Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 4)
Was bisher geschah: Benny, geboren als Alfred Hill, ist tot. Bereits als junger Mann aber entwickelt er eine Vorliebe für anzügliche Witze. Dann zieht ihn das Militär ein und schickt ihn in den Krieg.
1947 wird er demobilisiert, und schnell zieht es ihn wieder nach London. Nun nennt er sich Benny, nach seinem Vorbild, dem US-Comedian Jack Benny, und beginnt im Herbst des selben Jahres, regelmäßig im Radio aufzutreten. Dort wird er prompt in einer Nachwuchs-Show entdeckt, und auch auf Live-Bühnen faßt Hill nun Fuß dank Colonel Richard Stone, vormals Chef der Abteilung „Combined Service Entertainment“, nun Künstleragent. Er wird bis an sein Lebensende der Agent von Hill bleiben.
Ein Banküberfall.
Bankräuber: „Alle hinlegen, mit dem Gesicht nach unten!“
Alle legen sich Gesicht nach unten hin, bis auf eine blonde Kassiererin, die sich auf den Rücken legt.
Bankangestellter (Hill): „Gesicht nach unten! Das ist ein Überfall, keine Büroparty!“
Ausgerechnet ein Job, für den Hill den damals noch unbekannten Peter Sellers schlägt, wird allerdings beinah zum frühen Ende von Hills Karriere: Er darf den ernsten Gegenpart zum Comedian Reg Varney in einer mehrjährigen Bühnenshow namens „Gaytime“ spielen, doch immer fällt Hills kleiner Solo-Auftritt durch. So gut er als Stooge ist, der dem Comedian die Bälle zuspielt, so katastrophal ist er in der Rolle des Komikers. Als die Show in den Norden Englands kommt, der ohnehin als „famous graveyard for London comics“ (Varney) gilt, stirbt Benny Hill den Bühnentod: Das Publikum applaudiert, statt zu lachen. Aber nicht etwa höflichen Beifall, was schlimm genug wäre. Es ist ein langsames, rhythmisches Klatschen, höhnisch und mitleidig. Er hätte nie etwas Angsteinflößenderes gehört als diesen Applaus, sagt Varney später. Hill kommt vollkommen zerstört von der Bühne. Demoralisiert beschließt er, nicht für die Bühne gemacht zu sein, und wirft die Brocken hin.
Bis an sein Ende wird die Furcht vor Liveauftritten Benny Hill von nun an begleiten. Er wird niemals zu Gast in Fernsehtalkshows sein, die meisten Interviewanfragen ablehnen und auch bei den Dreharbeiten zu seinen Shows penibel darauf achten, daß niemand am Set ist, den er nicht schon lange kennt. Kommt etwa ein Buchhalter der Produktion aus seinem Büro herunter ins Studio und steht in Hills Sichtachse, wird der Comedian abbrechen und höflich mitteilen, es täte ihm leid, aber er könne nicht arbeiten, wenn ihm jemand zusähe. In jeder Show aber gibt es Szenen vor Livepublikum, und bevor diese gedreht werden, tritt in der Regel ein Warm-Upper auf, um die Zuschauer mit seinen Witzen auf Betriebstemperatur zu bringen. Benny Hill, Perfektionist, der er ist, macht das selbst. Doch auch hier, vor einem Publikum, das ihn liebt, das nur wegen ihm gekommen ist, ist er unsicher, vernuschelt er Pointen, murmelt er nach den Punchlines immer weiter, um die Stille zu füllen, vor der er sich fürchtet. Die Schüchternheit, so sehr sie in seinen Rollen gespielt ist, rührt tief aus ihm selbst her.
Nach dem desaströsen Abschied von der Bühne schließt er sich neun Wochen lang zuhause ein. Doch er ist nicht untätig: Er kritzelt einen Sketch-Entwurf nach dem anderen, ein ganzes Konvolut will er dem Fernsehen anbieten. Aber wie gemacht ist jemand fürs Fernsehen, der schon auf der Bühne keine Lacher kriegt? Niemand im Comedy-Business glaubt so recht daran, daß Hill das schaffen kann. Und nicht nur das: Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, wie erfolgreich das Medium Fernsehen je sein wird — nur fünf Prozent der Haushalte haben 1950 überhaupt ein Empfangsgerät, die Zukunft ist ungewiß.
Doch Hill hat den Mut, mit einem Packen Sketch-Skripten unter dem Arm bei der BBC aufzulaufen, und das Glück, beim Head of Light Entertainment Ronnie Waldman vorgelassen zu werden. Dem gefällt, was er sieht, und von jetzt auf gleich ist Hill (Waldman: „Wer wäre denn geeignet, Ihre Sketche zu spielen?“ Hill: „Ich!“) beim Fernsehen gelandet. Nun stellt sich heraus, daß hier sein wahres Talent liegt: Die Kameras erfassen all seine winzigen Gesten, mit denen er innerhalb von Sekundenbruchteilen Charaktere skizzieren kann, seine anzüglichen Blicke, all die subtilen Andeutungen, die im Theater schon in der vierten Reihe niemand mehr wahrnimmt. „Kaleidoscope“ heißt die erste populäre Nachkriegs-Comedyshow, die von 1946 bis 1953 läuft und viele Talente hervorbringt – und in der Benny Hill im Alleingang ein Format erfindet, das bis heute erfolgreich ist, ohne das es etwa „Switch reloaded“ nicht gäbe: Die Fernsehparodie.
In einem Sketch spielt Hill einen Zollbeamten, der in die Kamera hinein die Zuseher mahnt, immer alles anzugeben, was sie ein- und ausführen, von den neu gekauften Nylonstrümpfen bis zum Parfümfläschchen. „Cut!“ ruft schließlich im Off der Regisseur. „Keine Sekunde zu früh!“ entgegnet der „Zollbeamte“, nimmt, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, seine Mütze ab, aus der prompt Armbanduhren und Zigarettenschachteln herausfallen.
Ja, darüber hat man in den späten Vierzigern gelacht. Bzw. nicht, denn die BBC war der Ansicht, der Zuschauer könnte durch diesen Scherz den Eindruck bekommen, britische Zollbeamte seien unehrlich. Hmja, genau. Wie auch immer: dieser harmlose Sketch war Benny Hills erster, der ihm zensiert wurde.
Demnächst: Benny wird der König der Comedy. Doch die BBC wird ihm bald zu restriktiv, darum wechselt er zu ITV. Wird sein Erfolg sich dort fortsetzen?
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