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Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

Best Episodes ever!

Viel zu selten schreibe ich über gute dritte Staffeln von Sitcoms. Vielleicht liegt das daran, dass es nicht so viele davon gibt.

„Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011) aber hat gerade eine sensationelle dritte Staffel hingelegt, die ich einfach kurz bejubeln muss. Die Serie um zwei britische Drehbuchautoren in Hollywood ist nämlich in ihrem dritten Jahr deutlich besser als im durchwachsenen zweiten.

Immer noch sind Sean und Beverly Lincoln (Stephen Mangang und Tamsin Greig, seit „Green Wing“ ein Traumpaar der Britcom), die ambitionierten britischen Drehbuchautoren, in der Hollywood-Hölle gefangen, und der Grundkonflikt zwischen den Briten und den L.A.-spezifischen Fernseh-Amerikanern mit ultrafreundlicher Fassade und umso fieseren Intrigen funktioniert besser denn je

Aber die Autoren David Crane und Jeffrey Klarik haben sich wirklich übertroffen mit der Figur des Castor Sotto (Chris Diamantopoulos), der als vollkommen durchgeknallter neuer Senderchef neue Dimensionen des Wahnsinns erschließt: mal manisch, mal depressiv, aber immer unter (unbegründetem) Genieverdacht, der offenbar alle Top-Entscheider beim Fernsehen umgibt und ihre Untergebenen in willenlose Yes-Men verwandelt, die noch den größten Stuss abnicken. Bis ihr Chef von Männern in weißen Kitteln rausgetragen wird.

In Castor Sotto und Carol (Kathleen Rose Perkins), die ihm direkt unterstellt ist, ist das ganze Verhängnis für Sean und Beverley angelegt: denn Carol ist so hilflos wie bemüht, es allen recht zu machen, und mittlerweile mit Sean und Bev befreundet, aber den Launen Castor Sottos ausgeliefert — und das Dilemma zwischen Freundschaft und immer neuen Stöckchen, über die die Autoren springen müssen, kostet die dritte Staffel „Episodes“ bis zur Neige aus.

Und natürlich sind da noch die alten Konflikte: Matt LeBlanc, fehlbesetzte Hauptfigur in Bevs und Seans Serie, hat mit Bev geschlafen, Matt LeBlanc hat mit der blinden Frau des vorherigen Senderchefs geschlafen, und Matt LeBlanc schläft mit der Tochter von Morning Randolph (Mircea Monroe), der Hauptdarstellerin von „Pucks!“, der grässlichen Sitcom, die Sean und Bev schreiben (müssen). Sean wiederum hat mit Morning geschlafen, so dass Sean und Bev, deren Ehe in Trümmern liegt, zu einer Therapeutin müssen. Zu einer Sex-Therapeutin, wie die Briten leider zu spät erfahren, was zu einer der der lustigsten Folgen führt, denn nichts hassen Briten (im wirklichen Leben) mehr, als über Sex zu reden. (Therapeutin: „Beverley, was würde deine Vagina zu Sean sagen, wenn sie sprechen könnte?“ Bev (mit verstellter Stimme): „‚Hello, Sean…'“)

Mit anderen Worten: da hat jeder seine „Episodes“ (lies: „psychotischen Schübe“).

David Crane (Co-Creator und Autor von „Friends“) und Jeffrey Klarik haben, so berichtet Stephen Mangan, als Autoren das Standing, sich nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen, und so hat es ein bisschen länger gedauert, bis diese Staffel fertig war — aber das war es wirklich wert. Dass Crane und Klarik tatsächlich gut aufgestellt sind, ahnt man auch, wenn man die schön drastische Zeichnung all der US-Fernsehaffen sieht. „Episodes“ als britisch-amerikanische Coproduktion wiederum schafft den Spagat, sowohl ein englisches wie ein US-Publikum anzusprechen. Und mich.

Schön, dass schon vor Ausstrahlung dieser Season eine vierte in Auftrag gegeben worden ist.

Familienpest

28. November 2012 Keine Kommentare

Hier das Humorkritik-Spezial aus der aktuellen Titanic mit allen Kaufempfehlungen für’s Weihnachtsfest. Von einer mal abgesehen: Ich würde außer den Sitcoms natürlich jederzeit und dringlichst zu Stewart Lees neuer Stand Up-DVD „Carpet Remnant World“ raten. Ich habe das Programm im Januar in London gesehen, und es ist wieder mal sehr gut — sollte mich wundern, wenn die DVD schlechter wäre.

Es ist trüb und kalt geworden draußen vor der Tür, und das ist nicht nur der wirtschaftlichen Gesamtlage geschuldet, aber auch. Und so wie in Großbritannien das Wetter traditionell noch ein bißchen schlechter ist als hierzulande, so verhält es sich auch mit der Konjunktur: Sie ist auch auf der lustigen Insel nur noch mit viel Alkohol und einer stiff upper lip zu ertragen. Was sich durchaus in der Comedyproduktion niederschlägt.

Tatsächlich haben etliche britische Sitcoms des vergangenen Jahres die Wirtschaftskrise direkt oder indirekt thematisiert: in „The Café“ (Sky1) etwa arbeiten Großmutter, Mutter und Tochter in ihrem kleinen Promenaden-Kaffeehaus am Strand von Weston-super-Mare — bzw. arbeiten eben die meiste Zeit eher nicht, weil kaum noch Gäste kommen. Die jüngste Tochter des Café-Klans ist gerade aus London in ihre kleinstädtische Heimat zurückgekehrt, weil es als Kinderbuchautorin doch nicht geklappt hat, und genau dieses Motiv (hier bearbeitet von Craig Cash und Ralf Little, die schon mit „Royle Family“ Maßstäbe gesetzt haben) findet sich dieses Jahr in verblüffend vielen Sitcoms: die Rückkehr der Boomerang-Generation in ihr Elternhaus.

In „Parents“ (Sky1) ist es eine ganze Familie, nämlich Jenny (Sally Phillips), Nick und ihre Teenager-Kinder, die bei den Großeltern einziehen (müssen), nachdem sie ihren Job verloren hat und seine Geschäftsidee (ein Energydrink für Topmanager) nicht so richtig funktioniert, und in „Cuckoo“ (BBC3) ist es die gerade volljährige Tochter, die nach einem Gap Year aus Thailand zurückkommt — und ihren frisch angetrauten us-amerikanischen Hippiegatten Cuckoo (Andy Samberg, in den USA ein „Saturday Night Live“-Star) gleich mit einziehen lässt.

Der „IT Crowd“-Veteran Chris O’Dowd schließlich verlegt die Krise in seiner ersten eigenen Sitcom gleich dahin, wo sie historisch vertraut ist: ins Irland der späten Achtzigerjahre, wo der „Moone Boy“ (Sky1) Martin, 11, seine Kindheit mit zahllosen Geschwistern verbringt – und mit seinem unsichtbaren Freund (O’Dowd). Der gibt nicht immer kluge Ratschläge, steht Martin aber jederzeit für lange Gespräche zur Verfügung, ganz wie Martins gleichalten Nachbarskindern deren unsichtbare Freunde (u.a. Johnny Vegas als Wrestler). Eine brillante Idee, schön umgesetzt von O’Dowd als Autor, der eigenen Angaben zufolge etliche autobiographische Details verarbeitet hat, und Regisseur Declan Lowney, der mit „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) schon eine unsterbliche irisch-britische Sitcom in seinem Lebenslauf stehen hat. „Moone Boy“, mitproduziert von Steve Coogans Firma Baby Cow (Coogan hat auch einen Gastauftritt) ist herzlich warm und trotzdem höchst komisch — und hat in diesem Text die dringlichste Kaufempfehlung.

Fällt Ihnen eigentlich etwas auf? In der Tat: drei von vier Top-Sitcoms des Jahres 2012 stammen nicht von der BBC, sondern von Sky1. Tatsächlich mausert sich Rupert Murdochs Bezahlkanal in Großbritannien gerade zum Comedylieferant Nummer eins. Das dürfte vor allem auf Lucy Lumsden zurückzuführen sein, die den bis dahin praktisch gesichtslosen Sender als Head of Comedy direkt an die Spitze katapultiert hat. Lumsden war über zehn Jahre Programmchefin der BBC-Comedy, und sie hat es geschafft, überraschend viele überraschend prominente Comedians mitzunehmen, obwohl sie bei diesem bislang doch eher unsympathischen Sender nur noch von einer eingeschränkten Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Zu diesen Stars gehört auch Ruth Jones, Nebendarstellerin und Coautorin der BBC3-Erfolgssitcom „Gavin & Stacey“ (2007 – ’10). Jones hat mit „Stella“ (Sky1) das wohl beste ComedyDrama des Jahres lanciert: eine abermals von Wirschaftsdepressionen und Familienglück geprägte walisische Serie rund um eine alleinerziehende Mutter (Jones), deren Sohn (zu Beginn der Serie) im Gefängnis sitzt, deren Ex sich eine superprollige neue Flamme angelacht hat und deren beste Freundin und Schwägerin, Bestattungsunternehmerin Paula, stets ihre Blutalkoholwerte messen muß, bevor sie sich hinter das Steuer ihres Leichenwagens setzen kann. Wie „The Café“ und „Moone Boy“ zeichnet auch „Stella“ der realistische Stil und die genaue Charakterzeichnung aus; wie alle genannten Serien ist auch diese (für ComedyDramas ist das ohnehin die Regel) mit nur einer Kamera und ohne Livepublikum (also ohne Lacher) gedreht.

Daß kaum noch altmodische Multikamera-Sitcoms gedreht werden, ist fast ein bißchen schade: bei „Me And Mrs Jones“ (BBC1) hätten die Produzenten sonst vielleicht gleich gemerkt, daß die Gags längst nicht so gut sind, wie die Autoren vielleicht dachten. Diese britische Cougar-Variation spielt abermals mit einem Generationenkonflikt: die eigentlich fantastische Sarah Alexander („Coupling“, „Green Wing“) als alleinerziehende Mutter (ja, noch eine alleinerziehende Mutter) und der beste Freund ihres zwanzigjährigen Sohnes, Billy (der ebenso brillante Robert Sheehan, „Misfits“), machen das Leben vieler Menschen unnötig kompliziert, weil sie sich zueinander hingezogen fühlen. Tatsächlich aber glaubt man als Zuschauer keine Sekunde an diese Konstellation, schon weil Alexander tatsächlich alt genug sein könnte, um einen Sohn von 20 Jahren zu haben, aber viel jünger aussieht. Und so gibt es zwar einige hübsche Pointen (daß an der Schule etwa von einem alleinerziehenden Mann als „DILF“ die Rede ist), aber die Figurenzeichnung ist doch eher schwach. Und das, obwohl Autorinnen wie Produzentinnen (ja, eine rein weibliche Serie) es von „Smack The Pony“ und „Green Wing“ her noch besser wissen und können müßten.

Besser wissen und können müßte es auch Ricky Gervais: dessen Zwergen-Sitcom „Life’s Too Short“ (BBC2) mit Warwick Davis bemüht nicht nur abermals den mittlerweile wirklich antiquierten Mockumentary-Stil, sondern auch all die alten Peinlichkeits-Witze, die zwar hin und wieder noch funktionieren, meistens aber genauso flach fallen wie der kleinwüchsige Davis, wenn er aus seinem SUV steigt.

Wenn schon vorlaute Zwerge, dann doch bitte wie in „Spy“ (abermals Sky1), einer eher schnellen und schön bunten Agenten-Sitcom, in der Tim (Darren Boyd) wie die Jungfrau zum Kind plötzlich zu einem Job als Spion kommt, was er seinem äußerst dominanten zehnjährigen Sohn aber genausowenig anvertrauen kann wie seiner Ex. In der Folge darf Boyd seine bewährte John-Cleese-Komik mit viel unterdrückter Wut und Verblüffung spielen, die schon „Whites“ und „Green Wing“ sehr unterhaltsam gemacht hat, wenn er sich, seinem schwachen Charakter folgend, immer wieder der Autorität seines Bankerts unterwerfen muß. Darren Boyd ist es auch, der zusammen mit Stephen Mangan „Dirk Gently“ (BBC4) vor dem Totalreinfall bewahrt hat, obwohl aus der Douglas-Adams-Adaption von Howard Overman („Misfits“) doch etwas mehr zu machen gewesen wäre. Genau wie aus „A Touch of Cloth“ (ja doch, schon wieder Sky1), dem Versuch von Charlie Brooker, eine Art „Nackte Kanone“ auf britisch zu machen: diese zweiteilige Parodie auf praktisch alle englischen Krimiserien darf als zwar ambitioniert und streckenweise sogar recht lustig gelten, hat aber keinen so bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, daß ich sie zur Einkaufspriorität erklären würde. Ebensowenig wie Brookers zweite Serie des Jahres, „Black Mirror“ (Channel 4), die in drei Folgen (von je anderen Autoren) mediale Dystopien entwirft, finstere Science-Fiction-Medienkritik, die für Fans von Brookers bösem Humor womöglich taugen, aber eher nicht mehrheitsfähig sind.

Da würde ich doch all die Serien vorziehen, die in diesem Jahr eine schöne zweite, dritte oder vierte Staffel auf den Schirm gebracht haben: die zweite Season der Olympia-Sitcom „Twenty Twelve“ (BBC2/BBC4), der Puppen-Comedy „Mongrels“ (BBC3), der Sitcomautorensitcom „Episodes“ (BBC2/Showtime) oder die Specials des Uralt-Klassikers „Absolutely Fabulous“ (BBC1), „Ab Fab At 20“, die dieses Jahr gezeigt haben, dass das Comedykonzept von Jennifer Saunders auch zwanzig Jahre nach der ersten Folge noch tadellos funktioniert. Fast so alt ist die Figur des Alan Partridge (Steve Coogan), und auch seine neue Miniserie „Alan Partridge: Midmorning Matters“ (Sky Atlantic) macht Spaß und läßt darauf hoffen, daß der lange angekündigte Partridge-Kinofilm im nächsten Jahr endlich Formen annimmt. In diesem Sinne: Happy New Year!

Mehr „Episodes“

25. April 2012 9 Kommentare

Ab Juli wird die zweite Staffel von „Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011) ausgestrahlt, der erfolgreichen Sitcom rund um zwei britische Drehbuchautoren (Tamsin Greig und Stephen Mangan), die in Hollywood auf ihre Nemesis treffen (Matt LeBlanc als er selbst). Hier ist das jüngst veröffentlichte Poster dazu:

Die gute Nachricht: Hat Trick, die britische Produktionsfirma der Show, hat die zweite Staffel in 150 Länder weltweit verkauft, darunter Frankreich, Spanien, Japan, Griechenland, Israel, Russland, die Türkei, Neuseeland, Norwegen, Portugal und Schweden. Auch von Lateinamerika ist die Rede, von Afrika, den Benelux-Ländern, Mittel- und Osteuropa.

Die schlechte Nachricht: Welches Land fehlt in der Liste? — ‚türlich!

Dirk Gently

28. Februar 2012 2 Kommentare

Douglas Adams‘ Figuren, Howard „Misfits“ Overmans Buch, Stephen Mangan und Darren Boyd — da wird auch die ganze Staffel ein Knaller, schätze ich. Und freu mich schon drauf: „Dirk Gently“, Series 2, BBC4, ab dem 19. März 5. März.

https://www.youtube.com/watch?v=H5FLwkNX264?version=3&hl=de_DE

UPDATE: Ich hatte mich etwas verwirren lassen von der Zählung der BBC, die den Piloten von 2010 als „Episode 0“ zählt und die nächsten drei Folgen als erste Staffel deklariert. Darum stimmte natürlich auch der Titel dieses Eintrags nicht mehr, der von einer 2. Staffel ausging. Klar, eine einzige Folge macht noch keine Serie…

The Episodes of „Free Agents“

24. September 2011 2 Kommentare

„Episodes“ (Showtime/BBC2, 2011) war die Sitcom-Aufarbeitung eines Traumas, das britische Fernsehschaffende davontragen, wenn ihre (britische) Erfolgsserie in den USA reproduziert wird: Dann werden grundfalsche Hauptdarsteller besetzt (in „Episodes“ war es Matt LeBlanc als gesetzter Internats-Leiter) und Nichtskönner in Nebenrollen, der Ton ändert sich (und zwar eher selten in Richtung sophistication), und überhaupt stimmt nichts mehr. Aber alle (Briten) machen alles mit, weil sie sich viel Geld und gute Nachfolgeaufträge in Amerika versprechen.

„Free Agents“ (Channel 4, 2009) war eine britische Sitcom, in der Stephen Mangan (mhm, der aus „Episodes“) und Sharon Horgan zwei Schauspiel-Agenten gaben, deren Leben aus verschiedenen Gründen in Trümmern lag, die aber trotzdem (oder deswegen) eine On-and-off-Beziehung pflegten, welche vom Zynismus ihres Arbeitsplatzes und der Kaputtheit ihres Privatlebens geprägt war. Ihm kamen postkoital gerne die Tränen, wenn er an seinen bei der Mutter lebenden Sohn dachte, sie hatte noch immer zwei Dutzend große Porträts ihres toten Verlobten in der Wohnung aufgehängt. Eine böse, kleine Serie mit dunkler Grundstimmung und ohne großen Publikumserfolg, produziert von Nira Park („Spaced“, „Black Books“).

https://www.youtube.com/watch?v=c1Mf93_2Hq0?version=3&hl=de_DE

Nira Park ist auch bei dem US-Remake von „Free Agents“ (NBC, 2011) mit an Bord, ebenso Christopher Anthony Head, der abermals den Agenturboß spielen darf. Die Hauptrollen aber sind gegangen an Hank Azaria („The Simpsons“) als Alex und Kathryn Hahn als Helen; Chris Niel, Autor des Originals, tritt hier als Co-Creator und Producer an. Der Rest ist wie bei „Episodes“ beschrieben: Alle strengen sich an, so gut sie können in unterschiedliche Richtungen zu ziehen, und das Ergebnis ist schauderlich.

Das beginnt bei der Hauptfigur: Hank Azaria ist nicht ganz zehn Jahre älter als Mangan. Sein Alex wirkt wie ein durchtrainierter Fünfzigjähriger mit dichtem, dunkel gefärbtem Haar — durch und durch dominant und insofern das genaue Gegenteil von Mangans Alex, der eher unsicher war und mit Mitte dreißig immer noch der ewige Nachwuchs, der niemals in die Chefetage aufrücken wird. Tatsächlich darf Azaria schon in der ersten Folge seine beeindruckenden Brustkorb oben ohne herzeigen — ein Schelm, wer immer noch nicht an LeBlanc denkt.

Dafür ist seine Partnerin Helen praktisch durchsichtig: mit Kathryn Hahn funkt aber mal so gar nichts. Auch zwischen Horgan und Mangan funkte es zu Beginn der Serie wie zwischen einem Handtuch und einem nassen Waschlappen, aber immerhin war so viel Chemie zwischen den Figuren vorhanden, daß es regelmäßig Momente gab, in denen man es sich wenigstens vorstellen konnte, daß das funktionieren könnte: In den Dialogen, in kleinen Gesten, die vermutlich schwierig zu spielen sind, aber hey, dafür werden Schauspieler ja bezahlt. Zwischen Azaria und Hahn aber ist nur Vakuum, und das ist vorwiegend: ziemlich langweilig. Dafür ist das Agentur-Brimborium aufgeblasener als in England — schließlich sind wir ja in den Vereinigten Staaten, wo bekanntlich alles größer, toller und lustiger ist.

Nun produziert Azaria das Ganze auch, nicht zuletzt deswegen wird er (sich) da so in Szene gesetzt (haben), und das macht „Episodes“ (US) noch unerträglicher: Daß man so mit der Nase drauf gestoßen wird, daß da kein Underdog, kein Verlierer am Ende doch noch eine Chance kriegt (oder auch nicht). Sondern daß sich abermals ein US-Comedian, der vermutlich genügend Geschmack und Geld hat, um britische Comedy zu goutieren und dann auch noch kaufen zu können, eine weitere Britcom unter den Nagel gerissen hat.

Nun, uns bleibt ja noch das Original. Das ist übrigens neulich bei ZDF neo gelaufen und wird deshalb im November auf deutsch auf DVD erscheinen.