Blick in die USA: „Breaking Bad“ – die Chemie stimmt
Aus strahlend blauem Himmel segelt eine beige Herrenhose und bleibt auf einem Feldweg mitten in der Wüste liegen; ein dinosauriergroßes Wohnmobil rast darüber weg. Im Wohnmobil liegen zwei leblose Menschen, allerhand Laborgerät purzelt durcheinander, bis der Mann am Steuer, nur mit Unterhose und Gasmaske bekleidet, die Kontrolle verliert und den Wagen in den Graben fährt. Er springt aus dem Gefährt, in welchem er seinen bewußtlosen und ebenfalls mit Gasmaske angetanen Beifahrer zurückläßt, streift sich wenigstens ein Hemd über, holt eine großkalibrige Pistole aus dem Wohnmobil und stellt sich, nachdem er letzte Worte an seine Familie in eine Videokamera gesprochen hat, mit der Waffe im Anschlag dem lauter werdenden Sirenengeheul auf der Straße entgegen.
Das ist die erste Szene von „Breaking Bad“ (AMC 2008 – ), und wenn ich diese Serie für nur einen ihrer zahlreichen brillanten Drehs loben müßte, dann dafür, daß sie den Einfall hatte, den Cliffhanger vieler Episoden je an den Anfang der Folge zu stellen: Denn nach dieser furiosen Eröffnung wird erst einmal erklärt, wie der fünfzigjährige Chemielehrer Walter White, der Mann in der Unterhose, an diesen Punkt seines Lebens kam. Dazu braucht „Breaking Bad“ nicht einmal die ganze erste Folge — schon nach einer guten dreiviertel Stunde sind wir wieder im staubigen Hinterland New Mexicos und fragen uns, was da jetzt wohl kommen mag: Wenn schon in der ersten Folge die Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Transformation eines biederen amerikanischen Untere-Mittelschichtsbürgers in einen höchst kriminellen Crystal-Meth-Koch eingetreten ist, die Verwandlung eines Biedermannes in eine loose cannon?
Da kommt noch einiges. Und wenn ich nicht sehr irre, hat „Breaking Bad“ das Zeug dazu, die nächsten „Sopranos“ zu werden. Die Vorstadtdealergeschichten von „Weeds“ jedenfalls (der naheliegendste Vergleich) läßt es sehr schnell hinter sich; und „Weeds“ war gut (na, die ersten zwei Staffeln jedenfalls). Daß „Breaking Bad“ noch besser ist, liegt zum einen an dem ausgezeichneten Bryan Cranston, der den Vater in „Malcolm in The Middle“ gespielt hat und hier zu oscarreifer Form aufläuft. Es liegt selbstverständlich aber auch an dem Creator Vince Gilligan, der schon für die „X-Files“ geschrieben hat und hier ein düsteres ComedyDrama aufmacht. Die Betonung liegt hier auf Drama (in der ersten Epsiode ist kein lauter Lacher), dessen filmische Umsetzung aber ist oft die einer Komödie: Humor als comic relief für allzu gewalttätige, krasse Momente, an denen „Breaking Bad“ nicht arm ist. Und die starke Identifikation mit Walter, der im harten Drogengeschäft ein fish out of water par excellence ist und mit seinem viel jüngereren Compagnon eine Neuinterpretation des odd couple darstellt, sorgt für so viel kriminelle Sympathie, daß man ihm auch zutiefst unmoralische Taten ohne weiteres verzeiht. Nicht zuletzt die tolle Kamera- und Regiearbeit mit vielen Zeitraffer-Sequenzen und hübschen visuellen Einfällen bspw. zur Umsetzung von Drogenräuschen (ich mußte öfter mal an die Crystal Meth-Komödie „Spun“ denken), das gute Ensemble (etwa der unter Kinderlähmung leidende RJ Mitte als Walter White jr.) und der erkennbare Wille zu einem Realismus was die Gefährlichkeit, aber auch die Anziehungskraft von Methamphetaminen ausmacht, heben „Breaking Bad“ weit über das Gros amerikanischer TV-Serien.
Bevor ich ins Detail gehe und Spoiler folgen lasse, noch ein paar Informationen für alle, denen diese Beschreibung schon reicht, um einige der besten Serienabende des Jahres beim Onlinehändler ihres Vertrauens in Auftrag zu geben: Es gibt eine deutsche DVD-Ausgabe, denn „Breaking Bad“ ist bis vor kurzem auf dem PayTV-Sender AXN gelaufen, und die Synchronisation scheint (ausgerechnet bis auf die Stimme der Hauptfigur) auch okay zu sein; die erste Staffel hatte wegen des Autorenstreiks nur sieben Folgen statt geplanter neun; die zweite Staffel läuft in den USA gerade und eine dritte ist schon in Auftrag.
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