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Depressionists

21. Oktober 2014 2 Kommentare

Es gibt kulinarische Kombinationen, von denen man denkt: niemals schmeckt das zusammen. Braten und Schokosauce zum Beispiel, oder Brombeeren und Schafskäse. Aber wenn man’s erst mal probiert hat, weiß man es besser. Salzig und süß gleichzeitig etwa kann enorm gut schmecken — wenn ich da nur an diese Karamellbonbons mit Meersalz denke: njam!

Salzig und süß geht auch in britischen Comedys gerne zusammen, vornehmlich bei solchen, die BBC4 gerne gut versteckt zeigt — wie in der Gastronomie sind im Fernsehen solcherart gewagte Geschmackszusammenstellungen halt nicht mehrheitstauglich.

Wenn man sie für sich entdeckt hat, mag man sie aber umso mehr schätzen.

„Detectorists“ (BBC4, drei von sechs Folgen sind bereits gelaufen) ist so eine Sitcom: langsam, leise, traurig bis depressionsfördernd. Wie auch anders, wenn die beiden Hauptfiguren Andy (Mackenzie Crook) und Lance (Toby Jones) zwei Underachiever in der kleinstädtischen Provinz von North Essex sind, die jede freie Minute damit verbringen, mit ihren Metallsuchgeräten durch Wiesen und Felder zu streifen, immer auf der Suche nach einem großen Schatz, immer enttäuscht von ihren Funden: Getränkedosenverschlüssen, kleinen Geldmünzen, Matchboxautos.

Insbesondere Andy, der Jüngere der beiden, ist eine traurige Figur: Teilzeitstudent der Archäologie, aber mit der Ahnung, dass sein Leben kein so rechtes Ziel hat. Für seinen Lebensunterhalt geht er hauptsächlich Reinigungsjobs nach, die er von einer Zeitarbeitsvermittlung bekommt; und wenn man ihn in zwei Szenen Staubsaugen und Gras mähen sieht, sind das genau die traurig-komischen Momente, die „Detectorists“ ihre Farbe geben: denn ob er saugt, mäht oder den Metalldetektor schwingt — das sind genau die selben Handbewegungen, tagein, tagaus.

Wäre da nicht die glückliche Langzeitbeziehung zu seiner Freundin Becky (Rachael Stirling), einer örtlichen Lehrerin, es blieben ihm nur die Nachmittage mit Lance und die Zeit im DMDC, dem Danebury Metal Detecting Club, in dem Lance und Andy andere Exzentriker vom gleichen Schlag treffen.

ANDY
I need a new place to search. All we turn up these days is litter and ring-pulls. This is the land of the saxons. I want to discover where they buried their warriors and their kings.

BECKY
Instead of where they had their snacks and soft drinks?

ANDY
Exactly.

„Detectorists“ lässt sich Zeit, die Konflikte zu entwickeln, aber glücklicherweise sind die dann doch handfester, als man zunächst denkt: es ist nämlich nicht nur die konkurrierende Truppe der Antiquisearchers (Simon Farnaby und Paul Casar), mit denen sich der DMDC (hauptsächlich rhetorische) Scharmützel liefert. Sondern es ist auch die überraschende Erlaubnis des verrückten Farmers Larry (David Sterne), auf seinen Feldern zu suchen — obwohl vor Jahren Larrys Ehefrau über Nacht verschwunden ist und man sich im Dorf recht einig ist, dass dafür vermutlich niemand anderes als Larry selbst verantwortlich ist.

Und es ist die junge Sophie (Aimee-Ffion Edwards), die den Herren vom DMDC die Köpfe verdreht und Becky eine Rivalin wittern lässt, wo eigentlich gar keine ist.

Vermutlich war es Mackenzie Crooks Erfolg mit „Pirates of the Caribbean“ und „The Office“, der die BBC erwogen hat, ihn diese auch für BBC4-Verhältnisse sehr melancholische Sitcom machen zu lassen. Und Crook beweist vor wie hinter der Kamera seine Talente: denn nicht nur spielt er die leise Verzweiflung Andys gleichermaßen komisch wie ernst, er spielt auch das Sujet der Hobby-Schatzsucher ebenso ernst wie komisch aus, oft beides im gleichen Moment.

Etwa wenn Andy eine Plakette mit der Gravur „Jim fixed it for me“ ausgräbt, sie aber lieber sofort wieder wegwirft, als sie zu seinen Schätzen zu legen: diese Plakette erhielten für gewöhnlich Kinder in der Fernsehshow „Jim’ll Fix It“ (BBC1, 1975 – ’94), nachdem Jimmy Savile ein Problem für sie gelöst hatte. Savile allerdings hat, wie man heute weiß, Kindern eher Probleme bereitet als sie für sie gelöst, und so ist es gleichermaßen komisch (und mutig von der BBC, einen so bösen selbstreferentiellen Gag zuzulassen) als auch bezeichnend für den Charakter Andys, der zwar graben, aber manchmal vielleicht doch lieber gar nichts finden will.

Sehr schön auch: das „Detectorists“-Titellied von Johnny Flynn, mit dem er auch einen kleinen Gastauftritt beim „Open Mic“-Abend des lokalen Pubs in der dritten Folge der „Detectorists“ hat. Gleichzeitig hat Flynn nämlich seine eigene Sitcom auf Channel 4, „Scrotal Recall“, die deutlich besser ist als ihr Titel, und von der ich in einem der nächsten Blogposts berichten werde.

Boys who are girls and girls who are boys

Nacht. Außen. Ein Blitz schlägt in ein Umspannwerk. Wenig später stellen Danny (Martin Freeman, „The Office“) und Veronica (Rachael Stirling, die Tochter von Diana „Emma Peel“ Rigg) fest: Sie stecken im Körper des jeweils anderen. Das Problem: Sie kennen sich gar nicht, verlieren sich im Moment aus den Augen — und könnten unterschiedlicher nicht sein: Er Regalbefüller in einem großen Baumarkt mit Tendenz zum Pennerhaften, sie erfolgreiche Modejournalistin mit superreichem Verlobten.

Das ist der Ausgangspunkt für „Boy Meets Girl“ (ITV1, Mai 2009, schon jetzt auf DVD zu haben). Männer in Frauen, ob -körpern oder nur -kleidung — klingt nach einer Menge „lustiger“ „Charleys Tante“-Momente, wahnsinnig komischen Versuchen, in Stöckelschuhen zu gehen und sich zu schminken, nach der Sorte schenkelklopfender Farce also, die in Variationen jederzeit zu sehen ist, wenn man einen türkischen Fernsehsender einschaltet.

So ist „Boy Meets Girls“ allerdings zum Glück nicht gestrickt. Es gibt zwar auch solche Momente, sie sind aber die Ausnahme. Denn die Geschichte von David Allison, der bis jetzt nur durch seine Arbeit für einen Soap-Ableger in Erscheinung getreten, lotet die dunklen Seite des body swaps aus: Niemand glaubt den beiden ihre Geschichte, Danny (in Veronicas Körper) findet zwar dank ihres Handys immerhin heraus, wer er ist, und versucht mit wechselndem Geschick, ihr Leben weiterzuleben, während Veronica (in Dannys Körper) nicht einmal seinen Namen weiß und deshalb zwischen Obdachlosigkeit und Polizeigewahrsam pendelt. Zwischendurch landen beide in der Psychiatrie, Danny macht Veronicas Verlobtem Jay (Paterson Joseph, „Peep Show“) mal mehr, mal weniger absichtlich das Leben zur Hölle und beginnt eine Affäre mit seiner (lesbischen) Baumarkt-Arbeitskollegin, in die er lange von ferne verliebt war. Zum Schluß würde er auf seinen Männerkörper am liebsten ganz verzichten.

Rachael Stirling spielt Martin Freeman hier locker an die Wand: Sie ist beeindruckend gut als „Kerl“ (und hat auch viel mehr screen time als Freeman), was die ganze Serie enorm aufwertet. Und auch die kindskopfgroßen plot holes ein bißchen vergessen macht. Denn es ist doch ein bißchen weit hergeholt, daß es den beiden Protagonisten über Tage und Wochen nicht gelinge sollte, sich zu finden und miteinander Kontakt aufzunehmen (Veronica im Danny-Körper versucht es mehrmals an ihrem alten Arbeitsplatz, scheitert aber an der Security — statt einfach anzurufen). Folgerichtig hat die Serie es auch nur auf vier Episoden gebracht (die allerdings wie bei Comedy-Drama üblich 44 Minuten lang sind). Und das Ende ist tatsächlich recht vorhersehbar. Nur so viel: Eine zweite Staffel ist eher unwahrscheinlich.