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Artikel Tagged ‘Stefan Gärtner’

Die Leiden des jungen Gärtners

Ich muss es gleich einräumen: Den obenstehenden Titel habe ich nur gewählt, weil der Anklang so schön gepasst hat. So jung ist er ja nämlich nicht mehr, der „junge“ Gärtner, haha, und es wäre natürlich auch unprofessionell, die Hauptfigur in Gärtners Roman „Putins Weiber“ (Rowohlt Verlag) mit dem Autor gleichzusetzen. (Apropos setzen: Neben ihm, also Gärtner, habe ich zehn Jahre in der Redaktion von TITANIC gesessen und wir sind befreundet, nur damit das gleich offengelegt ist.)

Andererseits ist die Hauptfigur schon erkennbar mit Zügen des Autors ausgestattet: selbst Autor, Kolumnist gar; der Roman spielt an Orten, wo auch sein Autor wohnt oder gewohnt hat (Frankfurt/Main, Bielefeld), und es gibt auch einige Details, die sich dem Leser ohne persönliche Bekanntschaft zu Gärtner nicht ohne weiteres erschließen.

Allerdings, und da fängt das Verwirrspiel schon an, distanziert sich der Autor sofort von seinem Werk, auch innerhalb des Romans, der nämlich aus der Sicht von gleich zwei männlichen Hauptfiguren geschrieben ist, einmal in der ersten und einmal in der dritten Person: Da gibt es nicht nur Putin, der von Vera, seiner Freundin betrogen und anschließend freigestellt wird in dem Sinne, dass er nun ebenfalls „einen gut“ hat. Sondern da ist noch der Icherzähler Winkelhock, (allzu) freier Autor, ebenfalls um die 40, der es mit den Weibern in seinem Leben immer so gehalten hat, dass er sich zwar überall Appetit geholt hat, aber wie die Maus im Käseladen darüber beinah verhungert wäre und sich nun auf die Suche macht: Nach den vertanen Chancen, verpassten Gelegenheiten und nicht getroffenen Entscheidungen.

Wie deckungsgleich diese beiden Figuren sind, soll nicht verraten werden. Wohl aber, dass diese recherche du temps perdu mit leichter Feder geschrieben, mit funkelnden Dialogen durchsetzt und überhaupt sehr unterhaltsam geraten sind. Denn „Putins Weiber“ ist zwar ein Roman der (auch nicht mehr ganz so) neuen Innerlichkeit — durchaus verblüffend, ist Gärtner doch sonst eher systemtheoretisch und -kritisch unterwegs –, aber klarerweise ein ironischer, humorvoller.

Da bramarbasieren die Provinz-Bohemiens in bester Henscheid-Schule bei endlosen bekifften Gartenfesten, werden freundschaftliche Dialoge mit der ganz feinen Klinge ausgefochten und, ja, dann doch auch Frauen verräumt. Zur Sache, Schätzchen, wünscht man sich zwar hin und wieder, wenn die Parenthesen sich türmen, aber das ist nun mal Gärtners Stil, und der ist ansonsten von Genauigkeit und Poesie getragen, also seien ihm die allzu absichtsvoll komplizierten Schachtelsätze verziehen.

„Putins Weiber“ stellt sich in die Tradition der Neuen Frankfurter Schule: komisch, vor allem, literarisch eher im Vorbeigehen, ohne große Botschaft und ohne den Anspruch, für mehr zu stehen als sich selbst, am Ende gar für eine Generation, obwohl sich womöglich genau deshalb mehr Männer in Putin wiedererkennen könnten, als man glaubt: die ihr Leben vor sich her geschoben haben und nun, weil sie nichts verpassen wollten, befürchten müssen, alles verpasst zu haben.

Wies’n-Bilanz 2010

1. Oktober 2010 Keine Kommentare

Höllenritt zu dritt

Noch ist sie nicht vorbei, aber ein Trend der Wies’n 2010 läßt sich schon feststellen: Es wird viel Bier getrunken (während ich dies schreibe, läuft, kein Witz, gerade zufällig „The Alcoholic“ von Röyksopp in meinem .mp3-Player) und es wird gleichermaßen den Fahrgeschäften zugesprochen. Und zwar immer abwechselnd. Was das mit Quatschautoren und Musikern (S.!) macht, hat Stefan Gärtner drüben beim „European“ aufgeschrieben. Eine Mordsgaudi war’s jedenfalls!

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The best car show… in the world!

Das geht ja gut los: Gleich der hmpfte Beitrag ist nicht von mir! Sondern vom geschätzten Kollegen Gärtner! Und dann noch nicht mal über eine Sitcom — sondern eine Autosendung! Die aber ist (renn-)streckenweise so komisch, daß ich sie hier unbedingt jetzt sofort vorstellen muß. Und als Alibi gibts hier noch einen Link zu YouTube, wo sich eine schöne Parodie auf Jeremy Clarkson findet, der „Top Gear“ zusammen mit Richard „The Hamster“ Hammond und James „Captain Slow“ May präsentiert. Die Parodie übrigens stammt aus „Harry and Paul“, einer Koproduktion von Harry Enfield und Paul Whitehouse, der seinerseits mit „The Fast Show“, „Help“ und… aber dazu ein andermal.

Wenig auf der Welt ist so genuin stumpfsinnig wie eine Autofahrersendung im Fernseh: Von den immergleichen Moderationsmaschinen werden bei immergleichen sog. Vergleichstests die immergleichen Beschleunigungswerte, Kofferraumvolumina und Höchstgeschwindigkeiten ermittelt, nur damit irgendein Kraftfahrzeug Sieger im Segment »Untere Mittelklasse« werden kann – prima Diätfernsehkost für einen verkaterten Regennachmittag also, wenn man nichts Intelligentes erträgt.
Daß die Briten, wie so oft, auch hier wieder ein ganzes Stück weiter sind, beweist Jeremy Clarksons ganz anders funktionierende Autoshow »Top Gear«, die in Deutschland via Satellit oder Kabel auf BBC World zu sehen ist. In kurzweiligen 25 Minuten geht es zwar auch um Autos und Vergleiche, aber diese lassen den ja gar nicht so nötigen Ernst meist vermissen: Da tritt z.B. ein Aston Martin DB5, vierzig Jahre nachdem er James Bond durch »Goldfinger« gefahren hat, noch mal gegen einen Jaguar E-Type an, und die Moderatoren prügeln die eminent teuren Vehikel bis an die Unfallgrenze über die Rennstrecke, nur um festzustellen, daß die noblen Hersteller damals bei Daten wie Leistung und Höchstgeschwindigkeit massiv geschummelt haben; ein andermal wird geprüft, ob man schneller mit einem Mercedeswagen und über Land in Oslo ist als mit der Fähre (mit dem Wagen, aber nur wegen schwerer See) bzw. ob’s rascher mit dem Flugzeug in die Schweiz geht oder eben doch mit dem Ferrari; oder es wird versucht, mit einem Kombi-Ford und einem fünffachen Überschlag ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Zu dieser automobilen Allotria paßt dann das erfreulich achtlos in eine nur notdürftig gestylte Halle gestellte Publikum, das die begeistert gewälzten Wettrennerlebnisse der Moderatoren mit demselben respektvollem Gegicker begleiten darf wie Grundschulkinder die Heldengeschichten der Pausenrabauken.
»This week, Jeremy declared himself dead, Richard tried to drown himself and James broke a speed limit«, informiert uns die Homepage, und auf dieser Spur zwischen lapidar ironisiertem Format und ganz eigentlichem, nämlich kindlichem Enthusiasmus fürs Spielzeug fährt die ganze Sendung. Das gefällt mir gut.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 9/2005)