Jahr ist es schade, dass die Weihnachts-Specials aus diesem Poll rausfallen; „The Wrong Mans“ z.B. werden ja mit einem Zweiteiler á eine Stunde noch einmal von der Länge her beachtlich nachlegen. Ansonsten wird man von James Corden im fiktionalen Zusammenhang vermutlich im nächsten Jahr nicht mehr so viel sehen, tritt er doch demnächst die Nachfolge von Craig Ferguson als Host der „Late Late Show“ auf CBS an. Was mich einigermaßen verblüfft hat, denn als Stand up-Comedian und Moderator hatte ich ihn gar nicht so auf dem Zettel.

Und um noch ein Weihnachts-Special ist es schade, dass es nicht im Poll war: Charlie Brookers „Black Mirror“-Special mit Jon Hamm ist wieder einmal sehr schön geworden. Dafür einen Sonderpreis!

Und damit jetzt schon mal frohes Fest und guten Rutsch allen Lesern!

Giftige Romcom

16. September 2014 3 Kommentare

Toxic nennen Amerikaner, für die soziale Begegnungen ja gar nicht oberflächlich freundlich genug sein können, solche Mitbürger, deren Stinkstiefeligkeit alle Menschen in ihrer Umgebung „runterzuziehen“ droht. Quietschvergnügt muss das Sozialleben ja mindestens sein in den USA, und wer seine Umwelt nicht permanent mit guter Laune ansteckt, sondern ein Miesepeter ist, ein mürrischer Brummkopf oder gar Engländer, der wird geschnitten, kriegt keine Weiber ab und kann sich schon freuen, wenn er zur Hochzeit seiner Exfreundin eingeladen wird.

Wenn er dann doch eine abkriegt, die gerade Bock auf einen sinnlosen One Night Stand hat, weil sie Hochzeiten deprimierend findet, und sich aus diesem One Night Stand dann eine (Nicht-) Beziehung entwickelt, die „kompliziert“ zu nennen eine schamlose Untertreibung wäre: dann ist das Rezept für eine Sitcom gefunden, die auf dem amerikanischen Markt gerade ziemlich einzigartig ist.

„You’re the Worst“ (FX, gerade sind neun von zehn Folgen gelaufen) erzählt die Geschichte dieser, genau: toxic relationship, also die Geschichte von Jimmy Shive-Overly (Chris Geere), einem englischen Jungautor in Los Angeles, und Gretchen (Aya Cash), der PR-Frau einer schwer angesagten schwarzen HipHopper-Bande. Beide sind recht erfolgreich, zumindest hat Jimmys Vorschuss auf sein erstes Buch für ein schniekes Haus gereicht, und Gretchen hat jederzeit genügend Kohle für Drogen auf der Naht.


Beide funktionieren also, wie es sich für anfang Dreißigjährige in L.A. (und auch überall sonst) gehört; aber beide sind emotional taub und blind, könnten ihre Gefühle kaum benennen, wenn sie denn welche hätten, und würden sie aber auch dann verleugnen, wenn sie welche hätten und sie benennen könnten.

Stattdessen haben sie schon mit Anfang Dreißig das Konzept von festen Beziehungen begraben — und müssen sich, als sie einander als verwandte Geister erkannt haben, umso quälender an den kleinsten Dingen abarbeiten, die Paare so tun: zusammen aufwachen, Schlüssel tauschen, die gemeinsamen Sonntags-Aktivititäten gegen nervtötende Hipster verteidigen.

Zum Glück schafft es Creator Stephen Falk, der schon für das hervorragende „Orange is the New Black“ (Netflix seit 2013) und „Weeds“ (Showtime, 2005 – ’12) geschrieben hat, Jimmy und Gretchen nicht als die ungehobelten, narzisstischen, lauten dreißigjährigen Pubertierenden erscheinen zu lassen, die sie sind — nun ja, jedenfalls nicht nur. Er stellt ihnen Jimmys Hausmitbewohner Edgar (Desmin Borges) zu Seite, einen an PTSD leidenden Veteran, der trotz seiner Heroin- und Medikamentenabhängigkeit die verständigste, mitfühlendste, sympathischste Figur der Serie ist, immer um Jimmy und Gretchen und ihre Beziehung besorgt, und Lindsay (Kether Donohue) als Gretchens beste Freundin, die längst bereut, dass sie einen spießigen Langweiler geheiratet hat, um finanziell abgesichert zu sein.

Dank dieser Nebenfiguren ergibt sich nämlich ein größeres Bild: eines von einer Generation, die sich zwischen beruflicher und existenzieller Anpassung und innerer Leere aufreibt, an sich selbst leidet und damit ihren Mitmenschen gehörig auf die Nerven geht. Im wirklichen Leben möchte man nämlich weder Gretchen noch Jimmy begegnen (z.B. im Kino).

Allerdings möchte man den meisten Figuren dieser Serie nicht im wirklichen Leben begegnen: weder dem noch egozentrischeren Filmregisseur, mit dem Gretchen hin und wieder schläft, noch den schwarzen Hip Hoppern, von denen einer Shitstain heißt und die insgesamt enorm von Donald Glovers Troy Barnes in „Community“ profitieren. Schon gar nicht aber den Hütchen-Hemdchen-Bärtchen-Hipstern, die schamlos Edgars „Funday“-To-Do-Liste abkupfern (obskurer Plattenladen, Nackenmassage im Park, versteckter Taco-Stand).

Bedauerlich, dass „You’re the Worst“ noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die die Serie verdient (in den USA im Schnitt nur eine halbe Million Zuschauer), denn die könnte, wenn sie sich so weiterentwickelt, durchaus mit „Parks and Recreation“ oder dem US-„The Office“ mithalten. Mit Alex Hardcastle ist auch schon ein (britischer) Regisseur genau dieser Serien an Bord, der außerdem schon bei „Lead Balloon“ und „Not Going Out“ Regie geführt hat, und ebenso Matt Shakman, der schon bei „Mad Men“, „Six Feet Under“, „House M.D.“ und „It’s Always Sunny in Philadelphia“ auf dem Regiestuhl saß.

Vielleicht lösen dann Jimmy und Gretchen am Ende noch „Communitys“ Britta ab, von der es ja nun bislang immer hieß: You’re the worst. Sechs Staffeln und einen Film, bitte!