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„Skins“ macht den Deckel drauf

3. Juli 2013 4 Kommentare

Schon einige Male habe ich hier im Blog „Skins“ (E4, seit 2007) gepriesen, das Comedydrama aus dem englischen Norden, in dem die jeunesse dorée, die vergnügungssüchtige Großstadtjugend, ihre problematischen Lebensverhältnisse mittels Sex, Drogen und lauter Musik zu bewältigen versucht. Bryan Elsley und Jamie Brittain, letzterer ist Sohn des ersteren, haben es geschafft, sehr glaubwürdige Charaktere zu erschaffen, die sie je in den letzten beiden Schuljahren begleiten — pro Episode mit einer der Hauptfiguren im Mittelpunkt. Diese Form der Erzählung wiederum hat es mit sich gebracht, dass der größte Teil des Casts je nach zwei Staffeln ausgetauscht wurde; nach sechs Staffeln hat die Serie also ganze drei Generationen verschlissen. Dass sie trotzdem das Niveau der ersten beiden Staffeln weitgehend halten konnte (leichte Schwächen wurden in den letzten beiden Seasons trotzdem sichtbar), zählt zu den große Leistungen der Show.

Nun gehen, nach der Absetzung durch E4, die Digital-Tochter von Chanel 4, allmählich die Lichter aus bei den „Skins“ (die Serie heißt nach den Zigarettenpapierchen, aus denen hier ausschließlich Joints gebastelt werden). Zuvor allerdings gibt es eine ungewöhnliche siebte Staffel, bestehend aus sechs Folgen, in denen über drei Doppelfolgen hinweg je eine Figur begleitet wird, um zu zeigen, was aus ihr geworden ist.

In der ersten Folge, die nun gelaufen ist, ist es Effy Stonem (Kaya Scodelario), mittlerweile 21, die in ihrer eher aussichtslosen Karriere als Rezeptionistin einer Hedge-Fond-Bank in London festzustecken scheint — bis ihr in einem Geschäftsbericht eine Unregelmäßigkeit auffällt. In der Folge wird sie von ihrem (auch amourös interessierten) Boss (Kayvan Novak, „Facejacker“, „Four Lions“) entdeckt, muss aber wenig später feststellen, dass sie womöglich zu hoch gepokert hat.

Effy ist die einzige Figur, die es trotz der Neubesetzung des Hauptcasts geschafft hat, in mehr als zwei Staffeln dabei zu sein: in Series 1 und 2 war sie nämlich schon als jüngere Schwester von Tony Stonem (Nicholas Hoult) an Bord. Konsequenterweise kriegt sie hier unter dem Titel „Skins Fire“ zwei Folgen. Die anderen beiden Doppelfolgen werden sich um Cassie (Hannah Murray, „Game of Thrones“) drehen („Skins Pure“) und um Cook (Jack O’Connell) („Skins Rise“), beide Mitglieder der ersten (Cassie) bzw. zweiten Generation (Cook). Die schwächste dritte Generation geht leer aus.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Idee gut finde, das bewährte Schema von „Skins“ zu verlassen und dafür ein „Was aus ihnen wurde“ zu zeigen. Zwar ist Effys Story nicht schlecht, und die Vorstellung, dass die charakterlich eher nicht durchgehend einwandfreie Bande von Kindern aus früheren Staffeln nun plötzlich ihre Finger in Bankgeschäften haben, bei denen es um Millionen geht, ist schon ganz hübsch. Allerdings fehlen mir einige tragende Säulen früherer Staffeln, vor allem die Interaktion mit anderen Figuren der Serie (hier taucht nur noch Effys Mitbewohnerin Naomi aus der zweiten Generation auf). Auch eine staffelübergreifende Geschichte zeichnet sich hier nach der ersten Episode noch nicht ab.

Hoffentlich wird die siebte Staffel „Skins“ nicht zu einem überlangen Epilog, zu dem, was sonst vor den Credits am Schluss eines Filmes eingeblendet wird: „What happened to…“ — das könnte sich ziehen, und allzu große Lust auf viele neue Figuren, die nur für eine oder zwei Folgen eingeführt werden, habe ich nicht. Vielleicht kriegen die „Skins“-Macher aber die Kurve noch, ist die Enttäuschung über die strukturellen Änderungen in der letzten Staffel schon bei Folge zwei verflogen oder entwickelt sich noch ein Groß-Plot, der als Klammer funktioniert. Das würde mich freuen, denn einen würdigen Abschluss hätte diese großartige Serie auf jeden Fall verdient.

Witze aus dem Handbuch

19. Januar 2013 Keine Kommentare

„The Manual (How to Have a Number One the Easy Way)“ hieß ein kleines Handbuch der Timelords (respektive von The KLF), die darin beschrieben, wie man ohne musikalisches Talent oder Geld einen Song produziert, der es in der Hitparade auf Platz eins schafft. Offenbar gibt es eine ähnliche Anleitung auch für Comedyserien, und Mark Bussell und Justin Sbresni haben sie gefunden.

Das neue groß angekündigte ITV-ComedyDrama „Great Night Out“ (gerade sind die ersten beiden Folgen gelaufen) scheint jedenfalls so entstanden zu sein: Man nehme vier am Reißbrett entworfene Charaktere (vier Kumpels, die auf die Vierzig zugehen: einer wäre gerne der Anführer, einer ist absolut normal und frisch geschieden, einer ewig deprimiert und einer der ewige Underdog), stelle sie in einen möglichst eindeutigen Referenzrahmen (die Lad Culture von Fußball, Bier und Sex) und lasse sie burleske Abenteuer erleben: Wie die Jungs mal aus Versehen mit dem Zug nach London gefahren sind und so fast einen gemeinsamen Abend mit ihren Frauen verpasst hätten. Wie einmal einer der Jungs einen Job als Fahrer bei einem Unterwelt-Boss angenommen hat und dann dessen betrunkene Frau nach Hause bringen musste. Haha! Man kann sich jetzt schon vorstellen, was da alles passiert.

Und genau das passiert dann auch.

„Great Night Out“ ist keine ungenießbare MarketingErfindung aus der Marketingabteilung, das nicht. Etliche Gags funktionieren, und die Besetzung kann sich sehen lassen: prominentester Gast ist „Royle Family“-Mitglied Ricky Tomlinson als Pub-Wirt, aber auch Stephen Walters (der als Mad Twatter bekannte Grasdealer aus den ersten Folgen „Skins“), Craig Parkinson (als Sozialarbeiter Shaun eines der vielen Opfer der „Misfits“), Rebekah Staton (die blonde Kollegin aus „Spy“) und viele andere können durchaus komisch und ernst. Die Autoren Bussell und Sbresni ihrerseits haben mit „Worst Week of My Life“ (BBC1, 2004 – 06) eine fantastische Sitcom (und mit „The Royal Bodyguard“, BBC1 2012, eine schreckliche) vorgelegt.

Aber bei „Great Night Out“ wirken die Plots dünn und die Wendungen erwartbar, die Figuren ausgedacht und ihre Beziehungen wie Klischees — und ich bin geneigt, das gegen die Serie zu halten, obwohl ich nicht grundsätzlich gegen einfache Plots bin, auch Erwartbarkeit nicht per se ablehne und Klischees ja immer Klischees sind, weil sie eben in der Wirklichkeit so oft vorkommen. Wenn aber der eine Funke fehlt, der Frankensteins Monster zum Leben erweckt — dann wirkt alles wie aus Plastik, künstlich und unoriginell. So auch hier. Die Absicht, einen Mainstream-Hit zu erzielen, wird zu deutlich.

Da hat also offenbar ITV eine Million Britische Pfund verbrannt. Womit wir wieder bei The KLF wären.

Kleine Glotz-Bilanz

9. Februar 2012 8 Kommentare

Wenig passiert hier in den letzten Tagen, aber die Glotze war natürlich trotzdem oft an. Meine Fernsehauswahl der letzten Wochen:

„Homeland“ (Showtime, 2011) ist weder lustig noch britisch, dafür aber dekoriert mit einem Golden Globe (Best Television Series – Drama) und nach einer israelischen Vorlage, was mich aus persönlichen Gründen immer interessiert. Inhalt: Ein US-Marine, Sergeant Nick Brody (Damian Lewis), wird nach acht Jahren Gefangenschaft in den Händen von Al Qaida von einem US-Kommando befreit und als Kriegsheld nach Washington zurückgebracht. Allerdings hat die psychisch einigermaßen labile CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes, die Julia in Baz Luhrmanns „Romeo + Juliet“) zuvor in Bagdad aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass ein langjähriger P.O.W. von Terroristen während seiner Haftzeit „umgedreht“ worden ist und nun als islamischer Terrorist in den USA eingesetzt werden soll. Das kann nur Brody sein. In der Agentur glaubt ihr nur kaum jemand, so dass Claire mehr oder weniger auf eigene Faust beginnt, Brody zu verfolgen.

„Homeland“ ist eine Mischung aus den Thriller-Elementen von „24“ (von dessen Executive Producern die Serie auch stammt) und der Hauptfigur aus „Dr. House“, die medikemantenabhängig und gebrochen ist, vielleicht weniger genialisch als House, dafür verbissener. Außerdem spielen die zentralen seelischen Beschädigungen der Israelis eine tragende Rolle, wie ja auch schon (und logischerweise) bei „In Treatment“ (HBO, 2008 – 10): Schuldgefühle (u.a. geht es um nicht legitimierte US-Kriegshandlungen), Paranoia, bipolare Störungen, Schizophrenie. Vor allem, aber nur hintergründig, um Schizophrenie, denn dass Carrie mit ihrem Verdacht nicht falsch liegt, wird sehr schnell klar: Brody ist tatsächlich beides, US-Marine, Kriegsheld und treusorgender Vater — und muslimischer… aber ich will nicht zu viel verraten.

Natürlich ist „Homeland“ ultra-konservativ; hin und wieder habe ich vor mir Homer Simpson gesehen, der mit bloßem Oberkörper „U-S-A! U-S-A!“ ruft und sein Shirt um den Kopf wirbelt. War „24“ ja auch. Geht aber vermutlich auch nicht anders, wenn man eine solche Spionagegeschichte erzählen möchte, und die scheinen im Moment ja Konjunktur zu haben (mit der neuen le Carré-Verfilmung „Tinker Tailor Soldier Spy“, „Mission Impossible“ usw.). „Homeland“ ist jedenfalls prima Fernsehen, auf der Höhe der Zeit, und die erste Staffel (eine zweite ist in Planung) endet freundlicherweise nicht mit einem riesigen Cliffhanger, der alles offenlässt, sondern schließt in einer extra langen Episode viele Handlungsstränge ziemlich endgültig ab. Jedenfalls scheint es so.

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Zurück nach Großbritannien:

„Skins“ (E4, seit 2007) läuft derzeit in der sechsten Staffel und mit dem dritten Ensemble, und ist dafür immer noch ziemlich gut. Eigentlich besser als „Fresh Meat“ (Channel 4, seit 2011), das im Prinzip das gleiche versucht: Ein junges Comedy-Drama with an attitude. „Skins“ erzählt, pro Folge um eine der jugendlichen Hauptfiguren kreisend, die Geschichte einer Handvoll Teenager rund um Bristol und begleitet sie während der letzten zwei Jahre in der Schule (Sixth Form) (daher der komplette Cast-Austausch nach je zwei Staffeln). Die Jugendlichen sind, wie die in „Misfits“ (ebenfalls E4, seit 2009), weiß Gott keine Unschuldslämmer und haben darüberhinaus mit handfesten Coming-of-Age-Problemen zu kämpfen. In der aktuellen Staffel ist gerade eine der Hauptfiguren gestorben (was die Serie davor bewahrt hat, zur Soap zu werden — ans viele Kiffen und die Häuser verheerenden Partys hat man sich ja nun gewöhnt), und eine neue ist auf den Plan getreten, die per Würfel entscheidet, was als nächstes zu tun ist, und heimlich wilde homosexuelle Erfahrungen sammelt.

Keine andere Serie schafft es so sehr, in mir den Wunsch nach unverbindlichen Drogen, lautem Sex und harter Musik zu wecken, wie „Skins“ — mit „Misfits“ und „Skins“ hat E4 derzeit das deutlich bessere Gespür für „neue“, junge Bild- und Musik-Ästhetik als die BBC, wo allenfalls „Being Human“ mithalten kann (das gerade auch in eine neue, die vierte Staffel gegangen ist). E4 ist der digitale Ableger von Channel 4, der sich vorwiegend an ein junges Publikum richtet, Experimente wagt und sogar richtig Geld dafür ausgibt. Lobenswert.

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Apropos junge Menschen:

„The Inbetweeners Movie“, zu deutsch: „Sex on the Beach“ (also eher: „deutsch“), gerade in den Kinos (bzw. womöglich schon wieder raus?) KANN in Deutschland nur total floppen, alles andere würde mich jedenfalls sehr wundern. Nicht weil dem durchschnittlichen deutschen Kinogänger die Vorgeschichte aus drei Staffeln „Inbetweeners“ fehlt (abermals E4, 2008 – 10) — ein Kinofilm muss es schon schaffen, eigenständig zu funktionieren. Sondern weil das spezielle englische Element dieser (abermals sehr jugendlichen) Komödie hier überhaupt nicht verstanden werden dürfte.

Für das unbewaffnete Auge sieht der „Inbetweeners“-Film wie eine britische Variante von „American Pie“ oder „Eis am Stiel“ aus, die hierzulande ja ebenfalls schon eher als geschmacklos und vulgär empfunden werden denn als komisch — und der „Inbetweeners“-Film legt da noch zwei Schippen oben drauf: Da werden (während eines gemeinsamen Urlaubs der vier Teenager auf Kreta, in einer absoluten Touri-Hölle der unfeinen englischen Art) Omas gebumst, Selbst-Fellatio betrieben und Leute vollgekotzt; es gibt Schwänze ins Gesicht, eine Kackwurst im Bidet, ja, es wird sogar menschliches Exkrement geschnupft— nichts, was Deutsche per se als komisch empfänden.

Für Engländer aber, deren Schamschranken (man mag es angesichts solcher Filme nicht glauben) in der Realität aber viel höher liegen, ist es lustig, wenn genau diese Schranken in einem Film, mithin erkennbar künstlich und kunstvoll, gebrochen werden. Und auch ich musste mehrfach herzlich lachen, etwa wenn der sexbesessene Jay (James Buckley) (zu Beginn des Films und noch zuhause) sich herzhaft einen von der Palme wedelt — auf dem Bett sitzend vor einem Laptop samt Live-Sex-Chat, Taucherbrille auf, Sporthandschuh an, Schinkenscheiben im… nun, und wenn dann seine Mutter reinplatzt, hinter ihr die kleine Schwester, und sagt: Jay, kommst du bitte nach unten, dein Großvater ist gerade gestorben. — dann muss ich, nach einer atemlosen Schrecksekunde, wahnsinnig lachen. Weil die Geschmacklosigkeit nicht nur geschmacklos ist, sondern eine groteske Übersteigerung von Geschmacklosigkeit, eine Geschmacklosigkeit, die praktisch in alle Ewigkeit fortgesetzt ist, mithin endlos, schließlich wird Jay sich nicht nur während der Beerdigung, sondern jedesmal, wenn vom toten Opa die Rede sein wird, an diesen Moment erinnern… Was für eine Strafe, für das bisschen Sex!

Oder wenn der widerwärtige Hotelheini auf Kreta zu seinen neuen Gästen sagt: „Have fun, but not too much. You shit on floor, you pay 50 Euro fine. Each time.“ Oder wenn Will (Simon Bird) feststellt: „Dads are like arseholes: everyone’s got one. Plus they’re arseholes.“

Will sagen: Wie da fette englische Bratzen in zu kurzen Röcken gezeigt werden, die äußere Anmut allenfalls durch ein strahlendes Selbstbewusstsein ersetzen, vier hoch peinliche Teenager zwischen Extrem-Nerd und Vollpfosten, das ist von einer Selbstironie getragen, freilich auch von darunterliegender englischer Selbstsicherheit, die es in amerikanischen Teenagerfilmen dieser Art so (glaube ich) nicht gibt, und in Deutschland schon gar nicht. Da schämt man sich allenfalls, wenn andere Leute sich dermaßen daneben benehmen, und zwar für sie, aber man lacht nicht darüber. Und schon gar nicht mit ihnen. Engländer aber schon. Das belegt nicht zuletzt der Umstand, dass „The Inbetweeners Movie“ in England den Einspielrekord aller Komödien am Premierenwochenende gebrochen hat und nun vor „Bridget Jones — The Edge of Reason“ und „The Hangover II“ liegt.

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„Noel Fielding’s Luxury Comedy“ (schon wieder E4, 2012) zuguterletzt ist „gloriously weird“ oder aber völlig witzfrei, ich bin mir noch nicht ganz sicher. Sicher ist: Es ist eine Art Sketchshow, in der Noel Fielding (die jüngere Hälfte des „Mighty Boosh“-Duos) seinen surrealen Albernheiten freien Lauf lassen darf, ohne Julian Barratt, dafür aber mit Sergio Pizzorno von der britischen Rockgruppe Kasabian, der hier die Musik beisteuert, und einigen der üblichen Verdächtigen (Bruder Michael Fielding, Rich Fulcher, Richard Ayoade). Es ist viel Animiertes dabei, an dem man auch deutlich die Fieldingsche Handschrift erkennen kann, und es ist bestimmt auch ganz lustig, für Hardcore-„Mighty Boosh“-Gucker. Ich persönlich bin nach zwei Folgen gespalten: Richtig oft lachen musste ich nicht, aber für ein endgültiges Urteil ist es wohl noch zu früh. Wer die erste Episode gucken möchte: Hier ist sie.

https://www.youtube.com/watch?v=8F7Pn8Owi-8?version=3&hl=de_DE

Endlich Frischfleisch

30. September 2011 1 Kommentar

Sechs Erstsemester ohne Gemeinsamkeiten ziehen in ein Studentenhaus — das ist die Prämisse von „Fresh Meat“ (Channel 4, bislang zwei Folgen ausgestrahlt). Da wäre die niedliche Josie (Kimberley Nixon) aus Wales, die etwas furchterregende Vod (Zawe Ashton) sowie Oregon (Charlotte Ritchie), mittelste Mittelklasse, gute Studentin und stets von der Befürchtung geplagt, langweilig zu sein. Und die Jungs: der sympathische Kingsley („Inbetweener“ Joe Thomas), ein schnöseliger Oberschichts-Affe namens JP (Jack Whitehall) und Howard (Greg McHugh), ein merkwürdiger schottischer Nerd (der einzige, der schon seit Längerem im Haus wohnt). Einen siebten Mitbewohner namens Paul gibt es zwar — zu sehen kriegt man ihn aber nie.

https://www.youtube.com/watch?v=QsDnApqgREw?version=3&hl=de_DE

Eine Ensemble-Comedy also, mit Charakteren, die schon in der ersten Episode zum Leben erwachen: Nach einem sehr unbehaglichen ersten Kennenlernen von fünf der Mitbewohner trifft Kingsley im Pub auf das rich kid JP. Der spricht ihn auf der Toilette an und lädt ihn auf ein Näschen Koks ein — allerdings nicht, weil er so großzügig wäre, sondern weil er das Zeug geschenkt bekommen hat und jemanden braucht, der für ihn testet, ob es wirklich Koks ist. Und ob es nicht am Ende vergiftet ist. Kingsley kann wenig später bei einem gutaussehenden Mädel landen, was die aus der Ferne ein bißchen in ihn verknallte Josie so enttäuscht, daß sie sich JP an den Hals wirft und später mit ihm im Bett landet — nur um am nächsten Morgen festzustellen, daß sie ihn a) nie wiedersehen möchte und b) jeden Tag wiedersehen wird, weil er nämlich der letzte noch fehlende Mitbewohner ist.

Wenig davon scheint neu zu sein, weder Setting noch Stil, aber bevor ich erkläre, warum „Fresh Meat“ trotzdem die wichtigste neue Comedy des Jahres werden könnte, hier die beiden wichtigsten Referenzen:

„Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001). Nicht nur das Studentenhaus aus „Fresh Meat“ sieht wie eine verlotterte Version des „Spaced“-Hauses aus, auch Howard ist eine Version von Mike (Nick Frost), und Oregon hat mich mehr als einmal an Daisy (Jessica Stevenson bzw. mittlerweile Hynes) erinnert. Die Situation selbst ist ebenfalls nicht ganz unähnlich: Tim (Simon Pegg) und Daisy kannten sich schließlich ebenfalls kein bißchen, als sie zusammengezogen sind. Die zweite Folge in beiden Serien drehte sich um eine Housewarming-Party (da hören die Gemeinsamkeiten der Partys aber auch schon wieder auf). Die Wärme, mit der die Charaktere in „Spaced“ gezeigt werden, ist in „Fresh Meat“ auch da — Josie und Kingsley jedenfalls sind mit genügend Charme gesegnet.

„Skins“ (E4, seit 2007). „Skins“ hat Maßstäbe gesetzt, was authentische Jugendliche in Serien angeht, die an ebendiese Zielgruppe adressiert sind. Wie „Skins“ kommt auch „Fresh Meat“ in Comedy-Drama-Episodenlänge (45 Minuten) daher, beides spielt im Norden Englands (Bristol/Manchester), hie wie da gibt es Regie-Mätzchen, die ambitioniert sind, aber nicht überambitioniert. Die Idee, SMS-Texte einzublenden, hat sich „Fresh Meat“ von „Sherlock“ geborgt.

Sam Bain und Jesse Armstrong („Peep Show“, „The Thick of It“) machen alles richtig: Sie verzichten auf allzu hassenswerte und larger than life-Figuren (wie etwa Andy Nymans Jonty de Wolfe in „Campus“, der mißratenen anderen Universitäts-Comedy des Jahres vom „Green Wing“-Team, ebenfalls Channel 4), stattdessen gibt es realistischere Situationen und Stories sowie Charaktere, zu denen man als Zuschauer unmittelbar Anschluß findet. Dafür wählen sie einen Regie-Stil, der auf allzu großen Realismus verzichtet, weggeht von allem Dokumentarischen und Semidokumentarischen, und hin (bzw. zurück) zu den elaborierteren Erzählformen gerade aktueller Drama- und ComedyDrama-Serien. Kurz: Weniger „The Office“, mehr „Spaced“.

Das aber halte ich für die Comedyform der Zukunft: Keine Wackelkamera und Riesenarschlöcher mehr, dafür kunstvollere Erzählweisen und familienkompatiblere Geschichten. Mag sein, man muß sich daran erst wieder gewöhnen — die zweite Folge „Fresh Meat“, vom „The Thick of It“-Autor Tony Roche, hatte zwar einen guten bis sehr guten Plot, allerdings fehlten ihr für die volle Punktzahl dann doch ein, zwei Knaller-Pointen. (Abgesehen davon, daß Robert Webb in seiner Gastrolle als Uni-Prof mich nicht nur schmerzlich an mein eigenes Alter erinnert hat [ich meine: Robert Webb! Als Uni-Prof!!], sondern auch die allzu platte Karikatur eines anbieternden Dozenten war.)

Größtes Manko von „Fresh Meat“ dürfte die dreiviertelstündige Form sein. Auf eine halbe Stunde eingedampft wäre die Show ohne weiteres die beste Sitcom der Saison. So aber könnte es sein, daß die Autoren noch ein, zwei Folgen brauchen, bis die Serie völlig ausbalanciert ist. Die Chancen dafür aber stehen gut, und vielleicht markiert „Fresh Meat“ ja in der Rückschau in ein paar Jahren den Wendepunkt der Comedy in den Zehnerjahren. Schaumermal.

And the Peep goes on…

20. Dezember 2010 1 Kommentar

Die mittlerweile in der siebten Staffel laufende Sitcom „Peep Show“ wird fortgesetzt. Das berichtet der British Comedy Guide. Channel 4 hat gleich zwei weitere Staffeln in Auftrag gegeben und wird „Peep Show“ damit zu seiner Sitcom mit den meisten Seasons bis dato machen, und zwar ungeachtet der Tatsache, daß die Show von Jesse Armstrong und Sam Bain nur mäßige Einschaltquoten erreicht. Die erste Folge der aktuellen Staffel erreichte nur sehr maue Quoten; möglicherweise, weil Channel 4 sie schon vor Ausstrahlung als Online-Stream angeboten hatte.

Allerdings werden die Fans von David Mitchell und Robert Webb wohl noch eine Weile warten müssen, bis Staffel acht anläuft: Denn Armstrong und Bain haben gerade den Auftrag für ein großes neues Comedy-Drama von Channel 4 erhalten, wie Chortle berichtet. „Fresh Meat“ soll das Leben einer Handvoll Studenten in Manchester zeigen und wird als „‚Skins‘ two years on“ beschrieben. Armstrong und Bain sollen acht 45-Minuten-Folgen erstellen und dafür ein Autorenteam leiten. Die Show soll nächsten Sommer anlaufen — und die nächste Staffel „Peep Show“ deswegen auf 2012 verschoben werden.

„Misfits“: Dritte Staffel bestätigt

29. August 2010 Keine Kommentare

Noch vor Ausstrahlung der zweiten Staffel „Misfits“ hat E4 bereits eine dritte bestellt. Das hat Howard Overman gerade bestätigt. Außerdem soll es ein Weihnachts-Special geben, das einen Link zwischen Staffel  zwei und drei herstellen soll und den Autor vor ein ganz besonderes Problem stellen wird: Es wird nämlich just eine Woche nach der sechsten und letzten Episode der zweiten Staffel zu sehen sein und infolgedessen von den Zuschauern als siebte Episode wahrgenommen werden, soll aber den typischen Charakter von Weihnachts-Sonderfolgen haben, die traditionell in sich abgeschlossen und sozusagen „außer der Reihe“ stehen.

Über die zweite Staffel des Comedy-Dramas rund um eine Handvoll delinquenter Jugendlicher, die peu á peu feststellen, daß sie über Superkräfte verfügen, ist noch wenig bekannt; Overman hat aber bereits berichtet, daß der sensationelle Cliffhanger der ersten Staffel sofort aufgelöst werden soll: Die erste Folge der zweiten Season wird schon wenige Tage nach dem Ende der ersten den Handlungsfaden wieder aufnehmen. Außerdem steht schon fest, daß wiederum die dritte Staffel große Veränderungen mit sich bringen wird: Das Häufchen merkwürdiger Superhelden wird nämlich bis dahin die Jugendstrafen verbüßt haben — und die Serie damit eine ganz neue Handlungsgrundlage benötigen.

Nicht zuletzt darin ähnelt „Misfits“ also „Skins“, das ebenfalls nach zwei Staffeln ein großes Problem bekam, weil alle Figuren mit ihrem Schulabschluß die Klammer verloren, die die Geschichte zusammengehalten hatte. „Skins“ hat das Problem damals radikal gelöst — und (bis auf einige wenige Nebenfiguren) einen komplett neuen Cast zusammengestellt. Was der Serie überraschenderweise und zum Glück nicht geschadet hat. Eine ähnlich radikale Lösunge wäre auch bei „Misfits“ vorstellbar. Und sie hätte den Nebeneffekt, daß mit neuen Figuren auch ganz neue Superkräfte und die Folgen ihrer Anwendung durchgespielt werden könnten.

Overman soll außerdem (wie bereits berichtet) für die BBC einen Piloten zu Douglas Adams‘ „Dirk Gentleys holistische Detektei“ schreiben und steckt hinter der von der Kritik zu Recht verrissenen Cop-Comedy „Vexed“.

Hier nochmal der Trailer zur ersten Staffel „Misfits“, die im letzten Jahr mit einem Bafta (bestes Drama) ausgezeichnet wurde:
https://www.youtube.com/watch?v=dkL6AOFgmls&hl=de_DE&fs=1&