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Artikel Tagged ‘Pauline McLynn’

Neues vom Kinderwagengesicht

14. Januar 2013 10 Kommentare

Pramfaces nennt der Engländer verächtlich die jungen und immer jüngeren Mütter aus der Unterschicht, die Chavs, die bauchfrei, talmibehangen, mit oben blond, darunter schwarz gefärbten Haaren und stets sichtbarem Stringtanga im Bus herumpöbeln. (Stewart Lee: „If I want to hear a twelve year old girl say ‚cunt‘, I can just go to Liverpool. In fact, the other day I heard an eleven year old girl say ‚cunt‘ on the bus. Although, to be fair, her daughter was behaving very badly.“)

Ein solch typisches Pramface ist Laura (Scarlett Alice Johnson), 18, aus der gleichnamigen Sitcom (BBC3, seit 2012) nicht — sie kommt aus der gehobenen Mittelschicht, während ihr One Night Stand Jamie (Sean Michael Verey), 16, eher in der Arbeiterklasse zuhause ist. In der ersten Staffel war sie schwanger, entsetzt darüber und doch entschlossen, das Kind zu kriegen, und am Ende waren die beiden zwar nicht zusammen, hatten sich aber mit der Situation halbwegs arrangiert.

Nun hat die zweite Staffel mit einem einstündigen Special begonnen, in dem das Kind (das noch in der letzten Szene der ersten Staffel auf die Welt kam) getauft werden soll — und gemeinsam mit dem Kind, so scheint mir, ist auch die Qualität der Serie gewachsen.

Hatte ich noch vor Jahresfrist darüber gemosert, dass mir Lauras Motiv nicht klar sei, dieses Kind zu kriegen, so ist die Motivlage nunmehr klar, das Baby ist schließlich geboren. Und zwar gibt es immer noch Gründe, die Show zu kritisieren (die zum Beispiel einseits Wert auf einen gewissen Realismus legt, in der andererseits ein Baby von Teenagern in einem Korridor zur Welt gebracht werden kann, ohne dass es dabei Komplikationen gibt oder anschließend das Jugendamt einschreitet). Ein paar Schauspieler und ihre Dialoge wirken immer noch hölzern (etwa Beth, Yasmin Paige, die zum Glück nicht mehr so viel Raum einnimmt wie in der ersten Staffel). Aber insgesamt machte dieses Special durchaus Hoffnung für die weiteren Folgen.

Das mag nicht zuletzt an den Gaststars gelegen haben: allen voran die viel zu selten zu sehende Pauline McLynn, ihres Zeichens Mrs. Doyle aus „Father Ted“, David Armand („How Not to Live Your Life“) und Ronald Pickup („The Worst Week of My Life“). (Leicht skurril auch, Ben Crompton [„Ideal“] als Jamies Vater wieder zu sehen, nachdem ich ihn zuletzt in „Game of Thrones“ gesehen hatte.)

Interessanterweise schreibt der Sitcom Geek in seinem Blog just vor ein paar Tagen genau über das Thema Guest Charakters, und kommt — er ist selbst Comedyautor — zu dem Schluss, für diese sei es viel schwieriger, Witze zu schreiben, weil die Zuseher die Gastfiguren ja nicht kennten, nicht in sie und ihre Probleme investiert hätten und daher auch nicht über Scherze lachen könnten, die aus den Charakterzügen dieser Figuren entstünden. Das ist bestimmt auch richtig — sofern der Zuschauer außer den Figuren auch ihre Schauspieler nicht kennt.

Kennt er aber die Schauspieler, können Gaststars enorm dankbar sein. Pauline McLynn sagt hier in ihrer Rolle als irisch-katholische alte Schachtel sogar „Sex, Sex, Sex“, ein wörtliches Zitat aus „Father Ted“, wo sie noch viel öfter „go on, go on, go on“ sagt, so dass auch der letzte Gelegenheitsglotzer weiß, an wen ihre Figur hier angelehnt ist — Typecasting pur und vom Feinsten. Und selbstredend weiß jeder, der schon zwei englische Sitcoms gesehen hat, wie die Figur wohl gestrickt sein wird, die beispielsweise Mark Heap (wie zuletzt bei „Outnumbered“) als Gaststar spielt.

Fairerweise muss ich dazusagen: „Pramface“ verlässt sich nicht ausschließlich auf die Gaststars. Nein, es sind einige schön gebaute Szenen darin, wenn etwa Jamie seinem Vater inkognito einen Job als shelf-stacker im örtlichen Supermarkt besorgt, wo er selbst arbeitet, — und ihn dann prompt feuern muss. Oder wenn Jamies dusseligem besten Freund Mike (Dylan Edwards) der heiße Sex mit einer Traumfrau verwehrt bleibt, weil er religiös geworden ist und das Bild des gütig lächelnden Jesus ihm Gewissensbisse bereitet, was sie mit den Worten „too bad, I was going to do my whole repertoire to you!“ quittiert, woraufhin ihm nur einfällt: „Fuck, you got a repertoire?!“

Dafür, mit einem Wort, dass diese Serie so gar nicht auf mich gezielt ist, finde ich sie doch ganz okay.

It’s a priest thing you wouldn’t understand

9. Januar 2009 1 Kommentar

Drei katholische Priester auf einer abgelegenen Insel westlich von Irland sollten das Sitcom-Dreamteam der Neunziger Jahre werden und Channel 4 einen seiner wenigen Comedy-Hits dieser Tage liefern: „Father Ted“ — der in den Top Ten meiner Lieblingsbritcoms aller Voraussicht nach für immer unter den ersten fünf bleiben wird — mutet auf den ersten Blick ein wenig altmodisch an und ist tatsächlich zum größeren Teil als Fourth-Wall-Sitcom gedreht, was seinerzeit völlig wider den Zeitgeist lief. Möglicherweise aber wurde erst die Mischung aus surrealer, oft sehr physischer Komik und einer harmlosen, leicht anachronistischen Form zu dem Treibstoff, der „Father Ted“ in ungeahnte komische Höhen aufsteigen ließ: Die Unschuld der Form gestattete es überhaupt erst, einen durchgehend delirierenden, schmutzverkrusteten Father Jack (Frank Kelly) zu zeigen, der zwischen seinen alkoholinduzierten Schläfchen flucht („Feck! Girls! Arse!“) und trinkt, was er kriegen kann — Kloreiniger, Bremsflüssigkeit, egal. Die Harmlosigkeit, mit der Ardal O’Hanlon Father Dougal spielt, macht dessen Dummheit erst zu der naiven Art eines Zehnjährigen: Man muß ihm einfach nachsehen, daß er nicht an Gott oder irgendeine Form organisierter Religiosität glaubt. Und auch Father Ted (Dermot Morgan), der dazu berufen ist, Jack und Dougal unter Kontrolle zu halten, verzeiht man seinen Hang zu Ruhm und Geld, der hin und wieder mit seinem Beruf als Pfarrer und seinem Glauben kollidiert („The money was only resting in my account!“).

Das klerikale Trio mit zwei Hirnzellen und seine teeverrückte Haushälterin Mrs. Doyle stürmen auch viel zu schnell die Herz der Zuschauer, als daß diese die Abenteuer von „Father Ted“ ernsthaft als religions- oder kirchenkritisch einstufen könnte: Tatsächlich beschwerte sich nach der ersten Folge ein Zuschauer, „Father Ted“ sei antikatholisch, während sich ein anderer beschwerte, die Serie sei prokatholisch. In Wahrheit dient das Setting in der irischen Landgemeinde einfach der Fallhöhe: Es ist viel komischer, wenn Priester gemeinsame Urlaube im Wohnwagen verbringen, Seniorenfußballspiele organisieren, Ähnlichkeitswettbewerbe veranstalten, sich bei versehentlichen rassistischen Beleidigungen gegen Chinesen erwischen lassen, beim Eurovision Song Contest mitmachen, das Erbe eines Nazidevotionalien sammelnden Kollegen antreten oder in einer Parodie auf „Speed“ mit einem explosiven Milchwagen fahren, als wenn Nicht-Priester das tun.

Außerdem waren Mathews und Morgan in diesem Setting entscheidend im Vorteil: Sie hatten bereits als komische Priester Comedy-Erfahrung gesammelt. Mathews war in einer U2-Parodieband („The Joshua Trio“) als Priester aufgetreten, Morgan hatte zu seiner Zeit als Lehrer Stand-Up-Gigs in der Rolle von Father Trendy, der zu vielen Themen des Alltags weise Worte auf Lager hatte, wie etwa über den Rolls Royce, den er vor einem Hotel in Dublin gesehen hatte: „It made me think wouldn’t it be nice of we all had Rolls. And then I thougt but we all do have Rolls oder should I say roles — which we must fulfill.“

Für Linehan und Mathews, die sich zuvor schon hauptsächlich als Sketch-Autoren für die „Fast Show“ und „The Day Today“ Meriten erworben hatten, begannen nach „Father Ted“ große Karrieren: Sie schrieben für Steve Coogan und Chris Morris’ sowie für die Sketchshow „Big Train“, die Sitcoms „Black Books“ und „Hippies“; Linehan führte bei „Little Britain“ und „Black Books“  Regie. O’Hanlon war Mitbegründer von Irlands erstem alternativen Comedy-Club, „The Comedy Cellar“ (1988 in Dublin) , geht mit Stand Up-Programmen regelmäßig auf Tour und hatte mit drei Staffeln „My Hero“ (BBC1 2000 – 2002) einen weiteren großen Publikumserfolg. Nur Dermot Morgan blieben größere Erfolge verwehrt: Er starb mit nur 45 Jahren am Tag bevor die dritte Staffel „Father Ted“ ausgestrahlt werden sollte. Die pseudoirische Wortschöpfung „feck“ übrigens hat es in das seriöse Oxford English Dictionary geschafft — „das Vermächtnis von ‚Father Ted’“ (Pauline McLynn alias Mrs. Doyle).

Alle drei Staffeln und das Weihnachts-Special sind in diversen DVD-Ausgaben erhältlich.