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Artikel Tagged ‘Spitting Image’

Musson sein Senf

John Lloyd gehört zu den Comedy-Größen in der zweiten Reihe, die man als Fernsehzuschauer für gewöhnlich nicht wahrnimmt: Er hat alle Folgen „Blackadder“ (BBC1, 1983 – ’89) produziert, zuvor schon „Not the Nine O’Clock News“ (BBC2, 1979 – ’82), und auch „Spitting Image“ (ITV, 1984 – ’96). Noch früher hatte er die Radio-Hörspielreihe „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ (1978) für BBC Radio 4 produziert und sogar mitgeschrieben. Seit 2003 macht er das Panel-Quiz „QI“, in der Show-Host Stephen Fry seine Gäste in monothematischen Sendungen zu abseitigen Themen befragt (hier, wer mag, die Sendung über Deutschland, Ausschnitte daraus waren schon irgendwo in den Kommentaren verlinkt).

Lloyd hat bestimmt viel zu erzählen: Über Rowan Atkinson, Douglas Adams, den jungen Steve Coogan (der bei „Spitting Image“ Puppen synchronisierte) — und wie er letztes Jahr für seine Verdienste um den Rundfunk den OBE verliehen bekommen hat. Und vielleicht tut er das ja auch: In dem Interview im britischen Fanzine Mustard. Zehn Seiten hat ihm Alex Musson, der Herausgaber von Mustard (Eigenwerbung: „It’s a gas!“), in der neuen, der sechsten Ausgabe eingeräumt, und weil die Interviews mit Richard Herring und Stewart Lee in Ausgabe fünf schon sehr gut waren und das mit Jesse Armstrong und Sam Bain (den Autoren von „Peep Show“) auch ganz ok, empfehle ich das ganze Heft mal, bevor ich selbst es im Briefkasten habe.

Unterwegs mit Rob und Steve

3. November 2010 5 Kommentare

„Es ist 2010. Alles ist gemacht, man kann nur etwas nochmal machen, anders oder besser“, sagt Rob Brydon (Rob Brydon) in den ersten Minuten von „The Trip“ (BBC2) zu Steve Coogan (Steve Coogan). Vielleicht auch eine Absicherung gegen Kritiker, denn tatsächlich: Brydon als Brydon zusammen mit Coogan als Coogan unter der Regie von Michael Winterbottom, das gab es tatsächlich schon: In der Verfilmungs-Verfilmung von Laurence Sternes „Tristram Shandy“, „A Cock And Bull Story“ (2006).

Hier nun reisen die beiden durch den nordenglischen Lake District, und zwar unter der Fiktion, daß Coogan eine Gastro-Kolumne vom Observer bekommen hat, für die er Restaurants besprechen soll. Leider ist seine amerikanische Freundin Mischa im letzten Moment abgesprungen, Coogan will aber nicht alleine reisen, also telefoniert er herum und landet, sonst hat leider niemand Zeit, schließlich bei seinem alten Kumpel Brydon. Der kommt gerne mit, und es entspinnt sich ein Roadtrip, während dem die beiden Freunde (und Konkurrenten im Comedy-Geschäft) über Gott und die Welt parlieren und vor allem ihre Fähigkeit vergleichen, Stimmen zu imitieren: die von Anthony Hopkins, Ronnie Corbett oder, wie hier im Clip, Michael Caine:
https://www.youtube.com/watch?v=HFIQIpC5_wY?fs=1&hl=de_DE

Im Laufe der ersten Episode wird klar, wie die beiden ticken: Coogan ist mit seinen Rollen in großen US-Filmen der erfolgreichere von beiden, der gerne mit seinem Agenten telefoniert („I don’t want to do British TV!“), schnell ein bißchen arrogant wirkt und reichlich kurz angebunden wirkt, als sich herausstellt, daß im ersten Hotel in Erwartung eines Pärchens lediglich ein Doppelzimmer gebucht ist statt zwei Einzelzimmer — und daß es auch kein freies Zimmer mehr gibt. Brydon hingegen, seinerseits mit Auftritten in zahllosen Pannel-Shows in England derzeit viel präsenter als Coogan, hat kein Problem, mit Coogan in einem Doppelbett zu schlafen, gibt den sympathischen Familien-Typ und wird prompt für den Assistenten Coogans gehalten.

Noch ist es ein bißchen unentschieden, wohin die Reise mit „The Trip“ wirklich gehen soll. Während der ersten Folge hatte ich das Gefühl, ich möchte nicht endlos dabei zusehen müssen, wie Coogan und Brydon einen Schauspieler nach dem anderen imitieren. Wenn sie aber etwa darüber streiten, wie man einem Kellner nach dem Probe-Schluck zu verstehen gibt, daß man mit der Flasche Wein einverstanden ist, oder wie man am naturgetreusten das Geräusch einer Pistole mit Schalldämpfer nachmacht, das hatte etwas im besten Sinne „Seinfeld“-haftes, dem ich noch länger zusehen könnte.

Es steckt vielleicht noch ein wenig mehr in dem Gespann Brydon/Coogan, das ja tatsächlich im wahren Leben genauso befreundet ist wie hier vor der Kamera und die gleichen Konflikte hat: Coogan als der erfolgreichere, aber unzufriedenere, Brydon als der ausgeglichenere, der zu Beginn seiner Karriere vom frühen Erfolg Coogans angestachelt war, selbst nachzuziehen. Selbst daß Coogan die Nase voll hat vom ewigen Promi-Parodieren, dürfte der Wahrheit entsprechen: Seine Comedy-Laufbahn hat bei „Spitting Image“ begonnen, wo er nichts anderes gemacht hat, als den Promi-Puppen seine Stimme zu leihen; umso glücklicher dürfte er gewesen sein, endlich mit Alan Partridge eine Figur entwickelt zu haben, die vollständig ihm gehörte.

The talented Mr Allan

10. Januar 2009 2 Kommentare

„Tonight is what I call a JFK kind of a night because, just as everyone can remember what they were doing when President Kennedy was shot in the head, I like to think that thirty years form now, people will remember what they were doing when I first said ‚Ah-haa.'“

Mit diesen leicht irritierenden Worten beginnt Alan Partridge die erste Folge seiner eigenen Fernsehshow „Knowing Me, Knowing You… With Alan Partridge“ (BBC 1994) (oder „KMKYWAP“, wie Alan (Steve Coogan) sie selbst gerne nennt), eine klassische Fernseh-Talkshow mit prominenten Gästen, Musik und Showacts. Die Bühne ist „der Lobby eines internationalen Top-Hotels“ (Partridge) nachempfunden, hat eine eigene Showband sowie, „for the first time ever on a chat show“, einen Springbrunnen. Und vom ersten Moment, in dem Alan in seinem etwas zu großen, auberginefarbigen Blazer auf die Bühne rennt, pantomimisch eine Pistole zieht und ins Publikum schießt, um anschließend die erste von vielen merkwürdigen Metaphern zu verwenden („As tonight’s motorcade of chat cruises through celebrity city, let’s hope there isn’t a lone sniper waiting to pick off my star guest!“), ahnt der Zuschauer: Hier geht es weniger um die Gäste als um den merkwürdigen Gastgeber, der ohne erkennbaren Grund sehr von sich eingenommen scheint, seinen Gästen gegenüber eine bestenfalls unklare Haltung an den Tag legt, sie schlimmstenfalls aber beleidigt und beschimpft, und der von einer geistigen und emotionalen Armseligkeit ist, die immer wieder zu peinlichen, mitleiderregenden und sehr häufig hochkomischen Momenten führt.

So lädt Alan etwa die britischen Staffelläuferinnen der Berliner Olympiade von 1936 ein, hochbetagte Damen, von deren erstem Treffen nach langer Zeit Alan sich tränentreibende Momente erhofft. Natürlich kann er seine Enttäuschung nicht verbergen, als sich herausstellt, daß das Wiedersehen bereits ein halbes Jahr zuvor bei Alans Konkurrent Dave Lee Travis vom Privatfernsehen stattgefunden hat und die Damen darum lieber ein kleines privates Schwätzchen halten als vor Rührung telegen zu weinen.

Alan: „I don’t believe it. He’s done it again. Did you cry on his show?“

Elsie, Georgina and Ann: „Oh, yes, buckets, didn’t we?“

Alan: „Oh, great.“

Elsie: „Even David cried.“

Im Anschluß bittet Alan, man möge sich vorstellen, es sei 1936 und man sei im Berliner Olympiastadion — „Everyone’s here: Hitler’s in his box; Jesse Owens just waved at him — he doesn’t like that“ — und läßt dann die Ladys vor Hakenkreuzkulisse einen Mini-Staffellauf-Parcours absolvieren. Zum Schluß dieser, der dritten Folge, treten dann Hot Pants auf, die Tanztruppe des deutschen Getränkeherstellers Sprünt, für den Alan in der Sendung Schleichwerbung gemacht hat, und Alan setzt sich schonmal halbnackt in den Jacuzzi — nicht wissend, daß Hot Pants vier gut gebaute schwarze Stripper sind, die nach ihrer Showeinlage zu Alan ins Wasser kommen: „Ahh! They’re men! They’re men! And on that bombshell, goodnight, ah-haa! Sprünt! Sprünt!“

Alan Partridge ist Steve Coogans erfolgreichste Figur, und mit „Knowing Me, Knowing You“ gelang ihm 1994 der Durchbruch. Er war zuvor (schon mit 24) als Stimme in „Spitting Image“ aufgefallen, hatte bereits Radio und Fernsehen gemacht und auch die Figur des scheiternden Moderators Alan Partridge schon für Chris Morris‘ Nachrichtenspoof „The Day Today“ auf die Mattscheibe gebracht, als es ihm der Erfolg dieser Sitcom ermöglichte, den Grundstein zu seinem eigenen Comedy-Imperium zu legen, das heute eine eigene Produktionsfirma (BabyCow) und eine leidliche Karriere in Hollywood umfaßt. Hinter den Kulissen wirkte der geniale Armando Iannucci als Produzent und Coautor mit, und das Schauspielerteam Rebecca Front, Patrick Marber und David Schneider sollte Coogans Karriere ebenfalls zu beiderseitigem Nutzen begleiten.

Die Figur Partridge tauchte 1997 und 2002 in „I’m Alan Partridge“ wieder auf, als seine (fiktionale) Karriere bereits steil nach unten geführt hatte und Partridge Radiomoderator in der englischen Provinz war. Noch immer gibt es Gerüchte um einen geplanten Kinofilm mit Alan Partridge: Die Figur ist laut Coogan jedenfalls nicht tot — wenn es ihm einfiele, packe er sie wieder aus und reanimiere sie. Bis dahin wird man sich „KMKYWAP“ inklusive des Weihnachts-Specials „Knowing Me, Knowing Yule“, in dessen Verlauf Alan live von seinem Arbeitgeber gefeuert wird, immer wieder ansehen und vor Peinlichkeitslachen auf dem Sofa kringeln müssen (auf DVD erhältlich).

Geoffrey Perkins R.I.P.

1. Oktober 2008 Keine Kommentare

Wer auch nur eine kleine Sammlung britischer Sitcom-DVDs sein eigen nennt, wird höchstwahrscheinlich gleich auf mehreren den Namen Geoffrey Perkins finden, ohne daß ihm das je auffallen müßte. Perkins war einer der erfolgreichsten Comedy-Produzenten im Vereinigten Königreich: Für „Hat Trick“ produzierte er „Spitting Image“, „Have I Got News For You“ und „Father Ted“, wurde 1995 Head of Comedy der BBC, von der er sich vertraglich zusichern ließ, weiterhin produzieren zu dürfen. Nichtdestoweniger verzweifelte er bald an ausufernder Bürokratie, zu knappen Budgets sowie der tiefsitzenden Geringschätzung des komischen Fachs innerhalb des Senders. Für den realisierte er hochdekorierte Serien wie die „Fast Show“ und „The Royle Family“ und sorgte mit der Neuauflage von „Only Fools And Horses“ 2001 für eine kleine Sensation; nebenbei schrieb er auch selbst Drehbücher und übernahm untergeordnete Rollen vor der Kamera.

Außer für seine bemerkenswerten TV-Leistungen für das Land des Lachens (erwähnt seien an dieser Stelle mangels Platz nur noch „Hippies“ und „Coupling“) ist Perkins vor allem für eins zu danken: daß er, 25 Jahre jung, als Radioproduzent genügend Geduld mit Douglas Adams besaß, der für unfaßbar langsames Arbeiten und verpaßte Deadlines berüchtigt war. Perkins half Adams dabei, die Skripte für die Hörspielversion von „Per Anhalter durch die Galaxis“ fertigzustellen, die durch Perkins’ innovative Soundbasteleien eine der lustigsten und originellsten Radiocomedys aller Zeiten wurde, das Image des ausstrahlenden Senders veränderte und bis heute Standards setzt.

Geoffrey Perkins starb am 29. August viel zu früh mit 55 Jahren.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2008)