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Artikel Tagged ‘Steve Coogan’

How do you finger a minor?

19. Juni 2013 2 Kommentare

In letzter Zeit habe ich Ricky Gervais‘ Output nicht mehr regelmäßig verfolgt, und „Derek“ (Channel 4, 2012) würde ich nur ansehen, wenn mich jemand mit Waffengewalt dazu zwingt. Umso dankenswerter, dass Murmel mir gerade diese kleine Clip-Reihe auf YouTube empfohlen hat: „Learn Guitar With David Brent“. Läuft seit vier Wochen, erschienen sind bislang drei Fünfminüter.

David Brent ist nach wie vor die beste, tiefste, detaillierteste Figur von Ricky Gervais; alleine für den leeren Blick, wenn er sich mal wieder in Widersprüche verheddert hat, und für sein unsicheres Kichern liebe ich diese Figur. Hier ist der dritte Clip, in dem es noch weniger ums Gitarrelernen geht als in den ersten beiden, sondern fast nur noch um Fragen von Fans („How do you finger A minor?“):

Wenn es nach mir ginge, könnte Gervais im Laufe des nächsten Jahres mal einen Spielfilm mit David Brent im Mittelpunkt machen, so wie es Steve Coogan gerade mit Alan Partridge vormacht: dessen „Alpha Papa“ kommt im Sommer, und der Trailer sieht tatsächlich verheißungsvoll aus.

Colossal Velocity

20. April 2013 2 Kommentare

Der erste Teaser-Trailer für Steve Coogans Alan-Partridge-Kinofilm ist da! Und nein, der Film wird nicht „Colossal Velocity“ heißen, obwohl mir dieser Titel auch gut gefallen hätte, sondern „Alpha Papa“. Nach den tollen letzten Specials „Alan Partridge: Welcome to the Places of My Life“ und „Alan Partridge on Open Books with Martin Bryce“ (seit kurzem auf DVD erhältlich und ein Must Have für jeden Britcoms-Fan) hätte ich selbst dann große Erwartungen an den Film, wenn sie ihn „Alan Partridge in Hectic Danger Day“ genannt hätten.

Die Dreharbeiten sind abgeschlossen, gerade schneiden sie (laut Coogan) alle unlustigen Szenen raus und lassen nur die lustigen drin, und im August kommt „Alpha Papa“ dann ins Kino. Gehen soll es um eine Geiselnahme, in deren Mittelpunkt Alan stehen wird, ein paar Stills gibt es bei Digital Spy.

Familienpest

28. November 2012 Keine Kommentare

Hier das Humorkritik-Spezial aus der aktuellen Titanic mit allen Kaufempfehlungen für’s Weihnachtsfest. Von einer mal abgesehen: Ich würde außer den Sitcoms natürlich jederzeit und dringlichst zu Stewart Lees neuer Stand Up-DVD „Carpet Remnant World“ raten. Ich habe das Programm im Januar in London gesehen, und es ist wieder mal sehr gut — sollte mich wundern, wenn die DVD schlechter wäre.

Es ist trüb und kalt geworden draußen vor der Tür, und das ist nicht nur der wirtschaftlichen Gesamtlage geschuldet, aber auch. Und so wie in Großbritannien das Wetter traditionell noch ein bißchen schlechter ist als hierzulande, so verhält es sich auch mit der Konjunktur: Sie ist auch auf der lustigen Insel nur noch mit viel Alkohol und einer stiff upper lip zu ertragen. Was sich durchaus in der Comedyproduktion niederschlägt.

Tatsächlich haben etliche britische Sitcoms des vergangenen Jahres die Wirtschaftskrise direkt oder indirekt thematisiert: in „The Café“ (Sky1) etwa arbeiten Großmutter, Mutter und Tochter in ihrem kleinen Promenaden-Kaffeehaus am Strand von Weston-super-Mare — bzw. arbeiten eben die meiste Zeit eher nicht, weil kaum noch Gäste kommen. Die jüngste Tochter des Café-Klans ist gerade aus London in ihre kleinstädtische Heimat zurückgekehrt, weil es als Kinderbuchautorin doch nicht geklappt hat, und genau dieses Motiv (hier bearbeitet von Craig Cash und Ralf Little, die schon mit „Royle Family“ Maßstäbe gesetzt haben) findet sich dieses Jahr in verblüffend vielen Sitcoms: die Rückkehr der Boomerang-Generation in ihr Elternhaus.

In „Parents“ (Sky1) ist es eine ganze Familie, nämlich Jenny (Sally Phillips), Nick und ihre Teenager-Kinder, die bei den Großeltern einziehen (müssen), nachdem sie ihren Job verloren hat und seine Geschäftsidee (ein Energydrink für Topmanager) nicht so richtig funktioniert, und in „Cuckoo“ (BBC3) ist es die gerade volljährige Tochter, die nach einem Gap Year aus Thailand zurückkommt — und ihren frisch angetrauten us-amerikanischen Hippiegatten Cuckoo (Andy Samberg, in den USA ein „Saturday Night Live“-Star) gleich mit einziehen lässt.

Der „IT Crowd“-Veteran Chris O’Dowd schließlich verlegt die Krise in seiner ersten eigenen Sitcom gleich dahin, wo sie historisch vertraut ist: ins Irland der späten Achtzigerjahre, wo der „Moone Boy“ (Sky1) Martin, 11, seine Kindheit mit zahllosen Geschwistern verbringt – und mit seinem unsichtbaren Freund (O’Dowd). Der gibt nicht immer kluge Ratschläge, steht Martin aber jederzeit für lange Gespräche zur Verfügung, ganz wie Martins gleichalten Nachbarskindern deren unsichtbare Freunde (u.a. Johnny Vegas als Wrestler). Eine brillante Idee, schön umgesetzt von O’Dowd als Autor, der eigenen Angaben zufolge etliche autobiographische Details verarbeitet hat, und Regisseur Declan Lowney, der mit „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) schon eine unsterbliche irisch-britische Sitcom in seinem Lebenslauf stehen hat. „Moone Boy“, mitproduziert von Steve Coogans Firma Baby Cow (Coogan hat auch einen Gastauftritt) ist herzlich warm und trotzdem höchst komisch — und hat in diesem Text die dringlichste Kaufempfehlung.

Fällt Ihnen eigentlich etwas auf? In der Tat: drei von vier Top-Sitcoms des Jahres 2012 stammen nicht von der BBC, sondern von Sky1. Tatsächlich mausert sich Rupert Murdochs Bezahlkanal in Großbritannien gerade zum Comedylieferant Nummer eins. Das dürfte vor allem auf Lucy Lumsden zurückzuführen sein, die den bis dahin praktisch gesichtslosen Sender als Head of Comedy direkt an die Spitze katapultiert hat. Lumsden war über zehn Jahre Programmchefin der BBC-Comedy, und sie hat es geschafft, überraschend viele überraschend prominente Comedians mitzunehmen, obwohl sie bei diesem bislang doch eher unsympathischen Sender nur noch von einer eingeschränkten Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Zu diesen Stars gehört auch Ruth Jones, Nebendarstellerin und Coautorin der BBC3-Erfolgssitcom „Gavin & Stacey“ (2007 – ’10). Jones hat mit „Stella“ (Sky1) das wohl beste ComedyDrama des Jahres lanciert: eine abermals von Wirschaftsdepressionen und Familienglück geprägte walisische Serie rund um eine alleinerziehende Mutter (Jones), deren Sohn (zu Beginn der Serie) im Gefängnis sitzt, deren Ex sich eine superprollige neue Flamme angelacht hat und deren beste Freundin und Schwägerin, Bestattungsunternehmerin Paula, stets ihre Blutalkoholwerte messen muß, bevor sie sich hinter das Steuer ihres Leichenwagens setzen kann. Wie „The Café“ und „Moone Boy“ zeichnet auch „Stella“ der realistische Stil und die genaue Charakterzeichnung aus; wie alle genannten Serien ist auch diese (für ComedyDramas ist das ohnehin die Regel) mit nur einer Kamera und ohne Livepublikum (also ohne Lacher) gedreht.

Daß kaum noch altmodische Multikamera-Sitcoms gedreht werden, ist fast ein bißchen schade: bei „Me And Mrs Jones“ (BBC1) hätten die Produzenten sonst vielleicht gleich gemerkt, daß die Gags längst nicht so gut sind, wie die Autoren vielleicht dachten. Diese britische Cougar-Variation spielt abermals mit einem Generationenkonflikt: die eigentlich fantastische Sarah Alexander („Coupling“, „Green Wing“) als alleinerziehende Mutter (ja, noch eine alleinerziehende Mutter) und der beste Freund ihres zwanzigjährigen Sohnes, Billy (der ebenso brillante Robert Sheehan, „Misfits“), machen das Leben vieler Menschen unnötig kompliziert, weil sie sich zueinander hingezogen fühlen. Tatsächlich aber glaubt man als Zuschauer keine Sekunde an diese Konstellation, schon weil Alexander tatsächlich alt genug sein könnte, um einen Sohn von 20 Jahren zu haben, aber viel jünger aussieht. Und so gibt es zwar einige hübsche Pointen (daß an der Schule etwa von einem alleinerziehenden Mann als „DILF“ die Rede ist), aber die Figurenzeichnung ist doch eher schwach. Und das, obwohl Autorinnen wie Produzentinnen (ja, eine rein weibliche Serie) es von „Smack The Pony“ und „Green Wing“ her noch besser wissen und können müßten.

Besser wissen und können müßte es auch Ricky Gervais: dessen Zwergen-Sitcom „Life’s Too Short“ (BBC2) mit Warwick Davis bemüht nicht nur abermals den mittlerweile wirklich antiquierten Mockumentary-Stil, sondern auch all die alten Peinlichkeits-Witze, die zwar hin und wieder noch funktionieren, meistens aber genauso flach fallen wie der kleinwüchsige Davis, wenn er aus seinem SUV steigt.

Wenn schon vorlaute Zwerge, dann doch bitte wie in „Spy“ (abermals Sky1), einer eher schnellen und schön bunten Agenten-Sitcom, in der Tim (Darren Boyd) wie die Jungfrau zum Kind plötzlich zu einem Job als Spion kommt, was er seinem äußerst dominanten zehnjährigen Sohn aber genausowenig anvertrauen kann wie seiner Ex. In der Folge darf Boyd seine bewährte John-Cleese-Komik mit viel unterdrückter Wut und Verblüffung spielen, die schon „Whites“ und „Green Wing“ sehr unterhaltsam gemacht hat, wenn er sich, seinem schwachen Charakter folgend, immer wieder der Autorität seines Bankerts unterwerfen muß. Darren Boyd ist es auch, der zusammen mit Stephen Mangan „Dirk Gently“ (BBC4) vor dem Totalreinfall bewahrt hat, obwohl aus der Douglas-Adams-Adaption von Howard Overman („Misfits“) doch etwas mehr zu machen gewesen wäre. Genau wie aus „A Touch of Cloth“ (ja doch, schon wieder Sky1), dem Versuch von Charlie Brooker, eine Art „Nackte Kanone“ auf britisch zu machen: diese zweiteilige Parodie auf praktisch alle englischen Krimiserien darf als zwar ambitioniert und streckenweise sogar recht lustig gelten, hat aber keinen so bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, daß ich sie zur Einkaufspriorität erklären würde. Ebensowenig wie Brookers zweite Serie des Jahres, „Black Mirror“ (Channel 4), die in drei Folgen (von je anderen Autoren) mediale Dystopien entwirft, finstere Science-Fiction-Medienkritik, die für Fans von Brookers bösem Humor womöglich taugen, aber eher nicht mehrheitsfähig sind.

Da würde ich doch all die Serien vorziehen, die in diesem Jahr eine schöne zweite, dritte oder vierte Staffel auf den Schirm gebracht haben: die zweite Season der Olympia-Sitcom „Twenty Twelve“ (BBC2/BBC4), der Puppen-Comedy „Mongrels“ (BBC3), der Sitcomautorensitcom „Episodes“ (BBC2/Showtime) oder die Specials des Uralt-Klassikers „Absolutely Fabulous“ (BBC1), „Ab Fab At 20“, die dieses Jahr gezeigt haben, dass das Comedykonzept von Jennifer Saunders auch zwanzig Jahre nach der ersten Folge noch tadellos funktioniert. Fast so alt ist die Figur des Alan Partridge (Steve Coogan), und auch seine neue Miniserie „Alan Partridge: Midmorning Matters“ (Sky Atlantic) macht Spaß und läßt darauf hoffen, daß der lange angekündigte Partridge-Kinofilm im nächsten Jahr endlich Formen annimmt. In diesem Sinne: Happy New Year!

Der phänomenale Tony Ferrino

21. November 2012 6 Kommentare

Wie alt diese phänomenale One-Man-Show ist, bemerkt man sofort an der lausigen Bildqualität der DVD: ein schlechteres Bild habe ich lange nicht gesehen. Macht aber nichts, das passt irgendwie sogar ganz gut zu Steve Coogans One-Off-Show „The Tony Ferrino Phenomenon“ (BBC2, 1997, dieses Jahr erstmals auf DVD erschienen). Denn diese 60-Minuten-Show ist eine Parodie auf das Dinosaurierfernsehen der guten alten Zeit, als Leute wie Peter Alexander allein mit ihrer „Personality“ ganze Sendungen bestreiten durften. Hier ist es die (gemessen an Alan Partridge) kurzlebige Figur des portugiesischen Crooners Tony Ferrino, die Steve Coogan zum Leben erweckt; ein Entertainer der klassischen Schule — Andy Williams und Tom Jones lassen grüßen; von letzterem ist sogar ein Song im Repertoir Tony Ferrinos: „Help Yourself“. Doch den Rest der Show bestreitet Coogan mit exklusiven Songs bzw. Songparodien vor Livepublikum, und davon ist eine lustiger als die andere. Weil Coogan schon damals ein Star war in England, hat er auch bei dieser Produktion prominente Unterstützung: ein Duett mit Mick Hucknall und eines mit Kim Wilde sind mit dabei. Weil der Großteil ohnehin bei YouTube steht: bittesehr.

(Wer Björk lieber mag als Kim Wilde: es gibt auch eine Version mit ihr, für den Comic Relief 1997.)

Zwischen die Live-Songs erzählt uns die Show den Werdegang Tony Ferrinos: wie er als Sohn eines Geheimpolizisten in Portugal groß wurde und sein Vater oft kleine Geschenke von der Arbeit mit nach Hause brachte: Herrenarmbanduhren oder Herrenschuhe. Wie er mit seinen beiden Brüdern erste Songs fürs portugiesische Fernsehen einspielte. Seine zahlreichen Frauenabenteuer und vier Ehen. Und dann der große Durchbruch beim Eurovision Song Contest mit seiner Band Papa Bendi und ihrem Superhit „Papa Bendi“ — auch der natürlich bei YouTube:

leider offline

Von den vielen schmierlappigen Figuren, die Coogan im Laufe seiner Karriere gespielt hat, ist Tony Ferrino vielleicht die schmierlappigste: ohnehin nie um eine zotige Anspielung verlegen (natürlich gedeckt durch die südeuropäisch-machistische Natur Ferrinos), ist Ferrino hin und wieder auch absichtslos anstößig, weil des Englischen nicht ganz mächtig, oder einfach unbritisch angeberhaft, was ja immer lustig ist — etwa wenn er in einem Lied über sein Leben singt, mit welchen Prominenten er schon Skifahren war oder Sex hatte: „I can borrow Sting’s Tuscany farmhouse any time that I want.“

Eine halbe Stunde Interview-Porträt über Ferrino rundet die DVD schön ab; das ist nicht etwa Bonusmaterial, sondern Bestandteil des Werks, und dementsprechend nicht zugabenlustig, sondern genauso komisch wie die Show selbst. Hier wie bei den Songs, die allesamt ihre Form wahren, den Rahmen ernstnehmen und deswegen als Songs funktionieren (ganz ähnlich wie bei Peter Kays phantastischem „Britain’s Got The Pop Factor… and Possibly a New Celebrity Jesus Christ Soapstar Superstar Strictly on Ice“, Channel 4, 2008) merkt man, wie genau es Coogan mit Details nimmt, und wie wichtig es ist, solche Figuren und Rollen straight zu spielen und ohne jedes Augenzwinkern, das die Illusion bräche.

Obwohl die meisten Songs online sind (eine gütige BBC lässt offenbar nicht löschen; vielen Dank, BBC!), empfehle ich selbstverständlich die DVD zu kaufen (die mit £ 6.49 auch gewiss nicht zu teuer ist); ich selbst werde mir zu Weihnachten womöglich die CD des „loving latino“ zulegen, mal sehen. Apropos Weihnachten: auch ein Weihnachtssong ist in der Show. Hier ist er. Merry Christmas!

… leider ebenfalls nicht mehr online.

Der unsichtbare Zweite

17. September 2012 7 Kommentare

Es gibt Sitcoms, die haben eine so gute Grundidee, dass man sich in ihnen sofort zuhause fühlt. Eine Idee, die so brillant ist, dass sie naheliegend erscheint (obwohl dann ja auch schon mal jemand anderes hätte draufkommen können). Wenn diese Idee dann auch noch so schön umgesetzt ist, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, genau diese Serie hätte man lange vermisst, obwohl man sie noch gar nicht gesehen hat —

dann könnte es sich um Chris O’Dowds „Moone Boy“ handeln (gerade angelaufen bei Sky1, die einmal mehr ein Händchen für Comedy beweisen). „Moone Boy“ erzählt die Geschichte einer Kindheit: Martin ist elf und hat, wie viele Kinder, einen unsichtbaren Freund. Unsichtbar aber nur für die Menschen in der Story; wir können ihn durchaus sehen: Es ist Sean (Chris O’Dowd, „The IT Crowd“), der ihm immer zur Seite steht. Mal mit klugen, mal mit weniger klugen Ratschlägen, manchmal nur, um allzu derbe Schimpfworte mit seinem Banjo zu übertönen. Einmal hilft er Martin (David Rawle) bei einem Liebesbrief: „You smell even nicer than…“ — „Crisps.“ („I smell like crisps?“ fragt später die Adressatin. Martin: „Nicer!“) Und Sean ist genauso uncool wie Martin, das sieht man schon daran, dass sie beide die gleiche schlimme Wollmütze tragen.

Patina erhält „Moone Boy“ dadurch, dass es ins Irland der Achtziger verlegt ist; es ist nämlich tatsächlich halb autobiographisch von O’Dowd angelegt, und obwohl die Zeiten rau sind (wann waren sie das nicht in Irland) und die Schulkameraden von Martin sich als echte Bullies erweisen, sind ihre Väter das genaue Gegenteil: der Vater der Bullies, von Martins Dad zur Rede gestellt, erweist sich als Softie, mit dem sich gut trinken und Karten spielen lässt, was Martin nicht weiterhilft, aber der ersten Folge zu vielen Lachern Anlass gibt: Immer mehr butterweiche und überforderte Väter schließen sich zusammen, tun so, als ob sie Angeln oder Karten spielen, sind aber in Wirklichkeit echte Herzchen („Be dad, not sad!“), die sich von ihren Kindern herumschubsen lassen. Etwa wenn sie gerne ihr „Water-Colouring Programme“ (was auch immer das sein soll) sehen wollen, die Kinder aber „Dynasty“ gucken möchten: „Switch over please!“ versucht Martins Dad vor versammelter Vätermannschaft sich gegen einen älteren Sohn durchzusetzen. „No Dad, Dynasty’s on!“ gibt der zurück, und „I think we should leave“ wispert sofort einer der eingeschüchterten Väter den anderen zu.

Zwar habe ich mich nicht wenig gewundert, als schon in der zweiten Folge Sean, der unsichtbare Freund, gar nicht richtig eingesetzt wurde; womöglich ist er in der Rolle des Sidekicks aber schon ganz gut aufgehoben. Dafür hatte Steve Coogan einen sehr guten Auftritt, und auch Johnny Vegas soll sich noch im Verlauf der Serie blicken lassen. Die ist mitproduziert von Baby Cow und wagt sich an nichts weniger als die Nachfolge von „Father Ted“ (1995 – ’98, Channel 4), unternimmt also den Versuch, genauso warm und komisch zu sein wie das große irisch-englische Vorbild. „Feck off, ducks!“ ruft Martin einmal, als ob es das father ted’sche Schimpfwort in den Achtzigern schon gegeben hätte.*

Diese Latte liegt hoch, aber „Moone Boy“ ist so schlafwandlerisch sicher im Ton, so eigenständig und rund, dass es sicher das Zeug zum kleinen Bruder von „Father Ted“ hat. Den Regisseur teilen sich die Serien jedenfalls: Declan Lowney, den sich Coogan auch als Regisseur des kommenden Alan Partridge-Films (2013 ist es so weit) ausgesucht hat.

* Tatsächlich gibt es „feck“ als (milderen) Ersatz für „fuck“ wohl schon länger, „Father Ted“ hat dem Wort nur größere Bekanntheit auch außerhalb von Irland eingebracht. Zumindest „feck off“ dürfte allerdings  trotzdem eine Anspielung auf „Father Ted“ sein.

Flying AIDS

28. Juni 2012 11 Kommentare

Es ist aus mindestens zwei Gründen schön, Steve Coogan abermals als Alan Partridge in „Alan Partridge: Welcome to the Places of My Life“ (Sky Atlantic) zu sehen. Zum einen, weil sich Sky durch immer mehr Comedy profiliert und so die Missgeschicke der BBC wenigstens ein wenig aufwiegt. Zum anderen, weil man über die letzten zehn Jahre befürchten musste, Steve Coogan sei seine Paraderolle als gleichermaßen narzisstischer wie unsicherer Fernseh- und Radiomoderator leid — die letzte ganze TV-Serie mit Alan in der Hauptrolle lief immerhin schon 2002 (die zweite Staffel „I’m Alan Partridge“, BBC2). In den Jahren danach sah es so aus, als würde Coogan vor seinem immensen Erfolg in Großbritannien, der hauptsächlich auf Alan Partridge beruhte, geradezu weglaufen. Der Durchbruch in den USA blieb ihm, der schon als Nachfolger Peter Sellers‘ gehandelt wurde, allerdings verwehrt; über ein paar Nebenrollen in großen Filmen (etwa in „Around the World in 80 Days“, 2004, neben Jackie Chan, und den beiden „Night at the Museum“-Filmen 2006 und 2009) und Hauptrollen in kleineren Filmen („Hamlet 2“, 2008) ging seine US-Karriere nicht hinaus.

Doch nun scheinen Coogan und Alan zurück zu sein: seine jüngste Miniserie „Mid Morning Matters With Alan Partridge“ (2010), ursprünglich von einem Hersteller entfernt bierähnlicher Flüssigkeit fürs Internet gedreht und schließlich vom Fernsehsender Sky übernommen, war vielversprechend, allerdings in erkennbar kleinem Rahmen produziert. Das einstündige One-Off „Welcome to the Places of My Life“ aber zeigt: Alan ist zurück. Und wie!

Netto gute vierzig Minuten lang begleiten wir Alan hier durch die Stadt, wo er, der frühere BBC-Fernsehmoderator, nun bei einem InternetDigitalradiosender ganz unten angekommen ist: in Norwich, tief in der ostenglischen Provinz („the Wales of the east“). Klar, die Wege sind viel kürzer dort als in London, und so kann Alan nach seiner Arbeit (also am frühen Nachmittag) schnell mal ins Leisure Center, um ein paar Bahnen zu schwimmen — ein herrliches Leben will Alan uns da vorgaukeln; in Wirklichkeit aber ist alles erbärmlich und mitleiderregend. Wo nicht peinlich, etwa wenn Alan uns die City Hall zeigt mit den zwei „Nazi-Hunden“ davor und davon berichtet, wie Hitler angeblich Norwich schon ausgesucht hatte als Ort für seine erste Ansprache an die Briten nach dem Sieg der Deutschen über England. Wenn Alan uns auf dem Markt erklärt, was diese Pest war, unter der die Stadt zu leiden hatte: eine tödliche Seuche, aber nicht wie HIV durch Küssen übertragbar, sondern durch die Luft: „Flying Aids!“ Oder wenn Alan ausführlich einen Landrover „probefährt“, um ihn möglichst prominent in die Dokumentation einzubauen — schließlich spekuliert er ganz offen, dass Prominenten ja hin und wieder Fahrzeuge geschenkt würden, nachdem sie sie probegefahren haben. Dumm nur, dass der Boss des Autohändlers keine Ahnung hat, wer Alan Partridge überhaupt ist.

Dabei produziert Alan, so die Fiktion, sogar seine Dokumentation selbst, die von Anfang an als „Pear Tree Production“, „written by Alan Partridge“, „starring Alan Partridge“ firmiert. Und in der, ganz der ungeschickten Eitelkeit ihres Protagonisten entsprechend, sich etliche komische Produktionsfehler finden. Etwa wenn ein alter Priester, der den örtlichen Friedhof vorstellt, so langsam spricht, dass Alan ihn erst anfährt, schneller zu sprechen, und dann im Schnitt erkennbar alle Pausen herausschneidet, oder wenn Alan bei einem Interview im Schwimmbecken beim Wassertreten die Luft ausgeht und man schnell bemerkt, dass er seine Fragen offenbar nachgedreht hat, diesmal sicher stehend und souverän, und nicht gurgelnd und plantschend, wie man ihn bei den Antworten seiner Interviewpartnerin im Hintergrund hört.

Wenige Figuren altern so gut wie Alan (Edina und Patsy aus „Ab Fab“ wären ein Beispiel für zwei andere Figuren, denen ihr Älterwerden gut steht), und so ausgelutscht das Genre der Mockumentary insgesamt ist, so brillant funktioniert es immer noch für Coogan und Armando Iannucci, der auch hier wieder mit im Team war. Und kaum eine Figur zeigt so fantastisch wie Alan Partridge, was britische von us-amerikanischer Comedy unterscheidet: nämlich die Charakterzeichnung, aus der hier Komik entsteht; viel mehr als aus einzelnen nacherzählbaren Gags. Das ist es, was englischen Sitcoms ihre Tiefe verleiht: dass man Figuren wie Alan Partridge so gut kennt, dass ihr unangemessenes Verhalten im Umgang mit ihren Mitmenschen einen tatsächlich berührt. Sei es, dass Alan aus dem Auto heraus einen anderen Verkehrsteilnehmer anschreit, von dem sich erst später herausstellt, dass er eine Oma auf dem Fahrrad war, sei es, dass Alan einen Gemüsehändler beleidigt ob seines schlichten Jobs, um dann in eben diesem Job vor der Kamera sofort zu scheitern. Charakter-Comedy und der kalte, ja böse Umgang mit ihren Protagonisten, das ist das britische Rezept für Komik, das süchtig machen kann.

„Welcome to the Places of My Life“ macht vor allem eines: Lust auf den Spielfilm mit Alan, um den es schon seit Ewigkeiten Gerüchte gibt und der jetzt endlich auch offiziell angekündigt worden ist. Für August 2013.