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Die Shitcoms des Jahres (Teil 1)

14. November 2013 8 Kommentare

Es ist natürlich ein Irrtum zu glauben, alle Sitcoms aus dem Vereinigten Königreich seien per se besser als alles, was je über deutsche Bildschirme gegangen ist. Das ist nicht so: der Anteil wirklich gelungener englischer Serien ist vielleicht etwas höher als der Anteil deutscher gelungener Serien. Es gibt aber quantitativ in Großbritannien viel mehr komischen Output als hier, was die Chancen deutlich erhöht, dass auch Gutes darunter ist.

Heute und in den nächsten Tagen will kurz über die Serien des Jahres berichten, die ich schnell wieder zu gucken aufgehört habe, und erklären, warum — die Shitlist des Jahres sozusagen. „Shitlist“ mit einer wesentlichen Einschränkung: Viele Serien sind schon deshalb nichts für mich, weil sie gar nicht an mich gerichtet sind. (Das kennt man von deutschen Serien nicht so, die sind von vorneherein an alle gerichtet, jung wie alt, nord- wie ost- wie süddeutsch, männlich wie weiblich, an Hochschulabsolventen wie Hilfsarbeiter.) Logisch, dass da einiges durch mein Raster fällt — es ist also vielleicht gerade hier noch der eine oder andere Tipp dabei, was es noch Interessantes gegeben hat in diesem Jahr.

„Big Bad World“ (Comedy Central) etwa, die Single-Camera-Sitcom um Ben („Inbetweener“ Blake Harrison), der gerade mit einem Uni-Abschluss in altnordischer Literatur wieder zuhause in der Provinz ankommt und feststellen muss, dass die Jobangebote für Experten in altnordischer Literatur nicht so üppig sind wie gedacht, dass sich in seinem Freundeskreis wenig geändert hat, seine Eltern, bei denen er wieder einzieht, aber die Trennwand zwischen Bens und dem elterlichen Schlafzimmer herausgenommen haben, so dass er nur durch einen Vorhang getrennt vom Bett seiner Eltern übernachten muss. Außerdem ist er immer noch in Lucy (Scarlett Alice Johnson, „Pramface“) verliebt, die er auch tatsächlich wieder regelmäßig sieht — weil sie nämlich im Jobcenter arbeitet, wo sich Ben regelmäßig wiederfindet.

„Big Bad World“ leidet am Comedy-Central-Syndrom: die Show ist flach und unoriginell. Eine echte Geschichte, sprich: Motivation scheint nur Ben zu haben, alle anderen Figuren sind um ihn herum drapierte Staffage. Oft passen die Witze nicht zum Ton der Serie, denn der ist einerseits vergleichsweise realistisch, so dass die Idee mit dem vergrößerten Schlafzimmer überhaupt nicht passt, zumal die Eltern aus unbegreiflichen Gründen in Bens Zimmer nicht einmal die Pinups entfernt haben, geschweige denn neu tapeziert. (Begreiflich ist mir das schon: die Producer wollten sich den sight gag nicht entgehen lassen und auch optisch zeigen, dass da mal zwei Zimmer waren, wo jetzt nur noch eines ist — aber innerhalb der Serie ist es unbegreiflich.)

Und dann habe ich so etwas ähnliches schon gesehen: In „Parents“ (Sky1, 2012) ging es ebenfalls um den Konflikt zwischen Eltern und wieder ins bereits verlassene Elternhaus zurückziehenden Kindern. Da war die Fallhöhe allerdings etwas größer, denn da ging es um eine komplette Familie, die zu den Großeltern zurückzog.

Interessanterweise haben beide Shows die gleichen Autoren: Lloyd Woolf und Joe Tucker. Vielleicht sind bei „Parents“ noch ein paar Witze übrig gewesen. Die aber konnten das ganze writing team (u.a. Kevin Cecil und Andy Riley, die schon für „Black Books“ und Armando Iannucci gearbeitet haben und also keine ganz schlechten sind) dann aber auch nicht mehr retten.

Andererseits muss ich fairerweise einräumen: für die Zielgruppe von „Big Bad World“ bin ich ohnehin zehn Jahre zu alt. Ich bin nämlich schon erwachsen. — Naa, das war jetzt nur die Überleitung zu

„Badults“ (BBC3), einer Sketchshow, gefangen im Körper einer Sitcom. Und zwar einer schlechten (Multi-Camera, mit laugh track). Mathhew (Matthew Crosby), Ben (Ben Clark) und Tom (Tom Parry, zu dritt auch die Autoren) sind Endzwanziger, die zusammen wohnen und sich wie Teenager aufführen, obwohl sie aus dem Alter raus sind (deswegen „Badults“). Und es ist ihnen scheißegal, dass das Matthews jüngere Schwester Rachel (Emer Kenny) brutal nervt, die aus unerfindlichen Gründen Teil der Gang sein möchte. Die Dialoge gehen dann so:

TOM
We always have a board game marathon on a bank holiday weekend. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

MATTHEW
And I always listen to the Les Mis soundtrack. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

BEN
And I always get drunk. It’s an addiction.

ALLE MÄNNER
Yay!

Uff. Alles an dieser Sitcom ist so unoriginell und unkomisch, dass es mir völlig unbegreiflich ist, warum sie eine zweite Staffel bekommen hat. Ich habe nicht einmal die erste Folge ganz ausgehalten.

„Chickens“ (Sky 1, single camera, kein laugh track) wählt da ein sehr viel originelleres Setting: das des Ersten Weltkriegs. Allerdings spielt es nicht an der Front, sondern zuhause in England, wo die drei jungen Männer Cecil (Simon Bird, „The Inbetweeners“, „Friday Night Dinner“), George (Joe Thomas, ebenfalls „Inbetweeners“, „Fresh Meat“) und Bert (Jonny Sweet) es geschafft haben, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Sie wähnen sich nun der versammelten Damenschaft sicher, deren Männer ja alle auf dem Kontinent sind, doch weit gefehlt: Sie werden von der weiblichen Welt als Weicheier betrachtet und auch verspottet (daher „Chickens“).

Ja, das klingt wie die „Inbetweeners“ im Ersten Weltkrieg, ähnlich den immer gleichen Variationen der „Carry on“-Reihe, und das ist es auch — mit dem Unterschied, dass man zu den „Inbetweener“-Figuren und ihren realistischen Problemen seinerzeit auch einen emotionalen Bezug hatte, und folglich Sympathien für die Figuren. Die fehlt in dieser burlesken Kostümhudelei, die sich die drei Hauptdarsteller selbst ausgedacht haben, und zwar womöglich nachdem sie einige alte Folgen „Armstrong & Miller“ gesehen hatten. Die beiden haben in ihrem Repertoire nämlich zwei poshe Royal-Airforce-Piloten (allerdings im Zweiten Weltkrieg), deren stumpf-jugendliche Denk- und Sprechweise aufs Lustigste mit den dramatischen Umständen kollidieren, ein Ansatz, der dem von „Chickens“ nicht ganz unähnlich ist.

Da aber juxen sich nur drei papierdünne Charaktere in albernen Verkleidungen durch Umstände, die viel weniger glaubwürdig sind als bei den „Inbetweeners“ (aber in einer viel längeren Laufzeit als in den kurzen Sketchen von Armstrong und Miller). Das reduziert die Fallhöhe gleich enorm. Und die Fallhöhe ist dann doch eben noch ein Krieg.

Vielleicht hat Channel 4 deshalb den Piloten, der zunächst dort im Rahmen der „Comedy Showcases“ 2011 entstanden ist, nicht als ganze Serie kommissioniert. Das hat dann Sky übernommen — und so das Comedy-Portfolio erweitert, das 2013 erstaunlich viel schlechter daherkommt als noch 2012.

Kleine Glotz-Bilanz

9. Februar 2012 8 Kommentare

Wenig passiert hier in den letzten Tagen, aber die Glotze war natürlich trotzdem oft an. Meine Fernsehauswahl der letzten Wochen:

„Homeland“ (Showtime, 2011) ist weder lustig noch britisch, dafür aber dekoriert mit einem Golden Globe (Best Television Series – Drama) und nach einer israelischen Vorlage, was mich aus persönlichen Gründen immer interessiert. Inhalt: Ein US-Marine, Sergeant Nick Brody (Damian Lewis), wird nach acht Jahren Gefangenschaft in den Händen von Al Qaida von einem US-Kommando befreit und als Kriegsheld nach Washington zurückgebracht. Allerdings hat die psychisch einigermaßen labile CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes, die Julia in Baz Luhrmanns „Romeo + Juliet“) zuvor in Bagdad aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass ein langjähriger P.O.W. von Terroristen während seiner Haftzeit „umgedreht“ worden ist und nun als islamischer Terrorist in den USA eingesetzt werden soll. Das kann nur Brody sein. In der Agentur glaubt ihr nur kaum jemand, so dass Claire mehr oder weniger auf eigene Faust beginnt, Brody zu verfolgen.

„Homeland“ ist eine Mischung aus den Thriller-Elementen von „24“ (von dessen Executive Producern die Serie auch stammt) und der Hauptfigur aus „Dr. House“, die medikemantenabhängig und gebrochen ist, vielleicht weniger genialisch als House, dafür verbissener. Außerdem spielen die zentralen seelischen Beschädigungen der Israelis eine tragende Rolle, wie ja auch schon (und logischerweise) bei „In Treatment“ (HBO, 2008 – 10): Schuldgefühle (u.a. geht es um nicht legitimierte US-Kriegshandlungen), Paranoia, bipolare Störungen, Schizophrenie. Vor allem, aber nur hintergründig, um Schizophrenie, denn dass Carrie mit ihrem Verdacht nicht falsch liegt, wird sehr schnell klar: Brody ist tatsächlich beides, US-Marine, Kriegsheld und treusorgender Vater — und muslimischer… aber ich will nicht zu viel verraten.

Natürlich ist „Homeland“ ultra-konservativ; hin und wieder habe ich vor mir Homer Simpson gesehen, der mit bloßem Oberkörper „U-S-A! U-S-A!“ ruft und sein Shirt um den Kopf wirbelt. War „24“ ja auch. Geht aber vermutlich auch nicht anders, wenn man eine solche Spionagegeschichte erzählen möchte, und die scheinen im Moment ja Konjunktur zu haben (mit der neuen le Carré-Verfilmung „Tinker Tailor Soldier Spy“, „Mission Impossible“ usw.). „Homeland“ ist jedenfalls prima Fernsehen, auf der Höhe der Zeit, und die erste Staffel (eine zweite ist in Planung) endet freundlicherweise nicht mit einem riesigen Cliffhanger, der alles offenlässt, sondern schließt in einer extra langen Episode viele Handlungsstränge ziemlich endgültig ab. Jedenfalls scheint es so.

***

Zurück nach Großbritannien:

„Skins“ (E4, seit 2007) läuft derzeit in der sechsten Staffel und mit dem dritten Ensemble, und ist dafür immer noch ziemlich gut. Eigentlich besser als „Fresh Meat“ (Channel 4, seit 2011), das im Prinzip das gleiche versucht: Ein junges Comedy-Drama with an attitude. „Skins“ erzählt, pro Folge um eine der jugendlichen Hauptfiguren kreisend, die Geschichte einer Handvoll Teenager rund um Bristol und begleitet sie während der letzten zwei Jahre in der Schule (Sixth Form) (daher der komplette Cast-Austausch nach je zwei Staffeln). Die Jugendlichen sind, wie die in „Misfits“ (ebenfalls E4, seit 2009), weiß Gott keine Unschuldslämmer und haben darüberhinaus mit handfesten Coming-of-Age-Problemen zu kämpfen. In der aktuellen Staffel ist gerade eine der Hauptfiguren gestorben (was die Serie davor bewahrt hat, zur Soap zu werden — ans viele Kiffen und die Häuser verheerenden Partys hat man sich ja nun gewöhnt), und eine neue ist auf den Plan getreten, die per Würfel entscheidet, was als nächstes zu tun ist, und heimlich wilde homosexuelle Erfahrungen sammelt.

Keine andere Serie schafft es so sehr, in mir den Wunsch nach unverbindlichen Drogen, lautem Sex und harter Musik zu wecken, wie „Skins“ — mit „Misfits“ und „Skins“ hat E4 derzeit das deutlich bessere Gespür für „neue“, junge Bild- und Musik-Ästhetik als die BBC, wo allenfalls „Being Human“ mithalten kann (das gerade auch in eine neue, die vierte Staffel gegangen ist). E4 ist der digitale Ableger von Channel 4, der sich vorwiegend an ein junges Publikum richtet, Experimente wagt und sogar richtig Geld dafür ausgibt. Lobenswert.

***

Apropos junge Menschen:

„The Inbetweeners Movie“, zu deutsch: „Sex on the Beach“ (also eher: „deutsch“), gerade in den Kinos (bzw. womöglich schon wieder raus?) KANN in Deutschland nur total floppen, alles andere würde mich jedenfalls sehr wundern. Nicht weil dem durchschnittlichen deutschen Kinogänger die Vorgeschichte aus drei Staffeln „Inbetweeners“ fehlt (abermals E4, 2008 – 10) — ein Kinofilm muss es schon schaffen, eigenständig zu funktionieren. Sondern weil das spezielle englische Element dieser (abermals sehr jugendlichen) Komödie hier überhaupt nicht verstanden werden dürfte.

Für das unbewaffnete Auge sieht der „Inbetweeners“-Film wie eine britische Variante von „American Pie“ oder „Eis am Stiel“ aus, die hierzulande ja ebenfalls schon eher als geschmacklos und vulgär empfunden werden denn als komisch — und der „Inbetweeners“-Film legt da noch zwei Schippen oben drauf: Da werden (während eines gemeinsamen Urlaubs der vier Teenager auf Kreta, in einer absoluten Touri-Hölle der unfeinen englischen Art) Omas gebumst, Selbst-Fellatio betrieben und Leute vollgekotzt; es gibt Schwänze ins Gesicht, eine Kackwurst im Bidet, ja, es wird sogar menschliches Exkrement geschnupft— nichts, was Deutsche per se als komisch empfänden.

Für Engländer aber, deren Schamschranken (man mag es angesichts solcher Filme nicht glauben) in der Realität aber viel höher liegen, ist es lustig, wenn genau diese Schranken in einem Film, mithin erkennbar künstlich und kunstvoll, gebrochen werden. Und auch ich musste mehrfach herzlich lachen, etwa wenn der sexbesessene Jay (James Buckley) (zu Beginn des Films und noch zuhause) sich herzhaft einen von der Palme wedelt — auf dem Bett sitzend vor einem Laptop samt Live-Sex-Chat, Taucherbrille auf, Sporthandschuh an, Schinkenscheiben im… nun, und wenn dann seine Mutter reinplatzt, hinter ihr die kleine Schwester, und sagt: Jay, kommst du bitte nach unten, dein Großvater ist gerade gestorben. — dann muss ich, nach einer atemlosen Schrecksekunde, wahnsinnig lachen. Weil die Geschmacklosigkeit nicht nur geschmacklos ist, sondern eine groteske Übersteigerung von Geschmacklosigkeit, eine Geschmacklosigkeit, die praktisch in alle Ewigkeit fortgesetzt ist, mithin endlos, schließlich wird Jay sich nicht nur während der Beerdigung, sondern jedesmal, wenn vom toten Opa die Rede sein wird, an diesen Moment erinnern… Was für eine Strafe, für das bisschen Sex!

Oder wenn der widerwärtige Hotelheini auf Kreta zu seinen neuen Gästen sagt: „Have fun, but not too much. You shit on floor, you pay 50 Euro fine. Each time.“ Oder wenn Will (Simon Bird) feststellt: „Dads are like arseholes: everyone’s got one. Plus they’re arseholes.“

Will sagen: Wie da fette englische Bratzen in zu kurzen Röcken gezeigt werden, die äußere Anmut allenfalls durch ein strahlendes Selbstbewusstsein ersetzen, vier hoch peinliche Teenager zwischen Extrem-Nerd und Vollpfosten, das ist von einer Selbstironie getragen, freilich auch von darunterliegender englischer Selbstsicherheit, die es in amerikanischen Teenagerfilmen dieser Art so (glaube ich) nicht gibt, und in Deutschland schon gar nicht. Da schämt man sich allenfalls, wenn andere Leute sich dermaßen daneben benehmen, und zwar für sie, aber man lacht nicht darüber. Und schon gar nicht mit ihnen. Engländer aber schon. Das belegt nicht zuletzt der Umstand, dass „The Inbetweeners Movie“ in England den Einspielrekord aller Komödien am Premierenwochenende gebrochen hat und nun vor „Bridget Jones — The Edge of Reason“ und „The Hangover II“ liegt.

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„Noel Fielding’s Luxury Comedy“ (schon wieder E4, 2012) zuguterletzt ist „gloriously weird“ oder aber völlig witzfrei, ich bin mir noch nicht ganz sicher. Sicher ist: Es ist eine Art Sketchshow, in der Noel Fielding (die jüngere Hälfte des „Mighty Boosh“-Duos) seinen surrealen Albernheiten freien Lauf lassen darf, ohne Julian Barratt, dafür aber mit Sergio Pizzorno von der britischen Rockgruppe Kasabian, der hier die Musik beisteuert, und einigen der üblichen Verdächtigen (Bruder Michael Fielding, Rich Fulcher, Richard Ayoade). Es ist viel Animiertes dabei, an dem man auch deutlich die Fieldingsche Handschrift erkennen kann, und es ist bestimmt auch ganz lustig, für Hardcore-„Mighty Boosh“-Gucker. Ich persönlich bin nach zwei Folgen gespalten: Richtig oft lachen musste ich nicht, aber für ein endgültiges Urteil ist es wohl noch zu früh. Wer die erste Episode gucken möchte: Hier ist sie.

https://www.youtube.com/watch?v=8F7Pn8Owi-8?version=3&hl=de_DE

Dinner für Spinner

26. Februar 2011 Keine Kommentare

Ist sie das also, die große, neue Britcom, die alle zehn Jahre einmal kommt und das Genre revolutioniert? So wie es „The Office“ 2001 getan hat? Es gibt Prognosen, die sagen: es müßte demnächst mal wieder soweit sein, und nach der großen Zeit der Single-Camera-Mockumentarys sei es nicht unwahrscheinlich, daß das Pendel nun wiederum in die Gegenrichtung ausschlägt: also zurück zu den klassischen, formal beschränkten Fourth-Wall-Sitcoms — natürlich mit einem Twist, wie auch immer der aussieht. Also die Quadratur des Kreises, die damals „Seinfeld“ geschafft hat: einerseits eine traditionelle Sitcom, Multi-Camera und vor Publikum, aber mit einem neuen Dreh in der Erzählung: ohne klassische Sitcom-Plots (Stichwort „show about nothing“) und ohne daß am Schluß irgend jemand irgend etwas gelernt hätte: „Keine Lehren und keine Umarmungen.“

Daß ein gewissen Anspruch da ist, edgy zu sein, zeigt Robert Poppers „Friday Night Dinner“ (Channel 4, freitags) schon im blau pulsierenden Vorspann. Dann allerdings beginnt eine Familien-Sitcom, die so klassisch gestrickt und so formal beschränkt ist, daß man erst einmal alle Erwartungen hintanstellen sollte: Die Twentysomethings Adam (Simon Bird) und Jonny (Tom Rosenthal) besuchen ihre Eltern (Tamsin Greig und Paul Ritter) zum gemeinsamen freitäglichen Abendessen; genauer: zum Beginn des Sabbat. Die Brüder ziehen sich gegenseitig auf, wie Brüder halt so sind; Mum (in Leopardenfellmuster, mit goldenen Slippern) ist großer „MasterChef“-Fan und hätte gerne, daß Dad seine Stapel alter Wissenschaftszeitschriften wegwirft; Dad ist noch ein bißchen exzentrischer, ißt gerne Reste aus dem Küchenabfall, läuft schon mal oben ohne herum, wenn es ihm zu warm wird, ersteigert heimlich noch mehr Wissenschaftszeitschriften, trägt ein Hörgerät und mißversteht auch gerne mal etwas. Sein Fluch „Shit on it!“ wird offenbar die Catchphrase der Show.

(SPOILER) In der ersten Folge wird das Abendessen gleich mehrfach gestört: Der ziemlich merkwürdige Nachbar Jim (Mark Heap) kommt mit seinem Schäferhund mehrfach vorbei, um die Toilette zu benutzen (seine ist ihm irgendwie kaputtgegangen, auf die Frage wie zieht er es aber vor, nur mit einem abwesenden Gesichtsausdruck zu reagieren), und dann möchte auch noch ein Ebayer (Matthew Holness, „Garth Marenghi’s Darkplace“) das Sofa abholen, das er für seinen kranken Vater ersteigert hat. Der aber, das stellt sich durch einen Anruf heraus, ist just gestorben, und während das Sofa noch im Treppenhaus steckt, muß sich der Besucher erstmal hinsetzen und etwas trinken, bekommt aber zweimal ausgerechnet Getränke, die sich die Brüder gegenseitig mit Salz ungenießbar gemacht haben. (/SPOILER)

Das ist genauso ist zwar hübsch ausgeführt, alles in allem aber so underwhelming, wie es sich hier liest: exzentrische Familien kennt man zur Genüge, und auch der merkwürdige Nachbar könnte direkt aus dem Handbuch für Sitcomautoren stammen — da muß man gar nicht bis zu Kramer zurück gehen: Mark Heap hat diese Figur selbst schon in „Spaced“ gespielt, das wie „Friday Night Dinner“ von TalkBack stammt und von Nira Park (co-)produziert wurde. Laut lachen mußte ich in dieser ersten Folge nur selten, andererseits war es eben: die erste Folge. Jedenfalls die erste, die gezeigt wurde; offenbar sind da im letzten Moment noch Änderungen in der Reihenfolge vorgenommen worden.

Am enttäuschendsten fand ich Simon Bird, der in „Friday Night Dinner“ exakt den gleichen Charakter wieder spielen darf, den er schon bei den „Inbetweeners“ spielt, während Heap seinen merkwürdigen Nachbarn wenigstens noch ein bißchen variiert hat; stark wie immer Tamsin Greig (hier nach „Episodes“ schon wieder mit einem ehemaligen „Green Wing“-Kollegen zu sehen); richtig gut gefallen hat mir aber Paul Ritter, dessen Dad mir die interessanteste und stärkste Figur zu sein scheint.

Noch ist mir nicht klar, was die tragende neue Idee sein soll, die „Friday Night Dinner“ unverwechselbar und irgendwie neu machen könnte. Vielleicht wird das ja mit der nächsten Folge aber schon klarer. Und wenn die weirdness, die gerade große Sitcom-Mode zu sein scheint, noch eine Winzigkeit origineller wird, könnte „Friday Night Dinner“ schon eine ziemlich okaye Sitcom werden. Wenn auch vielleicht nicht die Neuerfindung der Britcom.

Einladung zum Abendessen

14. Februar 2011 2 Kommentare

Wenn schon für nichts anderes, so muß man Robert Popper doch bis in alle Ewigkeit dankbar sein für „Look Around You“ (2002 + 2005): Liebevollere Parodien auf das Oldschool-Schulfernsehen gab es nie, und dank der Zusammenarbeit mit Peter Serafinowicz und Unterstützung durch Simon Pegg, Edgar Wright (also praktisch der ganzen „Spaced“-Posse) und viele andere Größen der britischen Sitcom auch nie prominenter besetzte. Wer sie noch nicht hat, dem seien die beiden Staffeln dringend empfohlen, schon weil die DVD-Menüs und -Bonusveranstaltungen ihresgleichen suchen (und für die Kürze der Shows entschädigen). Doch auch um die „Inbetweeners“ hat sich Popper verdient gemacht (als Script Editor), um „Peep Show“ (als Producer), „The IT Crowd“ (Comissioning Editor für Channel 4) und die „Peter Serafinowicz Show“ (Writer/Consultant Producer). Manche halten ihn für ein Genie.

Die Latte für seine neue Sitcom „Friday Night Dinner“ (Channel 4, ab dem 25.2.) liegt also denkbar hoch, und daß der „Inbetweeners“-Jungstar Simon Bird und Tamsin Greig („Black Books“, „Episodes“, „Green Wing“) mitspielen und Mark Heap abermals den merkwürdigen Nachbarn geben darf, schraubt die Erwartungen ebenfalls nicht herunter. Dafür sieht der Clip nach einer vergleichsweise konservativen Sitcom aus — in den Kommentaren wird er schon als Mischung aus „Inbetweeners“ und Simon Amstells hölzernem „Grandma’s House“ beschrieben. Ich aber sage: Das guck ich mir an! Und bin mir noch nicht ganz sicher, ob die Besetzung von Tamsin Greig als Mutter zweier Twens mehr über ihr Alter oder über meines aussagt.

https://www.youtube.com/watch?v=Oxs7phFtT4k?fs=1&hl=de_DE