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Vergessene Hippies

1. März 2008 3 Kommentare

Fast zehn Jahre nach Erstausstrahlung (und 40 Jahre nach Woodstock) erscheint Mitte März eine kleine Perle der altmodischen Britcom auf DVD: „Hippies“, die Geschichte einer Handvoll von Aussteigern, die im London des Jahres 1969 ein Untergrund-Magazin produzieren möchten, aber an den einfachsten Anforderungen des revolutionären Alltags kläglich scheitern: neben dem schüchtern-dümmlichen Hugo, der auf ein Demo-Plakat „War and peace“ schreibt, Ray, der mit großem Eifer jeder Protestmode hinterherrennt („Miss World devalues chicks!“) und Alex, dem coolsten und entspanntesten Hippie, der allerdings aus reichem Elternhaus kommt und am liebsten Golf spielt, ist es vor allem Jill, die den attraktiven Mittelpunkt der Gruppe darstellt, die Frauenbewegung vorantreiben möchte und sich zu diesem Zweck sogar einen prächtigen Vollbart wachsen läßt.

„Hippies“ sieht zugegeben keine Sekunde realistisch nach den späten Sechzigern aus, sondern eher, als hätte jemand Charakterzeichnung und Humor von „Father Ted“ ins Swinging London verlegt und statt Kirchenleuten Hippies zum Gegenstand gemacht. Und genau so ist es: Hinter „Hippies“ stecken Graham Linehan und Arthur Mathews, die beiden „Father Ted“-Autoren, die hier Hauptrollen an Simon Pegg („Spaced“, „Shaun Of The Dead“), Julian Rhind-Tutt („Green Wing“) und Sally Phillips („I’m Alan Partridge“) verteilten, die ihrerseits zu diesem Zeitpunkt allesamt noch vor ihrem Durchbruch standen. Auch Nebenrollen sind hochkarätig besetzt, etwa mit Kevin Eldon („Jam“) und Peter Serafinowicz, der hier interessanterweise schon einmal die Rolle als Simon Peggs Nemesis spielt, die ihn später in „Spaced“ populär machen sollte.

„Hippies“ ist dabei gewiß nicht so brillant wie „Father Ted“, wie bedauerlicherweise bis heute keine weitere Sitcom von Linehan und/oder Mathews, bietet aber doch gute Gags und liebenswerte Charaktere wie etwa Ray und seine Mutter: „Mom, ich bin zu alt, um im Garten zu spielen, ich habe gerade einen Artikel über die Geschichte der Indochinakriege geschrieben!“ – „Das ist schön, Liebling, den kannst du gleich Tante Peg zeigen, die kommt in ein paar Minuten vorbei.“ Wer also den Humor von „Father Ted“ genauso mag wie den komödiantischen Stil von Simon Pegg & Co, ist gut beraten, sich „Hippies“ anzuschaffen: Er wird ein Kleinod entdecken, das zu seiner Zeit nicht genügend galt, um eine zweite Staffel zu rechtfertigen, das heute aber über den Standards aktueller Sitcoms liegt.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 3/2008)

RomComZom

Mit dem Zombiefilm scheint auch prompt seine Parodie aus dem Grab gestiegen zu sein: Kaum waren Danny Boyles „28 Days Later“ und das Remake von „Dawn of the Dead“ aus den Kinos, floppte in Deutschland der Pennälerstreifen „Die Nacht der lebenden Loser“, während wer mal wieder alles richtig machte? Natürlich, die Briten.

„Shaun of the Dead“ (deutscher Kinostart: 30.12.) heißt der Überraschungs­erfolg von Regisseur Edgar Wright, laut Original-Untertitel eine „Romantic Comedy – with Zombies“ (oder eben RomComZom), die dank origineller Regie-Ideen, einer klug konstruierten Geschichte und glaubwürdigen Schauspielern sowohl eingefleischte Horrorfans als auch Komödienfreunde bestens unterhält. Hauptfigur Shaun nämlich ist eine 1a-Identifikationsfigur für jeden Zombiefilmgucker: Um die dreißig, mit einem perspektivlosen McJob, einer Freundin, die ihn schließlich verläßt, weil sie von einer Beziehung mehr erwartet als jeden Abend im gleichen Pub zu sitzen, und einem dicken Buddy der noch weniger erreicht hat im Leben als er selbst. Ein nicht mehr ganz junger, eher ambitionsloser Mann an der Schwelle zu einer ernsten Lebenskrise also, der er aber mit ausgiebigem PlayStation-Spielen und Alkoholzufuhr mehr oder weniger erfolgreich aus dem Weg zu gehen versucht. Daß in dieser Situation eine ausgewachsene Zombie-Plage über die Stadt hereinbricht, entspricht perfekt der Struktur des klassischen Zombiefilms, und daß Shaun auch diese Krise zu bewältigen versucht, indem er auf seine klassische Problemlösung zurückgreift und sich in seiner Stammkneipe verschanzen will, ist zwar komisch, bricht das Genre aber nicht – und das ist auch besser, denn so funktioniert der Film in doppelter Hinsicht. Je besser man das Genre kennt, desto reicher die Belohnung für den Zuschauer, denn Anspielungen auf und Zitate des klassischen Untotenfilms fehlen ebenso wenig wie, für den deutschen Kinogänger natürlich weniger relevant, diverse Cameo-Autritte britischer Comedy-Prominenz.

Das Team aus Regisseur Wright und den Hauptdarstellern Simon Pegg (in der Rolle des Shaun), Nick Frost und Peter Serafinowicz funktioniert auch deswegen so gut, weil es reichlich Gelegenheit hatte zu üben: Die Figurenkonstellation, der clevere Umgang mit Versatzstücken populärer Filmgenres, die gut geerdeten Storys, die Glaubwürdigkeit des ganzen Unternehmens ist über zwei Staffeln einer preisgekrönten TV-Sitcom namens „Spaced“ erprobt, die jedenfalls via Import auf DVD erhältlich ist, dito „Shaun of the Dead“; eine überlegenswerte Anschaffung, denn die deutsche Synchronisation dürfte nicht annähernd auf dem Niveau des Films sein. Der sollte in Deutschland ursprünglich nur auf DVD erscheinen und ist, so steht zu vermuten, mit entsprechend niedrigem Budget nachvertont worden. Wright und Pegg, die übrigens auch das Autorenteam bilden, arbeiten schon am nächsten Film und haben bereits Cameo-Auftritte in „Land of the Dead“ absolviert, den wiederum Zombie-Gottvater George A. Romero gerade dreht, und Danny Boyle werkelt bereits an „28 Weeks Later“ – dem horror- und comedyaffinen Kinogänger stehen also auch 2005 goldene Zeiten bevor.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 1/2005)