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Yes, Ambassadors

8. November 2013 5 Kommentare

Es ist ein bisschen schade, dass sich James Wood und Rupert Walters entschlossen haben, die drei Stunden Serienzeit für „Ambassadors“ (BBC2, gerade zu Ende gegangen) auf dreimal eine Stunde zu verteilen, statt auf die üblichen sechs halben Stunden. Denn wäre „Ambassadors“ eine „richtige“ Serie geworden statt einer Miniserie, die nach drei Folgen gerade erst Fahrt aufgenommen zu haben schien, dann hätte sie das Zeug gehabt, 2013 neben „The Wrong Mans“ ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. So muss sich das ComedyDrama mit David Mitchell und Robert Webb in den Hauptrollen mit einem zweiten Platz begnügen.

„Ambassadors“ ist die Geschichte des britischen Botschafters Keith Davis (Mitchell) im fiktionalen Tazbekistan (hat nichts mit der alternativen Tageszeitung zu tun, auch wenn hier wie dort vermutlich ähnliche Löhne gezahlt werden). Tazbekistan ist eines der ex-sowjetischen Länder mit -stan am Schluss, wo Erdöl und Bestechungsgelder sprudeln, Menschenrechte keine entscheidende Rolle spielen und wo noch lukrative Rüstungsdeals abzuschließen sind. Keith und seine leidensgeprüfte Ehefrau Jennifer (Keeley Hawes, die Stimme von Lara Croft in den „Tomb Raider“-Spielen) sind neu in Tazbekistan, und Keith hat noch etwas vor mit seiner Karriere (obwohl er oft eher zögerlich handelt, wohl wissend, dass ein einziger Fehler alles ruinieren kann). Unterstützt wird er vom erfahrenen Deputy Head of Mission Neil Tilly (Webb), einem idealistischen Zyniker, der die alltäglichen Abläufe in der Botschaft managed. Dort wiederum finden wir einen Mitarbeiterstab aus Briten und Tazbeken, miteinander verbandelt in amourösen wie kritischen Beziehungen gleichermaßen, und tazbekische Geheimdienstler, die die Botschaft rund um die Uhr abhören.

Ein realistisches Setting also, ähnlich dem von „Yes, Minister“ bzw. „Yes, Prime Minister“ (BBC2, 1980 – 88), einer der klassischen politisch-satirischen Britcoms (die heute aber kaum noch erträglich ist, wenn man nicht sowohl eine große Zuneigung zu kostengünstigen Serien der Achtziger hat als auch ein profundes Wissen englischer Politik). Webb erklärt denn auch, „Ambassadors“ sei

sort of „Yes, Prime Minister“ meets „Spooks“ at a bad disco and „Yes, Prime Minister“ is a bit sick on „Spooks“, but „Spooks“ doesn’t mind. It’s like that.

Entsprechend sind auch die Geschichten im Grunde recht glaubhaft: Wenn etwa Keith alles daran setzt, den Tazbeken britische Militärhubschrauber zu verkaufen (bevor der französische Botschafter einen ähnlichen Deal machen könnte), ihm aber ein arroganter, wichtigtuerischer Menschenrechtsaktivist dazwischenkommt, den es vor dem Gefängnis (und schlimmerem) zu bewahren gilt — womöglich allerdings auf Kosten des Deals. Eine schwierige Entscheidung, zumal der Aktivist wirklich sehr arrogant ist…

„Ambassadors“ ist, und das macht mir die Serie so sympathisch, dabei eher auf der politisch korrekten Seite. Natürlich werden die Tazbeken als Klischee-Russen aus der Provinz gezeichnet, die gerne Wodka trinken und ungenießbare schwere Essen servieren, deren Weiber in geschmacklosen Flittchenklamotten herumlaufen (sehr gut: die Präsidententochter, die Sängerin, Politikerin, Charity-Lady und Sexobjekt in einem ist) und deren Militärpolizei genauso skrupellos ist wie die oppositionellen Drogenbarone (oder sind es drogendealende Oppositionelle?). Und mit am lustigsten sind die Szenen, in denen Keith die (ausgedachte, aber ebenfalls glaubwürdig klingende) tazbekische Sprache mit typischen Beispielsätzen übt: „Das Minenfeld ist neben der Schule.“ — „Ich habe neun Finger. Du hast zehn Finger.“

Aber das Gros der Scherze geht auf britische Kosten. In der ersten Folge etwa wird uns nicht nur das Leben der Tazbeken als Witzvorlage gereicht, sondern vor allem das der Briten im Ausland: viel schlimmer/lustiger als alle Klischeerussen ist das „Best of British“-Festival der Engländer, die nicht mehr auf die Füße zu stellen in der Lage sind als eine Mittelaltertruppe aus Gloucestershire, eine Vorführung, wie man Pork Pie macht, und einen gockelhaften Schauspieler, der eine Ein-Mann-Version von „Frankenstein“ vorführt.

Und da wäre noch die Frage, wo eigentlich Keiths Vorgänger geblieben ist…

JENNIFER
Does anyone know what actually happened to Keith’s predecessor?

NEIL
Someone from the Cabinet Office thought they saw him recently in Phuket — working in a transvestite hammam. But technically he’s just missing.

JENNIFER
(Pause) What was someone from the Cabinet Office doing in…?

„Ambassadors“ profitiert natürlich enorm von der Chemie zwischen Mitchell und Webb. Besonders Robert Webb ist in seiner Rolle als Assistent Neil glaubwürdig, der einerseits immer auf Seiten der Moral ist (und etwa den Aktivisten gegen die Rüstungspläne Keiths raushauen möchte), andererseits von den Tazbeken erpresst wird (und ihnen die Privat-Telefonnummern englischer B-Promis verraten muss): Ein schön vielschichtiger Charakter.

Gegen die fein gezeichneten Botschafter dürfen die Gaststars dann entsprechend etwas gröber geschnitzt sein. Tom Hollander („Rev.“) gibt in der zweiten Folge einen englischen Aristokraten von eher niederem Adel, Prince Mark, dessen IQ kaum über seiner Bedeutung für die königliche Familie liegt und dessen Vorliebe für asiatische Frauen, Alkohol und Four Season-Hotels prompt zu diplomatischen Spannungen führt. Hollander spielt Mitchell und Webb in dieser Folge beinahe an die Wand: denn er darf so überspannt sein, wie Mitchell und Webb zurückhaltend sein müssen. Man fragt sich unwillkürlich, wer wohl das Vorbild war für diesen überdrüssigen royalen Kindskopf, der mit Steinen nach Pfauen wirft, wie man in diesem Ausschnitt sehen kann:

„Ambassadors“ ist keine schnelle und laute Serie, sondern setzt eher auf sophistication. Wer Witze von „Borat“-Kaliber erwartet, ist hier falsch. Sie ist eher langsam und verkneift sich hin und wieder Scherze, die man sich vielleicht gewünscht hätte, Scherze der etwas derberen und drastischeren Art. Dafür glaubt man ihren Figuren und dem Look der Serie, die zu weiten Teilen in Bursa in der Türkei gedreht wurde, wo es sehr realistisch nach Tazbekistan aussieht.

Mitchell und Webb sind, wenn man das von Comedians um die vierzig sagen kann, erwachsen geworden, und ich bin gespannt, ob sie in ihren Rollen in „Peep Show“ (Cannel 4, seit 2003) noch glaubwürdig sein können. Deren nächste, die neunte Staffel (!) ist für 2014 angekündigt, und Channel 4 hat schon bekannt gegeben, dass es die letzte sein wird.

Dafür gibt es hoffentlich ein Wiedersehen mit den „Ambassadors“. Gerne eines, das länger dauert als drei Folgen.